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EM2021

Endstand im Tippspiel

nach 64 von 64 Spielen

Platz           Name          Punkte
 
1
2
3
4
5

6
7
8
9

11


14
15
16

18
19

21

23


26
27

29
30
31
32
33
34
35

37
Bernd Christoph
Henning Bauch
Ingo Bergmann
S. & K. Taldenkov(a)
Michaela Bessmann

Azzedin Ait Brahim
Robert Spielhagen
Jan Scholten
Bent Stobbe
Christina Kayma
Stefan Wetzel
Sven Geletneky
Torben Struve
Niklas Menke
Imke Bergmann
Ruediger Stein
David Wangner
Stephanie Stamm
Nicole Biebow
Annette Christoph
John Reijmer
Martin Kordowski
Jeroen Groeneveld
Michel Stobbe
Tim Stobbe
Claudia Didié
Martin Frank
Jörn Geletneky
Kirsten Fahl
Tobias Christoph
Dieter Piepenburg*
Roland Friedl-Schulz
Jan-Malte Wolfsdorf
Hanno Kinkel
Johann Klages
Jörg Geldmacher
Kai Didié
133
131
124
123
121

119
118
117
115
115
114
114
114
113
112
111
111
110
109
109
108
108
106
106
106
103
102
102
101
97
92
91
85
84
80
80
78
 
* Keine Hauptrundentipps abgegeben, keine Wertung für die Rote Laterne

Tipps für das Spiel Fankreich-Dänemark wurden nicht gewertet; siehe Email


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WM-Kommentar vom 21.12.2022

Geschafft. Diese bei korrupten Funktionären der FIFA gekaufte, mitten in der Saison in der Vorweihnachtszeit in einem stinkreichen Wüstenkleinstaat ohne Fußballtradition ausgetragene blutgetränkte Weltmeisterschaft ist vorbei. Hoffen wir, dass uns so etwas Ähnliches nie wieder unterkommt.

Finale und Ausblick

Es gibt jetzt mit Argentinien einen neuen, würdigen Weltmeister. Bei allem Respekt vor den individuellen Qualitäten der französischen Spieler: Es wäre doch wirklich schade gewesen, wenn Didier Deschamp und die Equipe Tricolore mit rein zweckorientiertem Verwaltungsfußball erneut den Titel errungen hätten. Ja, ich weiß: Im Fußball gewinnt nicht immer die bessere Mannschaft. Das ist auch gut so, denn es ermöglicht diese Sensationen, von denen die Sieger noch ihren Enkeln erzählen: Wir hatten keine Chance, aber wir haben sie genutzt! Doch wer den schönen, angriffsorientierten Fußball liebt, der muss es den Argentiniern gönnen, dass sie jetzt den Pokal nach Südamerika mitnehmen. [Fun fact: Der Original-WM-Pokal geht gar nicht mit über den Atlantik. Per Mertesacker hat mal in einem Podcast erzählt, dass der deutschen Mannschaft das Original nach dem Sieg in Rio 2014 bereits in der Kabine von einem FIFA-Funktionär wieder abgenommen und gegen eine schnöde Kopie ausgetauscht wurde.]

80 Minuten lang schoss der Titelverteidiger nicht mal aufs gegnerische Tor; der Anschlusstreffer durch Mbappés Elfmeter war der erste Schuss überhaupt auf den Kasten von Martinez. Kann man mit so einer Spielweise wieder  Weltmeister werden? Ja, kann man, und darf man sogar. Aber gute Unterhaltung ist das nicht. Argentinien spielte dagegen von der ersten Minute an offensiv und drängte Frankreich in die eigene Hälfte. Ich kann mich nicht erinnern, ein in den ersten 60 Minuten dermaßen einseitiges WM-Finale gesehen zu haben, und ich habe seit 1970 alle gesehen. Trotzdem wurde daraus noch ein hochdramatisches Spiel und eines der besten und spannendsten WM-Endspiele, das ich gesehen habe. Frankreich drehte auf, schaffte den Ausgleich und damit die Verlängerung. Und die bot mal nicht den sonst üblichen Sicherheitsfußball ("Uiuiui... - jetzt bloß kein Tor mehr kassieren..."), sondern einen Kampf mit offenem Visier, mit Torchancen und Toren für beide Teams. Noch 30 Sekunden vor dem Abpfiff rettete Martinez mit einer unglaublichen Parade die Argentinier ins Elfmeterschießen, wo er dann mit einem gehaltenen Elfer die Basis zum Sieg schuf. Es freut den Fußballromantiker in mir, dass Messi nach einem solchen Spiel seine Argentinier zum Titel führte. Die Krönung einer ganz, ganz großen Karriere. Messi steht nun endgültig auf einer Stufe mit Maradona. Und wer seine Leistung in diesem Turnier und im Finale gesehen hat, muss es ihm gönnen. Man fragt sich nur, wieviel Geld die Scheichs der FIFA in den A***h gesteckt hat, damit sie Messi noch dieses seltsame Negligee umhängen durften: Angeblich ein traditionelles Gewand mit höchsten Ehren - sah aber eher aus wie die Netzhemden männlicher dänischer Pornostars aus den 80ern (Markenzeichen: Schenkelbürste und Vokuhila). Bekommt bei der nächsten WM 2026 in Kanada, USA und Mexiko der beste Spieler dann ein Holzfällerhemd, einen Patronengurt samt Colt und einen Sombrero? Aber egal, mit Argentinien holte jedenfalls eine Mannschaft den Titel, die sich nach einem üblen Fehlstart kontinuierlich gesteigert hat und ihr bestes Spiel im Finale machte. Erreicht wurde dies mit einer sehr unterhaltsamen Mischung aus Spielkunst und Einsatz. Das sind die Dinge, die wir beim Fußball sehen wollen.

So endet diese Weltmeisterschaft mit der Hoffnung auf schöneren Fußball in der Zukunft. Dieser Fußball ist nicht O Jogo Bonito der Brasilianer, die zu leicht in Schönheit sterben. Er ist aber auch nicht das französische Warten auf den entscheidenden Fehler des gerade ungeordneten Gegners, den man mit einem Blitzkonter zum dann langweilig über die Zeit gebrachten 1:0 ausnutzen kann. Wir wollen Mannschaften sehen, die nach vorn spielen, mit Kraft, Einsatz und Können. So sind die Italiener 2021 überraschend Europameister geworden, und so holte Argentinien 2022 den WM-Titel. Auch wenn im Weltfußball von Infantino & Co. ganz furchtbar viel im Argen liegt: Fußballerisch bin ich optimistisch.

Nachtrag: Das Spiel um Platz 3 habe ich nicht gesehen. Auf der Hebbelwiese lagen 20 cm Schnee und ein Kick mit den großartigen Hebbelkickern unter solchen Bedingungen ist einfach ein Riesenspaß, den man für Geld nicht kaufen kann. Und hinterher gibt es Punsch, aber das habt Ihr ja inzwischen wohl schon mitbekommen... ;-)


Die sogenannten Expertinnen und Experten

Diese WM fand für uns nur im TV statt und wer sich so wie ich die ganze Vorberichterstattung schenkte (das ist was für Leute, denen man erklären muss, dass der Ball rund ist), der oder die erhielt dann während des Spiels, in der Pause und anschließend (während unsereiner seinen Kommentar schrieb) die Ansichten aktiver oder ehemaliger Spieler*innen serviert. Das war mitunter erfrischend und informativ, oft aber auch quälend. Daher hier ein kurzer Überblick über einige Leute, die von unseren TV-Gebühren fürs Fußballgucken und Drüberreden bezahlt wurden.

Thomas Broich (ARD): Eigentlich ein vielgereister Fußballexperte, der durchaus eigene, unkonventionelle, kritische Ansichten hat. Aber bei dieser WM, für die unsere deutschen TV-Anstalten verdammt viele Gebührengelder hingeBlattert hatten, fühlte er sich vor allem in der Vorrunde wohl in der Verantwortung, auch langweiligstes Ballgeschiebe als geniale taktische Finesse mit großartiger Raumaufteilung, toller Ballbehandlung und extrem hoher Passquote hochzujazzen. Das war schwer zu ertragen. Zum Ende hin wurde es besser, aber Broichs Detailverliebtheit wirkte immer angestrengt und blieb etwas nervig, genauso wie seine extreme Vorliebe für das Wort "unfassbar" und seine Überhöhung von Messi und Mbappé im Finale, wo er ihnen einen nahezu gottgleichen Status verlieh. Schade.

Thomas Hitzlsberger  & Sami Khedira (ARD): Beide fachkundig, aber doch eher trocken und ohne den besonderen Unterhaltungswert, den man sich wohl die meisten Zuschauenden wünschen. Nicht unsympathisch, aber leider eher langweilig.  

Christoph Kramer (ZDF): Bester Deutscher bei der WM. Fachkundig, locker, selbstironisch, humorvoll, unprätentiös, meinungsstark. Gibt einem das Gefühl, da sitze man mit dem alten Kumpel aus Schulzeiten, der zufällig Fußballprofi geworden ist, in der Kneipe und gucke die WM. Er kennt sich mit den Details besser aus, wirkt aber nie besserwisserisch. Großartig!

Per Mertesacker (ZDF): Hat für meinen Geschmack viel zu oft viel zu viel Pathos in der Stimme, vor allem wenn es um die eigene Zeit als Fußballspieler geht. Er macht sich gar nicht größer als er sowieso schon ist (auch fußballerisch), aber so dramatisch wie er klingt, war der Fußball nicht und er ist es auch heute nicht. Doch Mertesacker hat Humor und Selbstironie, das macht ihn immer noch sympathisch. Sehr schön sein Disput mit Christoph Kramer über "...hat den Sieg mehr gewollt" nach dem Spiel Frankreich-Marokko, der leider von Jochen Brendel abgewürgt wurde.

Almuth Schult (ARD): Fachkundig, selbstbewusst, nimmt sich selber nie zu wichtig. Sie übertreibt nicht, sie ordnet ein, sie zeigt Punkte auf, die man selber nicht gesehen hat. Eine Expertin, wie man sie im Studio sehen will.

Bastian Schweinsteiger (ARD): Die Überraschung der WM. Redet mit Esther Sedlaczek nicht mehr weichgespültes Gesülze wie früher, sondern bringt die Sache auf den Punkt. Sagt seine Meinung auch dem Bundestrainer, ob sie dem nun passt oder nicht. Hat offenbar aus der Kritik gelernt. Gut so. Wir wollten unseren Weltmeister und letzten deutschen Fußballhelden ja nicht in den Bildzeitungsjournalismus abrutschen sehen. Schweinsteiger ist jetzt auf dem richtigen Weg.

Sandro Wagner (ZDF): Schafft es tatsächlich, in quasi jedem Satz irgendwas "sensationell" zu finden, auch wenn es bestenfalls ziemlich gut, meist aber (in Anbetracht der schließlich bestens bekannten Qualitäten einzelner Spieler) relativ normal ist. Ob Steilpass, Schusstechnik, Laufstil oder die Adiletten des Ko-Trainers - alles "sensationell".  Die Bedeutung seines Lieblingswortes ist ihm offensichtlich gar nicht nicht bekannt.
Beispiel gefällig? Der Dialog mit Béla Rethy nach dem fast gelungenen Fallrückzieher eines Marokkaners gegen Frankreich:
SW: "Sensationell! Ich glaube, das war der Fallrückzieher mit zwei Kontaken, sogar das Schienbein noch dran, sensationell, oder?"
BR: "Und Ihr Stürmer macht Euch immer lustig über die Verteidiger, aber der war super, oder?"
SW: "Sensationell!"
Außerdem quält Wagner die Zuschauenden gern mit unverständlichen Taktikdetails, denn quasi niemand  kann am TV nachvollziehen, dass Spieler XY auf der schräg nach rechts zurückgezogenen mittleren linken Doppelfünf spielt. Christoph Kramer hätte einfach gesagt: "Der Spieler mit der 7, jetzt direkt links vom Anstoßkreis." Und alles wäre klar gewesen.


Die schönsten Tore der WM

2:0 für Brasilien gegen Serbien: Richarlison nimmt in der Mitte des Strafraums mit dem Rücken zum Tor stehend eine Außenristflanke von links mit dem linken Fuß an, lässt den Ball über seine linke Schulter hochspringen und verwandelt dann unhaltbar mit dem rechten Vollspann. Unglaublich!

2:1 für Iran gegen Argentinien: Salem Aldawsari nimmt im linken vorderen Strafraumeck einen hohen Abpraller auf, läuft Richtung Außenlinie und lässt einen Argentinier stehen, dreht dann um, spielt zwei weitere Argentinier aus und haut die Kugel rechts oben in den Winkel.

1:0 für Spanien gegen Costa Rica: Gavi lupft den Ball von der Strafraumgrenze in die Box, wo Olmo ihn mit dem Rücken zu Tor annimmt, hoch lupft, sich dreht und dabei die Kugel vom Gegenspieler mit dem Rücken abschirmt, um sie dann aus 7 Metern zu verwandeln.

5:0 durch Gavi, der eine hohe Flanke von der linken Strafraumgrenze mittig vor dem Tor stehend von kurz hinter der Strafraumgrenze mit dem rechten Außenrist links neben den rechten Pfosten dreht.

1:0 für Belgien gegen Kanada: Batshuayi erläuft leicht links vor dem Strafraum einen aus dem Stand geschlagenen 50 m-Steilpass aus aus der eigenen Hälfte, lässt den Ball in vollem Lauf und bedrängt von zwei Gegenspielern links noch mal aufprallen und haut ihn dann mit links rechts halbhoch neben den Pfosten.

2:0 für Argentinien gegen Mexiko: Enzo Fernandez tanzt mit einem Übersteiger zwei Gegenspieler im linken Strafraumeck aus und schlenzt die Kugel dann rechts oben ins Toreck.

2:3 für Kamerun gegen Serbien: Aboubakar erläuft völlig frei stehend 30 m vor dem gegnerischen Tor den lang geschlagenen Ball, lässt mit einem kleinen Schlenker an der Strafraumgrenze einen nachrückenden Verteidiger ins Leere rutschen, und lupft dann mit der Fußspitze per Bogenlampe den Ball über den direkt vor ihm stehenden gegnerischen Torwart ins Netz.

1:1 für Serbien gegen die Schweiz. Nach Flanke von linken Strafraumeck köpft Mitovic im Laufen den Ball oben rechts ins lange Eck.

8:3 für die bunten Hebbelkicker gegen die gelben Leibchen: Manu zieht aus 15 m von rechts ab und haut den Ball links oben exakt in den Winkel. Das schönste Tor der WM!

1:1 für Kroatien gegen Japan: Perisic köpft mittig im Strafraum, ein paar Meter vor dem Elfmeterpunkt, eine Flanke aus dem rechten Halbfeld perfekt in der Luft stehend rechts unten neben den Pfosten. Genau da sollte der Ball hin. Ein Kopfball aus dem Fußballlehrbuch.

1:0 für Brasilien gegen Kroatien: Neymar startet in der Mitte der gegnerischen Hälfte, lässt mit 2 Doppelpässen sechs kroatische Gegenspieler wie Slalomstangen stehen, umkurvt noch den Torhüter und schießt dann aus kurzer Entfernung den Ball von rechts unter die Latte.

1:4 für Südkorea gegen Brasilien: Paik nimmt mittig vor dem Strafraum im Stand einen aus dem Strafraum rausgeköpften Ball an, lässt ihn einmal auftropfen und haut ihn dann stehend aus 25 m Entfernung links neben den rechten Pfosten.

1:0 für Frankreich gegen England: Tchouaméni erhält 25 Meter mittig vor dem Tor von rechts den Ball und knallt ihn wie an der Schnur gezogen links unten neben den Pfosten.

3:7 für die bunten Hebbelkicker gegen die mit den Leibchen, fast eine Kopie des Tores vom vorletzten Samstag: Manu zwirbelt die Kugel schon wieder aus über 10 Meter Entfernung genau in den Winkel, diesmal aber im Tiefschnee.

2:0 für Argentinien gegen Frankreich: Nach Ballgewinn in der eigenen Hälfte läuft der Ball auf der rechten Seite über fünf Stationen zu Alvarez, der an der Strafraumgrenze nach links in den Strafraum zu di Maria passt, welcher dann den Ball über den Torwart springen lässt. Das Ganze dauerte nur 8 Sekunden.

2:2 für Frankreich gegen Argentinien: Marcus Thuram lupft den Ball mittig vor dem Strafraum links nach vorn, wo der heranstürmende Mbappé mit einem Hechtsprung nach vorn den Ball mit ganz langem rechtem Bein flach ins lange Eck jagt.


Das Tippspiel

Die Entscheidung fiel im Elfmeterschießen: Bernd hatte zweimal beim Vorabtipp auf Argentinien als Weltmeister gesetzt und holte sich damit den Titel vor dem so lange und souverän führenden Henning, der den Franzosen erneut den Sieg zugetraut hatte. So kann es kommen, so ungerecht oder gerecht ist der Fußball. Die beiden hatten sich ein packendes Duell geliefert, das dem Finale in Katar um nichts nachstand. Alle anderen blieben 7 Punkte oder mehr zurück. Glückwunsch an den neuen Weltmeister Bernd, der seit 1994 stets beim Tippspiel dabei war, bereits einmal Zweiter und zweimal Dritter war (dazu noch zwei weitere Top-10-Platzierungen) und nun endlich mal den Titel holen konnte! Henning bleibt die hohe Anerkennung für denjenigen, der die besten Ergebnisvorhersagen lieferte. Ganz unten bleibt Kai die Rote Laterne und die Hoffnung, es bei der EM 2024 besser zu machen. Insgesamt hat das Tippspiel wieder viel Spaß gemacht. In eineinhalb Jahren werden wir sicher wieder zur normalen Zahl von Teilnehmenden zurückkehren und können hoffen, dass es ein Turnier wird, bei dem wieder der Sport im Vordergrund steht. Ein Turnier unter Rahmenbedingungen wie in diesem Winter wollen wir nie wieder sehen.

Ich wünsche Euch allen friedvolle Feiertage und einen guten Rutsch in ein schönes Neues Fußballjahr!

Robert

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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfand, stand am 18. Dezember 2022 die Partie

Argentinien vs. Frankreich

auf dem Programm – erinnerungswürdig ist allerdings eine

Rückschau auf die Feierlichkeiten anlässlich des ersten Weltmeistertitels von Argentinien vom 25. Juni 1978,

die damals im Anschluss an eine ebenfalls skandalöse WM-Endrunde stattfanden

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 14)

Fußball ist pure Emotion. Bei einem Fußballspiel geht es niemals um Leben oder Tod. Nein – es geht um wesentlich mehr! So sehen das jedenfalls die argentinischen Fans, egal ob sie nun die eigene Vereinsmannschaft unterstützen oder ihre „Albiceleste“ genannte Nationalmannschaft. Die Verehrung ihrer größten Fußballstars wie Diego Maradona oder Lionel Messi nimmt dabei fast schon religiöse Züge an. Man konnte dieses Phänomen auch jetzt erleben, als die in Massen über den Atlantik angereisten Argentinier wesentlich dazu beitrugen, dieser ansonsten völlig blutleeren Fußballveranstaltung so etwas wie Leben einzuhauchen. Fußball ist neben Tango die kulturelle Klammer dieses südamerikanischen Landes, das wie kaum ein anderes von mehreren großen Einwanderungswellen geprägt wurde. Vor allem Italiener, Spanier, Deutsche, Franzosen, Engländer und andere Volksgruppen aus dem ehemaligen britischen Weltreich haben in diesem Land innerhalb der letzten hundert Jahre nachdrücklich ihre Spuren hinterlassen. Und sie haben vor allem die Fußballleidenschaft aus ihrer alten Heimat mitgebracht. Manchmal wird bisweilen sowohl auf dem Rasen als auch auf der Tribüne etwas über die Stränge geschlagen. Das gehört in Argentinien aber einfach dazu. Wenn es auf dem Rasen mal schlecht läuft, dann pöbeln oder rempeln die Akteure wahlweise ihre Gegenspieler, den Schiedsrichter oder in Ausnahmefällen sogar ihre Mitspieler an. Wenn es dagegen gut läuft, dann machen sie es oftmals genauso. Never change a running system – dafür gibt’s bestimmt eine schöne spanische Übersetzung. Bisweilen wird denn auch schon mal im Überschwang der Gefühle und zur Provokation der gegnerischen Mannschaft die runde Lederkirsche mit Vollspann auf deren Spielerbank geprügelt. Diese Mentalität der totalen Leidenschaft mit allen Risiken und Nebenwirkungen gibt es in dieser Intensität wohl nur in Argentinien. Dafür werden die Söhne der Pampa weltweit wahlweise geliebt oder gehasst. Rote Karten oder Rudelbildungen werden von den eigenen Fans keinesfalls beklagt, sondern im Fall der Fälle sogar zwingend erwartet. Mit Leidenschaft und Hingabe auch mal richtig schmutzig gewinnen – nur darum geht es beim argentinischen Fußball. Diese Sportart verkörpert für den krisengeplagten Argentinier so etwas wie den permanenten Kampf gegen des eigenen Lebens Unbill. Dafür opfern die Fans aus Buenos Aires, Córdoba, Rosario, Mendoza oder anderen Städten so einiges. Selbst in Zeiten wirtschaftlichen Niedergangs wird zur Finanzierung teurer Auslandsreisen zu WM-Turnieren notfalls das eigene Auto verkauft, ein Kredit aufgenommen oder es werden Verwandte, Freunde oder Nachbarn angepumpt. Denn man will schließlich unbedingt dabei sein, wenn Argentina mal wieder etwas ganz Großes gewinnen kann. Das muss man verstehen oder auch nicht. Jedenfalls erzeugen argentinische Fans mit ihren fortdauernden Gesängen und ihrem durchdringend himmelblauweißen Erscheinungsbild in jedem Stadion der Welt eine Mörderstimmung.

So war es natürlich auch bei der Weltmeisterschaft im eigenen Land, die 1978 am Rio de la Plata stattfand. Über die finsteren Umstände dieser Junta-WM wurde bereits in Folge 11 hingewiesen. Aber abseits von Verfolgung und Folter löste der erstmalige Gewinn des Weltpokals einen Sturm der Begeisterung und echten Freude aus. Ein weiteres Mal habe ich nun das bereits an anderer Stelle zitierte Buch „Fußballweltmeisterschaft 1978“ aus meinem Regal gekramt. Dort sprang mir ziemlich am Ende unter der Überschrift „Argentinien nach dem Sieg“ der nachfolgende Beitrag ins Auge, in dem der namentlich leider nicht aufgeführte Verfasser einen tiefen Einblick in die argentinische Fanseele gab.

Ganz Buenos Aires schwelgte in himmelblau und weiß. Über die Avenidas der Zehn-Millionen-Stadt brauste ein Orkan der Begeisterung und Ekstase. Der Torschrei, der ihn ausgelöst hatte, musste noch drüben auf der anderen Seite des Rio de la Plata, bei den ungeliebten Nachbarn in Uruguay, zu hören gewesen sein. Wie eine riesige Woge schwappte anschließend der Siegestaumel durch das schier endlose Häusermeer, alles mit sich reißend, was nicht in der Erde festgefügt war. Widerstand war zwecklos. Einheimische in den Nationalfarben, schreiend, singend, tanzend, und Fremde wirbelten wild durcheinander. Dazwischen Autos, vollgepackt im Inneren, vollgepackt außen, im Stakkato hupend. Ein Rhythmus nur noch, dem alles folgte: Zweimal lang, zweimal kurz – Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. Volksfest, Konfettiparade, Taumel und Ekstase als Reaktion auf einen Fußballsieg. 3:1 für Argentinien gegen Holland. Weltmeister. Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na! Der Triumph gehörte allen.

Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. Rafael (28), Rechtsanwalt, der uns am Abend zuvor die komplexen Probleme seines widersprüchlichen Landes mit scharfem Intellekt dargelegt hatte, der die heillose Verstrickung seiner Landsleute in Wunderglauben und Fatalismus so überzeugend zu vermitteln wusste, der die Verdienste der Militärs im Kampf gegen die Korruption der zweiten Ära Peron darzustellen verstand, ohne darüber in kritiklose Zustimmung zu allen Arten von Rechtsbeugung und Verfolgung Andersdenkender zu verfallen – in dieser langen Nacht des Triumphs war auch er, der auf rationales Denken eingeschworene Jurist, nur noch „Hincha“, was die Potenzierung von Fan und Aficionado bedeutet, wie sie in dieser Mischung nur in Südamerika denkbar ist. „Hincha“ und Patriot zugleich.

Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. Als er am anderen Vormittag mit beträchtlicher Verspätung im Hotel eintraf, um uns das „andere“ Argentinien zu zeigen, die Armenviertel der entlang dem Hafen gelegenen Boca mit ihren Wellblech- und Bretterfassaden zwischen bröckelndem Putz, den niemand erneuert, da entschuldigte er sein Zuspätkommen und die heiseren Stummbänder mit dem 3:1. Den Sieg hatte er hoch oben in der dritten Etage des neuen River-Plate-Stadions erlebt, auf einem Stehplatz für 10.000 neue Pesos (27 Mark), für den ein Freund eine ganze Nacht vor dem Portal der Nationalbank ausgeharrt hatte.

Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. Was heißt, den Sieg erlebt – miterlebt und, die strapazierten Stimmbänder bewiesen es, miterkämpft hatte er ihn. Er hatte den Triumph mitgetragen und hinterher hatte er ihn wie Hunderttausende mit ihm zelebriert. Als einer unter vielen, die sich von der Woge mitreißen, fortspülen ließen, die sich zu einem Meer von Köpfen ballten, als die Siegestrunkenen von allen Seiten auf die Kreuzung der Corrientes mit der Avenida des 9. Juli strömten und damit für Stunden den infernalischen Verkehr, der hier sonst tost, zum Erliegen brachte: Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. „Wir haben vier Jahre auf diesen Tag und diesen Sieg gewartet“, sagte er anderntags mit tonloser Stimme verlegen, entschuldigend.

Weltmeister – das heißt kollektive Verzückung. Da wird auch Rafael, der Rechtsanwalt, dessen Kanzlei vorzugsweise die Ärmsten der Armen aufsuchen, weil auf dem Schild an dem Altbau am Rande der Boca „Consulta gratis“, also Auskunft umsonst, steht, wieder einer unter Millionen „Hinchas“. Da vergisst er das Elend, mit dem er von Berufs wegen konfrontiert wird, ebenso wie die Elenden selbst es vergessen.

Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na, auch sie feierten mit. Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na, in der Nacht des Triumphs, da verschafften sie sich Gehör. Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. Da triumphierten sie, die nie etwas zu triumphieren haben. Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. Aber nicht nur sie. Alle triumphierten sie, die Privilegierten und die Hoffnungslosen, die Glücklichen und die Pechvögel.

Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na. Fußball als Bindemittel einer widersprüchlichen Nation, die sich immer wieder in die Extreme flüchtet, nein, die extrem ist. Und exzessiv. Fußball als Ablenkung, als Rauschmittel, als Stimulans, das ist Fußball auf argentinisch.

Fußball ist pure Emotion – sowohl auf dem Spielfeld als auch auf der Tribüne. Vor allem auch aufgrund der bedingungslosen Unterstützung ihrer zahlreichen Fans ist es der argentinischen Mannschaft gelungen, zum insgesamt sechsten Mal nach 1930, 1978, 1986, 1990 und 2014 in ein WM-Finale einzuziehen. Dort hat sie jetzt ihr geliebter „Floh“ (La Pulga) und Kapitän Lionel Messi zum dritten Titelgewinn geführt. Er hat sich damit unsterblich gemacht und steht nun völlig zurecht auf einer Stufe mit seinem von den Fans ebenfalls vergötterten Landsmann Diego Maradona. Die Spieler Argentiniens haben sich mit couragierten Auftritten tief in die Herzen ihrer Landsleute gespielt und werden von diesen völlig verdient als wahre Campeones gefeiert. Das Leben ist auch in schwierigen Zeiten manchmal so wunderbar leicht wie eine Feder und die Fiesta der großen Leidenschaft kann nun beginnen. Die Sprechchöre werden dann wie damals 1978 oder 1986 von Buenos Aires aus in alle Welt hallen: „Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na!“

Verfasser: Bernd Christoph


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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 18. Dezember 2022 die Partie

Argentinien vs. Frankreich

auf dem Programm – erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 30. Juni 2018,

die damals im Rahmen einer ebenfalls bei der FIFA gekauften WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 13)

WM-Endspiele zwischen südamerikanischen und europäischen Mannschaften haben einerseits eine lange Tradition und besitzen auf der anderen Seite einen ganz besonderen Reiz. Denn es treffen nicht nur die Besten der beiden mit Abstand stärksten Fußballkontinente aufeinander, sondern es begegnen sich auch zwei unterschiedliche Fußballkulturen. Gemeinhin wird der südamerikanische Fußball mit Attributen wie Inspiration, Kreativität, Technik, Spielfreude und Emotionalität in Verbindung gebracht, während der europäische Fußball mit Eigenschaften wie Taktik, Disziplin, Laufbereitschaft, Effektivität und Rationalität punktet. Das ist natürlich eine sehr grobe Charakterisierung. Denn nur mit Samba-Fußball wird auch eine brasilianische Nationalmannschaft keinen Blumentopf gewinnen und ohne überragende Kreativspieler in ihren Reihen wird kein europäisches Team Weltmeister. Aber ein Fünkchen Wahrheit ist schon dran. Im Kopf hat man natürlich die prägenden Spieler früherer Weltmeistermannschaften, die wiederum auch eine ganz spezielle Spielphilosophie verkörperten. Auf südamerikanischer Seite waren das José Leandro Andrade (Uruguay 1930), Juan Alberto Schiaffino (Uruguay 1950), Pelé (Brasilien 1958), Garrincha (Brasilien 1962), Rivelino (Brasilien 1970), Mario Kempes (Argentinien 1978), Diego Maradona (Argentinien 1986), Romário (Brasilien 1994) und Ronaldo (Brasilien 2002). In die europäische Ahnengalerie der Besten gehören Giuseppe Meazza (Italien 1934), Silvio Piola (Italien 1938), Fritz Walter (Deutschland 1954), Bobby Charlton (England 1966), Franz Beckenbauer (Deutschland 1974), Paolo Rossi (Italien 1982), Lothar Matthäus (Deutschland 1990), Zinédine Zidane (Frankreich 1998), Andrea Pirlo (Italien 2006), Andrés Iniesta (Spanien 2010), Manuel Neuer (Deutschland 2014) und Kylian Mbappé. Es wäre für jeden Fußballfan traumhaft, sich diese Cracks gemeinsam in einer Art von kosmischer All-Star-Mannschaft vorzustellen.

