Bernd
Christoph Henning Bauch Ingo Bergmann S. & K. Taldenkov(a) Michaela Bessmann
Azzedin Ait Brahim
Robert Spielhagen
Jan Scholten
Bent Stobbe
Christina Kayma
Stefan Wetzel
Sven Geletneky
Torben Struve
Niklas Menke
Imke Bergmann
Ruediger Stein
David Wangner
Stephanie Stamm
Nicole Biebow
Annette Christoph
John Reijmer
Martin Kordowski
Jeroen Groeneveld
Michel Stobbe
Tim Stobbe
Claudia Didié
Martin Frank
Jörn Geletneky
Kirsten Fahl
Tobias Christoph
Dieter Piepenburg*
Roland Friedl-Schulz
Jan-Malte Wolfsdorf
Hanno Kinkel
Johann Klages
Jörg Geldmacher Kai Didié
* Keine Hauptrundentipps abgegeben, keine Wertung
für die
Rote Laterne
Tipps für das Spiel Fankreich-Dänemark wurden nicht
gewertet; siehe Email ------------------------------------------------------------------------------------------- WM-Kommentar
vom 21.12.2022
Geschafft.
Diese bei
korrupten
Funktionären
der FIFA
gekaufte,
mitten in der
Saison in der
Vorweihnachtszeit
in einem
stinkreichen
Wüstenkleinstaat
ohne
Fußballtradition
ausgetragene
blutgetränkte
Weltmeisterschaft
ist vorbei.
Hoffen wir,
dass uns so
etwas
Ähnliches nie
wieder
unterkommt.
Finale und
Ausblick
Es gibt jetzt
mit
Argentinien
einen neuen,
würdigen
Weltmeister.
Bei allem
Respekt vor
den
individuellen
Qualitäten der
französischen
Spieler: Es
wäre doch
wirklich
schade
gewesen, wenn
Didier
Deschamp und
die Equipe
Tricolore mit
rein
zweckorientiertem
Verwaltungsfußball
erneut den
Titel errungen
hätten. Ja,
ich weiß: Im
Fußball
gewinnt nicht
immer die
bessere
Mannschaft.
Das ist auch
gut so, denn
es ermöglicht
diese
Sensationen,
von denen die
Sieger noch
ihren Enkeln
erzählen: Wir
hatten keine
Chance, aber
wir haben sie
genutzt! Doch
wer den
schönen,
angriffsorientierten
Fußball liebt,
der muss es
den
Argentiniern
gönnen, dass
sie jetzt den
Pokal nach
Südamerika
mitnehmen.
[Fun fact: Der
Original-WM-Pokal
geht gar nicht
mit über den
Atlantik. Per
Mertesacker
hat mal in
einem Podcast
erzählt, dass
der deutschen
Mannschaft das
Original nach
dem Sieg in
Rio 2014
bereits in der
Kabine von
einem
FIFA-Funktionär
wieder
abgenommen und
gegen eine
schnöde Kopie
ausgetauscht
wurde.]
80 Minuten
lang schoss
der
Titelverteidiger
nicht mal aufs
gegnerische
Tor; der
Anschlusstreffer
durch Mbappés
Elfmeter war
der erste
Schuss
überhaupt auf
den Kasten von
Martinez. Kann
man mit so
einer
Spielweise
wieder
Weltmeister
werden? Ja,
kann man, und
darf man
sogar. Aber
gute
Unterhaltung
ist das nicht.
Argentinien
spielte
dagegen von
der ersten
Minute an
offensiv und
drängte
Frankreich in
die eigene
Hälfte. Ich
kann mich
nicht
erinnern, ein
in den ersten
60 Minuten
dermaßen
einseitiges
WM-Finale
gesehen zu
haben, und ich
habe seit 1970
alle gesehen.
Trotzdem wurde
daraus noch
ein
hochdramatisches
Spiel und
eines der
besten und
spannendsten
WM-Endspiele,
das ich
gesehen habe.
Frankreich
drehte auf,
schaffte den
Ausgleich und
damit die
Verlängerung.
Und die bot
mal nicht den
sonst üblichen
Sicherheitsfußball
("Uiuiui... -
jetzt bloß
kein Tor mehr
kassieren..."),
sondern einen
Kampf mit
offenem
Visier, mit
Torchancen und
Toren für
beide Teams.
Noch 30
Sekunden vor
dem Abpfiff
rettete
Martinez mit
einer
unglaublichen
Parade die
Argentinier
ins
Elfmeterschießen,
wo er dann mit
einem
gehaltenen
Elfer die
Basis zum Sieg
schuf. Es
freut den
Fußballromantiker
in mir, dass
Messi nach
einem solchen
Spiel seine
Argentinier
zum Titel
führte. Die
Krönung einer
ganz, ganz
großen
Karriere.