Doch im Zuge des globalisierten Profisports verschwimmen diese kontinentalen Unterschiede immer mehr. Denn den Feinschliff holen sich auch die größten südamerikanischen Fußballtalente mittlerweile oftmals nicht mehr zu Hause an der Copa Cabana oder am Rio de la Plata, sondern in den Kaderschmieden der großen europäischen Clubs. Ein Lionel Messi heuerte schon als Dreizehnjähriger beim FC Barcelona an. Insofern ist es nicht mehr ganz so eindeutig, einen typisch südamerikanischen oder typisch europäischen Stil zu identifizieren, denn vieles hat sich angenähert. In den europäischen Top-Clubs spielen seit Jahrzehnten die besten südamerikanischen Spieler und werden auf diese Weise dort schon in jungen Jahren sozialisiert. Aber natürlich besitzen sie immer noch die DNA ihrer jeweiligen Heimatländer. Und wenn diese Burschen dann zusammen in ihren Nationaltrikots auf den Rasen laufen, dann ist an guten Tagen eben Samba oder Tango angesagt. Bei den Europäern fällt mir kein passender Tanz ein – vielleicht Foxtrott oder Polka?

Im Rückblick mag es allerdings verwundern, dass es zum ersten transkontinentalen Aufeinandertreffen in einem WM-Finale erst 1958 bei der sechsten Auflage des Weltturniers kam (dieses gewannen die Brasilianer fulminant mit 5:2 gegen teilweise überforderte schwedische Gastgeber). Bei den fünf vorangegangenen Weltmeisterschaften standen sich immer zwei Teams aus dem Kontinent des jeweils veranstaltenden Landes gegenüber. Nach dem Erfolg der Brasilianer häuften sich allerdings diese Finalduelle. Insgesamt gab es bis heute zehn Endspiele um den Weltpokal mit gemischter südamerikanischer und europäischer Beteiligung. Daraus resultierte ein klares Übergewicht der Südamerikaner, die bisher siebenmal (1958, 1962, 1970, 1978, 1986, 1994 und 2002) gewannen, während die Europäer dagegen nur dreimal (1990, 1998 und 2014) triumphieren konnten. Diese klare Diskrepanz ist etwas überraschend, denn bei der absoluten Anzahl der erzielten WM-Titel liegt Europa (12) doch recht eindeutig vor Südamerika (9). Man muss dabei aber berücksichtigen, dass erst viermal WM-Endrunden in Südamerika stattfanden und schon zehnmal in Europa. Immerhin ist Deutschland der bisher einzige Vertreter Europas, dem es gelang, in einem Endspiel auf südamerikanischem Boden gegen ein südamerikanisches Team zu gewinnen (vor acht Jahren gegen Argentinien). Diesen Titel kann uns niemand mehr nehmen! Das soll als kleiner Trost gedacht sein und unsere beiden hochkompetent besetzten neuen DFB-Task-Force-Units (dieses Wortungetüm muss noch Kollege Bierhoff als Abschiedsgruß verantwortet haben) beflügeln.

Zurück zum Thema: Aus Anlass dieser widerwärtigen Fußballveranstaltung treffen jetzt mit den Nationalteams von Argentinien und Frankreich erneut zwei Mannschaften aus Südamerika und Europa im Endspiel aufeinander. Zu dieser Paarung kam es, wie in Folge 12 kurz berichtet, bereits vor vier Jahren im Achtelfinale einer ebenfalls von der FIFA verkauften WM. Unter der Überschrift „Mbappé führt furioses Frankreich zum Sieg“ analysierte das Fußballmagazin „Kicker“ auf seiner Homepage nachfolgend die durchaus abwechslungsreiche und vor allem torreiche Partie.

Frankreichs Trainer Didier Deschamps hatte beim 0:0 gegen Dänemark einige Stars geschont und veränderte seine Startelf auf sechs Positionen: Lloris, Pavard, Umtiti, Pogba, Matuidi und Mbappé kamen für Mandanda, Sidibé, Kimpembe, N’Zonzi, Dembelé und Lemar neu in die Mannschaft. Argentinien hatte das Ticket fürs Achtelfinale beim dramatischen 2:1-Sieg gegen Nigeria erst kurz vor Schluss gelöst. Coach Jorge Sampaoli nahm im Vergleich zum letzten Gruppenspiel eine Änderung vor: Pavon begann anstelle von Higuain. In nervösen Anfangsminuten waren beide Mannschaften zunächst um Struktur bemüht. Die erste gefährliche Aktion der Partie resultierte aus einer Standardsituation: Griezmann setzte einen Freistoß kurz vor dem argentinischen Sechzehner an den Querbalken (9.). Zwei Minuten später zeigte Schiedsrichter Alireza Faghani auf den Punkt. Mbappé war nach einem unfassbaren Sprint über den halben Platz von Rojo im Sechzehner zu Fall gebracht worden. Griezmann trat an und verwandelte zur 1:0-Führung für Frankreich (13.). Argentinien war um eine schnelle Antwort bemüht, hätte kurz darauf jedoch beinahe einen zweiten Strafstoß gegen sich bekommen. Tagliafico brachte erneut Mbappé kurz vor dem Sechzehner zu Fall, den folgenden Freistoß setzte Pogba deutlich über das Tor (21.). Ansonsten zog sich die Equipe Tricolore mit der Führung im Rücken etwas zurück, stellte die Räume geschickt zu und hielt die Albiceleste damit gut vom eigenen Tor weg. Zudem blieben Les Bleus über Konter gefährlich. Den Südamerikanern fiel derweil wenig ein – das Resultat: Keeper Lloris musste lange nicht einmal ernsthaft eingreifen. Kurz vor der Pause war der Schlussmann dennoch geschlagen: Di Maria kam in zentraler Position an den Ball und zog aus circa 25 Metern ab. Die Kugel schlug im rechten oberen Eck zum etwas überraschenden 1:1-Ausgleich ein, Lloris blieb nur das Nachsehen (41.). Mit diesem Ergebnis ging es kurz darauf in die Kabinen.

Durchgang zwei begann wie gemalt für Argentinien. Messi kam im Anschluss an einen Freistoß im Sechzehner an den Ball und zog ab. Mercado hielt seinen Fuß in den Schuss und lenkte den Ball damit unhaltbar für Lloris zum 2:1 für Argentinien ins Tor (48.) – Spiel gedreht! Frankreich zeigte sich jedoch unbeeindruckt und wäre kurz darauf beinahe zum Ausgleich gekommen: Griezmann konnte eine verunglückte Rückgabe des eingewechselten Fazio jedoch nicht für sich nutzen (56.). Eine Minute später zappelte der Ball aber im Netz: Nach einer Hereingabe von Hernandez kam Pavard im Rückraum zum Abschluss und zog volley ab – der Ball schlug im linken oberen Winkel zum 2:2-Ausgleich ein. Frankreich spielte sich nun in einen Rausch und stellte die Partie kurz darauf erneut auf den Kopf. Mbappé nutzte ein Durcheinander im argentinischen Sechzehner, zog ab und traf zum 3:2 für Les Bleus (64.) – Keeper Armani gab dabei jedoch keine gute Figur ab. Wenig später legte die Equipe Tricolore sogar noch einen Treffer nach: Am Ende eines mustergültigen Konters steckte Giroud auf Mbappé durch, der frei vor Armani cool blieb und zum 4:2 für Frankreich vollstreckte (68.) – das zweite Tor des Youngsters und der dritte französische Treffer innerhalb von elf Minuten! Von diesem Nackenschlag erholte sich Argentinien nicht mehr. Die Albiceleste war zwar bemüht, kam gegen geschickt verteidigende Franzosen aber kaum noch zu gefährlichen Abschlüssen. In der Nachspielzeit kamen die Südamerikaner doch noch einmal heran: Messi bediente den eingewechselten Agüero, der per Kopf auf 3:4 verkürzte (90.+3). Letztlich blieb es jedoch beim knappen Sieg für Les Bleus, die damit in die nächste Runde einzogen. Argentinien um Superstar Messi muss hingegen die Heimreise antreten.

Das war die Geschichte vor vier Jahren, die für die Argentinier nicht gut ausging, dafür aber für die Franzosen mit dem zweiten Weltmeistertitel umso besser endete. Doch die Uhren sind wieder komplett auf Anfang gestellt. Was einmal war, das zählt nicht mehr (die fünf Euronen sind schon an das DFB-Winterhilfswerk überwiesen). Jetzt bietet sich für die Südamerikaner nach dem erfolgreich gestalteten Halbfinale im Endspiel die Chance zu einer weiteren Revanche gegen eine europäische Top-Mannschaft. Es spricht dabei vieles sowohl für den amtierenden Südamerikameister als auch für den amtierenden Weltmeister: Ein qualitativ hochwertiger Kader, ein eingespieltes Team, kaum Schwächen in allen Mannschaftsteilen, ein positiver Teamgeist, eine ansteigende Formkurve innerhalb des Turniers und ein großartiger Unterschiedsspieler in ihren Reihen. Im Halbfinale standen bei den Argentiniern noch drei Spieler (Messi, Otamendi und Tagliafico) in der Anfangself, die schon beim letzten Duell 2018 von Beginn an auf dem Platz standen, bei den Franzosen waren es sogar fünf (Mbappé, Lloris, Varane, Griezmann und Giroud). Die abschließende Frage lautet nun: Kann die argentinische Mannschaft ihren Kapitän 36 Jahre nach dem letzten WM-Titelgewinn zum vermutlich größten Spieler aller Zeiten krönen oder schafft Frankreich etwas, das seit 60 Jahren keinem amtierenden Weltmeister gelungen ist? Drei Sterne leuchten am dunklen Wüstenfirmament – wer holt sie vom Himmel? Am Sonntagabend sind wir alle schlauer.

Mit dem Finale endet nun eine Weltmeisterschaft, die wie alle vorherigen WM-Turniere in steter Regelmäßigkeit von der FIFA zum Wohle des Gastgeberlandes als beste aller Zeiten hochsterilisiert wird. Das war immer so, ist diesmal leider auch so und so wird es wohl auch bleiben – Amen! Denn wer alles bezahlt, der darf sich auch den Blumenstrauß aussuchen. Letztendlich hat eine unverdiente glückliche Fügung dafür gesorgt, dass völlig zurecht euphorisierte sowie massenhaft vor Ort auftretende argentinische und marokkanische Fans dieser mehr als trüben Wüstenveranstaltung stimmungstechnisch irgendwie wohl doch noch halbwegs den Arsch gerettet haben. Mehr gibt es aber zu diesem traurigen Thema nicht zu sagen. Nach dem Schlusspfiff tanzt dann obligatorisch der große Gewinner vorne im Konfettiregen, während der traurige Verlierer weit abseits davon im Halbdunkel seine Tränen trocknen muss. Letzterem sei abschließend zum Trost gesagt, dass in der Schnelllebigkeit unseres vergänglichen Daseins so etwas wie Ruhm mit einer überaus kurzen Halbwertzeit versehen ist und schon in vier Jahren wieder die nächste Chance wartet – es sei denn, einer derartigen Großveranstaltung kommen doch noch irgendwie lästige Ereignisse wie Epidemien, Kriege, Naturkatastrophen oder der vollständige Weltuntergang böse in die Quere. Aber das wollen wir doch alle nicht hoffen, denn dann gäbe es ja auch kein WM-Tippspiel mehr.

Kurze Fakten zum Spiel Frankreich – Argentinien 4:3 (1:1)
Anlass: WM-Endrunde in Russland / Achtelfinale; Datum: 30.06.2018; Spielort: Kasan-Arena in Kasan; Zuschauer: 42.873; Torschützen: 1:0 Griezmann (13. Min.), 1:1 di Maria (41. Min.), 1:2 Mercado (48. Min.), 2:2 Pavard (57. Min.), 3:2 Mbappé (64. Min.), 4:2 Mbappé (68. Min.), 4:3 Agüero (90. Min.+3)

Verfasser: Bernd Christoph

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WM-Kommentar vom 14.12.2022

Zum Ende dieser WM findet sich alles zusammen. Im Finale stehen die Argentinier, die sich im Laufe des Turniers nach schwachem Strart kontinuierlich gesteigert haben und in deren Reihen der beste Fußballer der letzten 15 Jahre spielt, der seine Karriere krönen will und kann. Und wir werden wieder die Franzosen sehen, den Titelverteidiger, der über das gesamte Turnier eine große Konstanz gezeigt hat. Im Gegensatz zum kommenden Gegner legten unsere Nachbarn aber im Halbfinale nicht noch mal eine Schippe drauf. Am Ende ergaben sich die Marokkaner in ihr Schicksal, wohl auch weil die Kräfte schwanden. Aber bis zum 2:0 gab es viele Gelegenheiten, wo irgendwie immer nur die letzte Wendung, der präzise letzte Pass, der finale Abschluss fehlte. Da fragte man sich vor dem TV immer: Was wäre wohl passiert, wenn jetzt Messi am Ball gewesen wäre? War er halt nicht. Und die Marokkaner hatten Pech: Ein Fallrückzieher an den Pfosten, ein guter Fernschuss in der ersten Hälfte, und einige Szenen, wo einfach der Ball zum Gegner und nicht zum eigenen Mann prallte. So ist Fußball. Die Franzosen haben dagegen einen guten Torwart, einen Griezmann, der überall auf dem Feld zu finden ist, und einen Mbappé mit einem einfach unglaublichen Antritt, so wie Ben Johnson Ende der 80er (aber der schluckte anabole Steroide...). Wie sich Mbappé mehrfach den Ball 15 Meter vorlegte und dann am mitsprintenden Gegenspieler vorbeilief... - wow! Seltsamerweise zeigte die so hoch gelobte Abwehr der Franzosen mehrfach unerwartete Schwächen. Die Marokkaner konnten sich da durchkombinieren, das hatten wir bisher beim Weltmeister noch nicht so gesehen. Auch die Argentinier werden sich das genau angeschaut haben. So erwartet uns ein vielversprechendes Endspiel. Der Fußballsachverstand sagt, dass die Franzosen wohl die reifere Mannschaft haben. Aber das Fußballromantikerherz möchte Messi mit dem WM-Pokal und mit Tränen der Rührung sehen. Am Sonntag wissen wir, wer gewonnen hat: Herz oder Verstand?

Im Tippspiel ist es oben nochmals enger geworden. Drei Punkte Rückstand nur noch von Bernd auf Henning. Beide haben die Halbfinals zumindest tendenziell richtig getippt, beide haben fast identische Tipps für die Finalspiele abgegeben. Aber die Weltmeistertipps sind verschieden... Zwei Entscheidungen fallen also im Finale: Wer wird Weltmeister? Und wer gewinnt das Tippspiel? Im Kampf um die Rote Laterne ist es sogar noch enger. Aber wer wird schon gerne Letzter?

Zum Finale zünde ich die 4. Kerze an.
Robert
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WM-Kommentar vom 13.12.2022

Messi. Damit ist alles gesagt, was man über das 3:0 von Argentinien gegen Kroatien wissen muss. Der beste Fußballer aller Zeiten? Jeder Vergleich mit den Allergrößten, die ich live im Fernsehen gesehen habe, verbietet sich. Pelé, Beckenbauer, Müller, Cruyff, Maradona... - das war eine andere Zeit und auch eine andere Art von Fußballspiel. Da gab es mehr Platz auf dem Feld (obwohl die Plätze natürlich nicht größer waren). Jetzt wird es nicht erst kurz vor dem Strafraum eng, jetzt wird spätestens an der Mittellinie attackiert. Und wie Messi sich aus Situationen herauswindet, wie er im Fallen noch den Kopf hebt und den Ball zum Mitspieler spitzelt, wie er ansatzlos sprintet und mit dem Ball um den Gegenspieler herumläuft, um ihn dann perfekt zum Mitspieler zu bringen - das und vieles mehr ist im Fußball des 20. Jahrhunderts einzigartig. Vielleicht ist er gerade noch rechtzeitig in der argentinischen Nationalmannschaft auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit angelangt. Fast 15 Jahre passten sie nie richtig zusammen - das Nationalteam und Lionel Messi. Jetzt scheint das anders zu sein. Am Sonntag werden wir sehen, ob er seine Karriere mit 35 Jahren mit dem größten aller Titel krönen kann.

Wer einen Unterschiedsspieler wie Messi im Team hat, kann dem Gegner auch erst mal einige Freiheiten lassen. 25 Minuten war das Halbfinale sehr ausgeglichen, aber ohne Torchancen. Dann machten die Argentinier ernst und überrannten nach steilen Pässen die kroatische Restverteidigung. Erst das 1:0 durch Messis Elfmeter nach Foul an dem durchgebrochenen Alvarez. Dann das 2:0 durch Alvarez selbst, der ab der Mittellinie Vollgas gab und bis in den gegnerischen Fünfmeterraum durchlief, um schließlich einzunetzen (okay, er hatte 2x Glück, weil die Gegenspieler ihm den versprungenen Ball wieder vorlegten). Schließlich noch vor der Pause fast das 3:0 durch einen Kopfball von Mac Allister. In der Kabine war den Kroaten vermutlich schon klar, dass hier nichts zu holen war. Nach dem Seitenwechsel noch diese wunderbare Vorbereitung des 3:0 durch ein Messi-Solo rechts im Strafraum, mit Vorlage für Alvarez - dann konnten die Argentinier das Spiel mit einigen Wechseln austrudeln lassen. Ein wenig durften die Kroaten dann auch noch mitspielen, aber nicht zu sehr. Ein Tor blieb ihnen verwehrt. Doch das war egal. In Erinnerung bleibt eh nur Messi.

Unser Tippspiel geht in die entscheidende Phase. Henning hat seine 5 Punkte Vorsprung gehalten. Doch ich verrate nicht zuviel, wenn ich sage, dass die Entscheidung womöglich erst im Finale fällt. Die Weltmeister-Tipps können in der Spitze noch einmal alles ändern. Für mich gilt das leider nicht. Mir haben die Kroaten schon im Viertelfinale eine noch möglich scheinende Top-Platzierung zerschossen, indem sie Neymar & Co. rauskickten. Ja, das Fußballschicksal ist hart und unerbittlich.

Fatalistische Grüße,
Robert
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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 13. Dezember 2022 die Partie

Argentinien vs. Kroatien

auf dem Programm – erinnerungswürdig ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 21. Juni 2018,

die damals im Rahmen einer ebenfalls bei der FIFA gekauften WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 12)

Halbfinalspiele bei Fußballweltmeisterschaften sind eine überaus zwiespältige Sache. Denn auf der einen Seite haben die jeweiligen Mannschaften schon eine ganze Menge gerissen, Vorrunde und erste K.o.-Spiele erfolgreich überstanden. Andererseits ist man vom ganz großen Ziel doch noch immer zwei Siege entfernt. Und die Tatsache, dass die Qualität der Gegner im Turnierverlauf immer größer wird, macht die Angelegenheit auch nicht gerade leichter. Ein grober Schnitzer in der Abwehr, ein verlorener Ball im Mittelfeld oder ein verschossener Elfmeter kann letztlich den kleinen aber feinen Unterschied ausmachen. Auf diesem schmalen Grat gilt es immerhin noch zweimal zu wandeln, obwohl die betreffenden Mannschaften schon fünf Spiele in ihren müden Knochen haben. Nur absolute Top-Teams können das ausblenden und auch in diesen schwierigen Momenten ihre beste Leistung abrufen. Andere wiederum scheitern nicht nur krachend am Gegner, sondern bisweilen auch am eigenen Erwartungsdruck und stehen am Ende mit völlig leeren Händen ziemlich dumm da. Für gleich beide Extreme steht übrigens kurioser Weise Rekordweltmeister Brasilien: Bei der WM 1958 in Schweden dominierte man sowohl im Halbfinale (5:2 gegen Frankreich) als auch im Finale (5:2 gegen Schweden) mehr als deutlich und wurde erstmals (mit dem damals blutjungen Pelé) Weltmeister – auf der anderen Seite kassierte man bei der Heim-WM 2014 sowohl im Halbfinale (1:7 gegen Deutschland) als auch im anschließenden Spiel um Platz 3 (0:3 gegen die Niederlande) zwei wirklich derbe Klatschen und landete auf diese Weise im tiefstmöglichen Tal der Tränen. Aber es passiert eben auch bisweilen, dass im Halbfinale gleich beide Gegner bestmöglich performen. Wer erinnert sich nicht an das geradezu epische Duell zwischen Italien und Deutschland bei der WM 1970 in Mexiko? Dramatik und Torfolge dieses packenden 4:3 nach Verlängerung führten dazu, dass die internationale Sportpresse hinterher das durchaus berechtigte Qualitätssiegel „Jahrhundertspiel“ verlieh. Trotzdem wurde Italien anschließend bekanntlich eben nicht Weltmeister, weil erstens der Kräfteverschleiß nach der vorangegangenen Schlacht zu groß war und zweitens Brasilien wie schon 1958 in der Lage war, auch bei den letzten beiden WM-Spielen (3:1 gegen Uruguay und 4:1 im Finale) ihre vollen Pferdestärken auf das grüne Geläuf zu zaubern.  

Aus Anlass dieser beschämenden Fußballveranstaltung treffen jetzt die Nationalteams von Argentinien und Kroatien im Halbfinale aufeinander. Zu dieser Paarung kam es übrigens bereits vor vier Jahren in der Vorrunde einer WM, die offensichtlich ebenfalls von der FIFA verkauft wurde. Kunden waren seinerzeit allerdings keine Erdgasscheichs, sondern das russische Geheimdienst- und Verbrechersyndikat mit einem Möchtegernzaren an der Spitze. Es kommt bei mir immer noch starke Übelkeit hoch, wenn ich an die Bilder von damals mit den auf der Ehrentribüne Arm in Arm liegenden „Männerfreunden“ Putin und Infantino denke. Unter der Überschrift „3:0! Kroatien im Achtelfinale – Messi & Co. vor dem Aus“ analysierte das Fußballmagazin „Kicker“ auf seiner Homepage nachfolgend die damalige Partie. Der zweimalige Weltmeister Argentinien steht mit dem Rücken zur Wand. Im zweiten Gruppenspiel verloren die vollends enttäuschenden Südamerikaner gegen Kroatien mit 0:3. Der Frankfurter Rebic sowie Modric besorgten die ersten beiden Treffer für die besser strukturierten und organisierten Kroaten. Als Argentinien in der Schlussphase auf den Anschlusstreffer ging, setzte Rakitic den endgültigen K.o.

Argentiniens Coach Jorge Sampaoli nahm drei Veränderungen im Vergleich zum 1:1 gegen Island vor: Anstelle von Rojo, Biglia und di Maria spielten Mercado, Perez und Acuna. Kroatiens Trainer Zlatko Dalic tauschte nach dem 2:0-Auftaktsieg über Nigeria nur auf einer Position: Brozovic ersetzte den Hoffenheimer Kramaric. Die Marschroute der Kroaten war klar: Mit einem Sieg wäre das Achtelfinalticket vorzeitig gelöst. Dementsprechend legten die „Vatreni" (die Feurigen) los: Keine fünf Minuten waren gespielt, da stellte Kroatien sein Potenzial erstmals unter Beweis: Perisic dribbelte von links in den Strafraum, ging mit Tempo an Mercado vorbei und visierte das lange Eck an – Caballero tauchte ab und lenkte den Ball um den Pfosten (5.). Nach einer knappen Viertelstunde wurde auch die Albiceleste gefährlich: Mezas Schuss wurde von Lovren noch rechtzeitig abgefälscht (13.). Beide Mannschaften wussten um die Bedeutung der Partie und gingen dementsprechend intensiv und aggressiv zu Werke. Zwar wirkte Kroatien von der Struktur her organisierter und stabiler, die besseren Chancen ergaben sich allerdings für Argentinien: Erst setzte Acuna eine Flanke von links auf den Querbalken (22.), dann leisteten sich Lovren und Subasic ein Missverständnis – doch Perez schoss flach am leeren Tor vorbei (30.). War die Sampaoli-Elf bis dahin zumeist zufällig zu ihren Möglichkeiten gekommen, so schafften es die Kroaten anschließend aus dem Spiel heraus: Mandzukic vergab die beste Chance seines Teams, als er Vrsaljkos Flanke aus vier Metern am Tor vorbeisetzte (33.). Vor der Pause wurde es nochmal richtig ruppig: Rebic gegen Mercado, Rebic gegen Salvio, Meza gegen Vrsaljko – an überharten Zweikämpfen mangelte es nicht, wohl aber an Toren. Ohne diese ging es in die Pause, denn Rebic verstolperte die letzte aussichtsreiche Situation (45.+2).

Die Alibeceleste musste so langsam liefern, Agüero gab einen ersten Warnschuss ab (53.). Doch Keeper Caballero machte die Pläne seiner Vorderleute zunichte, als er den Ball nach einem Rückpass über Rebic hinweg zu seinem Mitspieler lupfen wollte. Das technische Kunststück misslang ihm vollends – stattdessen hob er den Ball mustergültig für den Frankfurter in die Luft, der sich nicht zweimal bitten ließ und die kroatische Führung per artistischem Volleyschuss herstellte (53.). Sampaoli reagierte, brachte Edeljoker Higuain für Agüero. Und der neue Mann war gleich voll da und assistierte für Meza, der aus sechs Metern ebenso vergab wie Messi im Nachschuss (64.). Die Partie war unterhaltsam und lebhaft, weil Argentinien kommen musste und Kroatien auf die Entscheidung lauerte. Dabei fand die Albiceleste kein Mittel, um die Europäer wirklich in Gefahr zu bringen. Ganz anders Kroatien: Kapitän Modric fasste sich aus 22 Metern ein Herz, zog ab – und traf Argentinien mitten in die Seele. Der Ball schlug im rechten Eck ein, Caballero flog umsonst (80.). Kurz darauf setzte Rakitic einen Freistoß an den Querbalken (86.). Argentinien fiel auch danach nicht mehr viel ein, Mezas Schuss wurde von Vida geblockt (90.+1). Im direkten Gegenzug machte es Rakitic besser, der die Kugel von Kovacic serviert bekam und mühelos zum 3:0 einschob (90.+1).

Dieses überraschende Ergebnis hatte letztlich doch eine Bedeutung für den weiteren Turnierverlauf. Zwar waren beide Mannschaften fürs Achtelfinale qualifiziert. Doch Argentinien traf als Gruppenzweiter auf die bärenstarken Franzosen, während die Kroaten als Gruppenerster mit Dänemark eine durchaus lösbare Aufgabe vor sich hatten. Für die Argentinier war dann nach dem 3:4 tatsächlich Schluss, während die Kroaten mit drei Siegen in den nachfolgenden K.o.-Spielen (4:3 n.E. gegen Dänemark, 6:5 n.E. gegen Russland und 2:1 n.V. gegen England) einen sensationellen Durchmarsch bis ins Finale schafften. Die Duracell-Männchen um Kapitän Luka Modric mussten tatsächlich dreimal über die volle Distanz gehen. Dadurch fehlten ihnen im Finale gegen Frankreich offensichtlich etwas die Körner. Das 2:4 war dann letztlich eine relativ deutliche Angelegenheit. Trotzdem feierte man den mit Abstand größten Erfolg des kroatischen Fußballs, und das in einem mit knapp vier Millionen Einwohnern absolut sportverrückten kleinen Land, in dem gerade die Mannschaftssportarten (neben Fußball vor allem Handball, Basketball und Wasserball) eine große Rolle spielen.

Mit Blick auf das nun bevorstehende erneute Rendezvous der beiden Teams gibt es einige Parallelen, aber auch Unterschiede zum letzten Aufeinandertreffen. In den vorangegangenen Viertelfinals standen bei den Argentiniern noch drei Spieler (Messi, Otamendi und Acuna) und bei den Kroaten vier Spieler (Modric, Lovren, Pericic und Brosovic) von damals in der Anfangsformation. Kroatien ist aber bei weitem nicht mehr der krasse Außenseiter wie noch vor vier Jahren. Wer es schafft, zweimal in Folge bis ins Halbfinale zu kommen, der besitzt eine ganze Menge Qualität. Und auch das Elfmeterschießen haben die Männer vom Balkan zwischenzeitlich nicht verlernt. Mit Luka Modric verfügen sie über einen Kapitän, der vor vier Jahren vollkommen verdient zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde und der auch im fortgeschrittenen Alter immer noch in der Lage ist, einer Partie seinen Stempel aufzudrücken. Zudem scheint Trainer Zlatko Dalic, der die Kroaten seit 2017 betreut, bei der Kaderzusammensetzung und beim Umgang mit den bisweilen als schwierig geltenden Balkanstars ein gutes Händchen zu haben. Auf der anderen Seite wird der seit 2018 nach der für sie enttäuschenden WM amtierende argentinische Trainer Lionel Scaloni seine Spieler in jedem Fall davor warnen, den Gegner wie vor vier Jahren zu unterschätzen. Die Himmelblauweißen galten schon vor dem jetzigen Turnier als einer der ganz großen Favoriten. Sie gewannen 2021 immerhin die südamerikanische Kontinentalmeisterschaft „Copa“ im Endspiel gegen den Dauerrivalen Brasilien (1:0) und waren bis zum Turnierbeginn in 31 Spielen in Folge unbesiegt. Zudem möchte das Team seinem Anführer und ultimativen Unterschiedsspieler Lionel „Leo“ Messi zu einem glanzvollen Abschied von der WM-Bühne verhelfen. Und Elfmeter können sie ganz offensichtlich auch noch recht gut schießen. Das Team ist jedenfalls heiß auf eine Revanche gegen die Kroaten. Vor diesem Hintergrund könnten die Voraussetzungen nicht besser sein für ein großartiges erstes Halbfinale – es muss ja nicht gleich ein „Jahrhundertspiel“ sein.

Kurze Fakten zum Spiel Argentinien – Kroatien 0:3 (0:0)
Anlass: WM-Endrunde in Russland / Gruppenphase; Datum: 21.06.2018; Spielort: Stadion Nischni Nowgorod in Nischni Nowgorod; Zuschauer: 43.319; Torschützen: 0:1 Rebic (53. Min.), 0:2 Modric (80. Min.), Rakitic (90.+1. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph

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WM-Kommentar vom 11.12.2022

Viertelfinale - ab jetzt kommen die wirklich geschichtsträchtigen Spiele! Alles vorherige war nur Vorgeplänkel. Und die Spieler einiger scheinbar großer Teams gucken nur noch zu. Grüße an Manuel Neuer im Krankenhaus! Offenbar ist er auch im Skifahren keine Weltklasse (mehr). Am Freitagabend begann also die Crunchtime des Turniers: Vizeweltmeister gegen Turnierfavorit. Gesehen habe ich davon fast nichts. Um 18 Uhr begann im Gutenberg die Hebbelkicker-Weihnachtfeier, und mit dem Bus dauert das halt ein wenig von Klausdorf in die Stadt. Als ich ankam, ließen Jochen und Martin über ihre Mobiltelefone und VPN das Schweizer Fernsehen und die Verlängerung laufen. Bis dahin hätte Brasilien längst 3:0 führen müssen, aber der kroatische Keeper Livakovic hielt einfach alles, was auf seinen Kasten kam. Dann umkurvte Neymar nach zwei tollen Doppelpässen den Torwart und schoss die Führung für den fünffachen Weltmeister. Die nächste Etappe auf dem Weg zum Hexa, zum 6. Titel schien geschafft. Doch nun schlug das ungnädige Schicksal zu. Drei Minuten vor Schluss ein abgefälscher Schuss der Kroaten zum Ausgleich, im Shoot-Out ein von Livakovic gehaltener Elfmeter, ein Schuss an den Pfosten - das Aus. Die Kroaten waren treffsicher und gewannen. Und Brasilien weint.

In der Pause zwischen den Spielen gab es Grünkohl, Kartoffeln, diverses vom Schwein, und vor allem viel kühles Bier. Dann zog der Schankknecht die Leinwand runter, schaltete den Beamer ein und es lief Niederlande Brasilien - beste Unterhaltung also. Wer das nicht gesehen hat, ist selber Schuld. Eine aufgrund der offensiveren Spielauslegung verdiente 2:0-Führung der Gauchos, dann die Einwechslung von Weghorst, sein schöner Kopfballtreffer und anschließend 20 Minuten Anrennen der Holländer. Ein Freistoßtrick, so simpel wie genial, brachte sogar den fast nicht mehr für möglich gehaltenen Ausgleich. Die Käseroller waren am Drücker und nach Anpfiff der Verlängerung kam... nichts von ihnen. Argentinien spielte nach vorn und wollte unbedingt das Lotteriespiel vermeiden, in dem der große Nachbar Brasilien kurz zuvor gescheitert war. Doch der Fußballgott liebt das Drama, kein noch so guter Schuss fand den Weg ins Netz, auch diesmal musste ein Elfmeterschießen her. Da hielt der Gaucho-Goalie Martinez zwei Schüsse und machte das Halbfinale klar. Und Messi darf weiter träumen.

Am Samstagnachmittag geschahen dann weitere wichtige Dinge. Ab 14:15 Uhr wurde auf der schneebedeckten Hebbelwiese Pink Pussy in den Spielbetrieb begeben, auch bekannt als Adidas Al Rihla Pro Winter WM22. Das musste hinterher mit Punsch begossen werden - unbedingt notwendig, um den Alkoholpegel vom Abend zuvor nicht zu weit absinken zu lassen. Außerdem war es auch echt saukalt auf der Wiese... Parallel lief jedenfalls bereits das Spiel Marokko-Portugal, das ich überwiegend nur im schnellen Vorlauf gesehen habe. Die Sportugiesen wollten es besser machen als ihre Ibero-Kollegen im Achtelfinale, scheiterten aber schließlich ebenso wie diese am Nordafrika-Beton und an Torhüter Bono. Ja, sie hatten durchaus einige Möglichkeiten, aber eben auch einen Keeper, der sich zum Ende der 1. Hälfte einmal ganz blöd verschätzte. Dann nützte auch alles Anrennen nichts mehr. Marokko steht als erstes afrikanisches Land im Halbfinale einer Fußball-WM. Autokorsos in vielen Großstädten. Das Land feiert. Und CR7 weint.

Den Höhepunkt des Wochenendes bot für Liebhaber des klassischen europäischen Fußballs das letzte Viertelfinale. England-Frankreich, ein mitreißendes Spiel auf hohem Niveau, was Einsatz, Tore, Kampf und Dramatik betraf. Zwei tolle Tore der Franzosen, dazwischen der verdiente Ausgleich der Engländer. Es ging hin und her, bemerkenswert fair, mit hoher Intensität. Ein hochinteressantes Spiel, in dem keine der beiden Mannschaften je klar überlegen war. Den dramatischen Schlusspunkt setzte der engliche Kapitän, indem er in der 84. Minute den zweiten Elfmeter für die Männer von der Insel hoch übers Tor in den Nachthimmel über der katarischen Wüste drosch. Hoeneß und Beckham lassen grüßen. Die Limies sind unglücklich ausgeschieden: In fast allen Statistikwerten waren sie deutlich besser als der Gegner, außer eben bei den erzielten Toren. Tja, der Kane war ihr Schicksal. Ob der Engländer wohl noch mal das Elfmeterschießen lernen kann? No, he kane't.

Im Tippspiel ist Bernd dem weiter führenden Henning näher auf die Pelle gerückt. Es sind nur noch 5 Punkte bis zur Spitze; womöglich entscheiden die Zusatzpunkte für die Weltmeister-Tipps, wer am Ende den Tippspiel-Pokal holt. David hat notgedrungen die Hoffnung auf eine Titelverteidigung aufgegeben und mir das gute Stück am Freitag ausgehändigt. Der Kampf um die weiteren Plätze bleibt ebenfalls spannend, auch hierfür wird wichtig, wer nach dem Finale noch Zusatzpunkte erhält. Unten tun Kai, Jörg und Johann alles Notwendige, um wenigstens die Rote Laterne zu holen.
Noch gibt es vier Spiele, dann ist diese ja doch sehr unselige WM vorbei. Lasst es uns halbwegs würdevoll zuende bringen und gebt noch Eure Tipps für die Halbfinals und die daraus resultierenden Finalspiele ab! Und in einer Woche ist Weihnachtsruhe, was den Fußball betrifft.

Mit 3 Adventskerzen grüßt
Robert

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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 9. Dezember 2022 die Partie

Niederlande vs. Argentinien

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 25. Juni 1978,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 11)

Groß ist derzeit immer noch die Aufregung über die derzeit noch laufende bescheuerte Wüstenveranstaltung – zumindest bei uns in Deutschland. Aber Katarrh war nicht die erste so genannte „WM der Schande“. Denn in der Rückschau gab es gleich mehrere Turniere, die unter Duldung oder sogar mit aktiver Unterstützung der FIFA unter noch viel skandalöseren Bedingungen stattgefunden haben. Zu nennen ist hier zunächst die Mussolini-WM 1934 im faschistisch regierten Italien, als von den organisierenden Gastgebern neben dem ganzen Propagandagedöns unter anderem massiver Druck auf die Schiedsrichter ausgeübt wurde, um den Nachfahren der alten Römer durch skandalöse Entscheidungen in jedem Fall den vorher vom Duce bestellten und wohl auch bezahlten Weltmeistertitel zu sichern, was letztlich ja auch wunderbar funktioniert hat.

Und dann war da die Junta-WM 1978 in Argentinien, die unter dem bewährten Motto „Brot und Spiele“ von der zwei Jahre zuvor installierten Militärdiktatur unter dem uniformierten Staatschef und Massenmörder Jorge Rafael Videla gezielt zur Selbstinszenierung ihres Repressions- und Folterregimes genutzt wurde. Mehr als 30.000 Menschen wurden in dieser Zeit ermordet, viele tausend verschleppt und gefoltert – widerborstige Studenten wurden sogar als lebender Ballast aus Transportflugzeugen über dem Atlantik abgeworfen. Einige Monate vor Beginn der WM erschien das Buch „Fußball und Folter. Argentinien ‘78“. Es war eines von wenigen kritischen Medienerzeugnissen zur damaligen Weltmeisterschaft. Nicht nur der greise FIFA-Chef Joao Havelange ignorierte die finsteren Tatsachen und schwieg dazu. Wenig ruhmreich war in diesem Zusammenhang auch das Verhalten des deutschen WM-Trosses rund um den damaligen DFB-Präsidenten Herrmann Neuberger. Dieser äußerte sich zu dem Thema mit folgenden salbungsvollen Worten: „Wir treten ein für die Menschenrechte in der ganzen Welt. Nur hängen wir unsere Auffassungen nicht so sehr zum Fenster hinaus. Das nützt nichts und bringt niemanden weiter. Wir gehen andere Wege. Ruhig, gemessen, zurückhaltend." Dazu passend zog sich das Gefolge des amtierenden Weltmeisters in die Stille der argentinischen Pampa zurück. Während die anderen Teams bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Hotels logierten, bezogen die Deutschen ein hermetisch abgeschottetes Erholungsheim der argentinischen Luftwaffe (Augen auf bei der Quartierwahl – dieser Grundsatz galt damals wie heute, ausnahmsweise war Bierhoff mal nicht der Schuldige). Vor den Toren patrouillierten argentinische Soldaten mit geschulterten Maschinenpistolen, drinnen beschützten Beamte der Sondereinheit GSG-9 Spieler und Funktionäre. Das Quartier am Arsch der Welt trug den treffenden Namen Ascochinga, was auf Deutsch „Toter Hund“ heißt. Um der Langeweile zu entgehen, lud man sich passenden Besuch ins triste Trainingscamp ein. Einer der Ehrengäste war Hans-Ulrich Rudel, ehemaliger Wehrmachts-Oberst, im Zweiten Weltkrieg hochdekoriert und nach dem Krieg eine Ikone der Neonazi-Szene. So wie viele stramme Nazis hatte er nach dem Ende des „Dritten Reichs“ in Argentinien Unterschlupf gefunden. 1948 engagierte Staatschef Juan Perón den früheren Heeresflieger als Luftwaffenberater. Mit der Unterstützung des argentinischen Staatschefs wurde dieser zu einem wohlhabenden Mann. Im argentinischen Exil gründete Rudel mit dem „Kameradenwerk“ ein Unterstützungsprogramm für in Europa einsitzende NS-Kriegsverbrecher, die auf diese Weise in den Genuss von Lebensmittelpaketen kamen und denen teilweise sogar die Anwaltskosten erstattet wurden. Bereits in der Nazi-Ära hatte Rudel zudem die Nähe zum deutschen Sport gesucht und blieb auch danach ein in der deutschen Sportszene gern gesehener Gast. So verwunderte auch nicht der Kommentar von Neuberger, als er von kritischen Medienvertretern auf seinen überraschenden WM-Gast angesprochen wurde: „Das ist keine Peinlichkeit. Wir sind Freunde." In der Rückschau macht einen das ziemlich sprachlos. Es ist übrigens ein böses Gerücht, dass die FIFA schon damals dem deutschen Team unter Androhung von Strafen das Tragen einer nicht genehmigten Armbinde untersagt hatte. Das verwendete Motiv hatte wohl zu viel Ähnlichkeit mit einem Hakenkreuz oder vielleicht auch nicht. Wer weiß das schon so genau nach all den Jahren. Garniert wurde der sportlich überschaubare Auftritt des amtierenden Weltmeisters („I werd‘ narrisch!“) dann auch noch mit peinlichen Aussagen deutscher Spieler – nachfolgend zwei Beispiele. Manfred Kaltz etwa sagte: „Belasten tut mich nicht, dass dort gefoltert wird. Ich habe andere Probleme." Und Berti Vogts erklärte nach der Rückkehr: „Argentinien ist ein Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen einzigen politischen Gefangenen gesehen." Hatte sich unsere frühere Lichtgestalt Franz. B. nicht so ähnlich über für ihn vollkommen unsichtbare Arbeitssklaven in Katarrh geäußert? Dem ist nichts hinzuzufügen.

Alles nicht so schlimm – wie auch jetzt in der winterlichen Wüste, in der aktuell der Ball ja noch ein paar Tage hin- und herrollen wird. Aus gegebenem Anlass dieser irrsinnigen Fußballveranstaltung treffen die Niederlande und Argentinien nun im Viertelfinale aufeinander. So war es auch seinerzeit bei der WM 1978. Für das damalige Finale qualifizierte sich also, wie von der Militärjunta vorher gewünscht, das himmelblauweißgestreifte Heimatteam. Es war übrigens die Zeit nach Johan Cruyff, der seine Länderspielkarriere bereits 1977 beendet hatte und vor Diego Maradona, der zwar – ebenfalls 1977 – sein erstes Länderspiel für Argentinien bestritt, dann aber zu dessen großer Enttäuschung nicht in den WM-Kader berufen wurde. Es fehlten folglich die Stars – mannschaftliche Geschlossenheit und Kampfkraft dominierten diese eher triste WM im argentinischen Winter. Der einzig nennenswerte Kreativspieler war vielleicht Argentiniens Mittelfeldstratege Osvaldo Ardiles, der später in der englischen Premier-League bei Tottenham Hotspur für Furore sorgen sollte. Aber die Argentinier hatten ein äußerst diszipliniertes Team beisammen, das von Trainer Cesar Luis Menotti mit Bedacht zusammengestellt wurde. Zu nennen sind zum einen die starke Defensive mit dem sehr guten Torwart Ubaldo Fillol und dem Libero Daniel Passarella sowie der wuchtige Sturm mit den torgefährlichen Mario Kempes (6 Tore) und Leopoldo Luque (4 Tore). Auf der holländischen Seite konnte der österreichische Trainerfuchs Ernst Happel auf einen eingespielten Ajax-Block mit Krol, Haan, Neeskens, Rensenbrink und Rep bauen, der sie schon bei der WM 1974 bis ins Finale gebracht hatte. Diesmal fehlte allerdings mit Johan Cruyff der Kopf der Mannschaft, also ein echter Unterschiedsspieler. In dem Buch „Fußballweltmeisterschaft 1978“, das ich zum Glück immer noch in meinem Bücherregal aufbewahrt hatte, wird der Verlauf des Endspiels in der Rückschau recht anschaulich kommentiert. Ich nehme einmal an, dass die Herausgeber dieses großartigen Standardwerks der Sportliteratur, also Klaus Fischer und Uli Hoeness, den nachfolgenden Text unter der Überschrift „Nie war ein Finale stimmungsvoller“ nicht selbst verfasst hatten, sondern diese Aufgabe journalistischen Profis überließen.

Die Fiesta Argentina, das vierwöchige Fußballfest am Rio de la Plata, fand ihr Happy-End – am 25. Juni 1978 holte Argentinien den Weltpokal ins Land der XI. Fußball-Weltmeisterschaft. Mit einem 3:1-Sieg über die Elf von Holland, die sich freilich erst in der Verlängerung geschlagen gab. Während die Verlierer mit dem Schicksal haderten – wie bereits 1974 hatte es ihnen auch diesmal nur zum zweiten Platz gereicht – wurde für den Sieger ein Traum wahr. Der Titelgewinn stürzte ein ganzes Land in einen Rausch des Jubels und der Begeisterung und machte zumindest für den Augenblick alle Sorgen und Nöte mit einem Schlag vergessen.

Der Mann, der an diesem Tag zum populärsten Argentinier aufstieg, heißt Mario Kempes. Der beim spanischen FC Valencia beschäftigte Stürmer mit der wehenden schwarzen Mähne schenkte seinen Landsleuten diesen Triumph mit zwei Toren, die ganz allein sein Werk waren sowie der Vorarbeit zum dritten, das dem großen Verlierer Holland endgültig die Hoffnung auf den neuerlichen Gleichstand raubte.

Ein stimmungsvolleres Finale gab es nie zuvor. Ganz Argentinien trug himmelblau und weiß, ganz Buenos Aires zelebrierte die Landesfarben und den Fußball. Was auf den Rängen des Estadio River Plate vor sich ging, sucht in der langen Geschichte der Fußballfeste seinesgleichen. Das River-Plate als Hexenkessel überschäumender Temperamente, jeden Augenblick dem Platzen nahe. Ein „Gol“ für Argentina, und du musst dich festhalten am Nebenmann. Falls du dann noch eine Hand frei hast, hältst du dir am besten das Ohr zu.

Für Holland war es ein Inferno. Ein Höllenspektakel, in dem der Teufel ein wildes Gemisch aus Schlachtgesang und Pfeifkonzert braute. Schon in den frühen Morgenstunden hatten sich die Fans in den Kessel gewälzt, in blau-weißen Riesenschlangen. Ihre Aufmachung: blau-weißes Stirnband, blau-weißes Nationaltrikot, blau-weißer Schal, blau-weiße Plaketten. Aufschrift: „Argentina – Campeon.“ Sie kamen in Autos, die blau-weiß beflaggt waren. Sie kamen mit ihren Cornetas, jenen Blashörnern, die einen Höllenlärm produzieren. Und in den Hosentaschen trugen sie ihre Konfetti-Beutel. Zehn vor drei platzten die Beutel. In diesem Moment betrat die argentinische Mannschaft den Rasen. Das River-Plate war eingehüllt in eine Wolke von Papierfetzen.

Die Holländer ließen sich zu Beginn des Spiels freilich nicht aus dem Konzept bringen. Ihnen gehörte die erste Torchance durch Rep, der in der fünften Minute nach einem Freistoß von Haan mit einem Kopfball nur knapp verfehlte. Die Argentinier standen überraschenderweise unter Druck. Dabei erwies sich aber Torwart Fillol als einer von mehreren Weltklassespielern in der Elf der Gastgeber. Seine Reflexparade in der 27. Minute bei einem Volleyschuss von Johnny Rep bewahrte Argentinien vor dem fast sicheren Rückstand und löste auf den Tribünen einen Beifallsorkan aus, der nur noch übertroffen wurde, als Kempes in der 38. Minute auf Vorlage von Ardiles das 1:0 erzielte.

Das Glück war nicht mit den Oranjehemden. Sie wären sonst mit einem 1:1 in die Pause gegangen, doch eine Minute vor der Halbzeit traf Rensenbrink, mit fünf Treffern Hollands Toremacher Nummer 1 bei dieser WM, den Ball aus kürzester Entfernung nicht voll, so dass Fillol per Fußabwehr erneut retten konnte. Der Fangkünstler im grünen Sweater war auch im zweiten Durchgang Argentiniens wichtigster Mann. Als gar nichts mehr helfen wollte, versuchte es Hollands österreichischer Coach Ernst Happel mit der Brechstange. Der lange Kopfballspezialist Nanninga, dessen Sperre aus dem Spiel gegen Deutschland abgelaufen war, löste Rep ab, und für Jansen kam Vorwärtsverteidiger Suurbier.

Obwohl Cesar Menotti, Argentiniens Fußball-Feldherr, jeweils konterte und mit Houseman und Larrosa ebenfalls frische Spieler in die Schlacht warf, spielte nur noch Holland – mit Nanninga und Neeskens als Doppelspitze und acht weiteren Feldspielern, die nur noch Offensive zu kennen schienen. Trotz aller Fangkünste von Fillol, trotz der alles andere als zimperlichen Abwehrmethoden der Argentinier und trotz des zuweilen auffällig auf Seiten der Gastgeber stehenden Schiedsrichters Gonella war der Sturmlauf in der 80. Minute endlich von Erfolg gekrönt. Eine Flanke von René van de Kerkhof, der die Abseitsfalle der Argentinier überlaufen hatte, wuchtete Nanninga per Kopf zum hochverdienten 1:1 ins Netz. Die Holländer wären sogar als Sieger vom Platz marschiert, wenn bei Rensenbrinks Schlenzer in der letzten Minute der regulären Spielzeit nicht der Pfosten gerettet hätte.
Auch in der Verlängerung stellte der Vizeweltmeister von 1974 zunächst das bessere Team, doch Argentinien hatte Mario Kempes. Als die Kräfte seiner Mitstreiter nachließen, trieb der neue Volksheld vom Rio de la Plata den Ball über das halbe Feld. Kempes scheiterte zwar zunächst noch an Torwart Jongbloed, verwandelte aber den Abpraller selbst zum 2:1. Das Stadion, in dem es vorübergehend fast totenstill geworden war, tobte vor Begeisterung.

Es kam sogar noch besser: Mario Kempes, der sich an diesem trüben Sonntagnachmittag ein Denkmal setzte, war auch der Initiator des 3:1, das Bertoni in der 114. Minute markierte. Es war die Entscheidung. Nach dem Abpfiff verschwanden Hollands Spieler rasch in die Kabinen. Sie kamen nicht wieder. Die Siegerehrung fand ohne sie statt, wie auch die Pressekonferenz ohne Trainer Ernst Happel auskommen musste. Politische Gründe? Hollands Vizepräsident Jacques Hogewoning: „Nein!“

Kurze Fakten zum Argentinien - Niederlande 3:1 n.V. (1:0, 1:1)
Anlass: WM-Endrunde in Argentinien / Endspiel; Datum: 25.06.1978; Spielort: Estadio Monumental in Buenos Aires; Zuschauer: 71.483; Torschützen: 1:0 Kempes (38. Min.), 1:1 Nanninga (82. Min.), 2:1 Kempes (105. Min.), 3:1 Bertoni (115. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph

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WM-Kommentar vom 06.12.2022

Marokko-Spanien - da konnte man ein flottes Fußballspiel erwarten. Wer stattdessen ein spätes Nachmittagsschläfchen machte, tat das Richtige. Es gab 129 Minuten Rasenschach. Die Marokkaner rührten Beton an und die Spanier spielten fleißig im U nach links vorn, zurück nach hinten in die Mitte, nach rechts vorn, nach hinten in die Mitte usw. usw.. Gäääähn... Die so hoch gelobten Iberer waren überraschend einfallslos. Mehr als 2 Stunden langweiliges Hin und Her, ganz wenige Chancen, meist für die Marokkaner, und in der Schlussminute der Verlängerung noch ein Pfostenschuss der Spanier. Im Grunde war das Spiel eher Körperverletzung als Genuss; man hätte gleich mit dem Elfmeterschießen beginnen sollen.
Da flogen die Spanier dann raus, ohne auch nur einen einzigen Elfer versenken zu können. Marokkos Torwart Bono hielt gleich zwei Stück, einer ging an den Pfosten. Ein bisschen Schadenfreude ist hier durchaus angebracht: Die Spanier hatten ja nicht ganz unabsichtlich gegen Japan verloren, um einem Viertelfinale gegen Brasilien aus dem Weg zu gehen, was Trainer Luis Enrique hinterher auch indirekt zugab. Jetzt können die Spanier zuhause im TV den Brasilianern beim Zaubern zusehen. Bei ihnen selbst ging es dagegen im Laufe des Turniers leistungsmäßig stetig bergab. Dem berauschenden Auftaktsieg mit 7 Toren und einem guten 1:1 gegen Deutschland folgte die lässige Niederlage gegen Japan und nun ein spielerisch total einfallsloses 0:0 gegen Marokko. Ein verdientes frühes Aus für die mitfavorisierten Iberer. Und die Marokkaner werden zuhause gefeiert.

Im Abendspiel ließen die Sportugiesen gegen die Schweiz nie einen Zweifel aufkommen, wer hier ins Viertelfinale einziehen wird. Zwei richtig tolle Tore in der Anfangsphase (was für ein Kopfball vom 39jährigen Pepe!) - den Eidgenossen war schnell klar, dass da nix zu holen war. Die Westiberer machten nämlich nach der Pause einfach weiter, schossen ein Tor nach dem anderen und ließen nur ein Ehrentörchen für die Schweizer zu. Das war toller Kombinationsfußball und für die armen Alpenländler ging alles viel zu schnell. Gehört Portugal jetzt zu den Topfavoriten? Das ist schwer zu sagen. Bei allem Respekt für das Team aus der kleinen Schweiz: An diesem Tag war der Gegner von Pepe & Co. einfach zu schwach. Die individuelle Klasse der Brasilianer oder Franzosen scheint mir im Vergleich von Mann zu Mann aber doch größer. Klar, der Mannschaftsverbund der Sportugiesen arbeitet an Tagen wie heute nahezu perfekt. Fraglich scheint, ob diese das wirklich in jedem Spiel so abrufen können. Und unklar ist auch, ob die Mannschaft mit CR7 stärker oder schwächer ist als ohne ihn.

Im Tippspiel hatten allein Hanno, Michel, Claudia und John auf Marokko gesetzt und konnten hier punkten. Allerdings überschätzten alle vier die Qualität der Schweizer. Das sorgt dafür, dass im kommenden Viertelfinale Marokko-Portugal niemand von uns Punkte holen kann. Tatsächlich trauten nur 14 von 36 verbliebenen Tippspieler*innen den Portugiesen einen Sieg zu. Henning darf sich jetzt also drei Tage auf seinem 10 Punkte-Vorsprung ausruhen. Dahinter ist es extrem eng, nur 4 Punkte liegen zwischen Platz 2 und Platz 11. Am Freitag geht es mit den Viertelfinals weiter. Gleichzeitig findet die traditionelle Weihnachtsfeier der Hebbelkicker statt und ob ich dort die Muße finde, den Punktestand zu aktualisieren, wird sich zeigen. Verzeiht es mir bitte, wenn die Tabelle wohl erst Samstagmittag auf dem neuesten Stand ist. Genießt die spielfreien Tage, seht mal nach, ob die Familie noch da oder inzwischen ausgezogen ist, und erneuert den Getränkevorrat für ein Wochenende mit hoffentlich spannenden Spielen. Die Paarungen versprechen hochklassigen Fußball, und den haben wir in den letzten Wochen ja nicht immer gesehen - außer natürlich samstags auf der Hebbelwiese... ;-)

Es grüßt mit viereckigen Augen
Robert


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WM-Kommentar vom 05.12.2022

Auch am dritten Achtelfinaltag gewannen die Favoriten. Die überraschenden Siege der Ostasiaten in ihren letzten Gruppenspielen, die Japan und Südkorea in die nächste Runde brachten, entstanden wohl doch aus der jeweiligen Gruppenkonstellation. Wer gegen die B-Elf einer Weltklassemannschaft antritt, kickt halt nicht gegen ein eingespieltes Team, sondern gegen eine irgendwie zusammengewürfelte Truppe. Deren Einzelspieler sind zwar alle toll, doch es fehlen der Verbund und die Routine. Da gewinnt es sich dann halt leichter...

Dennoch leisteten die Japaner Kroatien bis zum Ende der Verlängerung tapferen Widerstand. Torchancen waren Mangelware, fast zwangsläufig kam es zum Shoot-Out. Und da hatten die Kroaten mit Livakovic einen Elfmeterkiller zwischen den Pfosten, der gleich drei von vier Schüssen parierte. Insgesamt wirkten die Balkankicker aber wenig inspiriert und weniger gut in Form als vor vier Jahren. Ich tippe auf ein Aus im Viertelfinale.

Der Gegner der Kroaten heißt Brasilien. Die Männer in Gelbgrün zündeten in der ersten Hälfte ein dermaßen sprühendes Feuerwerk an Spielkunst, dass man um die armen Südkoreaner Angst haben musste. Da zirkulierte der Ball wie im Training und nach der frühen 2:0-Führung wurde oft schon nicht mehr der bessere, sondern der schönere, aber risikoreichere Pass gespielt. Trotzdem fielen zwei weitere Tore nach wunderbaren Kombinationen. Man hatte nicht das Gefühl, die Brasilianer seien gefordert worden. Nach dem Wechsel der Seiten und vieler Spieler übertrieben es die Männer vom Zuckerhut dann etwas, Konzentration und Präzision ließen nach, und den Koreanern gelang sogar das Ehrentor mit einem sehenswerten Schuss aus 25 Metern. Trotzdem: Das war ein großes Ausrufezeichen des Topfavoriten der Tipprunde.

Im Tippspiel lässt Henning einfach nicht nach, er konnte den Vorsprung sogar auf 10 Punkte ausbauen. Eine für mich überraschende Mehrheit der Teilnehmenden hatte tatsächlich Japan einen Sieg zugetraut (19 von 36). Dumm gelaufen, jetzt kommt das getippte Viertelfinale gar nicht zustande. So sind halt die Spielregeln...