Messi steht
nun endgültig
auf einer
Stufe mit
Maradona. Und
wer seine
Leistung in
diesem Turnier
und im Finale
gesehen hat,
muss es ihm
gönnen. Man
fragt sich
nur, wieviel
Geld die
Scheichs der
FIFA in den
A***h gesteckt
hat, damit sie
Messi noch
dieses
seltsame
Negligee
umhängen
durften:
Angeblich ein
traditionelles
Gewand mit
höchsten Ehren
- sah aber
eher aus wie
die Netzhemden
männlicher
dänischer
Pornostars aus
den 80ern
(Markenzeichen:
Schenkelbürste
und Vokuhila).
Bekommt bei
der nächsten
WM 2026 in
Kanada, USA
und Mexiko der
beste Spieler
dann ein
Holzfällerhemd,
einen
Patronengurt
samt Colt und
einen
Sombrero? Aber
egal, mit
Argentinien
holte
jedenfalls
eine
Mannschaft den
Titel, die
sich nach
einem üblen
Fehlstart
kontinuierlich
gesteigert hat
und ihr bestes
Spiel im
Finale machte.
Erreicht wurde
dies mit einer
sehr
unterhaltsamen
Mischung aus
Spielkunst und
Einsatz. Das
sind die
Dinge, die wir
beim Fußball
sehen wollen.
So endet diese
Weltmeisterschaft
mit der
Hoffnung auf
schöneren
Fußball in der
Zukunft.
Dieser Fußball
ist nicht O
Jogo Bonito
der
Brasilianer,
die zu leicht
in Schönheit
sterben. Er
ist aber auch
nicht das
französische
Warten auf den
entscheidenden
Fehler des
gerade
ungeordneten
Gegners, den
man mit einem
Blitzkonter
zum dann
langweilig
über die Zeit
gebrachten 1:0
ausnutzen
kann. Wir
wollen
Mannschaften
sehen, die
nach vorn
spielen, mit
Kraft, Einsatz
und Können. So
sind die
Italiener 2021
überraschend
Europameister
geworden, und
so holte
Argentinien
2022 den
WM-Titel. Auch
wenn im
Weltfußball
von Infantino
& Co. ganz
furchtbar viel
im Argen
liegt:
Fußballerisch
bin ich
optimistisch.
Nachtrag: Das
Spiel um Platz
3 habe ich
nicht gesehen.
Auf der
Hebbelwiese
lagen 20 cm
Schnee und ein
Kick mit den
großartigen
Hebbelkickern
unter solchen
Bedingungen
ist einfach
ein
Riesenspaß,
den man für
Geld nicht
kaufen kann.
Und hinterher
gibt es
Punsch, aber
das habt Ihr
ja inzwischen
wohl schon
mitbekommen...
;-)
Die
sogenannten
Expertinnen
und Experten
Diese WM fand
für uns nur im
TV statt und
wer sich so
wie ich die
ganze
Vorberichterstattung
schenkte (das
ist was für
Leute, denen
man erklären
muss, dass der
Ball rund
ist), der oder
die erhielt
dann während
des Spiels, in
der Pause und
anschließend
(während
unsereiner
seinen
Kommentar
schrieb) die
Ansichten
aktiver oder
ehemaliger
Spieler*innen
serviert. Das
war mitunter
erfrischend
und
informativ,
oft aber auch
quälend. Daher
hier ein
kurzer
Überblick über
einige Leute,
die von
unseren
TV-Gebühren
fürs
Fußballgucken
und
Drüberreden
bezahlt
wurden.
Thomas
Broich (ARD):
Eigentlich ein
vielgereister
Fußballexperte,
der durchaus
eigene,
unkonventionelle,
kritische
Ansichten hat.
Aber bei
dieser WM, für
die unsere
deutschen
TV-Anstalten
verdammt viele
Gebührengelder
hingeBlattert
hatten, fühlte
er sich vor
allem in der
Vorrunde wohl
in der
Verantwortung,
auch
langweiligstes
Ballgeschiebe
als geniale
taktische
Finesse mit
großartiger
Raumaufteilung,
toller
Ballbehandlung
und extrem
hoher
Passquote
hochzujazzen.
Das war schwer
zu ertragen.
Zum Ende hin
wurde es
besser, aber
Broichs
Detailverliebtheit
wirkte immer
angestrengt
und blieb
etwas nervig,
genauso wie
seine extreme
Vorliebe für
das Wort
"unfassbar"
und seine
Überhöhung von
Messi und
Mbappé im
Finale, wo er
ihnen einen
nahezu
gottgleichen
Status
verlieh.
Schade.