Ich hoffe, alle haben ihre Stiefelchen geputzt, sonst ist morgen nichts drin, womöglich auch keine Punkte im Tippspiel.
Mit der Nikolausmütze grüßt
Robert

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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 5. Dezember 2022 die Partie

Japan vs. Kroatien

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 20. Juni 1998,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 10)

Begegnungen zwischen europäischen und asiatischen Mannschaften liefen bei früheren Fußballweltmeisterschaften zumeist ziemlich einseitig ab. Die Sportart wurde nun einmal in Europa erfunden, obwohl unter anderem auch die Chinesen dieses für sich reklamieren. Erst 1938 in Frankreich nahm mit Niederländisch-Indien (heute Indonesien) zum ersten Mal überhaupt eine asiatische Mannschaft an einer WM-Endrunde teil, die aber schon nach dem ersten Spiel mit einem deutlichen 0:6 gegen Ungarn ausschied. Für die nächste Veranstaltung, die wegen des Zweiten Weltkriegs erst 1950 stattfinden konnte, hatte sich eigentlich die Mannschaft des erst kurz zuvor gegründeten Staates Indien qualifiziert. Diese verzichtete aber freiwillig auf einen Start im fernen Brasilien, da die FIFA es den Spielern nicht erlaubte, barfuß zu spielen (wirklich kein Scherz). Bei der nachfolgenden WM 1954 war dann erstmals Südkorea mit dabei, kassierte aber gegen Ungarn (0:9) und die Türkei (0:7) zwei heftige Klatschen. Für die beiden anschließenden WM-Turniere konnte sich keine asiatische Mannschaft qualifizieren. Erst 1966 folgte mit Nordkorea ein weiterer Vertreter Asiens, der aber mit einem sensationellen Sieg gegen Italien (1:0) spektakulär ins Viertelfinale einzog, dort aber Portugal mit 3:5 unterlag. Ab der WM 1970 wurde den beiden asiatischen und ozeanischen Kontinentalverbänden erstmals ein gemeinsamer Startplatz für die Endrunde garantiert. Dieses Kontingent erhöhte sich dann im Zuge der Vergrößerung des WM-Teilnehmerfelds sukzessive auf derzeit fünf. Den größten Erfolg einer asiatischen Mannschaft erreichte Südkorea 2002 mit dem vierten Platz bei der gemeinsam mit Japan organisierten Heim-WM. Die letzten Turniere haben aber gezeigt, dass asiatische Mannschaften wesentlich mehr können, als das von einigen namentlich bekannten Fußballexperten etwas despektierlich als „Nähmaschine“ titulierte Dauerstakkato flinker Beine, mit dessen Hilfe vorwiegend Akteure aus dem fernen Osten dieses Kontinents versuchen, wahlweise dem Ball mehr oder weniger zielführend hinterherzujagen oder diesen temporeich vor sich herzutreiben. Jedenfalls sprach man bisher diesen Mannschaften im Vergleich zu Gegnern auf Top-Niveau jegliche Effektivität beim Torschuss ab. Das hat sich jetzt wohl offensichtlich geändert – Nachfragen hierzu beantwortet gerne unser Bundeshansi Flick.

Japan nahm übrigens seit 1998 siebenmal in Folge an einer WM-Endrunde teil und kam dabei immerhin dreimal (2002, 2020, 2018) bis ins Achtelfinale, wo dann aber jeweils Endstation war. Kroatien wiederum ist nach der Unabhängigkeit des Landes von Jugoslawien im Jahre 1991 seit 1998 zum sechsten Mal bei einer WM vertreten und konnte vor vier Jahren mit der Vizeweltmeisterschaft (2:4 im Endspiel gegen Frankreich) ihren bisher größten Erfolg erzielen. Aus gegebenem Anlass dieser unvertretbaren Fußballveranstaltung treffen die beiden Länder im Achtelfinale aufeinander. Erinnerungswürdig ist allerdings eine Begegnung, die beide Mannschaften am 20. Juni 1998 anlässlich der WM-Endrunde in Frankreich am zweiten Gruppenspieltag zusammengeführt hatte. Auf der Homepage des Fußballmagazins „Kicker“ findet sich unter der Rubrik „FIFA WM“ der nachfolgende Kurzbericht zu dieser Begegnung.
Der kroatische Coach Blazevic musste den verletzte Spielmacher Boban durch Jurcic ersetzen. Bei Japan gab es keine Änderung. In einer bis zum Schlusspfiff völlig offenen Begegnung gingen die Kroaten glücklich, aber letztlich verdient als Sieger vom Platz. Zwar besaßen die Japaner mindestens die gleichen Spielanteile, Kroatien hatte jedoch mehr und bessere Torchancen. Die Asiaten spielten konsequent über die Flügel und brachten die kroatische Abwehr vor allem zu Beginn durcheinander. Die entscheidende Flanke oder der letzte Pass kam jedoch zu selten, so dass sie am Strafraum meist mit ihrem Latein am Ende waren. Zudem brachte sich die japanische Mannschaft durch Konzentrationsmängel und Leichtsinnsfehler aus dem Rhythmus und in Gefahr. Die Kroaten hatten dagegen klare Vorteile in den direkten Zweikämpfen und wirkten vor dem Tor zwingender ohne jedoch zu überzeugen. Nach der Pause stellte Blazevic um: Stürmer Vlaovic ersetzte Stimac, für den Simic nun Manndecker spielte. Dessen Position auf der rechten Außenbahn übernahm fortan Stanic, der aus der Spitze abgezogen wurde. Wesentlich besser lief das kroatische Angriffsspiel dadurch jedoch nicht, wurde mit der Zeit eher noch ratloser. Fast logisch, dass ein Fehler im Mittelfeld Japans den entscheidenden Treffer einleitete und dass ihn der beste Stürmer, Suker, erzielte.

Der Spielbericht offenbart die damaligen Stärken und Schwächen beider Mannschaften. Das Chancenverhältnis sprach übrigens mit 7:4 für Kroatien. Insofern ging der knappe Sieg wohl in Ordnung. Dennoch taten sich die Männer vom Balkan in dieser Partie trotz ihrer international versierten Profis wie Bilic (dem späteren Nationaltrainer), Prosinecki und vor allem Goalgetter Davor Suker doch eher schwer. Japan hatte bereits das erste Gruppenspiel ebenfalls knapp mit 0:1 gegen Argentinien verloren. Mit dieser zweiten Niederlage waren sie also nun aus dem Turnier ausgeschieden. Die folgende dritte Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen den krassen Außenseiter Jamaika (1:2) fühlte sich aber wie eine Demütigung an. Kroatien dagegen machte es gegen die Jungs von der Karibikinsel mit 3:1 deutlich besser, verlor dann aber das letztlich nicht entscheidende Gruppenfinale gegen Argentinien mit 0:1. Es folgte anschließend im Achtelfinale gegen Rumänien ein weiterer 1:0-Sieg. Im Viertelfinale wartete dann das hoch favorisierte deutsche Team, das von den sackstarken Kroaten in der zweiten Halbzeit brutal mit 3:0 ausgekontert wurde. Im Halbfinale gegen den ebenfalls favorisierten Gastgeber Frankreich gingen die Kroaten zwar durch den fünften Turniertreffer von Suker sensationell in Führung, zogen dann aber aufgrund von zwei Thuram-Toren noch den Kürzeren. So hieß es am Ende Spiel um Platz 3 statt Finale um den WM-Titel. Die letzte Begegnung gegen die Niederlande, die mit Kluivert, Bergkamp, Seedorf und Davids absolute Könner in ihren Reihen hatten, gestaltete man mit 2:1 aber ebenfalls siegreich. Und mit seinem finalen sechsten Treffer krönte sich Davor Suker sogar noch zum Torschützenkönig. Ein großer Erfolg für die kroatischen Kicker und ihre junge Nation! 

Kurze Fakten zum Spiel Japan – Kroatien 0:1 (0:0)
Anlass: WM-Endrunde in Frankreich / Gruppenphase; Datum: 20.06.1998; Spielort: Stadion La Beaujoire in Nantes; Zuschauer: 48.000; Torschütze: 0:1 Suker (76. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph


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WM-Kommentar vom 04.12.2022

Am Freitag musste man zum letzten Mal parallel auf zwei Schirmen gucken, um nichts zu verpassen. Was gab es zu sehen? Wieder diesen schmalen Grat zwischen Cleverness und Wettbewerbsverzerrung. Bereits für das Achtelfinale qualifizierte Teams wie Portugal und Brasilien ließen eine halbe B-Mannschaft auflaufen und verloren prompt kurz vor Schluss. Portugal versaute mit der Niederlage gegen die ostasiatischen Nähmaschinen in Gruppe H den Urus das Achtelfinale, das Südkorea gegen die erste Elf der Portugiesen wohl nie erreicht hätte. Die Brasilianer trieben es nicht ganz so schlimm, sondern ließen nur ein Tor in der Nachspielzeit für Kamerun zu. Das war gerade noch okay, je ein weiteres Tor für Kamerun und im Parallelspiel für Serbien hätte die Afrikaner ins Achtelfinale geschoben. Aber hätte, hätte, Viererkette... - in Gruppe G fiel die Entscheidung eben doch im direkten Duell Balkan vs. Teilbalkan, und da hatten die Schweizer nach einem rassigen Kampfspiel die Nase vorn. Es ging richtig die Post ab, man schenkte sich nichts, aber die Schweizer gingen besser mit ihren Kräften um, während bei den Serben am Ende der Geist noch willig, aber die Pumpe schwach war. Wieder mal raus in der Gruppenphase, trotz einer Truppe technisch guter Kampfmaschinen. Vielleicht klappt es bei der Euro 2024 in Deutschland besser.

Am Samstag gin die WM dann richtig los: Jedes Spiel ein Endspiel! Von unseren oranjen Nachbarn habe ich nicht viel gesehen, wir mussten auf der Hebbelwiese nach dem Samstagnachmittag-Kick noch ein paar Kannen Punsch leeren und das ÖRTV zeigte hinterher nur ein paar Minuten. Zu sehen war, dass der Kombinationsfußball der Käseroller offenbar gut funktioniert; die Tore waren toll aufgelegt und ebenso schön abgeschlossen. Wir dürfen uns auf den ersten Knaller freuen, am Freitagabend geht es gegen Argentinien - ein perfektes Unterhaltungsprogramm für die traditionelle Hebbelkicker-Weihnachtsfeier! Die Gauchos brauchten gegen engagierte, aber spielerisch limitierte Aussies fast eine ganze Halbzeit, bis durch einen schönen Schuss ins lange Eck endlich das 1:0 fiel - Messi doing Messi-things... Sehr viel aufregender wurde es auch in Hälfte 2 nicht, obwohl nach dem Eigentor der Argentinier in einer kurzen Drangphase der Australier noch mal kurz Spannung aufkam. Eigentlich müsste Holland nach den bisher gezeigten Leistungen beider Teams im Viertelfinale klarer Favorit sein. Aber "eigentlich" ist eigentlich eine Einschränkung. Wenn da eben nicht Messi wäre...

Der Sonntag brachte dann wieder klare Favoritensiege. Verdammt, wie gut, wie schnell, wie schusssicher ist dieser Mbappé denn bloß? Einfach unfassbar, wie er beim 2:0 und 3:0 die Kugel jeweils "einfach so" mit voller Wucht unter die Latte schweißte. Ja, Polen hatte auch Chancen und bekam am Ende noch den Ehrentor-Elfmeter, aber die Franzosen demonstrierten, dass sie bestens in Form sind und trotz langer Verletztenliste ein ganz heißer Favorit auf den Titel. Leider - ja, wirklich: Leider! - treffen sie schon im Viertelfinale auf England. Und das wird schwer. Die Limies beherrschten gegen Afrikameister Senegal klar das Spiel und den Gegner und schossen drei toll herausgespielte Tore. Wo sind eigentlich die Schwächen der Engländer? Selbst der Torwart hält schwierige Bälle! Abwehr und Mittelfeld wirken sehr stabil und vorn geht die Post mindestens genauso schnell ab wie bei den Franzosen mit Mbappé.  Das wird ein hochinteressantes Spiel am nächsten Samstagabend.

Im Tippspiel hält Henning einen 8 Punkte-Vorsprung. Aber die Zahl der Verfolger ist groß, die nächsten 10 Plätze trennen nur 4 Punkte. Und der richtige Spaß beginnt mit getippten Viertelfinalspielen, die womöglich gar nicht zustande kommen und daher auch keine Punkte bringen können. Unten hat sich Jörg offenbar mit der Roten Laterne angefreundet; allein Johann macht ihm noch Konkurrenz. Doch mit den möglichen Zusatzpunkten für Weltmeistertipps etc. kann sich auch unten noch was tun. Also: Dranbleiben!

Spannendere Achtelfinalspiele als bisher wünscht
Robert

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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 4. Dezember 2022 die Partie

Frankreich vs. Polen

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 10. Juli 1982,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 9)

Warum gibt es bei einer WM eigentlich das Spiel um den dritten Platz? Ganz einfach: Weil es seit 1934 (einzige Ausnahme: WM 1950) schon immer so war und gemäß den allgemein bekannten FIFA-Starrsinnsregularien vermutlich immer so bleiben wird. Bei den Europameisterschaften hat man diesen Schwachsinn irgendwann nach 1980 vollständig abgeschafft. Warum soll man auch zwei enttäuschte und ausgepowerte Mannschaften, die zuvor ihre Halbfinalspiele verloren haben, noch einmal aufeinanderhetzen, nur um die berühmte „Goldene Zitrone“ auszuspielen. Die Siegermannschaft darf sich dann zwar einen Satz mehr oder weniger schöner Bronzemedaillen um den Hals hängen lassen, aber die Verlierer sind dann als Vierte nach zwei Niederlagen am Stück gleich doppelt gebeutelt und stehen bei der „kleinen Siegerehrung“ wie geprügelte Hunde in der stillen Ecke – trübe Erinnerungen an düstere Schulzeiten werden wach. Natürlich denken Romantiker gerne an unser großartiges „Sommermärchen“ zurück, als Klinsis Jünger nach dem frustrierenden Halbfinal-Aus gegen sauclevere Italiener auf diese Weise doch noch ein abschließendes Erfolgserlebnis gegen CR7 & Co. feiern durften. Ein kleiner persönlicher und politisch absolut unkorrekter Seitenhieb auf die damalige Heim-WM sei mir an dieser Stelle erlaubt. Denn das Hochglanzprodukt „Sommermärchen“, das uns umtriebige DFB-Netzwerker rund um den Vielfliegerkaiser Franz B. bescherten, hatte eine ziemlich dunkle Kehrseite.  Denn bekanntlich wäscht eine Hand gerne die andere, und die deutschen Funktionäre waren bei diesen internationalen Waschtagen rund um die obskuren WM-Vergaben offensichtlich kräftig mit dabei. Dieses System von Vorteilsnahme, Begünstigung und Bestechung war letztlich verantwortlich für die in der Rückschau vollkommen zurecht als schmutzig empfundenen späteren WM-Vergaben an Russland und Katarrh. Aber kommen wir noch einmal zurück auf die ungeliebten Spiele um den dritten Platz. In dieser Kategorie rangieren die deutschen Teams übrigens mit Abstand an der Spitze: Gleich fünfmal (1934, 1958, 1970, 2006 und 2010) qualifizierte man sich dafür und gewann mit Ausnahme von 1958 gleich viermal das so genannte „kleine Finale“. Das ist WM-Rekord!

Aus gegebenem Anlass dieser unverzeihlichen Fußballveranstaltung treffen die Mannschaften von Frankreich und Polen jetzt im Achtelfinale aufeinander. Erinnerungswürdig ist allerdings eine Begegnung, die beide Teams am 10. Juli 1982 anlässlich der WM-Endrunde in Spanien im besagten Spiel um Platz 3 zusammengeführt hatte. Zuvor waren die Polen im ersten Halbfinale mit 0:2 gegen den späteren Weltmeister Italien ziemlich chancenlos unterlegen. Beide Treffer erzielte der spätere Torschützenkönig Paolo Rossi (22. und 73. Minute). Wesentlich spektakulärer ging es dagegen im zweiten Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich zu, das später als „Schlacht von Sevilla“ in die Geschichtsbücher eingehen wird. Die deutsche Führung durch Pierre Littbarski (17.) glich Michel Platini per Foulelfmeter bereits in der 26. Spielminute aus. Mit diesem Ergebnis ging es auch in die Verlängerung, in der Frankreich nach Toren von Marius Trésor (92.) und Alain Giresse (98.) bereits 3:1 vermeintlich vorentscheidend führte. Doch der erst kurz zuvor eingewechselte Karl-Heinz Rummenigge traf in der 102. Minute zunächst zum 2:3 und Klaus Fischer besorgte in der 108. Minute per spektakulärem Fallrückzieher den Ausgleich zum 3:3. Das anschließende erste Elfmeterschießen bei einer WM überhaupt gewannen die Deutschen dann mit 5:4, nachdem Harald „Toni“ Schumacher zwei Elfmeter der Franzosen entschärft hatte. Einen faden Beigeschmack behält dieser Sieg wegen eines brutalen Tacklings des deutschen Keepers gegen den französischen Mittelfeldspieler Patrick Battiston allerdings bis heute, vor allem auch wegen dessen, vorsichtig gesagt, wenig empathischen Aussagen nach dem Spiel.

Die Voraussetzungen hätten am 10. Juli 1982 im kleinen Stadion von Alicante also nicht unterschiedlicher sein können. Denn die Polen hatten bei der WM mit dem Einzug ins Halbfinale ihre eigenen Erwartungen bereits weit übertroffen. Zwar hatten sie mit Zbigniew Boniek einen aufgehenden Stern in ihren Reihen, aber der alten Garde rund um die beiden WM-Helden von 1974, Lato und Szarmach, wurde vor dem Turnier nicht allzuviel zugetraut. Das Erreichen des Spiels um den dritten Platz stellte für sie daher noch einmal eine besondere Motivation dar. Bei den Franzosen war das völlig anders. Der amtierende Europameister rund um den Alleskönner Michel Platini galt als einer der ganz großen Favoriten auf den WM-Titel. Zwar verlief die Gruppenphase mit einer Niederlage gegen England (1:3) und einem Unentschieden gegen die Tschechoslowakei (1:1) nicht ganz planmäßig, aber mit zwei Siegen in der zweiten Finalrunde gegen Österreich (1:0) und Nordirland (4:1) qualifizierten sich „Les Bleus“ am Ende doch souverän fürs Halbfinale. Dort folgte dann aber die unerwartete kalte Dusche gegen die mit wesentlich weniger Talent gesegneten deutschen Nachbarn. Kräfteverschleiß, Schock und Enttäuschung waren die Folge. Das kam auch dadurch zum Ausdruck, dass Cheftrainer Michel Hidalgo im letztlich bedeutungslosen Spiel gegen Polen gleich sieben seiner Stammspieler (Platini, Ettori, Bossis, Genghini, Giresse, Rocheteaux und Six) außen vor ließ. Trotzdem kamen die ersatzgeschwächten Franzosen gut in die Partie und gingen durch einen Treffer von Girard (10. Minute) sogar früh in Führung. Doch die in der Folge sehr engagiert zu Werke gehenden Polen drehten das Spiel innerhalb von nur sechs Minuten und zogen durch drei Treffer von Altmeister Szarmach (40.), Majewski (44.) und Kupcewicz (46.) entscheidend auf 3:1 davon. Der nachfolgende Anschlusstreffer Frankreichs durch Couriol (72.) war dann nicht viel mehr als Ergebniskosmetik. Mehr ging einfach nicht an diesem Tag für die tieftraurigen Europameister.

Übrigens kann man neben Deutschland durchaus auch Polen und Frankreich als so etwas wie Stammgäste beim Spiel um den dritten WM-Platz bezeichnen. Die Polen waren 1974 (1:0 gegen Brasilien) und wie oben beschrieben 1982 gleich zweimal erfolgreich. Die Franzosen waren sogar dreimal im „kleinen Finale“ vertreten und traten dabei ebenfalls zweimal als Sieger die Heimreise an. Zunächst schlug man 1958 in einem denkwürdigen Spiel Deutschland mit 6:3. Der französische WM-Torschützenkönig Just Fontaine (13 Tore) erzielte dabei gleich vier Treffer. Dann folgte 1982 die beschriebene Niederlage gegen Polen, dafür hielt man sich vier Jahre später 1986 mit einem Sieg gegen Belgien (4:2 nach Verlängerung) schadlos.

Kurze Fakten zum Spiel Frankreich – Polen 2:3 (1:2)
Anlass: WM-Endrunde in Spanien / Spiel um Platz 3; Datum: 10.07.1982; Spielort: Estadio José Rico Pérez in Alicante; Zuschauer: 28.000; Torschützen: 1:0 Girard (13. Min.), 1:1 Szarmach (40. Min.), 1:2 Majewski (44. Min.), 1:2 Kupcewicz (46. Min.), 1:2 Couriol (72. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph
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WM-Kommentar vom 02.12.2022

Die WM-Gruppenphase geht zuende und das deutsche Team ist raus, genau wie beim letzten Mal. Ich sehe das zum Glück relativ emotionslos: Der neue Bundestrainer konnte nicht in eineinhalb Jahren reparieren, was Jogi Löw am Ende verbockt hatte. Und angesichts der z.T. gruseligen Spiele in der tollen "Nations League" müssen sich einige Tippspieler*innen fragen, was sie tatsächlich dazu veranlasst hat, das DFB-Team als Weltmeister 2022 zu tippen. Seit 2016 keine Länderspiele mehr geguckt, oder was?

Das gestrige Spiel war nur eine Fortsetzung des Gegurkes der letzten Jahre, da darf man sich nicht über das Ausscheiden wundern. "Offense wins games, defense wins championships" - das gilt schon seit Ewigkeiten. Das gestrige Team hatte weder eine gute Offensive noch eine stabile Defensive. Und der Trainer probierte im ganzen Turnier nur herum, weil er offenbar keine richtige Idee hatte, wie seine Mannschaft eigentlich spielen sollte. Gegen Japan wurde mit Gündogan, Müller und Musiala das funktionierende Mittelfeld ausgewechselt - prompt ging die Spielkontrolle komplett verloren und das Spiel auch. Gegen Spanien musste mit Füllkrug ein richtiger Mittelstürmer eingewechselt werden, damit der Ausgleich gelang. Und gegen Costa Rica musste im Offensivbereich schon wiederum fast komplett gewechselt werden, bis nach guten ersten 10 Minuten und anschließender wenig effektiver Herumspielerei wieder Schwung in den Laden kam. Hat da jemand ein Spielsystem erkannt? Ich nicht! Bezüglich der Euro2024 in Deutschland sollten wir uns keine Illusionen machen. Hansi Flick kann nicht zaubern.

Während die Deutschen gewannen und gleichzeitig verloren, lief es bei den Spaniern genau anders herum. So gehen sie als Gruppenzweiter im Viertelfinale Brasilien aus dem Weg. Das kann man clever nennen oder aber als Manipulation brandmarken. Schade, dass niemand bei den Deutschen schnell genug geschaltet hat, als das Spiel Costa Rica-Deutschland noch mehrere Minuten weiterlief, Spanien-Japan aber bereits abgepfiffen war. Da hätte ich mir gewünscht, dass die Deutschen den Ticos den Ball geben würden und sie noch drei Tore schießen ließen. Dann hätte Spanien sich selbst ganz clever komplett aus dem Turnier manipuliert.

Nun sind also Japan und Spanien in der Endrunde und treffen auf Marokko bzw. Kroatien. Die Marokkaner hatten nachmittags in den entscheidenden Momenten einfach mehr individuelle Klasse als die Kanadier und zogen verdient ins Achtelfinale ein. Und die Kroaten schafften mit viel Glück gegen Belgien ein 0:0, trotz bester Chancen insbesondere für Lukaku. Wie bereits vor einigen Tagen geschrieben: Die Zeit der belgischen "Golden Generation" ist vorbei.

Im Tippspiel gab es wieder viele Nullnummern und die Tabelle hat sich kaum verschoben. Bitte denkt daran, rechtzeitig vor Beginn der Achtelfinals (Samstag 16:00h MEZ) Eure Tipps für die nächsten beiden Runden abzugeben. Aus Euren Achtelfinaltipps ergeben sich ja lt. Spielplan die Begegnungen der Viertelfinals, und die müsst Ihr dann auch gleich noch tippen. Für die Halbfinals und die Finalspiele gibt es dann noch mal eine letzte Tipp-Runde mit neuem Tippschein.

Ein schönes Achtelfinalwochenende wünscht
Robert


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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 1. Dezember 2022 die Partie

Deutschland vs. Costa Rica

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 9. Juni 2006,

 
die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 8)

Auf die Gesetzmäßigkeiten von Eröffnungsspielen bei Fußballweltmeisterschaften wurde in einem der vorherigen Beiträge schon einmal ausführlich hingewiesen. Die deutsche Mannschaft konnte diese mit ihrem überzeugenden Auftaktsieg bei ihrer Heim-WM 2006 durchbrechen und damit den Grundstein für das spätere Weiterkommen ins Achtelfinale legen. Aus gegebenem Anlass dieser niederträchtigen Fußballveranstaltung steht im dritten Spiel der Gruppenphase dieselbe Paarung auf dem Programm. Gerne denken wir aber an die besagte Begegnung zurück, die am 9. Juni 2006 in München stattfand. Auf seiner Homepage dokumentiert der Deutsche Fußball-Bund in einer Serie alle Spiele deutscher Nationalmannschaften seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik „Stimmen zum Spiel" einige Zitate von Zeitzeugen und aus der Presse. Das WM-Eröffnungsspiel wurde unter die passende Überschrift „4:2 gegen Costa Rica: Das Sommermärchen 2006 beginnt“ gestellt. Es geht in dem nachfolgenden Bericht um einen klitzekleinen Abwehrspieler, der keinesfalls lahm unterwegs war und zudem aufgrund seiner Beidfüßigkeit auch nicht traurig über den Platz hinken musste. Aber es ging auch um einen ziemlich löchrigen Abwehrverbund und einen erstaunlichen Torjäger, der einfach nicht damit aufhören wollte, fleißig ein WM-Tor nach dem anderen einzusammeln.

Vor dem Spiel: Nach dem EM-Vorrundenaus 2004 trat Rudi Völler zurück, und sein Sturmpartner der Weltmeistermannschaft 1990, Jürgen Klinsmann, übernahm den Job als Bundestrainer. Er brachte neue Ideen mit, manches wie die roten Trikots war gewöhnungsbedürftig, aber seine Spielidee gefiel den Deutschen: Die Nationalmannschaft wollte wieder auf Sieg spielen. Auch bei der WM im eigenen Land, für die sie sich also nicht qualifizieren musste, strebte er das Optimum an: „Wir wollen Weltmeister werden!" Das sagte er schon bei der Amtseinführung am 29. Juli 2004. Davon waren allerdings zum WM-Start, auch aufgrund schwächerer Testspiele, nur zehn Prozent der Deutschen überzeugt. Auf dem Weg zur Endrunde kamen 37 Spieler in den Testspielen zum Einsatz, darunter elf Debütanten. Klinsmann setzte auf die Jugend, baute Spieler wie Per Mertesacker, Bastian Schweinsteiger oder Lukas Podolski in die Mannschaft ein. Aus dem WM-Kader von 2002 waren noch elf Spieler übrig, so dass sich eine gute Mischung aus Erfahrung und Unbekümmertheit ergab. Weil sich der Trainerstab für einen Torwartwechsel entschied – Jens Lehmann für Oliver Kahn – brauchte es einen neuen Kapitän: Michael Ballack. Ausgerechnet der Bayern-Star machte Sorgen vor dem WM-Auftakt, ihn plagte seit Mitte Mai eine Wadenverhärtung – und so war es auch noch am 9. Juni. Er hielt sich zwar für einsatzbereit, aber die Ärzte rieten ab, und Klinsmann hörte auf sie. Er wollte kein Risiko eingehen und gab Ballacks Aussetzen mit den Worten „Die Wade ist noch nicht da, wo sie hin muss" bekannt. Für ihn kam der Bremer Tim Borowski in die Startelf. Gegen Costa Rica war ein Sieg natürlich fest eingeplant. Es war das erste Treffen mit den Mittelamerikanern, dem vermeintlich leichtesten Gruppengegner. „WM-Rekord gegen Costa Gurka?" fragte die „Bild“ etwas respektlos. Bezogen war die Frage allerdings auf die Eröffnungsspiele, die bisher noch keinen Sieger mit mehr als einem Tor Vorsprung gesehen hatten. Costa Rica hatte sich gerade erst gegen eine Heidelberger Amateurauswahl blamiert (2:3), aber den Mut nicht verloren. Torjäger Paulo Wanchope: „Der Druck lastet auf Deutschland. Sie werden versuchen, in den ersten 15 Minuten ein Tor zu schießen. Aber wenn wir hinten gut stehen und kontern, können wir gewinnen." In der FIFA-Weltrangliste waren die Länder nur drei Plätze voneinander entfernt, Deutschland war 22., Costa Rica lag auf Platz 25.

Spielbericht: Die Welt blickt nach München, rund 1,5 Milliarden Zuschauer verfolgen das Eröffnungsspiel. Um 18 Uhr erfolgt an diesem Freitag der Anpfiff, an den Mikrofonen von ZDF (Béla Réthy) und Premiere (Marcel Reif) sitzen die, die auch beim WM-Finale 2002 kommentiert haben. Die Sonne lacht zum Auftakt dieser WM, die man ein „Sommermärchen" nennen wird. Bernd Schneider ist Kapitän für einen Tag, er gewinnt die Seitenwahl. Costa Rica stößt an. Die erste Torchance des Turniers hat Torsten Frings, der aus 23 Metern aufs Tordach schießt. Das Netz zappelt, mancher jubelt verfrüht. Zwei Minuten später ist Jubel angebracht. Philipp Lahm schnappt sich einen versprungenen Ball auf links, kurvt in den Strafraum und zieht von dessen Eck ab. Der Ball schlägt im Winkel ein, mit Hilfe des Innenpfostens landet er im Tor – ein Sonntagsschuss bringt das 1:0. „Den Trick, dass er immer nach innen zieht, kennen sie noch gar nicht in Costa Rica", nimmt Réthy an und findet: „Viel besser kann man in eine WM nicht starten!" Die ohnehin gute Stimmung im Stadion steigt noch ein bisschen, schon singen welche das Lied von der „Nummer eins der Welt", da passiert es: Costa Rica kombiniert sich durch, Ronald Gomez spielt auf Paulo Wanchope, Arne Friedrich hebt das Abseits auf und der Stürmer mit Premier-League-Erfahrung schiebt eiskalt ein – 1:1. Jens Lehmann, der sich schon seit der dritten Minute wegen Schmerzen am Sprunggelenk behandeln lässt, hat keine Chance.

Wie wird die Mannschaft reagieren? Als wäre nichts gewesen. Es dauert nur fünf Minuten, bis sie wieder führt. Über rechts tankt sich Schneider durch, Bastian Schweinsteiger leitet sein Zuspiel direkt weiter auf Miroslav Klose und der drückt den Ball aus vier Metern mit links über die Linie. Sein 25. Länderspieltor am 28. Geburtstag bringt den Gastgeber wieder auf Kurs. Von außen treibt ihn Jürgen Klinsmann an, Richtmikrofone lassen die Zuschauer teilhaben an seinen Kommandos: „Breit machen, Bewegung, weiter geht's." Lukas Podolski, einer von sieben WM-Debütanten im DFB-Team auf dem Platz, setzt einen Volleyschuss ab, Schweinsteiger einen Flatterball, aber Keeper Jose Porras ist auf der Hut. Kurz vor der Pause zischt ein Podolski-Freistoß um wenige Zentimeter übers Tor, dann geht es in die Kabinen. Beifall, auch vom Kommentator: „Eine tolle, weil überaus amüsante erste Hälfte", hat Réthy gesehen. In Zahlen: 63 Prozent Ballbesitz und 12:1 Torschüsse, da macht sich der Spielstand eher bescheiden aus.

Wiederanpfiff. Podolski brennt auf sein erstes WM-Tor, schießt schon nach 30 Sekunden drauf – drüber. So verheißungsvoll es beginnt, danach wird es schlechter. Die Überlegenheit bleibt, aber die Nervosität wird offenbar nicht kleiner, sondern größer. Immer wieder schleichen sich überflüssige Abspielfehler ins deutsche Aufbauspiel ein, 15 Minuten passiert gar nichts. Dann macht sich wieder Linksverteidiger Lahm auf zu großen Taten. Diesmal tankt er sich bis zur Grundlinie durch und flankt mit dem schwächeren Linken auf Klose, dessen Bewacher sich verschätzt hat. Der Bremer köpft druckvoll aufs Eck, Porras pariert, aber der Abpraller ist eine leichte Beute für das Geburtstagskind: Mit rechts haut Klose den Ball unters Tordach, 3:1! „Der Weckruf für die deutsche Elf ist erfolgt", stellt Réthy fest. Lahm muss niemand wecken, er ist immer wach und auf Zack und erhält überall Bestnoten. Kurz nach dem 3:1 dribbelt er sich durch in den Fünfmeterraum, ein Verteidiger stoppt ihn im letzten Moment. Im Vorgefühl des sicheren Sieges werden sie unaufmerksam, was sich rächt. Das 3:2 ist fast eine Kopie des 1:1: wieder zerreißt ein geschlenzter Pass auf Wanchope die Abwehrkette, wieder spielen sie auf Abseits und obwohl es diesmal knapp zutrifft, zählt auch dieses Tor. „Hohes Risiko wird bestraft", moniert Réthy. Die letzten zehn Minuten brechen an, dass sie so spannend werden würden, hat keiner erwartet. Klinsmann wechselt zum zweiten Mal, Klose holt sich seinen Sonderapplaus ab. Mit Neuville kommt ein Konterstürmer. Das Publikum spürt die Angst im deutschen Team, feuert es lautstark an. Innenverteidiger Per Mertesacker, der nicht seinen besten Tag hat, kommt bei einer Ecke mit vor und prüft Porras per Kopf – gehalten. In der 87. Minute gibt es auf der linken Seite einen Freistoß. Alle rechnen mit einer Hereingabe von Schweinsteiger, doch der legt quer auf Frings. Dem Bremer verspringt der Ball etwas, weshalb ihm der 25-Meter-Schuss abrutscht. Zum Glück! Unhaltbar schlägt das Geschoss zum 4:2 ein. Das ist die Entscheidung – der nächste Traumtreffer des Tages. Nun darf David Odonkor noch ein paar Minuten spielen, der überraschend in den Kader gerutschte Dortmunder kommt zu seinem zweiten Länderspiel und deutet an, warum er dabei ist. Nach rasantem Antritt bringt der Sprinter den Ball flach vors Tor, Podolskis Drehschuss wird abgeblockt. Es folgt der Schlusspfiff, das Publikum verabschiedet beide Mannschaften mit Applaus. Für die Spieler und den Trainerstab ist es noch lange nicht zu Ende, denn es gibt Gesprächsbedarf, wie Philipp Lahm in seiner Biographie Der feine Unterschied acht Jahre später niederschreibt: „Costa Rica hatte mit einfachsten Mitteln zwei Tore gegen uns gemacht, weil wir viel zu weit voneinander entfernt gestanden hatten, ohne Gefühl für das, was der andere tun wird, tun muss, tun kann. Am Tag nach dem Spiel setzen wir und mit Jürgen Klinsmann und Jogi Löw zusammen, um das System in unserem Defensivspiel zu korrigieren. Noch eine solche Partie mit solchen Löchern in der Abwehr, und wir haben ein ernstes Problem."

Es folgen einige Stimmen zum Spiel.
Jürgen Klinsmann (Bundestrainer und Chefanimateur): „Es war ein tolles Auftaktspiel für eine Fußball-WM. Konzentrationsfehler, wie vor den Gegentoren, kommen vor. Das muss man schlucken. Wir spüren eine unheimliche Energie bei uns, aber wir werden nicht abheben. Wir sind hohes Tempo gegangen, kamen auch nach den Anschlusstreffern immer wieder ins Spiel zurück."
Miroslav Klose (Dauertorschütze und Turnkünstler): „Es gibt nichts Schöneres, als am Geburtstag mit der Mannschaft zu gewinnen und zwei Tore zu schießen. Ein Super-Gefühl als ich traf und die Menschen jubelten. Den Salto lasse ich später folgen – den mache ich bekanntlich nur bei schönen und wichtigen Toren."
Philipp Lahm (Dauerläufer und Dosenöffner): „Der Ball sollte genau da hin gehen. Das war kein Zufall, ich habe ja nicht auf die Eckfahne gezielt. Für mich war es das Tor des Jahres, es war sogar das Tor meines Lebens."
Torsten Frings (Lutscher und Klartexter): „Ehrlich, das war ein Glückstor. Der Ball ist mir abgerutscht."
Bastian Schweinsteiger (Abräumer und Poldis Dauerkumpel): „Ich hätte heute lieber 2:0 gewonnen. Es gibt sicherlich bis zum nächsten Spiel noch einiges zu verbessern."
Franz Beckenbauer (Chef des WM-OK und frühere Lichtgestalt): „Hervorragend, dass unsere Mannschaft von der ersten Minute an gezeigt hat, dass sie Herr im Hause sein will, und das bis zur letzten Minute durchgehalten hat."
Diego Maradona (Weltmeister im Fußball und Handball): „Das war eine Weltklasseleistung von Philipp Lahm. Er hat perfekt gespielt und ein tolles Tor geschossen. In dieser Form kann er einer der Topspieler der WM werden."
„Vorne geballert, hinten gebibbert – so schafften wir zum Start unserer WM ein 4:2 gegen Fußball-Zwerg Costa Rica. Diese Baller-Knaller-Tore haben richtig Laune gemacht! Besonders der Frings-Hammer aus 30 Metern hat uns den Atem geraubt. Auch der Wille stimmte (...) Aber ehrlich gesagt: Etwas weniger Spannung wäre uns Deutschen lieber gewesen. Diese Abwehr quält uns! Sie wurde nicht oft gefordert, leistete sich trotzdem schwere Alptraum-Anfälle. So droht spätestens im Achtelfinale gegen Schweden oder England eine Packung!“ („Bild“)
„Die Probleme in Klinsmanns Defensive bleiben. Starke Offensivleistung - zu wenig Pressing gegen einen limitierten Gegner." („Kicker“)
„Oh nein! Sie haben sich wieder in Marsch gesetzt. Im Eröffnungsspiel mit den meisten Toren in der WM-Geschichte erzielte Deutschland zwei Wundertore." („Daily Mirror“ / England)
„Vier Tore und eine schwache Verteidigung: Die Mannschaft bot zusammen mit Costa Rica das stärkste Eröffnungsspiel seit 40 Jahren." („Liberation“ / Frankreich)
„Klose & Co. haben einen großartigen Start. Nichts konnte Deutschland das Fest vermiesen, auch nicht die Fehler in der Abwehr." („La Republica“ / Italien)
„Einen besseren Start für die WM hätte man sich nicht wünschen können. Deutschland und Costa Rica boten uns ein Fußballfest." („Expressen“ / Schweden)

Das waren jetzt viele warme Worte nach einem insgesamt überzeugenden WM-Auftakt der deutschen Mannschaft. Der Fortgang der weiteren Turniergeschichte dürfte noch allgemein im Gedächtnis geblieben sein: Jung-Odonkor auf Alt-Neuville zum Last-Minute-Sieg gegen Polen (1:0), erneuter Doppel-Klose gegen Ecuador (3:0), zwei Poldi-Kracher im Achtelfinale gegen Schweden (2:0), Lehmanns erfolgreiche Zettelwirtschaft im Viertelfinale gegen Argentinien (5:3 n. E.), Endstation Sehnsucht im Halbfinale gegen Italien (0:2) und Schweini-Show im Mini-Finale gegen CR7 & Co. (3:2). Klinsmann schmeißt trotzdem nach der WM hin. Assi „Jogi“ fährt den Wagen vor und übernimmt gleich das Steuer. Das so schöne „Sommermärchen“ nebst Lichtgestalt Franz Beckenbauer bekommen später ein paar ziemlich böse Brandflecken ab. Und die fleischgewordene Reporterschlaftablette Béla Réthy hat endlich die flehenden Bitten unzähliger von ihm jahrzehntelang verbal traktierter Fußballfans erhört und darf direkt im Anschluss an diese merkwürdige Wüsten-WM in einem schönen Seniorenheim mit Blick auf den Mainzer Lerchenberg seine wohlverdiente öffentlich-rechtliche ZDF-Rente genießen.

Kurze Fakten zum Spiel Deutschland – Costa Rica 4:2 (1:1)
Anlass: WM-Endrunde in Deutschland / Gruppenphase; Datum: 09.06.2006; Spielort: Allianz-Arena in München; Zuschauer: 66.000; Torschützen: 1:0 Lahm (6. Min.), 1:1 Wanchope (12. Min.), 2:1 Klose (17. Min.), 3:1 Klose (61. Min.), 3:2 Wanchope (73. Min.), 4:2 Frings (87. Min.); Aufstellung Deutschland: Lehmann – Friedrich, Mertesacker, Metzelder, Lahm – Frings, Borowski (Kehl), B. Schneider (Odonkor), Schweinsteiger –  Klose (Neuville), Podolski

 
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WM-Kommentar vom 30.11.2022

Tag 2 der Entscheidungen in der Vorrunde, diesmal in den Gruppen C und D. Nachmittags sah es bei Australien-Dänemark und Tunesien-Frankreich lange, viel zu lange nach einer Doppel-Doppel-Null aus. Die Außenseiter mühten sich gegen die Favoriten ab, spielten engagiert und körperlich robust, aber eben wenig effektiv. Man fragte sich bei den Dänen, wann sie denn wohl mal loslegen wollten, ein 0:0 reichte in keinem Fall. Frankreich trat mit einer B-Elf ohne die Topstars an und das war deutlich zu sehen. Da klappte wenig, es fehlte an Tempo und Kombinationssicherheit, aber das war weniger schlimm, schließlich hatte der Weltmeister hatte das Achtelfinale ja schon sicher. Und prompt ging Tunesien nach einer knappen Stunde und schönem Steckpass durch Khazri in Führung, der sich gegen zwei französische Abwehrspieler durchsetzen und den Ball an Ersatztorwart Mandanda vorbeilegen konnte. Nun war Tunesien in der Blitztabelle auf Platz 2, doch nur ganz kurz. Denn Australien holte sich diesen Platz nur 2 Minuten später zurück, durch einen quasi identischen Treffer von Leckie, ebenfalls nach Steckpass und nach Abschütteln von zwei Verteidigern. Wer jetzt von den Dänen einen Sturmlauf und ein Chancenfestival erwartete, wurde bitter enttäuscht. Mit großem Einsatz, aber mit überraschend wenig Mühe brachten die Down-Underdogs den Vorsprung über die Zeit. Dänemark wurde zu einer der bisher größten Enttäuschungen dieses Turniers: Letzter in der wahrlich nicht extrem schwierigen Gruppe D mit einem einzigen mickrigen Törchen - da hatten wir vom letztjährigen EM-Halbfinalisten mehr erwartet, und die rotweißen Fans zwischen Esbjerg und Kopenhagen sicher auch. Australien steht nun zusammen mit Frankreich im Achtelfinale. Der Titelträger wechselte zwar noch seine Topstars Mbappé, Griezmann und Dembelé ein, aber auch die brachten außer einem Abseitstor nichts Zählbares zustande. Die aufopferungsvoll kämpfenden Tunesier konnten sich über einen Sieg gegen den Weltmeister freuen, müssen aber trotzdem jetzt schon die Heimreise antreten. Die beiden überraschenden Ergebnisse in Gruppe D sorgten übrigens für eine komplette Nullnummer in der Tippspieltabelle. Niemand hatte den Außenseitern eine Siegchance eingeräumt und Australien hatte auch niemand ins Achtelfinale getippt.

Abends beendete die Gruppe C die Vorrunde und auch hier stand zur Halbzeit die Vierfach-Null, da Szczesny gegen Messi mit einer tollen Parade ein Elfmetertor verhinderte. Dann schlug Argentinen nur eine Minute nach Wiederanpfiff zu und riss die Tür zum Achtelfinale auf. 20 Minuten später machte Alvararez alles klar für die Gauchos. In Polen begann das große Zittern, der Rosenkranz rotierte, Stoßgebete wurden zum Himmel geschickt. Mexiko hatte nämlich inzwischen zwei Tore gegen Saudi-Arabien vorgelegt und lag in der Gruppentabelle nur wegen einer größeren Zahl Gelber Karten hinter den Polen. Ein weiteres Tor für Mexiko oder Argentinien und Lewandowski & Co. hätten den 2. Advent zuhause in Polen feiern können. Doch der Fußballgott war mit unseren Nachbarn, die Argentinier verballerten beste Chancen und Mexiko wurde ein Tor aberkannt. In der Nachspielzeit konnten die Saudis per Konter zwar den Anschlusstreffer erzielen, aber auch das brachte keine Sicherheit, ein weiteres Tor für Mexiko hätte die Polen immer noch rausgekickt. Das fiel aber nicht mehr. Puuuuuh... - Glück gehabt!

In der Tippspieltabelle zieht Henning weiter oben einsam seine Kreise. Verfolgerplatz 2 ist jetzt vierfach besetzt, eine Laune des Zufalls. Von sechs teilnehmenden Hebbelkickern stehen übrigens vier auf den ersten acht Plätzen - da sieht man doch, wo der Fußballverstand zuhause ist. Morgen folgt das Finale in der "deutschen Gruppe" - ein spannender Abend ist garantiert. Ich gucke mir das beim Spitzenreiter an.

Viel Spaß wünscht
Robert



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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 30. November 2022 die Partie

Polen vs. Argentinien

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 15. Juni 1974,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 7)

Vielleicht erinnern sich ältere Semester noch an die erste Fußball-WM, die bei uns auf heimischem Boden ausgetragen wurde. Das war im Sommer 1974 und viele Fußballfans hofften natürlich, dass die deutsche Mannschaft als amtierender Europameister diesmal vielleicht sogar den ganz großen Wurf auf der Weltbühne würde schaffen können. Aber dann kam bekanntlich in der Vorrunde erst die sensationelle Niederlage im deutsch-deutschen Prestigeduell gegen Sparwasser & Co. und dann der Zoff um Moneten in der tristen Trainingskaserne von Malente. Vor allem aber zauberten zu diesem Zeitpunkt ganz andere Mannschaften einen großartigen Fußball auf die Plätze der deutschen Stadien. Sicherlich hatte man von den Endspielgegnern der vorherigen WM, also Brasilien und Italien, eine ganze Menge erwartet. Aber jetzt präsentierten sich weitere Teams, die einen großartigen Offensivfußball hinzauberten. Das waren natürlich die Holländer um den genialen Regisseur Johan Cruyff und auch die technisch versierten Jugoslawen. Darüber hinaus konnten die Argentinier mit großartigem Kombinationsfußball auf sich aufmerksam machen, den sie bis zur letztlich für sie überaus erfolgreichen Heim-WM 1978 noch einmal perfektionieren sollten. Die beste Offensivmannschaft der gesamten WM waren aber eindeutig die Polen. Für Experten kam diese Entwicklung gar nicht einmal so überraschend. Schon bei der Olympiade 1972 (2:1 im Endspiel gegen Ungarn) gewannen die so genannten „Staatsamateure“ ziemlich überzeugend die Goldmedaille und in der anschließenden WM-Qualifikation eliminierten sie 1973 für viele sensationell das englische Team (2:0 und 1:1). In ihren Reihen standen absolute Weltklasseleute wie ihr Torwart Tomaszewski, Mittelfeldregisseur Deyna sowie natürlich ihr Traumtrio, bestehend aus dem Mittelstürmer Lato und den beiden Flügelstürmern Gadocha und Szarmach. Polen erzielte am Ende sagenhafte 16 Turniertore (davon alleine sieben von WM-Torschützenkönig Lato und fünf von Szarmach) und erreichte am Ende einen großartigen dritten Platz. Und wer weiß, wie das Spiel im „verkappten Halbfinale“ (es gab bei dieser WM eine zweite Finalrunde ohne K.-o.-Spiele) gegen Deutschland ohne die berühmt-berüchtigte „Frankfurter Wasserschlacht“ ausgegangen wäre, wenn nicht unser „kleines dickes Müller“ so überaus präzise aus einer tiefen Pfütze heraus zum erlösenden 1:0 abgezogen hätte. Aber wäre, wäre, Fahrradkette und die Wahrheit liegt immer auf’m Platz – fünf freiwillige Euronen ins Fußball-Phrasenschwein!

Aus gegebenem Anlass dieser bekloppten Fußballveranstaltung treffen Polen und Argentinien wieder in der Gruppenphase aufeinander. So war es auch damals im Stuttgarter Neckarstadion und es sollte eines der interessantesten und spektakulärsten Spiele der gesamten WM werden. Die Hauptakteure auf polnischer Seite wurden bereits oben benannt. Aber auch die Argentinier hatten so einige Könner mit dabei. Zu nennen sind hier in besonderer Weise der Abwehrspieler Heredia, die beiden Mittelfeldspieler Houseman und Babington, der übrigens von 1974 bis 1978 bei der SG Wattenscheid 09 in der zweiten Bundesliga spielte, sowie der Stürmer Ayala. Aber auch Mario Kempes, der spätere WM-Torschützenkönig von 1978, stand damals schon in der Startelf. In seinem Buch „Fußball-Weltmeisterschaft 1974“, das ich zum Glück immer noch in meinem Bücherregal aufbewahrt hatte, kommentierte der Autor und frühere Startrainer Hans „Hennes“ Weisweiler den Weg der beiden Mannschaften in die zweite Finalrunde wie folgt.

Die Auslosung der Gruppe 4 mit Polen, Argentinien, Italien und Haiti erwies sich – im Nachhinein – als Volltreffer. Die Besucher der Stuttgarter Spiele und die Millionen Fernsehzuschauer werden noch lange von den Polen und den Argentiniern schwärmen. Im Neckarstadion sind die polnischen Spielzüge beklatscht worden. Kazimierz Deyna, Grzegorz Lato und Robert Gadocha avancierten zu Publikumslieblingen. Als Andrzej Szarmach im letzten Soel gegen Italien (Anmerkung: 2:1 für Polen) wegen einer Gesichtsverletzung vom Feld ging, wurde er mit prasselndem Applaus verabschiedet. Warum? Weil das polnische Spiel so einfach aussah, so klar in der Konzeption angelegt war und mit so viel Tempo ausgeführt wurde, dass sowohl die Argentinier als auch die Italiener schlecht aussehen mussten. Polens Spieler beherrschten in der ersten Finalrunde eine Grundregel des Fußballs optimal. Jene Regel, die besagt, den Ball laufen zu lassen. Argentiniens Individualisten haben trotz ihrer 2:3-Niederlage gegen Polen in Süddeutschland ebenfalls imponiert. Es wäre bedauerlich gewesen, hätte diese Elf vorzeitig ausscheiden müssen. Die Südamerikaner wirkten in ihrer Mannschaftsleistung erstaunlich diszipliniert. Dabei blieb genügend Spielraum für Solisten, für Ballkünstler, wie sie überall auf der Welt geliebt werden. Der temperamentvollste unter ihnen war Carlos Babington, der Raum, Ball und Gegner beherrschte, nur sich selbst nicht immer. Babington schlug die Bälle meist diagonal über das halbe Feld in den Angriff, zu Houseman, Ayala oder Yazalde. Argentinien gab Europa einen Vorgeschmack auf die WM 1978 am La Plata.
In dem Besagten, nach unzählbarem früherem Durchblättern mittlerweile etwas romponierten WM-Buch findet sich auch die nachfolgende interessante Passage über das so genannte „Holzkästchen“ der Polen. Wissen ist bekanntlich Macht, und die Polen gingen bei ihren Vorbereitungen offensichtlich sehr stark wissenschaftlich vor – sie waren damit wohl so etwas wie Vorreiter einer Entwicklung, die heute auf digitaler Grundlage zum Standard im internationalen Fußballgeschäft gehört.

Polens Aufstieg zur Weltmacht im Fußball ist kein Geheimnis, keine Hexerei und schon gar kein Wunder. Es ist wissenschaftliche Arbeit. Vielleicht liegt viel auch in der polnischen Mentalität begründet. Wahrscheinlich vergisst man in Polen weniger schnell als anderswo. So erklärte Trainer Kazimierz Gorski nach dem 2:1-Erfolg gegen Italien in Stuttgart: „Vor neun Jahren haben wir gegen den gleichen Gegner noch mit 1:6 verloren.“ Man lernte aus den Fehlern der Vergangenheit. Die Polen zeigten in der Gruppe 4 auf ihrer Straße des Sieges die besten Spiele und die besten Ideen. Die Mannschaft wird durch Erfolge noch motiviert, kennt noch kein Sattsein. Kazimierz Deyna, der Mittelfeldstratege, sagte einfach: „Sicher hätte ich gerne ein Auto, aber da ich keines besitze, fahre ich eben mit der Straßenbahn.“ Bei Polens Olympiasieg in München meinten die Experten und jene, die sich dafür halten, na ja, gegen Westamateure ist doch leicht zu gewinnen. Die Weltmeisterschaft hat bisher das olympische Turnier nachträglich aufgewertet. Wenn man Polens Trainer meint, spricht man von Kazimierz Gorski und vergisst leicht, dass es auch einen Jecek Gmoch gibt, 35 Jahre alt, Diplomingenieur von Beruf, sogenannter Leiter der Informationsbank. Er ist der Wissenschaftler, der Tüftler, der Sammler von Daten, Systemen, Erkenntnissen, die er in einem Holzkästchen wie ein Beamter aufbewahrt. Gmoch („für die westeuropäischen Mannschaften war die Saison zu lang und zu hart“) analysierte vor der Weltmeisterschaft alle teilnehmenden Teams und suchte für das Training Klubmannschaften als Sparringspartner aus, die beispielsweise deutsche, italienische oder holländische Spielart zu kopieren hatten. So einfach ist das – wenn man dann Spieler wie Deyna, Gorgon, Lato, Kasperczak oder Szarmach hat.

Danach war in der zweiten Finalrunde für Argentinien allerdings „Flasche leer“: erst Klatsche gegen Holland (0:4), dann etwas knapper gegen Erzgegner Brasilien (1:2) und schließlich eher kraftlos gegen die DDR (1:1). Für Polen war dagegen noch längst nicht alles verloren: Zunächst zwei weitere tolle Siege gegen Schweden (1:0) und Jugoslawien (2:1), dann verlor man beim schlüpfrigen Frankfurter Wasserballett (0:1) gegen den deutschen Europameister etwas den Halt unter den schnellen Füßen, im „kleinen Finale“ gegen die Brasilianer folgte aber die süße Rache (1:0) und am Ende baumelte eine schöne Bronzemedaille am Hals der polnischen Fußballhelden.

Kurze Fakten zum Spiel Polen – Argentinien 3:2 (2:0)
Anlass: WM-Endrunde in Deutschland / erste Gruppenphase; Datum: 15.06.1974; Spielort: Neckarstadion in Stuttgart; Zuschauer: 32.700; Torschützen: 1:0 Lato (7. Min.), 2:0 Szarmach (8. Min.), 2:1 Heredia (60. Min.), 3:1 Lato (62. Min.), 3:2 Babington (66. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph

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WM-Kommentar vom 29.11.2022

Am 3. Gruppenspieltag geht es traditionell für viele Mannschaften nur noch um Hopp oder Top, um Heimreise oder Achtelfinale. So auch diesmal in den Gruppen A und B, natürlich in parallel laufenden Spielen. Seit der "Schande von Gijon" 1982 lässt die FIFA nicht mehr zu, dass Spiele Absprache-gemäß enden, weil das Ergebnis des anderen Spiels bereits bekannt ist. Da waren die Deutschen - wenn auch unrühmlich - also mal an einer wichtigen Entwicklung im Weltfußball beteiligt. Es gibt noch eine weitere - aber dazu kommen wir vermutlich erst in der Endrunde.

Zur besten Kaffeezeit spielten also Niederlande-Katar und Ecuador-Senegal. Die Holländer begannen eher vorsichtig, beherrschten den Gegner, aber ohne viele eigene Torchancen. Dann fiel das 1:0, natürlich wieder durch Gakpo, der nun in Katar mit links, rechts und dem Kopf getroffen hat. Spätestens in der nächsten Saison sehen wir diesen Mann in einem europäischen Topverein, das ist wohl klar... Kurz nach der Pause folgte das zweite Tor und die Partie verlor deutlich an Qualität. Holland spielte Schlafwagenfußball und Katar schaute zu. Der sonst von mir hochgeschätzte Thomas Broich versuchte, als Ko-Kommentator das lahme Ballgeschiebe zu extrem sicherem Kombinationsspiel schönzureden und rechnete traumhafte Passquoten aus. Wow, es ist auch wirklich schwierig, hinten den Ball hin- und herzuschieben, wenn einen niemand angreift. Das kann ich auch. Tja, also... - viel passierte nicht mehr. Ein wegen Handspiel aberkanntes Tor, ein paar Alibischüsse der Gastgeber - man konnte froh sein, dass irgendwann Schluss war. Die Niederländer wurden kaum gefordert, aber das erhoffte Torfestival war es eben leider auch nicht. Wer weiß, vielleicht durften die Oranjes auch nicht öfter treffen, weil die Katarer sonst den Gaspreis hochgetrieben hätten. In dieser verrückten Welt scheint alles möglich!

Das Parallelspiel war deutlich aufregender, je nach Spielstand drängte die eine oder die andere Mannschaft auf das gegnerische Tor. Senegal musste gewinnen, um in die nächste Runde einzuziehen. Zum Ende der überlegen geführten 1. Hälfte gelang auch das 1:0 per Elfmeter. Prompt übernahmen die Südamerikaner nach dem Seitenwechsel das Kommando und schossen schließlich Mitte der 2. Hälfte den Ausgleich. Das war Anlass für den Afrikameister, wieder aktiver zu werden, und postwendend folgte tatsächlich die erneute Führung für den Senegal. Wieder bedrängte Ecuador das gegnerische Tor, aber nun gelang nicht mehr viel, alle Bemühungen blieben erfolglos. Senegal steht im Achtelfinale und das ist aus drei Gründen eine gute Nachricht: 1. ist Alidou Cissé der coolste Trainer, 2. ist die bunte, tanzende senegalesische Fantruppe, u.a. mit acht bemalten Männern und den Buchstaben S-E-N-E-G-A-L, einfach sensationell, und 3. hatte ich den Afrikameister in die Endrunde getippt, was mir 2 Zusatzpünktchen einbrachte.

Abends folgte das innerbritische Duell Wales-England und "The Battle in the Desert" Iran-USA. Die Engländer übernahmen sofort das Kommando, beherrschten das Spiel, blieben aber in der 1. Hälfte trotz vieler Torschüsse erfolglos. Das änderte sich nach dem Wechsel. Rashford mit einem tollen Freistoßtor aus gut 22 m Entfernung und Foden am langen Pfosten nach kluger scharfer Hereingabe von Kane  - mit dem 2:0 in der 51. Minute war das Spiel im Prinzip gelaufen. Auch die Waliser durften dann ein wenig mitspielen, aber Rashford machte mit seinem 2. Tor den Sack zu. Wer sich hinterher in der ARD nur die Zusammenfassung anschaute, konnte feststellen, dass man auch ohne Geographiekenntnisse in einer Sportredaktion Karriere machen kann. Ralf Scholt titulierte in seinem Kommentar zum Spiel Wales-England mehrfach Kane, Rashford & Co. als "die Briten". Auf welcher Insel liegt noch mal Wales, lieber Ralf?

Parallel zum Briten-Duell lief das angenehm fair geführte und völlig zu Unrecht von der Journaille zum Politikum "hochsterilisierte" Spiel Iran-USA. Die junge amerikanische Mannschaft begann sehr engagiert, kam zu Chancen und konnte sogar verdient in Führung gehen. Doch dann schlug das Verletzungspech zu, mehrere Führungsspieler mussten raus und der Iran starte nach der Pause einen Angriff nach dem anderen auf das Tor der US-Boys. Nur mit sehr viel Glück und Geschick konnten diese ihren Vorsprung ins Ziel retten - ein Remis wäre nicht unverdient gewesen. Doch so zieht das junge amerikanische Team ins Achtelfinale ein. Wenn die Holländer wieder so pomadig spielen wie am Ende gegen Katar, dann könnte das mit einer Überraschung enden.

Im Tippspiel ist Henning an der Spitze weit davongezogen, er punktete in allen vier Spielen und holte noch 8 Zusatzpunkte. 13 Punkte Vorsprung auf den ersten Nicht-Geldgewinnerplatz, davon kann er jetzt zehren. Aber noch gibt es 28 Spiele, da kann man viel richtig machen - oder komplett daneben liegen.

Beste Grüße,
Robert


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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 29. November 2022 die Partie

Iran vs. USA

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 21. Juni 1998,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 6)

Politisch brisante Spiele hat es im Fußball immer wieder einmal wieder gegeben. Einmal mündete eine Begegnung in der WM-Qualifikation zwischen den seinerzeit verfeindeten mittelamerikanischen Staaten Honduras und El Salvador am 26. Juni 1967 sogar einige Wochen später in eine militärische Auseinandersetzung, die anschließend unter der schlimmen Bezeichnung „Fußball-Krieg“ in die Geschichte einging. Es sollte eigentlich nicht sein, aber die Welt ist nun einmal so wie sie ist. Die armen Fußballer auf dem Platz können dann trotz des negativen Grundrauschens um sie herum nur irgendwie versuchen, sportlich einigermaßen fair damit umgehen und in ihren jeweiligen Gegnern eben keine Erz- oder Systemfeinde zu sehen. Beispiele hierfür sind das deutsch-deutsche Duell bei der WM 1974 in Hamburg oder die WM-Begegnung 1986 zwischen den vormaligen Falkland-Kriegsgegnern Argentinien und England, die aber dann letztlich durch Maradonas „Hand Gottes“ sportlich eben gerade nicht so ganz fair entschieden wurde.

Genau in diese beschriebene Kategorie fiel auch das WM-Gruppenspiel des Iran gegen die USA bei der WM 1998 in Frankreich. Auch diese Partie wurde vom seit 1979 bestehenden Konflikt zwischen diesen Ländern komplett überlagert. Seinerzeit hatten die USA die damalige Zwangsherrschaft des Schahs von Persien zu stützen versucht. Dieses missglückte Unterfangen endete blutig mit der so genannten „Islamischen Revolution“, dem Sturz des Schah-Regimes und der Einrichtung eines „Gottesstaates“ durch die schiitischen Mullahs. Die Situation eskalierte in der Folge durch eine von radikal-islamischen Studenten durchgeführte Geiselnahme von über fünfzig Personen in der US-amerikanischen Botschaft, um die Auslieferung des ins Ausland geflohenen Schahs zu erzwingen. Diese gewaltsame Aktion dauerte dann insgesamt 444 Tage an, endete zwar mit der Freilassung aller Geiseln, war aber letztlich Ausgangspunkt eines nunmehr Jahrzehnte andauernden politischen Konflikts der Staaten, den radikale Kräfte auf beiden Seiten bisweilen martialisch zu einer „Todfeindschaft“ hochstilisiert hatten. Die USA organisierten in der Folge zusammen mit anderen westlich orientierten Staaten ein striktes Wirtschaftsembargo gegen den Iran, das im Grunde bis zum heutigen Tage anhält, und der Iran heizt seitdem immer wieder kriegerische Konflikte im Nahen und Mittleren Osten an.

Aus gegebenem Anlass dieser untragbaren Fußballveranstaltung treffen im dritten Spiel der Gruppenphase wieder einmal die Amerikaner auf den Iran. Gerne denken wir an eine besondere Begegnung zurück, die am 21. Juni 1998 im Stade de Gerland in Lyon anlässlich der WM-Endrunde in Frankreich durchgeführt wurde. Am Ende stand im zweiten Gruppenspiel ein ziemlich überraschender Sieg des Iran. Der Bericht über dieses hochemotionale und international vielbeachtete Duell wurde am 04.08.2016 unter der einigermaßen neutralen Überschrift „Politik im Fußball: Iran – USA 1998“ auf der Homepage des FIFA-Museums veröffentlicht. Interessant ist dabei, dass einige später auch in Deutschland und der Bundesliga bekannte Akteure mit dabei waren, wie beispielsweise die beiden US-Amerikaner Thomas Dooley (1. FC Kaiserslautern) und Claudio Reyna (Bayer Leverkusen), die beiden Iraner Ali Daei (Bayern München) und Mehdi Mahdavikia (HSV), aber vor allem der auch noch heute bei deutschen Fernsehsendern präsente frühere Schiedsrichter Urs Meier. Vielleicht war es genau richtig, dass man seinerzeit einen Referee aus der neutralen Schweiz für diese brisante Begegnung angesetzt hatte. Es geht in dem nachfolgenden Bericht um zwei vermeintliche „Todfeinde auf dem Platz“, die sich aber erfreulicher Weise ein überaus faires Spiel lieferten, die um freundliche Gesten bemüht waren und um einen stolzen Sieger, dessen Erfolg vielleicht gar nicht einmal so überraschend kam. Denn auch in den Reihen der Iraner standen damals hervorragende Fußballer, die sich später in internationalen Ligen als echte Leistungsträger etablieren sollten. Merke: Erfreulicherweise wird nichts so heiß gegessen, wie es einige unverbesserliche Scharfmacher vorher zusammengekocht haben!

Kaum ein Spiel in der jüngeren WM-Geschichte war politisch so brisant wie die Partie am 21. Juni 1998 im Stade de Gerland in Lyon. Mit dabei war auch Hamed Reza Estili, der an diesem Tag zum Volkshelden avancieren sollte. Die Partie stieß nicht nur bei Fußballfans auf enormes Interesse. Trotz aller Spannungen machten die beiden Teams ihren Ländern alle Ehre, spielten resolut, aber jederzeit fair. Für dieses mustergültige Verhalten wurden die beiden von der FIFA später gar mit dem Fairplay-Preis ausgezeichnet, der nun neben dem Hemd des iranischen Helden Hamed Reza Estili in unserer WM-Ausstellung von 1998 zu sehen ist. Die beiden Exponate sind sinnbildlich für dieses Spiel, das so viel Sprengkraft bot, letztlich aber als eine der sportlich fairsten Partien in die Geschichte einging. Dabei hatte das Machtgehabe zwischen den beiden Ländern, die auf dem politischen Parkett seit Jahrzehnten die Klingen kreuzen, mit der Auslosung der beiden in dieselbe Gruppe einen neuen Höhepunkt erreicht. Fans, Intellektuelle, Medien und sogar Politiker debattierten darüber, wer das sportliche Gefecht gewinnen würde. Der Präsident des US-Fußballverbands sprach gar vom „Spiel der Spiele“. Es war auf jeden Fall eine Begegnung, die weit über die beiden Länder hinaus ein großes Echo fand und bei der es für viele um mehr als um den Einzug ins Achtelfinale ging. Nach den Auftaktniederlagen der beiden – 0:2 der USA gegen Deutschland und 0:1 der Iraner gegen Jugoslawien – wurde der Druck noch grösser. Neben einem Prestigeerfolg ging es für die beiden ideologischen Gegner auch ums sportliche Überleben. Drei Punkte waren daher Pflicht.  Dennoch war die Stimmung gelöst, sicherlich auch, weil der 21. Juni von der FIFA zum Fairplay-Tag ernannt worden war. Der iranische Kapitän Ahmedreza Abedzadeh überreichte seinem Kollegen vom US-Team, Thomas Dooley, zum Auftakt gar einen großen Blumenstrauß, ehe die beiden Mannschaften als Zeichen der Verbundenheit gemeinsam für ein Foto posierten.

Mit dem Anpfiff durch den Schweizer Schiedsrichter Urs Meier war die Spannung aber wieder da. Beide Teams kämpften um die Vormacht, bis die Iraner fünf Minuten vor der Pause zum entscheidenden Schlag ansetzten. Javad Zarincheh flankte von rechts genau auf den herbeigeeilten und sträflich allein gelassenen Estili, der aus elf Metern zu einem Kopfball ansetzte. Kasey Keller konnte sich noch so lang machen, er kam nicht mehr ran. Nach seinem Coup gab es bei Estili kein Halten mehr. Mit ausgestreckten Armen rannte er los, um mit seinen Mitspielern die erstmalige Führung der Iraner in einem WM-Spiel zu feiern. „Im Mittelfeld hatte Bagheri gegen vorne mehr Platz als ich“, erzählte Estili im Januar 2000 dem offiziellen Magazin der asiatischen Fußballkonföderation „Football Asia“. „Ich sah, dass Bagheri noch immer in unserer Hälfte war. Als Mehdi Mahdavikia und Javad Zarincheh auf der rechten Seite waren, entdeckte ich zwischen Azizi und Daei eine Lücke. Ich rannte in den Strafraum, nahm den Ball mit dem Kopf und traf ins Tor. Ich konnte es kaum glauben, als das Spiel vorbei war. Alle weinten. Wir hatten die USA geschlagen.“ Estilis spektakuläre Führung erhöhte Mahdavikia sechs Minuten vor Schluss auf 2:0. Nach einem Sprint über 45 Meter versenkte er den Steilpass von Daei in die lange Ecke. Den USA gelang nur noch der Ehrentreffer durch Brian McBride in der 87. Minute. „Leute von 5 bis 95 bewundern mich für dieses Tor“, schwärmte Estili einige Jahr nach dem berühmten Treffer. „Viele Iraner, die im Ausland leben, sagen nun mit Stolz, dass sie Iraner sind. Dieser Sieg hat alle Iraner vereint.“
Nach diesem unerwarteten Prestigeerfolg hatten die Iraner dann aber offensichtlich ihr Schießpulver ein wenig verschossen. Denn im letzten Gruppenspiel setzte es ein klares 0:2 gegen Deutschland. So hieß es letztlich: Raus mit Applaus und anschließend wochenlange Party zu Hause in Teheran – aber im Land der Mullahs höchstwahrscheinlich wohl eher ohne Alkohol!

Kurze Fakten zum Spiel USA – Iran 1:2 (0:1)
Anlass: WM-Endrunde in Frankreich / Gruppenphase; Datum: 21.06.1998; Spielort: Stade de Gerland in Lyon; Zuschauer: 39.100; Torschützen: 0:1 Estili (40. Min.), 0:2 Mahdavikia (84. Min.), 1:2 McBride (87. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph


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WM-Kommentar vom 28.11.2022

Zum letzten Mal ein Vier Spiele-Marathon, mit zwei Langweilern zu Beginn und den Highlights am späten Nachmittag: Brasilien-Schweiz und Portugal-Uruguay. Ja, das hatten wir wohl alle so erwartet. Doch der Fußball bietet halt immer wieder Überraschungen, siehe am Sonntag Jap... - ach, das hatten wir ja schon... Also, kurz gesprochen: Es kam anders!

Brasilien bot gegen die Schweiz eine gute Stunde langweiligen Beamtenfußball. Die Schweizer trauten sich nicht so recht nach vorn und die Brasilianer spielten jeder nach dem Motto "Mein Nebenmann wird's schon richten". Ein äußerst zähes Spiel, mit dem ersten Torschuß erst nach 27 Minuten. Ein wegen Abseits nicht gegebener Treffer erinnerte die Südamerikaner aber nach gut 60 Minuten daran, dass dies kein Testspiel, sondern eine sogenannte WM ist. Brasilien erhöhte den Druck und in der 83. Minute reichte genau diese eine richtig gute Kombination, die es im Fußball eben manchmal gibt, zum 1:0,  mit einem tollen Abschluss durch Casemiro. Brasilien bot keine Offenbarung und das Fehlen des verletzten Neymar war deutlich zu merken. Aber am Ende stand dann eben doch ein sicherer Sieg. Und das muss man erst mal gegen die Schweiz hinbekommen.

Das zweite vermeintliche Highlight war in der ersten Hälfte ebenfalls eher ein Langweiler. Dem sichtlich gealterten Ronaldo gelang wieder nicht viel gegen biedere und viel zu defensive Uruguayer. Erst das 1:0 für Portugal öffnete in Halbzeit 2 das Spiel, erzielt durch den überragenden Fernandes, obwohl Ronaldo es gern für sich reklamiert hätte. Womöglich war eine seiner gut gegelten Haarspitzen auch noch am Ball, bevor der im Netz einschlug. Auf einmal entdeckte Urugay gezwungenermaßen das Angriffsspiel, hatte ein wenig Pech mit einem Pfostenschuss und anderen guten Versuchen, aber es reichte nicht zum Ausgleich. Stattdessen erzielten die Sportugiesen noch das 2:0 mit einem fragwürdigen Elfmeter - ironischerweise wieder durch Fernandes, denn - ach, wie schaaaade! - der etatmäßige Standardschütze Ronaldo war schon ausgewechselt worden... Insgesamt war das wieder keine tolle Leistung von Portugal, aber das Achtelfinale ist nun sicher. Davon können andere Mitfavoriten nur träumen.

Richtig gute Unterhaltung boten nur die beiden Spiele mittags und am frühen Nachmittag. Nach etwas Abtasten zu Beginn und dem 1:0 für Kamerun nach einem Eckball, drehten die Serben kurz vor der Pause richtig auf. Elf lange, kräftig gebaute Kerle, denen man ihre technischen und spielerischen Fähigkeiten gar nicht zutrauen mag, profitierten von der schon wieder viel zu luftigen Verteidigung der Kameruner. Das war weder Mann- noch Raumdeckung, das war gar nichts. Und weil sich zu Beginn der 2. Hälfte daran nichts besseret, konnten die Serben gleich noch das 3:1 nachlegen, wieder schön im Strafraum hin und her kombiniert, bis einer frei und einschussbereit steht. Holla! denkt man da, die Serben machen es ihren Balkankollegen aus Kroatien nach, die ja auch erst einen Weckruf brauchten, bevor sie richtig loslegten. Aber wieder sorgte der Fußball für eine Überraschung. Denn jetzt konterten plötzlich die Kameruner und schossen durch einen genialen Lupfer und einen nach Querpass auf Choupo-Moting eiskalt abgeschlossenen schnellen Gegenstoß noch den Ausgleich. Die Serben guckten ziemlich dämlich aus der Wäsche  - sich nach einem 2 Tore-Vorsprung auskontern zu lassen, gehört zum Dümmsten, was man im Fußball machen kann. Es folgten noch weitere gute Chancen für beide Mannschaften, und am Ende stand nach einem aufregenden Spiel mit (lt. kicker.de) 28 Torschüssen ein verdientes Remis.

Nach dem Mittagessen ging es ganz ähnlich weiter, Südkorea-Ghana stand auf dem Programm. Seit der WM 2002 in Japan und Südkorea wissen wir, wie ostasiatische Mannschaften spielen: Den Gegner beschäftigen, Räume eng machen, niemals aufgeben und vor allem laufen laufen, laufen - wie gut geölte Maschinchen. So auch an diesem Montagnachmittag.... - und man kann das Spiel aus Sicht von Südkorea wie ein Funktions-Protokoll erzählen: Erst ratterten die Nähmaschinen in vollem Tempo los, doch rutschte ihnen nach einer halben Stunde der Faden aus der Nadel - prompt stand es 0:2. Nach dem Wechsel der offensiven Zentralnadel wurde der Faden wieder eingefädelt, durch zwei schöne Kopfbälle gelang der Ausgleich. Jetzt sollte noch ein Saum drumherum genäht werden, die Nähmaschinen liefen unermüdlich weiter, doch prompt ging wieder der Faden verloren, den Ghanaern gelang die erneute Führung. Die koreanischen Maschinen ratterten bis zum Ende, aber die Spule war leer, die Nadel war gebrochen, trotz unglaublich vieler Flanken kam der letzte Einstich nicht mehr und Ghana gewann das Spiel.

Die Hälfte aller Spiele ist nun absolviert, im Tippspiel balgen sich Michaela und Henning um die Führung und unten hat Roland gerade mal halb so viele Punkte wie die beiden ganz oben. 31 Punkte, das ist Schnitt nicht mal einer pro Spiel, trotz inzwischen maximal 11 möglicher Punkte aus den Zusatzfragen. Ich kommentiere das lieber nicht...

Ab jetzt geht es für 27 Mannschaften noch um den Einzug in die Endrunde. Nur Frankreich, Brasilien und Portugal sind bereits durch, Katar und Kanada dagegen chancenlos. Das dürfte eine Menge spannender Spiele geben.

Viel Spaß beim Parallelgucken wünscht
Robert
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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 28. November 2022 die Partie

Brasilien vs. Schweiz

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 28. Juni 1950,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 5)

Welcher vermeintliche Experte würde denn wohl auf den abstrusen Gedanken kommen, dass die brasilianische Fußballnationalmannschaft in ihrer bisherigen Länderspielgeschichte gegen die Schweiz lediglich eine ausgeglichene Bilanz vorzuweisen hat? Aber es stimmt tatsächlich: In sechs Begegnungen gab es für jede Mannschaft einen Sieg und viermal trennte man sich Unentschieden (Quelle: www.fussballdaten.de). In letztere Kategorie fielen auch die beiden einzigen WM-Partien 1950 und 2018. Das erste Spiel endete 2:2 und das zweite 1:1 – in beiden Spielen glichen die Eidgenossen kurz vor Schluss noch aus. Zum Vergleich: Deutschland verlor in 26 Begegnungen immerhin gleich 16-mal gegen die Südamerikaner, erreichte fünfmal ein Unentschieden und konnte ebenfalls nur fünfmal am Ende über einen Sieg jubeln – dafür am 8. Juli 2014 nach dem WM-Halbfinale in Belo Horizonte aber umso heftiger. Das bedeutet zwar nicht unbedingt, dass die Schweiz ein wirklicher Angstgegner für die Brasilianer ist, aber vielleicht so etwas wie ein Angstgegnerchen, gegen den man bis zum Ende des Spiels schwer auf der Hut sein muss.

Aus gegebenem Anlass dieser schäbigen Fußballveranstaltung treffen die beiden Länder im zweiten Spiel der Gruppenphase nun erneut aufeinander. Erinnerungswürdig ist allerdings eine besondere Begegnung, die beide Mannschaften am 28. Juni 1950 anlässlich der WM-Endrunde in Brasilien in Sao Paulo zusammengeführt hatte. Am Ende stand im zweiten Gruppenspiel ein sensationelles Unentschieden auf der Anzeigentafel des Estádio do Pacaembu. Nach dem vorherigen 4:0 der Brasilianer gegen Mexiko und dem 0:3 der Schweizer gegen Jugoslawien gingen nicht nur Fußballexperten von einem weiteren klaren Sieg der Gastgeber aus. Aber es kam dann ganz anders. Um einzelne Spieler zu schonen, schickten die Brasilianer gleich vier Reservisten aufs Feld. Später wurde ihnen das als Überheblichkeit ausgelegt. Ein erster kleiner Dämpfer für den klaren Turnierfavoriten. Der zweite viel schlimmere Rückschlag sollte aber gut zwei Wochen später vor rund 200.000 entsetzten Zuschauern im neu erbauten Maracana-Stadion gegen Uruguay noch folgen. Aber bleiben wir zunächst beim Spiel gegen die Schweiz. Deren großartiger Stürmer Jacques Fatton brachte es tatsächlich fertig, zweimal die Führung der hoch favorisierten Hausherren auszugleichen.  Das renommierte Schweizer Fußballmagazin „Zwölf“ ließ vor einigen Jahren insgesamt 25 Experten die 100 größten Schweizer Spiele wählen, die dann in der Ausgabe Nr. 25 im Juli 2011 veröffentlicht wurden. Das besagte WM-Spiel kam wenig überraschend unter die Top-10. Im weltweiten Netz findet man dazu folgenden Kommentar des Schweizer Fußballfans Cyprian Völker: „Ich finde, das Uruguay-Spiel (Anmerkung: Damit ist das bereits oben genannte „Quasi-Endspiel“ gemeint) war nur die zweitgrößte Sensation. Die Schweiz hat den Brasilianern zu Hause ein 2:2 abgetrotzt, während Spanien (1:6) und Schweden (1:7) förmlich untergingen – Respekt!“ Dieser Auffassung kann man sich wirklich nur anschließen.

Zum Abschluss soll der eigentlich Matchwinner des Spiels, das in Wahrheit natürlich keinen Sieger hatte, kurz gewürdigt werden. Der oben schon erwähnte Jacques „Jacky“ Fatton (2025-2011) gilt bis heute als einer der besten Stürmer seines Landes. In 53 Einsätzen für die Eidgenossen erzielte er 29 Treffer und nahm an zwei Weltmeisterschaften (1950 und 1954) teil. Die meiste Zeit seiner Karriere spielte er in seiner Heimat für Servette Genf, mit denen er unter anderem vier Meisterschaften und einen Pokalsieg feiern konnte. Dreimal wurde er Torschützenkönig in der Nationalliga A. Seine Trefferquote im Jahre der WM 1950 in Brasilien: 32 Tore in 31 Spielen. Als 36-Jähriger erzielte er in der Saison1961/62 bei seinem vierten Meisterschaftsgewinn in 17 Spielen 25 Tore. Fatton war ein sehr torgefährlicher Flügelstürmer. Der nur 1,66 Meter große Linksaußen verfügte über einen harten und präzisen Schuss. Reaktionsschnell brachte er sich in aussichtsreiche Schusspositionen und konnte durch seine gute athletische Verfassung auch noch in den letzten Spielminuten entscheidende Tore erzielen. Bei der WM 1954 vor eigenem Publikum bestritt er alle vier Spiele der Eidgenossen. Damit war er auch in der legendären „Hitzeschlacht“ am 26. Juni im Lausanner Stade de la Pontaise im Viertelfinalspiel gegen Österreich im Einsatz gewesen. Nach einer 3:0-Führung nach 19 Minuten verlor das Team von Trainer Karl Rappan die Begegnung noch dramatisch mit 5:7 Toren! Karl Rappan bezeichnete Jacques Fatton als den besten Linksaußen, den es je in der Schweizer Nationalmannschaft gegeben habe. Nach der WM 1954 wechselte Fatton für drei Jahre zu Olympique Lyon. Fatton steuerte in 83 Spielen 33 Tore für den Club aus dem Département Rhône bei. Besseres als ein 8. Platz in der Division 1 sprang angesichts der starken Konkurrenten Stade de Reims, OGC Nizza und AS Saint-Étienne aber nicht heraus. Insgesamt brachte es Fatton von 1943 bis 1963 in 440 Erstligaspielen auf 307 Tore. Respekt!

Aufgrund des bereits erwähnten Patzers im ersten Spiel gegen Jugoslawien nützte den wackeren Eidgenossen auch ein abschließender Sieg in der Gruppenphase gegen Mexiko (2:1) nichts mehr, weil damals nur der Gruppensieger in die zweite Finalrunde der besten vier Teams einziehen durfte. Das waren bekanntlich die Brasilianer, die fortan völlig erwartet mit zwei fulminanten Siegen (7:1 gegen Schweden und 6:1 gegen Spanien) bis zur alles entscheidenden WM-Partie durchmarschierten, dort dann aber nach dem 1:2 gegen ihren ungeliebten Nachbarn Uruguay völlig unerwartet wie geprügelte Hunde vom Platz des Maracana schlichen.

Kurze Fakten zum Spiel Brasilien – Schweiz 2:2 (2:1)
Anlass: WM-Endrunde in Brasilien / Gruppenphase; Datum: 28.06.1950; Spielort: Pacaembu-Stadion in Sao Paulo; Zuschauer: 42.033; Torschützen: 1:0 Alfredo (3. Min.), 1:1 Fatton (17. Min.), 2:1 Baltazar (32. Min.), 2:2 Fatton (88. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph


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WM-Kommentar vom 27.11.2022


Zwölf Spiele von Freitagvormittag bis Sonntagabend - kann man das alles komplett weggucken? Ja, kann man. Aber man kann auch selber kicken gehen und nachmittags Vanillekipferl und Spekulatius mit der Familie essen. Es gibt tatsächlich ein Leben außerhalb des Fußballs und daher diesmal auch nur Kurzkommentare zu den Spielen.

Wales-Iran: Klägliche Vorstellung der Männer von der Insel. Über 90 Minuten fragte sich Bruno Moravetz: "Wo ist Bale, ey?". Die Suche blieb erfolglos. Und die Iraner gewannen verdient durch extrem späte Tore (99. und 101. Minute).

Katar-Senegal: Die Gastgeber schossen das erste Tor ihrer WM-Geschichte - und wohl auch für lange Zeit das letzte. Die Senegalesen bestätigten ihre gute Form aus dem unglücklich gelaufenen ersten Spiel gegen Holland. Ich hoffe, sie schaffen es in die Hauptrunde - Aliou Cissé ist einfach der coolste Typ auf der Trainerbank!

Niederlande-Ecuador: Starke Geste der Holländer, wegen des Orange Day (Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen), extra in Oranje aufzulaufen! Aber das frühe 1:0 für die Niederlande war ein Weckruf für die Südamerikaner, die trotz 14:2 Torschüssen nur einen Treffer zustande brachten. Am Ende waren die Holländer mit dem Unentschieden sehr gut bedient.

England-USA: Die US-Boys entzauberten den Vize-Europameister. Das 6:2 im Auftaktspiel der Limies war wohl doch kein Maßstab. Am Ende stand leider ein nur mageres Pünktchen für die Amis, denen ein Knipser im Strafraum fehlt. Sonst hätten sie gewonnen. Wo war das Umschaltspiel der Engländer, wo der viel gerühmte wuchtige Sturm? Glück gehabt!

Tunesien-Australien: WM-Fußball zweiter Klasse. Ein Kopfballtor reichte für den Sieg. Ansonsten wenig Lärm um nichts.

Polen-Saudi-Arabien: Man kann nicht alles gucken. Und ein 7:5 auf der Hebbelwiese ist allemal interessanter als ein Mittelklasseduell bei der Wüsten-WM. Mit Szczeszny im Tor stand bei den Polen hinten die Null, trotz vieler guter Chancen (inkl. Elfmeter) der Saudis. Und dann machte Lewandowski doch noch sein allererstes WM-Tor. Nach diesem Sieg gibt es für die Polen mit etwas Glück das Achtelfinale. Mehr aber sicher nicht. Nach dem Hebbelkick gab es leckeren Punsch. Das war diesmal wohl die bessere Wahl.

Frankreich-Dänemark: Verdienter Sieg des Titelverteidigers gegen wahrlich nicht schwache Dänen. Aber dieser Mbappé ist einfach eine Waffe! Tempo und Spitzentechnik - die Franzosen haben genau das, was dem deutschen Team fehlt. Wenn sich die schnellen Außen nicht verletzen, ist Frankreich ein heißer Tipp für den Titel.

Argentinien-Mexiko: Ein Arbeitssieg für die Gauchos, denen in Halbzeit 1 wenig gelang. Nach dem Wechsel ließ sich Mexiko hinten reindrängen - leider keine gute Idee. Wer Messi 22 m vor dem eigenen Tor frei rumstehen lässt, wird konsequent mit dem 0:1 bestraft. Und wenn man dann immer noch nicht aktiv wird, bleibt dem Gegner noch Zeit für ein Bilderbuchtor zum 2:0. Argentinien hat sich zurück ins Turnier gekämpft.

Japan-Costa Rica: Warum fasziniert uns Fußball? Weil wir nicht wissen, wie das Spiel ausgeht! Das unterscheidet den Fußball vom Handball oder Basketball, wo eigentlich immer die bessere Mannschaft gewinnt. Nicht so in diesem Spiel, in dem Japan die Partie dominierte, aber den Ball nicht im Kasten unterbringen konnte. Die Ticos trafen mit ihrem bisher einzigen Schuß aufs Tor bei dieser WM zum 1:0 und gewannen. Solche Geschichten schreibt nur der Fußball!

Belgien-Marokko: Die Zeit der "Goldenen Generation" der Belgier ist vorbei. Zu langsam und fehlerhaft war ihr Aufbauspiel. Die Ü30-Generation sollte das Feld den Jüngeren überlassen, dann ist in 4-6 Jahren wieder mit den Roten Teufeln zu rechnen. Die Marokkaner sind schnell, hungrig und heiß auf das Achtelfinale. Und, ganz nebenbei: Nach 5 vergeblichen WM-Bewerbungen der Marokkaner hintereinander gehört das Weltturnier endlich mal nach Nordafrika!

Kroatien-Kanada: Engagierter Start der Kanadier mit dem bisher schnellsten Tor der WM, dann übernahmen die Kroaten die Kontrolle und drehten ganz abgezockt das Spiel noch vor der Pause. Der Rest war eine Mischung aus Technik und Routine. Man wundert sich immer wieder, wie so ein kleines Land so eine gute Mannschaft hervorbringen kann. Die Balkankicker werden wieder ein unangenehmer Gegner sein, gegen wen auch immer. Und für die Kanadier bleibt das Lob eines sehr engagierten und tapferen Auftritts. In 4 Jahren bei der Teil-Heim-WM kann dieses dann deutlich reifere Team für eine Überraschung sorgen.

Spanien-Deutschland: Haben wohl alle selber geguckt. Ein verbesserter Auftritt des deutschen Teams, das diesmal durch die Auswechslungen nicht irritiert, sondern neu und besser ausgerichtet wurde. Am Ende hatten die Spanier offenbar gehörigen Respekt vor dem vierfachen Weltmeister, das spielte dem deutschen Team in die Karten. Wenn alles normal läuft, reicht ein 2:0 gegen Costa Rica zu Platz 2 in der Gruppe. Wenn das nicht geschafft wird, hat man im Achtelfinale auch nichts verloren. Aber was ist schon normal bei einer WM im Wüstensand in der Adventszeit?

Im Tippspiel hatte Michaela, eine Tippspielveteranin seit 2006, sich übers Wochenende einen 7 Punkte-Vorsprung erarbeitet, doch davon sind nur 2 Pünktchen übrig geblieben, denn Henning bleibt hartnäckig und hatte zum Wochenendfinale beim 1:1 die richtige Nase. Im Kampf um die Rote Laterne geht es sogar noch enger zu. Montagabend ist Halbzeit im Tippspiel, auch wenn es natürlich noch jede Menge Zusatzpunkte zu gewinnen gibt. Und denkt bitte daran, dass direkt nach Ende der Vorrunde die Achtelfinaltipps abgegeben werden müssen!

Eine schöne zweite WM-Woche wünscht
Robert
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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 27. November 2022 die Partie

Deutschland vs. Spanien

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 20. Juli 1966,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand


(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 4)

Begegnungen zwischen deutschen und spanischen Nationalmannschaften zählen seit vielen Jahren zu den Klassikern im internationalen Fußball. Wer erinnert sich nicht an die Endspiele bei der EM 2008 und der WM 2010, die dann leider beide nicht ganz zu Gunsten unserer Teams ausgingen. Aber manchmal mussten bei großen Turnieren bisweilen eben auch die stolzen Iberer mal den Kürzeren ziehen. Aus gegebenem Anlass dieser unerklärlichen Fußballveranstaltung warten im zweiten Spiel der Gruppenphase nun wieder einmal unsere Kicker auf die Spanier. Gerne denken wir an eine besondere Begegnung beider Mannschaften zurück, die am 20. Juli 1966 im traditionsreichen Villa-Park in Birmingham anlässlich der WM-Endrunde in England stattfand. Auf seiner Homepage dokumentiert der Deutsche Fußball-Bund in einer Serie alle Spiele deutscher Nationalmannschaften seit 1934. Sie enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der Rubrik „Stimmen zum Spiel" Zitate von Zeitzeugen und aus der Presse. Das hochdramatische dritte Gruppenspiel gegen Spanien wurde unter die passende Überschrift „WM 1966: Emmerichs Traumtor gegen Spanien“ gestellt. Es geht in dem nachfolgenden Bericht um „Emma“, ausnahmsweise keine kreischende Möve, um eine „linke Klebe“, um ein unmögliches Tor aus unmöglichem Winkel und um den Fluch der guten Tat, den der damalige Bundestrainer Helmut Schön nach dem Spiel auf sich zukommen sah. Das hing vor allem auch mit der Tatsache zusammen, dass zum Zeitpunkt der WM 1966 Einwechslungen von Spielern während der laufenden Partie noch nicht möglich waren – auch nicht im Falle von Verletzungen. Das bedeutete dann zwangsläufig: Wer zu Beginn aufläuft, der bleibt unabhängig von seiner Leistung bis zum Ende auf dem Platz.

Vor dem Spiel: Die Personallage, das unbefriedigende Spiel (Anmerkung: Hiermit ist das zweite WM-Gruppenspiel gegen Argentinien gemeint, das 0:0 endete) und die Situation in der Gruppe erforderten Veränderungen. Der stets an sich zweifelnde Overath rechnete mit seiner Verbannung, doch Co-Trainer Dettmar Cramer beruhigte ihn schon am Vortag: „Dein Platz ist dir sicher!" In anderen Fragen fiel die Entscheidung noch später. Schön schlug sich damit laut Cramer „zwei Tage und zwei Nächte" herum, dann entschied er am Morgen des Spiels, zwei Neue zu bringen: Werner Krämer aus Duisburg ersetzte Albert Brülls und die Herausnahme des darüber stark verärgerten Helmut Haller (Schön versprach ihm, es sei „kein Abschied für immer") sorgte für Umbauten im Mittelfeld. Seeler wurde zurückgezogen, agierte als Halbstürmer, „Siggi“ Held rückte von Linksaußen auf den Mittelstürmerposten und machte Platz für Lothar Emmerich. Der gab sein WM-Debüt, sehr zur Freude der „Bild“-Zeitung („Jetzt muss Emma ran!"). Nur Sepp Herberger blieb skeptisch: „Wenn der ein Tor schießt, kriegt ihr ihn nicht mehr raus aus der Mannschaft!" Mancher hielt ihn noch für taktisch unreif.

Damit bildeten die Dortmunder Shootingstars der Saison 1965/1966 (Europapokalsieger) nun auch im DFB-Team ein Sturmgespann. Für Emmerich war es erst das zweite Länderspiel. Es hatte sich im Training angedeutet, als Schön im Spiel A gegen B Haller und Emmerich jeweils eine Halbzeit im A-Team spielen lässt. Deutschland genügte ein Punkt zum Weiterkommen, Spanien musste gewinnen. Trainer Villalonga brachte gleich fünf Neue, ließ sogar seine Stars Suarez, Pirri und Kapitän Gento überraschend draußen. Auf der Fahrt zum Spiel verunfallte der Bus mit den deutschen Spielerfrauen, auch einige Funktionäre, Reporter, Fans und Herberger waren an Bord. Die meisten kamen mit dem Schrecken und leichten Schürfwunden davon. Nur den Fahrer und DFB-Vertreter Alf Riemke (Oberschenkelbruch) erwischte es bei dem Zusammenprall mit einem LKW schwerer. Riemke blieb noch zwei Wochen über das WM-Ende hinaus im Krankenhaus.

Spielbericht: Wieder spielt Deutschland in Birmingham, diesmal aber in den traditionellen schwarzen Hosen. Die ARD überträgt das Abendspiel (Anpfiff: 19.30 Uhr), Rudi Michel kommentiert an diesem Mittwoch. Die Heimat sieht die bis dahin schwächste deutsche Halbzeit und eine absolut verdiente spanische Führung, die einer der Neuen erzielt: Fusté darf ein Amancio-Zuspiel im Strafraum mit der Brust annehmen und an Tilkowski vorbei schlenzen. Vergebens hofft Michel noch: „Abseits, oder?" Nein. Erstmals in England liegt die deutsche Mannschaft zurück. Drei Minuten zuvor hat Beckenbauer die erste deutsche Chance vergeben, die zweite vergibt Held als direkte Antwort auf das 0:1 knapp. Dann ein Kopfball von Seeler, „den wir alle schon im Netz sehen" („Sport Magazin“), aber Iribar kommt noch dran (31.). Zwei Minuten später kommt er nicht mehr dran, wie kann er auch mit dem Geschoss rechnen, das Lothar Emmerich auf einen Schlag berühmt macht? Nach Helds Einwurf in den Strafraum lässt „Emma" den Ball noch einmal aufspringen und drischt ihn dann Zentimeter von der Seitenauslinie mit dem Außenspann aus etwa sieben Metern an Iribars Kopf vorbei unter die Latte. Das erinnert an Rahn. In Overaths Biographie „Ja, mein Temperament" liest sich das so: „Ja, und dann kam das sagenhafte Tor von Lothar Emmerich, ein Tor, das nur „Emma“ schießen kann. Aus einem unmöglichen Winkel, fast auf der Torauslinie stehend, knallte er auf den Kasten. Und zur großen Verwunderung unserer Spieler und zum großen Entsetzen der Spanier zappelte das Leder im Netz."

Schön schrieb in seinen Memoiren: „Wenn ich rückblickend an „Emmas“ sensationelles Tor denke, wäre es mir lieber gewesen, ein anderer hätte es geschossen. Von nun an war ich, insgeheim, auf Emmerich festgelegt und musste ihn auch im Endspiel bringen – wo er dann weitgehend ausfiel." In Birmingham aber geht dank „Emma“ ein Ruck durch die Mannschaft, endlich laufen die Kombinationen. Zuversicht gewinnt die Oberhand über die Angst vor dem Versagen. Noch vor der Pause hat Beckenbauer das 2:1 auf dem Fuß, trifft aber nur Iribar. Nach Wiederanpfiff dringt Seeler in den Strafraum ein, Gallego legt ihn. Für deutsche Beobachter ein „klarer Elfmeter“, für den Brasilianer an der Pfeife, Herrn Marques, nicht. Auch nicht, als Sanchis Emmerich legt. Das Spiel wogt hin und her, noch hat sich keiner den Sieg verdient. Nach einer Stunde rettet Höttges spektakulär für Tilkowski, erst gegen Amancio, dann gegen Marcelino. Dafür bezahlt er mit einer Zerrung, drei Minuten wird der Bremer behandelt, dann kehrt er bandagiert zurück. „Unsere Abwehr hat pausenlos zu tun, es gibt keine Verschnaufpause“, protokolliert das „Sport-Magazin“. Einen der wenigen Entlastungsangriffe in dieser Phase vertändelt Krämer, der seine Aufstellung nicht rechtfertigen kann. Beckenbauer schießt aus 20 Metern weit daneben, aber immerhin schießt er mal – im Gegensatz zum Argentinien-Spiel. Fast gelingt Emmerich sein zweites Tor, Iribar hat etwas dagegen (74.). Dann endlich die Entscheidung. Sie fällt über den linken Flügel, auf den Held einfach mal ausgewichen ist. Seine flache Flanke drückt Seeler aus fünf Metern ein, er kann sich den Ball sogar noch zurechtlegen. Es ist der Sieg, den Krämer noch ausbauen kann, aber er kommt nicht an Emmerichs Flanke heran. Das Tor wäre leer gewesen. Noch einmal scheitert Seeler an Iribar, dann ist es vorbei und 5.000 Schlachtenbummler besingen wieder mal den wunderschönen Tag, „so schön wie heute". Als Gruppensieger zieht Deutschland ins Viertelfinale ein und entgeht so Gastgeber England, mit dem es nun die Argentinier zu tun bekommen. Es folgen einige Stimmen zum Spiel.

Helmut Schön (Mann mit der Mütze): „Ich kann meine Mannschaft nur loben. Sie hat großartig gekämpft. Emmerichs Tor hat unsere Mannschaft mächtig aufgerüttelt, so dass der Sieg wohl auf Grund der zweiten Halbzeit verdient war. Ein Kompliment den Spaniern, die wohl ihr bestes Spiel in England lieferten. Die 90 Minuten haben für uns, die wir auf der Bank saßen, Nerven gekostet.“

Lothar Emmerich (Linksfuß und Ruhrpottintellektueller): „Ich habe nicht einfach losgeknallt, sondern blitzschnell die Lage gepeilt und instinktiv, und zum Glück den Ball voll treffend, den richtigen Winkel erwischt. Ich habe den Ball dann gar nicht mehr gesehen und erst der Jubel verriet mir, dass es ein Tor war."
Sigfried „Siggi“ Held (Dauerläufer und Flankenkönig): „Ich freue mich über „Emmas“ herrliches Tor. Es gab ihm so viel Selbstvertrauen, dass er beinahe noch ein zweites und drittes geschossen hätte und sogar geschickt mitkombinierte.“

Willi Schulz (Ausputzer und Abwehrstratege): „Wir wohnen viel zu schön, als dass einer von uns Lust hätte, nach drei Spielen schon nach Hause zu fahren!"
Helmut Haller (Edeltechniker und Italienlegionär): „Einer kann nur spielen, wenn zwei für den gleichen Posten da sind. Ich freue mich genauso, als wenn ich mitgespielt hätte.“
„Wenn auch die spielerischen Mittel nicht ausreichten, um die Spanier in die Knie zu zwingen, so wurden sie doch mit letztem Einsatz niedergekämpft. Es war unwahrscheinlich, wie sich unsere Elf in kämpferischer Hinsicht zu steigern wusste" („Sport-Magazin“)

„Der Jubel ist groß. In der Tat, man kann stolz auf die Mannschaft sein…Die frischen, ehrgeizigen Spanier entfesselten jedoch ungeahnte Kräfte. Ihnen zu widerstehen, das bedurfte der ganzen Konzentration der deutschen Abwehrkräfte. Oft genug sah es verdammt brenzlig in Tilkowskis näherer Umgebung aus." („Süddeutsche Zeitung“)
„Der Villa-Park krachte nur so mit Applaus von der ersten bis zur letzten Minute. Das Spiel war ein reich verdienter Triumph für Deutschland, ein Kredit für Spanien und ein totaler Sieg für das Fußballspiel." („Daily Telegraph“ / England)

Den Spaniern wurde mit dieser Niederlage turniermäßig endgültig der Stecker gezogen, da nützte auch der vorherige Sieg gegen die Schweiz (2:1) nichts mehr, weil man bereits im ersten Spiel gegen Argentinien (1:2) das Nachsehen hatte. Uns‘ Uwe & Co. überzeugten dagegen auch in der Folge mit großartigen Leistungen (4:0 im Viertelfinale gegen Uruguay und 2:1 im Halbfinale gegen die UdSSR), zogen verdient ins WM-Finale ein und scheiterten letztlich nur an einem schnauzbärtigen Linienrichter aus der Sowjetunion, dem vermutlich der vorherige Sieg der Deutschen gegen seine Landsleute nicht so recht schmeckte.

Noch ein kurzer Nachtrag zur bemerkenswertesten Szene des Spiels: In seinem Buch „Lexikon der Fußballmythen“ führte der Sportjournalist Christian Eichler unter der Rubrik „Tore“ tatsächlich eine eigene Unterkategorie mit der Bezeichnung „Emmerich-Tor“ ein, das wie folgt beschrieben wurde. „Der spitzwinklige Treffer ist immer spektakulär anzuschauen, kann sich aber nie ganz vom Verdacht des Zufallstreffers befreien. Wollte der Schütze wirklich auf den Kasten zielen? Oder ist ihm nur eine Flanke ins Tor missglückt? Ein wuchtiger, leicht über den Außenspann abgerollter Schuss, der sich fast von der Torauslinie ins Tor hineindreht, vorbei an einem verdutzten Torwart – so etwas nennt man Emmerich-Tor, seit der gleichnamige Stürmer bei der WM 1966 im Gruppenspiel gegen Spanien auf diese Weise an Iribar vorbei traf. Wer immer ihn trotz minimaler statistischer Chance nachzuahmen versucht, kann sich der Beschwerden der Mannschaftskollegen sicher sein, warum er nicht abgegeben hat. Ein noch besseres Emmerich-Tor als Emmerich schoss Marco van Basten im EM-Finale 1988 – nicht nur spitzwinklig, auch noch volley.“

Kurze Fakten zum Spiel Deutschland – Spanien 2:1 (1:1)
Anlass: WM-Endrunde in England / Gruppenphase; Datum: 20.07.1966; Spielort: Villa-Park in Birmingham; Zuschauer: 45.187; Torschützen: 0:1 Fusté (23. Min.), 1:1 Emmerich (39. Min.), 2:1 Seeler (83. Min.); Aufstellung Deutschland: Tilkowski – Höttges, Schulz, Weber, Schnellinger – Beckenbauer, Overath – Krämer, Held, Seeler, Emmerich

Verfasser: Bernd Christoph

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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 26. November 2022 die Partie

Frankreich vs. Dänemark

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 11. Juni 2002,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 3)
 
Die Bürde eines amtierenden Titelträgers lastet manchmal doch viel schwerer als erwartet auf einer Mannschaft. Diese bittere Erfahrung musste der französische Welt- und Europameister bei der von Japan und Südkorea im Jahre 2002 gemeinschaftlich ausgerichteten Fußball-WM machen. Allerdings erwies sich die Auslosung in die Vorrundengruppe A im Nachherein gesehen als keinesfalls so optimal, wie zunächst gedacht, denn die Gegner hießen Senegal, Uruguay und Dänemark. Bereits im Eröffnungsspiel der WM wurden die Franzosen beim 0:1 von den starken Westafrikanern ziemlich kalt erwischt. Auch im zweiten Spiel gegen den zweifachen Weltmeister aus Südamerika blieb der erhoffte Befreiungsschlag aus, denn die frühe rote Karte gegen Thierry Henry in der 25. Minute machte den Franzosen einen bösen Strich durch die Rechnung und man musste sich letztlich mit einem 0:0 zufriedengeben. Doch mit einem Sieg im dritten Gruppenspiel gegen Dänemark hätte man den Einzug ins Achtelfinale noch aus eigner Kraft schaffen können.

Das war die Ausgangssituation an diesem denkwürdigen 11. Juni 2002. Die Franzosen konnten trotz der Rotsperre von Stürmerstar Henry mit Barthez, Thuram, Desailly, Lizarazu, Makelele, Vieira, Zidane und Trezeguet immerhin noch acht absolute Weltklassespieler aufbieten, während die Dänen von ihrem individuellen Leistungsvermögen her doch eher nur gehobenes internationales Mittelmaß darstellten. Aber ihre Stärke war die mannschaftliche Geschlossenheit, mit deren Hilfe man zuvor die „Urus“ doch etwas überraschend 2:1 schlagen konnte und den gefährlichen Senegalesen anschließend immerhin ein 1:1 abtrotzte. Sinnbild der dänischen Kampfkraft und einer überragenden Defensivarbeit war vielleicht der später auch in der Bundesliga aktive bullige Mittelfeldspieler Stig Tøfting. Trotzdem setzte vor dem Spiel kaum jemand einen Pfifferling auf „Danish Dynamite“. Aber es kommt dann manchmal doch ganz anders. Gerne blicken wir daher aus gegebenem Anlass auf diese Begegnung, die auch jetzt bei dieser unsäglichen Fußballveranstaltung wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehen wird. Unter der Überschrift „Aus für den Weltmeister!“ analysierte das Fußballmagazin „Kicker“ auf seiner Homepage nachfolgend relativ nüchtern die damalige Partie und deren Auswirkungen für das weitere Turnier.

Nach der 0:2-Niederlage im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark muss sich Noch-Weltmeister Frankreich bereits in der Vorrunde aus dem Turnier verabschieden. Dabei blieben die Franzosen in drei Spielen sieglos und erzielten kein einziges Tor. Beide Trainer nahmen vor dem entscheidenden Duell um den Einzug ins Achtelfinale mehrere Veränderungen in ihren Teams vor. Roger Lemerre, Coach des aktuellen Welt- und Europameisters, musste gegenüber dem 0:0 gegen Uruguay auf den angeschlagenen Leboeuf sowie die gesperrten Henry und Petit verzichten. Für den Verteidiger von Olympique Marseille rückte Candela in die Vierer-Abwehr-Kette, Henry wurde von Dugarry und Petit von Makelele ersetzt. Dagegen konnte erstmals Superstar Zinedine Zidane nach auskuriertem Muskelfaserriss in das Turnier eingreifen. Für ihn musste Micoud weichen. Bei den Dänen brachte Trainer Morten Olsen nach dem 1:1 gegen Senegal drei neue Akteure. Als „Leibwächter“ für Zidane spielte Poulsen von Beginn an, Stürmer Sand blieb draußen. Weiterhin kam Niclas Jensen für den zuletzt formschwachen Heintze und Jørgensen für Grønkjaer.

Den Franzosen half am Ende weder eine hohe Ballbesitzquote noch ein deutliches Plus sowohl bei den Torchancen (8:4) als auch bei den Eckbällen (6:0). Den „Todesstoß“ der Dänen besorgten Rommedahl und Tomasson mit ihren Toren in der 22. und der 67. Minute. Die rund 48.000 Zuschauer sahen am Ende eine völlig entnervte französische Mannschaft, die gegen die stark defensiv eingestellten Dänen ihre Chancen einfach nicht verwerten konnte. Die Dänen hingegen nutzten ihre wenigen Möglichkeiten eiskalt aus und standen damit wie Senegal verdient im Achtelfinale. Die erste wirkliche Sensation der WM war damit perfekt – ein absolutes Fiasko für die Stars aus Frankreich um Zinedine Zidane. Es folgen die Stimmen der beiden Trainer.
Morten Olsen: „Die Gruppe war schwer. Aber wir sind mit viel Selbstvertrauen ins Spiel gegangen, haben Disziplin bewiesen und einen guten Tag erwischt. Der Einsatz von Zinedine Zidane hat sich für die Franzosen zunächst als Stimulanz erwiesen, aber wir haben ihn gut gedeckt. Gegen Frankreich kann man nur gewinnen, wenn alle Spieler mit verteidigen. Im Angriff haben wir zudem gut kombiniert.“

Roger Lemerre: „Man kann nur sagen, wie es ist: Wir waren nicht auf der Höhe und hätten die Qualifikation für das Achtelfinale nicht verdient gehabt. Schon am ersten Tag waren wir nicht präsent und hatten von Beginn an Schwierigkeiten. Wir werden jetzt mit jungen Spielern weiterarbeiten und werden uns verbessern.“

Die Dänen haben dann anschließend offensichtlich ein paar Flaschen zu viel von diesem komischen japanischen Reisschnaps in der Hotelbar kreisen lassen. Anders lässt sich die klare 0:3-Klatsche im fünf Tage später stattfindenden Achtelfinalspiel gegen England kaum erklären. Aber auch diese Tatsache dürfte für den frustrierten Welt- und Europameister aus Frankreich kein großer Trost gewesen sein.

Kurze Fakten zum Spiel Dänemark – Frankreich 2:0 (1:0)
Anlass: WM-Endrunde in Japan und Südkorea / Gruppenphase; Datum: 11.06.2002; Spielort: Incheon-Munhak-Stadion in Incheon; Zuschauer: 48.100; Torschützen: 1:0 Rommedahl (22. Min.), 2:0 Tomasson (67. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph



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WM-Kommentar vom 24.11.2022


Zum Abschluss der ersten Spielrunde gab es wieder das inzwischen leider übliche und wenig aufregende 0:0, diesmal zwischen Uruguay und Südkorea. Und es gab drei Spiele, in denen die 2. Halbzeit mal nicht ein müdes Auslaufen, sondern eine deutliche Steigerung bot. Los ging es schon morgens mit dem 1:0-Sieg der Schweiz gegen Kamerun. Die Afrikaner hatten in der 1. Hälfte einige Dreiviertelchancen, aber nach der Pause drehten die Eidgenossen auf und nutzten die angebotenen Räume. Im holländischen TV wurde es schon zur Halbzeit gezeigt: Kamerun deckte extrem luftig und ließ die Schweizer unverständlicherweise oft völlig frei agieren, das sah mitunter aus wie Fußball in den 70ern, keiner griff den Gegner wirklich an. Höhepunkt: Das 1:0 durch Embolo, der 6 Meter mitten vor dem gegnerischen Tor mutterseelenallein frei einschießen konnte. Später hatte Vargas in gleicher Situation das 2:0 auf dem Fuß, scheiterte jedoch an Torwart Onana. Insgesamt keine überragende, aber eine gute Leistung der Schweizer, während Kamerun viel zu wenig bot.

Nachmittags mühte sich Portugal gegen Ghana lange ohne Erfolg ab. Man merkt Ronaldo inzwischen an, dass er keine 27 mehr ist. Wo er früher im Eins gegen Eins den Gegner vernaschte, bleibt er jetzt allzu oft hängen und der Ball ist weg. Und die langen Sprints schenkt er sich nun auch, denn die machen nur müde. Auch sein früher überragendes Kopfballspiel kommt nicht mehr zur Geltung. Ein alter weißer Mann auf dem Fußballfeld. Aber Elfmetergeschenke nimmt er noch immer gerne an und verwandelt eiskalt oben links im Winkel, so geschehen nach einer guten Stunde. Das war dann der Auftakt zur vielleicht aufregendsten halben Stunde dieser WM. Plötzlich spielten die vorher eher biederen Ghanaer mit, schossen auf einmal auch aufs gegnerische Tor und schließlich sogar den Ausgleich, kassierten prompt zwei weitere Gegentore, blieben aber dran, erzielten das 2:3 und hätten in einer verrückten Szene in der 98. Minute fast noch den Ausgleich gemacht. Ein wildes Hin und Her mit am Ende glücklichen Sportugiesen.

Wer abends vom Topfavoriten unserer Tipprunde ein Feuerwerk von Spielfreude, Tricks und Tempo erwartet hatte, wurde zunächst enttäuscht. Die Brasilianer hätten wohl schon gerne gewollt, aber da war leider noch ein Gegner. Die Serben stellten sich nicht nur hinten rein, sondern spielten fleißig mit. Technisch gut, einsatzfreudig bis zur Schmerzgrenz des Gegners und taktisch offenbar genau richtig eingestellt, ließen sie vor allem in der 1. Hälfte kaum was zu. Besonders Neymar wurde da der Spaß am Spiel verdorben, seine beste Aktion war der Versuch einer direkt verwandelten Ecke. Okay, auch die Balkankicker hatten nur eine gute Torchance, als Zivkovic, in der dritten Generation Namenspatron eines qualitativ herausragenden Kräuterschnapses, den wir damals in unserem Urlaub an der serbischen Adriaküste in dieser netten kleinen Strandbar so gern getrunken haben und den langjährige Teilnehmer*innen des Tippspiels aus unseren Protokollen des alljährlichen Kieler Woche-Rundgangs kennen, eine Kopfballchance leider nicht verwerten konnte (Hach, was für ein schöner langer Satz! Und korrekt beendet! :-). In der 2. Hälfte konnte Brasilien dann den Druck erhöhen, spielte breiter und öffnete damit mehr Räume, versuchte aber auch, schneller in die Tiefen der serbischen Abwehr vorzustoßen. Und das gelang dann auch. Seinem Abstauber-1:0 nach schöner Dribbling-Vorbereitung durch Neymar ließ Richarlison dann mit einem wunderbaren Seitfallzieher das 2:0 folgen - das bisher schönste Tor der WM. Es gab insgesamt eine Fülle guter Chancen, auch einen Lattentreffer noch. Und hinten standen die Gelbgrünen enorm sicher. Brasilien brauchte eine Halbzeit zum Warmwerden gegen wirklich nicht schlechte Serben, aber seit dem Wiederanpfiiff waren sie drin in diesem Turnier, da machte das Zusehen richtig Spaß. Willkommen, wir lieben solche Spektakel!

So, und jetzt haben wir sie alle gesehen, die Topfavoriten, die Mitfavoriten, die üblichen Verdächtigen und das vermeintliche Fallobst. Wer konnte überzeugen? Mit Sicherheit Spanien, England und Brasilien, mit einigen Abstrichen auch Frankreich. Portugal, Belgien und die Niederlande gewannen ihre Auftaktspiele, sind in dieser Form aber noch keine Kandidaten fürs Halbfinale. Und wer hat richtig enttäuscht? Vor allem Argentinien und Deutschland, denen ihre 1:0-Führungen keine Sicherheit gaben und die beide noch verloren. Jetzt wird es richtig schwer, wobei die Gauchos gegen Mexiko und Polen sicher bessere Chancen haben als Deutschland gegen Spanien. Es wird spannend, auch für die Überraschungsteams aus Japan und Saudi-Arabien, die ihre Leistungen aus den Auftaktspielen gegen vermeintlich leichtere Gegner bestätigen müssen. Und wer fehlt? Italien. Niemand singt so inbrünstig die Nationalhymne wie die Azzuri. Irgendwie doch schade, dass sie sich für einen WM-Boykott entschieden haben.

Im Tippspiel wechselten die Positionen ganz oben und ganz unten fast von Spiel zu Spiel. Auch hier gibt es noch keine klaren Favoriten. Und es folgt ein Wochenende mit 12 Spielen, in denen sich noch alles komplett drehen kann.

Viel Spaß dabei wünscht

Robert


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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 25. November 2022 die Partie

England vs. USA

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine

Rückschau auf die Begegnung beider Teams am 29. Juni 1950,

die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand

(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 2)
 
Englische Nationalmannschaften konnten bisher (1966 bei den Männern und kürzlich 2022 bei den Frauen) immer nur dann Titel bei einer WM oder EM gewinnen, wenn erstens die Turniere zu Hause auf der britischen Insel stattfanden, wenn zweitens die Partien abschließend im heimischen Wembley-Stadion entschieden wurden und wenn vor allem drittens das Schieds- und Linienrichtergespann ihnen wohlgesonnen war. Wir vergessen jetzt einmal die Heim-Europameisterschaft 1996, als es damals trotz Geld und guter Worte einfach nicht gelingen wollte, diesen runden Ball, vor allem aber den schönen silbernen Siegerpokal dazu zu bewegen, nach dreißig Jahren brutaler Titellosigkeit von einer Rückkehr zu den selbsternannten Erfindern dieses wunderbaren Spiels zu überzeugen. Vor diesem Hintergrund besteht aus gegebenem Anlass dieser abstrusen Fußballveranstaltung also keine große Gefahr für andere Mannschaften, dass die englischen Dreilöwenträger bei ihrem Rückflug aus der Wüste irgendetwas Hochglänzendes im Handgepäck mitnehmen werden. In der Gruppenphase warten für sie aber nun zunächst einmal die USA als zweiter Gegner. Bei vielen anderen Profisportarten (American Football, Baseball, Basketball oder auch Eishockey) wäre die Ausgangslage für die Nordamerikaner wesentlich günstiger. Aber beim Soccer gegen das Mutterland desselben? Keine Chance!

So dachte man allerdings auch schon einmal am 29. Juni 1950, als die USA bei der WM-Endrunde in Brasilien in ihrem ebenfalls zweiten Gruppenspiel auf die hochfavorisierten Engländer trafen. Am Ende stand eine der bis dahin größten Sensationen im internationalen Fußball. Zwei der Macher des renommierten deutschen Fußball-Magazins „11FREUNDE“, Tim Jürgens und Philip Köster, hatten 2014 das Buch „Die 100 besten Spiele aller Zeiten“ in einer erweiterten und aktualisierten Ausgabe veröffentlicht und eben genau das besagte Spiel auf Platz 56 ihres Rankings gesetzt. Unter der Überschrift „Traumtor eines Tellerwäschers“ lassen wir den mit reichlich Skurrilitäten versehenen Spielbericht noch einmal Revue passieren. Aufmerksame Leser werden anschließend treffend bemerken: „Wieder mal eine Sensation in Belo Horizonte! War da nicht ein paar Jahrzehnte später noch so ein bemerkenswertes Spiel?“ Aber jetzt nicht abschweifen – seinerzeit traf es eindeutig nicht die Brasilianer, sondern zur Abwechslung einmal die Engländer.  Schadenfreude ist aber völlig fehl am Platz, wenngleich durchaus verständlich.

Am Abend vor dem Spiel haben sich die US-Boys in einer Bar noch mal ordentlich Mut angetrunken. Auf die Mannschaft von Bill Jeffreys kommt einiges zu. Im zweiten WM-Gruppenspiel wartet auf sie die Fußballweltmacht England. Die nordamerikanischen Kicker gehen von einer üblen Packung aus, die sich mit ein paar Mojitos im Blut leichter ertragen lassen. England gilt als beste Mannschaft der Welt. Im ersten Spiel hat das Team auch ohne seinen Superstar Stanley Matthews und den bulligen Topstürmer Jackie Milburn mit 2:0 gegen Chile gewonnen. Trainer Walter Winterbottom sieht auch gegen die USA keinen Sinn darin, seine Leistungsträger schon frühzeitig unnötig zu belasten. Schließlich warten noch genug schwere Aufgaben auf dem Weg ins Finale auf die beiden. Matthews und Milburn fehlen auch diesmal in der Startelf.

Das Team der USA besteht aus Einwanderersöhnen, die das Spiel von ihren Eltern oder deren Verwandten erlernt haben. In puncto Kapitänsbinde herrscht bei den Amerikanern das Rotationsprinzip. Gegen England wird Ed McIlvenney auserkoren, weil er britischer Abstammung ist. Gegen Spanien (Anmerkung: Endergebnis 1:3) hat der hauptamtliche Briefträger Harry Keough das Kapitänsamt ausgefüllt, weil er der Einzige im Team ist, der Spanisch spricht. Trainer Jeffreys gibt sich hinsichtlich der Erfolgschancen seiner Mannschaft keinen Illusionen hin. Er sagt: „Wir haben keine Chance.“ Allein in den ersten zwölf Minuten nach Anpfiff verzeichnen die Engländer sechs Torschüsse. Der Ball rollt wie von einem Hang hinab – immer nur in Richtung amerikanisches Tor.
Doch in der 38. Minute ereignet sich Seltsames: Der Grundschullehrer Walter Bahr bringt den Ball von der rechten Seite halbhoch in den englischen Strafraum. Bert Williams stürmt heraus, aber der Tellerwäscher Joe Gaetjens ist schneller. Der krasse Außenseiter geht mit 1:0 in Führung. In der zweiten Halbzeit nimmt das Grauen für die Briten langsam Gestalt an. Viermal treffen die Engländer das Gebälk von Frank Borghis Gehäuse, doch der Ausgleich will einfach nicht fallen. Die Blamage ist unermesslich. Als das Ergebnis in den Zeitungsredaktionen im Mutterland des Fußballs ankommt, glauben die Redakteure zunächst, ein Druckfehler habe eine Ziffer unterschlagen: Es müsse statt 1:0 eigentlich 1:10 heißen. Die englische Delegation legt in ihrer Verzweiflung sogar Protest ein. Denn wie sich herausstellt, haben drei Spieler keinen US-Pass: Ed McIlvenney ist eigentlich Brite, Joe Maca und Torschütze Joe Gaetjens besitzen haitianische Ausweise. Das FIFA-Schiedsgericht aber schmettert die Klage ab, weil das Trio bereits Ende der 1940er Jahre bei der Einwanderungsbehörde um die Staatsbürgerschaft ersucht habe und alle drei eine Freigabe vom US-Verband besitzen.

Während Englands Coach Winterbottom wegen seiner himmelschreienden Fehleinschätzung der US-Mannschaft später als einer der imaginären Gäste im TV-Klassiker „Dinner for One“ verhohnepipelt wird, ereilt den Siegtorschützen ein ungleich schlimmeres Schicksal: Joseph Nicolas Gaetjens, der erst 1946 in die USA eingewandert ist, kehrt bereits 1952 nach Haiti zurück. Für das Team der USA spielt er nach der WM nie wieder. Das Kicken hat er längst aufgegeben, als er am 8. Juli 1964 spurlos verschwindet. Was mit ihm geschehen ist, wurde niemals aufgeklärt. Sicher ist nur, dass er am Tag seines Untertauchens Besuch von der Geheimpolizei Tonton Macoute des haitianischen Diktators Francois Duvalier (Anmerkung: Spitzname „Papa Doc“) bekommen hat…

Da anschließend sowohl England (0:1 gegen Spanien) als auch die USA (2:5 gegen Chile) ihr drittes Gruppenspiel in den feinen brasilianischen Sand setzten, konnten beide Mannschaften anschließend endlich ihren wohlverdienten Badeurlaub an der Copacabana antreten. Im Gegensatz zu den schockgefrosteten Engländern haben die munteren US-Boys das sicherlich locker verschmerzt und in der Strandbar mit ein paar weiteren Mojitos oder Caipirinhas auf den größten Sieg in ihrer bisherigen Länderspielgeschichte angestoßen. Hochmut kommt manchmal eben vor dem Fall. Oder wie sagte es schon einmal der französische Philosoph Jean-Paul Sartre so überaus treffend: „Im Fußball verkompliziert sich alles durch das Vorhandensein der gegnerischen Mannschaft.“

Kurze Fakten zum Spiel USA – England 1:0 (1:0)Anlass: WM-Endrunde in Brasilien / Gruppenphase; Datum: 29.06.1950; Spielort: Independencia-Stadion in Belo Horizonte; Zuschauer: 10.151; Torschütze: 1:0 Gaetjens (38. Min.)

Verfasser: Bernd Christoph

 


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WM-Kommentar vom 23.11.2022

Weltmeisterschaften in despotisch regierten Ländern scheinen für die deutsche Mannschaft ein schwieriges Feld zu sein, da kann man bis zur WM 1978 in Argentinien zurück gehen (ich sage nur: "Cordoba"!). Und wie 2018 in Russland ging der Auftakt auch in Katar daneben. Vor viereinhalb Jahren war der Auftritt gegen Mexiko einfach katastrophal, diesmal spielte das deutsche Team 65 Minuten überlegen und wartete auf das 2:0, das einfach nicht fallen wollte. Dann stellten die Japaner um, Hansi Flick wechselte mit Müller und Gündogan seine beiden besten Mittelfeldakteure aus, und schon ging es dahin und die Japaner übernahmen die Initiative. Eklatante Stellungsfehler von Süle (einmal an der Strafraumgrenze für den Gegner die Lücke nicht geschlossen, einmal weit weg vom Ball das Abseits aufgehoben) und von Schlotterbeck (Arm heben reicht nicht, man muss schon am Gegner dran bleiben!) sowie ein irgendwie seltsam anmutender Abwehrversuch im kurzen Eck von Neuer beim 1:2 (warum drehte er die Schulter vom Pfosten weg?) - schon war ein bis Mitte der 2. Hälfte komplett kontrolliertes Spiel verloren. Der Bundestrainer muss über vieles nachdenken, vor allem über die Stabilisierung der Defensive. Da ist nur Antonio Rüdiger wirklich in WM-Form. Oder lag es einfach nur an der falschen Binde? Verschwörungstheoretiker vor!

Bezüglich des nächsten deutschen Gegners dürfte das zweite Spiel der Gruppe E dem Bundestrainer eine schlaflose Nacht bereiten. Okay, Costa Rica war harmloser als eine Tüte Gummibonbons, aber die Art und Weise, wie sich die Spanier durch die Reihen der Ticos kombinierten, war schon beeindruckend. Vielleicht muss man robust dazwischen gehen, vielleicht gibt es Lücken in der Ibero-Abwehr, die heute nicht zu sehen waren. Aber ich fürchte, in der deutschen Mannschaft ist niemand, der das notwendige Tempo ins Spiel bringt, um diese Spanier zu knacken. Es wird hochspannend am Sonntag. Bernd wies mich darauf hin, dass nicht einmal zwei Siege für das deutsche Team in den verbleibenden Spielen das Weiterkommen garantieren. Das absehbar gute Torverhältnis der Spanier und der Sieg von Japan gegen Deutschland (direkter Vergleich!) könnten selbst mit 6 Punkten noch das Aus bedeuten.

Wenig aufregend war das Vormittagsspiel Kroatien-Marokko. Am Ende stand ein müdes 0:0, aber es hätte genausogut umgekehrt ausgehen können. Abends mühte sich der ewige Geheimfavorit Belgien gegen Kanada zu einem schwer erkämpften 1:0, mit gütiger Mithilfe des offenbar eingepennten VAR und mit einem Torwart Courtois, der immer noch zu den Besten gehört. Schade für die mutigen und kampfstarken Kanadier, die für ihren nimmermüden Einsatz nicht belohnt wurden, die aber auch Abschlussprobleme offenbarten. Belgien muss sich steigern, sonst beginnen die Weihnachtsferien früher als gedacht.

Im Tippspiel hält John die Spitze, aber sein Vorsprung ist arg geschmolzen, auch weil einige deutsche Teilnehmer*innen Zusatzpunkte einheimsen konnten. Unten wechselte die Rote Laterne mehrfach den Besitzer, da ist noch nichts verloren. Knapp ein Fünftel aller Spiele ist ja erst absoviert...

Bzgl. des eigenen Punktestands mäßig optimistische Grüße,
Robert

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WM-Kommentar vom 22.11.2022

Zwei WM-Tage mit ... - nun ja... - nicht unbedingt berauschendem Fußball, aber immerhin meist ganz unterhaltsamen Partien ohne echte Überraschungen. Doch nun am 3. Tag ein echter Knaller: Der Mitfavorit auf den WM-Titel Argentinien verliert gegen Saudi-Arabien mit 1:2, trotz Messi, trotz haushoher Überlegenheit in der 1. Hälfte, trotz guter Chancen auch im 2. Durchgang. Aber die Saudis nutzten ihre wenigen Möglichkeiten gegen allzu lässig verteidigende Gauchos, und der arabische Torwart hatte auch noch einen Sahnetag. Das ist wohl die größte Überraschung bei einer WM seit dem 1:0-Sieg von Nordkorea gegen Italien 1966. Hut ab vor dem Kampfgeist der Wüstensöhne, deren Enkel noch von der Heldentat ihrer Großväter erzählen werden!

Nach dieser am Ende natürlich hochspannenden Partie wurden dem geneigten Zuschauer erst mal Beruhigungspillen serviert. Zweimal 0:0, zweimal mäßiger Unterhaltungswert. Unsere nördlichen Nachbarn haben große Probleme im Spielaufbau, wenn Eriksen nicht zur Entfaltung kommt. Tunesien ist auch diesmal kein Fallobst, sondern ein unangenehmer Gegner. Mexiko kombiniert gut, weiß aber nicht, wo das Tor steht. Und Lewandowski trifft nicht in WM-Spielen, auch nicht per Elfmeter. Damit ist eigentlich alles gesagt.

Abends dann der Auftritt des amtierenden Weltmeisters, und fast eine halbe Stunde konnte man befürchten, dass der seit 2010 anhaltende Fluch auch diesmal den Titelverteidiger mit einer Niederlage im ersten Spiel treffen könnte. Aber dann drehten die Franzosen mal kurz auf und das Spiel auf 2:1, gegen sehr einsatzfreudige, aber technisch beschränkte und insgesamt eher biedere Männer aus Down Under. Im 2. Durchgang zeigten Dembelé und Mbappe dann mal kurz, welche Bedeutung Tempo im Weltfußball auf höchstem Niveau haben kann. Und zack-zack stand es 4:1, der Weltmeister war zufrieden und mit etwas Bewegungstherapie schaukelte er die Kiste nach Hause. Das war über weite Strecken noch keine Offenbarung des Titelverteidigers, aber die bekannten Stärken blitzten bereits auf. Mit Frankreich ist wieder zu rechnen.

Verrechnet haben sich die europäischen Verbände, die mit der angeblich ja so tollen "1 Love"-Binde ein Zeichen gegen Homophobie und andere Diskriminierung von bestimmten Gruppen und für Menschenrechte setzen wollten und nun einknickten. Mal abgesehen von der Tatsache, dass auf dieser Binde ja nur ein paar Farbstreifen und kein Regenbogen zu sehen ist: Hier wäre der Moment gewesen, es mal richtig knallen zu lassen. Was wäre wohl passiert, wenn die gesammelten Europäer nach einer ersten Bestrafung einfach mal ihr Koffer gepackt hätten und z.B. nach Zypern geflogen wären. Rau
s aus dem arabischen Raum, aber nah genug für eine schnelle Rückkehr. Wenn die Europäer ausgestiegen wären, hätten die Werbepartner der FIFA und die europäischen TV-Anstalten dem Infantino die Hölle heiß gemacht, denn die haben ja jede Menge Geld für diesen ganzen Bums in der Wüste hingeBlattert, den dann ja keiner mehr sehen wollen würde - zumindest niemand mit richtig Kohle in der Tasche. Aber... - na klar... - alles nur ein schöner Traum. Mit Rücksicht auf die Spieler wurde vom DFB nachgegeben, die 1 Love-Binde in den Koffer gepackt und nun wird mit FIFA-genehmer Kapitänsbinde gespielt. Chance vertan! Doch man kann sich ja immer noch damit brüsten, bei der nächsten Präsidentenwahl den Oberverbrecher Infantino nicht unterstützen zu wollen. Bravo, das ist echt toll und mutig!

Empörte Grüße,
Robert

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WM-Kommentar vom 21.11.2022

Holla, das Turnier nimmt langsam Fahrt auf! Beim Probensortieren habe ich rechts oben im Bildschirm das Spiel England-Iran mal so nebenbei laufen lassen. Viel hatte ich nicht erwartet, aber am Ende musste ich doch verdammt oft genauer hingucken, denn acht Tore und eine Menge weiterer heißer Strafraumszenen boten einiges an Unterhaltung. Selbst die Iraner entschlossen sich irgendwann zum Mitkicken, obwohl man in Halbzeit 1 denken konnte, dass dem verweigerten Mitsingen der Nationalhymne (starkes Statement!) auch eine weitgehende Spielverweigerung folgen sollte. Insgesamt aber vor allem ein beeindruckender Auftritt der Limies, selbst wenn der Gegner nur unteres WM-Niveau bot. Trotzdem: Sechs Tore muss man erst mal schießen!

Am frühen Abend hatten die Holländer gegen den Senegal dann mehr Mühe als viele erwartet hatten. Das Ergebnis von 2:0 ist schmeichelhaft und mindestens ein Tor zu hoch. Beide Mannschaften hatten eine Menge guter Torchancen, aber offenbar keinen richtigen Knipser. Okay, der Kopfball zum 1:0 war schön und lehrbuchhaft, aber der Afrikameister hätte locker noch ausgleichen und sogar in Führung gehen können. Also, liebe Käseroller von nebenan: Ihr müsst Euch noch steigern, sonst reicht es nicht weiter als bis zum Viertelfinale. Und den Senegal würde ich gern auch noch in der Endrunde sehen. Mir hat gefallen, wie technisch stark die Mannschaft war. Könnte also klappen mit der Endrunde. Katar und Ecuador sind schlagbar.

Abends noch USA-Wales. Ein Spiel, das genau das hielt, was es versprochen hatte. Ein US-Team, das stark begann, richtig guten Fußball spielte und verdient in Führung ging... - und das dann Angst vor der eigenen Courage bekam, sich von wirklich nicht besonders beeindruckenden Walisern völlig grundlos hinten reindrängen ließ und schließlich noch durch ein dämliches Foul und Elfmeter den Ausgleich kassierte. Irgendwie kriegen es die Amis einfach nicht hin. Geht lieber zum Baseball, Leute!

Im Tippspiel hat John die Führung übernommen, mit 14 Punkten aus 4 Spielen. Nicht schlecht, doch dabei sind 2 Extrapunkte für die Zusatzfragen, die John bzgl. seines Heimatteams beantwortet hatte. Diese Chance bietet sich uns anderen erst am Mittwoch. Ab morgen wird es dann richtig hart, mit täglich 4 Spielen. Wer soll, wer will das alles gucken?

Fragende Grüße,
Robert

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WM-Kommentar vom 20.11.2022

Ich sehe diese WM rein sportlich: Eingeschaltet wird eine Minute vor Anpfiff, abgeschaltet wird direkt nach Abpfiff. Beim Eröffnungsspiel gab es zwischendurch erst ein paar Zuckerli und dann nur noch Magerkost. Wenn Katar der Asienmeister ist, wie schlecht sind dann wohl die anderen asiatischen Mannschaften? Oder wurde der Kontinentaltitel genauso gekauft wie diese WM? Ach, ich will es lieber gar nicht wissen! Die Ecuadorianer ließen es nach dem 2:0 ruhig angehen - wer kann es ihnen verdenken, denn wirklich gefährdet war dieser Sieg in keiner dieser quälenden 100 Minuten. Hoffen wir mal, dass dieses Spiel nicht den Maßstab setzt für die ganze WM... Und hoffen wir weiterhin, dass wir uns jetzt nicht täglich bei der Berichterstattung über das deutsche Team dieses endlose Gelaber über den angeblich so tollen "Geist von Bahia Blanca" anhören müssen. Ich war 2002 mal einige Tage im Teamhotel der deutschen Mannschaft 1954 während der WM in der Schweiz ("Hotel Belvedere"), aber einen "Geist von Spiez" habe ich dort nicht getroffen. Vielleicht wurde der inzwischen auch schon totgeredet....

Im Tippspiel gab es die ersten Punkte, aber die Tabelle ist noch ohne Belang. Interessanter ist vielleicht die Verteilung der Weltmeistertipps. Da gibt es nämlich einen klaren Favoriten: Von 36 Teilnehmenden, tippten 14 auf Brasilien. Es folgen Deutschland (6), Frankreich (5), Spanien und Argentinien (je 4), sowie Belgien, England und die Niederlande (je 1). Spannend!

Rein sportliche Grüße,
Robert


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Aus gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am 20. November 2022 als Eröffnungsspiel die Partie

Katarrh vs. Ecuador

auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist in diesem Zusammenhang allerdings eine

Rückschau auf die Historie der offiziellen WM-Eröffnungsspiele seit 1966
(Skandalwüstenadvents-WM 2022 – Folge 1)
 
Wer bislang nicht davor zurückschreckte, sich auf die Betrachtung eines WM-Eröffnungsspiels einzulassen, der musste oftmals nach neunzig Minuten zuzüglich Nachspielzeit ernüchtert feststellen, dass es weder Tore noch einen Sieger zu bestaunen gab. Und in den allermeisten Fällen musste sogar ein überaus zähes Gegurke ertragen werden. Dieses Phänomen konnte man seit der offiziellen Einführung dieser speziellen Opening-Veranstaltungen im Jahre 1966 – zuvor gab es bei den WM-Endrunden oft zeitgleiche Spiele – immer wieder beobachten. Sportpsychologen und Journalisten ohne wissenschaftliche Vorkenntnisse sprechen dann gerne von einem zu hohen Erwartungsdruck in Tateinheit mit einer kapitalen Versagensangst. Der jeweilige WM-Gastgeber oder WM-Titelverteidiger – beide Varianten sind bei Eröffnungsspielen möglich – spielt ja medial vor einem Milliardenpublikum und mit einer Heimblamage möchte natürlich niemand in das Turnier starten. Dabei könnten die beteiligten Mannschaften psychologisch durchaus auch anders an die Sache herangehen: Das in den meisten Fällen anstrengende mehrwöchige Vorbereitungstraining ist nun endlich vorbei und eine junge hungrige Fußballmeute kann jetzt auch unter Wettkampfbedingungen einmal zeigen, was sie so alles draufhat. Aber das wäre natürlich völlig naiv gedacht. Also bleibt alles beim Alten: Die beiden Teams tasten sich nach der unvermeidbaren Eröffnungszeremonie inklusive Showprogramm zuerst einmal in aller Ruhe ab, organisieren in der Folge einen dichten Deckungsverbund, stehen dabei ihren jeweiligen Gegenspielern in solider Manndeckung oder brachialem Pressing mehr oder weniger auf den Füßen, nähern sich mit Glück dann und wann dem gegnerischen Strafraum und hoffen letztlich verzweifelt auf den einen oder anderen Standard, der dann vielleicht sogar in einen Torschuss münden könnte. Das war bislang viel zu oft die traurige Praxis. Einige wenige Ausnahmen bestätigten lediglich die Regel.

Bei den ersten vier WM-Eröffnungsspielen von 1966 bis 1978 brachten es die beteiligten Akteure tatsächlich fertig, in sage und schreibe 360 Minuten kein einziges Tor zu fabrizieren. Ab 1982 war dann der Bann gebrochen und die trübe Torflaute fand nun tatsächlich sogar dauerhaft ein Ende. Bei den nächsten sechs Partien von 1982 bis 2002 gab es allerdings auch nur eine Serie von vier eher mageren 1:0-Siegen, die einmal (1986) von einem 1:1 und ein weiteres Mal (1998) von einem 2:1 unterbrochen wurde. In der Summe waren das aber alles nicht gerade rauschende Fußballfeste. In den 14 bisherigen Begegnungen gab es nur viermal drei Tore oder mehr zu bewundern. Den höchsten Sieg fuhr tatsächlich 2018 WM-Gastgeber Russland mit einem 4:0 gegen Saudi-Arabien ein. Aber wer weiß denn, was den Spielern in ihrer Heimkabine vorher so alles in die Kraftgetränke gerührt wurde oder welche miesen Tricks des Lügen- und Repressionsregimes rund um den heutigen Kriegsverbrecher Wladimir den Wahnsinnigen zur Verunsicherung des Gegners noch zum Einsatz kamen. Die meisten Tore in einem Eröffnungsspiel fielen übrigens zu Beginn des vermeintlichen „Sommermärchens“ von 2006 beim 4:2 der deutschen Mannschaft gegen Costa Rica.

Für die Gastgeber endeten die Eröffnungsspiele bisher erstaunlich erfolgreich. In sechs Begegnungen gab‘s drei Siege und drei Unentschieden. Hingegen ging es für die amtierenden Weltmeister nicht immer gut aus. Von acht Partien endeten zwar zwei mit einem Sieg und drei mit einem Unentschieden, aber dreimal zogen die favorisierten Titelträger (1982 und 1990 Argentinien sowie 2002 Frankreich) jeweils gegen einen krassen Außenseiter den Kürzeren. Deutschland war bisher immerhin dreimal (1978, 1994 und 2006) bei einem WM-Eröffnungsspiel dabei und erzielte mit zwei Siegen und einem Unentschieden eine überaus passable Bilanz.

Und jetzt gibt es bei dieser schändlichen Skandalwüstenadvents-WM wieder so ein komisches Eröffnungsspiel, obwohl das zunächst überhaupt nicht auf dem Programm stand. Aber wer wundert sich überhaupt noch über irgendwas bei dieser schrägen Veranstaltung? Ich hatte übrigens kürzlich einen schönen Traum: Ein gut klimatisiertes und sauber herausgeputztes Wüstenstadion war bis auf den letzten Platz gefüllt. Auf den Tribünen saßen aber keine normalen Fußballfans, sondern ausschließlich die Angehörigen der geschätzt etwa 6.500 auf den Baustellen der WM-Stadien umgekommenen Arbeitsmigranten sowie deren ehemalige Kameraden, welche die skandalösen Arbeitsbedingungen offensichtlich glücklicherweise überlebt hatten. Diesen Menschen hatte man vorher Flugtickets, Hotelgutscheine und Eintrittskarten zukommen lassen. Der WM-Organisationschef und Fußballscheich entschuldigte sich in einer langen Rede für die schlimmen Verfehlungen seines Landes und versprach zudem eine großzügige finanzielle Entschädigung – wohl wissend, dass eine solche Geste nicht einmal ansatzweise das wiedergutzumachen vermag, was den betroffenen Arbeitern und deren Familien in den letzten Jahren angetan wurde. Anschließend redete auch dieser ansonsten immer aalglattgrinsende FIFA-Chef, der sich für das korrupte Verhalten der FIFA vor allem im Zusammenhang mit der Vergabe der letzten beiden Weltmeisterschaften an Russland und Katarrh in aller Form entschuldigte und den sofortigen Rücktritt von allen seinen Ämtern verkündete. Aber wie sagte einmal ein berühmter deutscher Politiker: „Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen!“ Recht so – ich werde den komischen Traum einfach mal vergessen und mich gleich morgen um einen Termin bemühen. Und selbstverständlich kommt alles wie erwartet: Es wird weder Entschuldigungen noch Entschädigungen und schon gar keine Rücktritte geben. Der dauergrinsende FIFA-Chef und der gerissene Fußballscheich werden sich Arm in Arm vier Wochen lang medieninszeniert für ihre Wohltaten abfeiern lassen. Und am Finaltag werden wir vielleicht sogar die eine oder andere Politprominenz auf der Ehrentribüne entdecken. Es ist aber ein böses Gerücht, dass unserem Wirtschaftsexperten Doktor Habeck anlässlich seiner mehr oder weniger erfolgreichen Gas-Shoppingtour vor einigen Monaten vom Energiescheich gleich mehrere WM-Endspielkarten zugesteckt wurden, obwohl ja allgemein bekannt sein dürfte, dass kleine Geschenke immer noch am besten die Freundschaft erhalten.

Es wird zu dieser Fußballveranstaltung übrigens weder einen Prolog noch einen Epilog vom Kanal geben, ebenso keine Texte mit direktem Bezug zu den in den acht Wüstenstadien zelebrierten Spielen. Es wurden diesbezüglich schon genug Worte verloren. Aber es gab ja in der Vergangenheit so viele wunderbare gleichlautende Spielpaarungen bei richtigen Weltmeisterschaften, auf die man auch als WM-Tippspieler innen und außen (sorry – das fehlerfreie Gendern muss ich wohl nochmal üben) bei Interesse noch einmal zurückblicken könnte. Viel Spaß dabei!

Verfasser: Bernd Christoph
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Ein Gedicht von einer WM

 

Es blaut die Nacht. Die Dollars blinken,

die Scheinchen leis‘ herniedersinken.

Auf FIFAs großem Fußball-Gipfel

häuft sich ein Bündel grüner Zipfel.

Und dort, vom Fenster her durchbricht

den dunklen Bau ein warmes Licht.

 

Im Clubhaus knien bei Kerzenschimmer

vier Funktionäre im Hinterzimmer.

In dieser wunderschönen Nacht

haben sie den Fußball umgebracht.

Er war ihnen bei des Mammons Pflege

seit langer Zeit schon sehr im Wege.

So kamen sie mit sich überein:

Im Wüstenstaube soll es sein.

 

Und als der Blatter ging zur Ruh‘,

Compliance tat die Augen zu,

erlegten sie direkt von vorn

den Fußball über Kimm‘ und Korn.

Dann koksten sie bis zur Ekstase

zwei-, drei-, viermal die Schnuppernase.

Die Ermittlerschar tappt süß im Dunkeln,

derweil die Sternlein traulich funkeln.

 

Und in der dunklen Stube drinnen

da läuft des Fußballs Blut von hinnen.

Nun muss die Bande sich beeilen,

die Kohle sauber aufzuteilen.

Schnell sind danach die alten Knochen

mit all dem Zaster aufgebrochen.

Es ist ja immer wieder dasselbe Lied:

Schwuppdiwupp – zollfrei heim in sein Gebiet.

Der Anstand bleibt dann trist zurück,

es lebe hoch das Gaunerstück!

Das Pack ist nun safe – es sind gleich vier –

denn wo bleibt nur das Beweispapier?

 

Da tönt’s von fern wie Silberschellen,

in Katarrh hört man die Hunde bellen.

Wer ist’s, der in so tiefer Nacht

vorm Stadion noch seine Runde macht?

Der Emir kommt mit goldnem Schlitten

auf dem Kamel herangeritten.

 

„He, Arbeitssklave, habt Ihr noch Sachen,

die unseren Gästen Freude machen?“

Vergessen ist das ganze Leid,

steh’n doch gleich acht Arenen schick bereit.

„Die sechstausend Särge, guter Mann,

‘s ist alles, was ich geben kann!“

Die Knochen drinnen klappern leise,

nur Dumme geh‘n dorthin auf die Reise.

Im Wüstensande die Kerze brennt,

ein neues Sternlein winkt: Es ist WM!

 

 

(Verfasst von Bernd Christoph – Ähnlichkeiten mit einem bekannten zartbitteren Adventsgedicht von Loriot sind vollkommen beabsichtigt)