Thomas
Hitzlsberger
& Sami
Khedira (ARD):
Beide
fachkundig,
aber doch eher
trocken und
ohne den
besonderen
Unterhaltungswert,
den man sich
wohl die
meisten
Zuschauenden
wünschen.
Nicht
unsympathisch,
aber leider
eher
langweilig.
Christoph
Kramer (ZDF):
Bester
Deutscher bei
der WM.
Fachkundig,
locker,
selbstironisch,
humorvoll,
unprätentiös,
meinungsstark.
Gibt einem das
Gefühl, da
sitze man mit
dem alten
Kumpel aus
Schulzeiten,
der zufällig
Fußballprofi
geworden ist,
in der Kneipe
und gucke die
WM. Er kennt
sich mit den
Details besser
aus, wirkt
aber nie
besserwisserisch.
Großartig!
Per
Mertesacker
(ZDF): Hat
für meinen
Geschmack viel
zu oft viel zu
viel Pathos in
der Stimme,
vor allem wenn
es um die
eigene Zeit
als
Fußballspieler
geht. Er macht
sich gar nicht
größer als er
sowieso schon
ist (auch
fußballerisch),
aber so
dramatisch wie
er klingt, war
der Fußball
nicht und er
ist es auch
heute nicht.
Doch
Mertesacker
hat Humor und
Selbstironie,
das macht ihn
immer noch
sympathisch.
Sehr schön
sein Disput
mit Christoph
Kramer über
"...hat den
Sieg mehr
gewollt" nach
dem Spiel
Frankreich-Marokko,
der leider von
Jochen Brendel
abgewürgt
wurde. Almuth
Schult (ARD):
Fachkundig,
selbstbewusst,
nimmt sich
selber nie zu
wichtig. Sie
übertreibt
nicht, sie
ordnet ein,
sie zeigt
Punkte auf,
die man selber
nicht gesehen
hat. Eine
Expertin, wie
man sie im
Studio sehen
will. Bastian
Schweinsteiger
(ARD): Die
Überraschung
der WM. Redet
mit Esther
Sedlaczek
nicht mehr
weichgespültes
Gesülze wie
früher,
sondern bringt
die Sache auf
den Punkt.
Sagt seine
Meinung auch
dem
Bundestrainer,
ob sie dem nun
passt oder
nicht. Hat
offenbar aus
der Kritik
gelernt. Gut
so. Wir
wollten
unseren
Weltmeister
und letzten
deutschen
Fußballhelden
ja nicht in
den
Bildzeitungsjournalismus
abrutschen
sehen.
Schweinsteiger
ist jetzt auf
dem richtigen
Weg. Sandro
Wagner (ZDF):
Schafft es
tatsächlich,
in quasi jedem
Satz irgendwas
"sensationell"
zu finden,
auch wenn es
bestenfalls
ziemlich gut,
meist aber (in
Anbetracht der
schließlich
bestens
bekannten
Qualitäten
einzelner
Spieler)
relativ normal
ist. Ob
Steilpass,
Schusstechnik,
Laufstil oder
die Adiletten
des
Ko-Trainers -
alles
"sensationell".
Die Bedeutung
seines
Lieblingswortes
ist ihm
offensichtlich
gar nicht
nicht bekannt.
Beispiel
gefällig? Der
Dialog mit
Béla Rethy
nach dem fast
gelungenen
Fallrückzieher
eines
Marokkaners
gegen
Frankreich:
SW:
"Sensationell!
Ich glaube,
das war der
Fallrückzieher
mit zwei
Kontaken,
sogar das
Schienbein
noch dran,
sensationell,
oder?"
BR: "Und Ihr
Stürmer macht
Euch immer
lustig über
die
Verteidiger,
aber der war
super, oder?"
SW:
"Sensationell!"
Außerdem quält
Wagner die
Zuschauenden
gern mit
unverständlichen
Taktikdetails,
denn quasi
niemand
kann am TV
nachvollziehen,
dass Spieler
XY auf der
schräg nach
rechts
zurückgezogenen
mittleren
linken
Doppelfünf
spielt.
Christoph
Kramer hätte
einfach
gesagt: "Der
Spieler mit
der 7, jetzt
direkt links
vom
Anstoßkreis."
Und alles wäre
klar gewesen.
Die
schönsten Tore
der WM
2:0 für
Brasilien
gegen Serbien:
Richarlison
nimmt in der
Mitte des
Strafraums mit
dem Rücken zum
Tor stehend
eine
Außenristflanke
von links mit
dem linken Fuß
an, lässt den
Ball über
seine linke
Schulter
hochspringen
und verwandelt
dann unhaltbar
mit dem
rechten
Vollspann.
Unglaublich!
2:1 für Iran
gegen
Argentinien:
Salem
Aldawsari
nimmt im
linken
vorderen
Strafraumeck
einen hohen
Abpraller auf,
läuft Richtung
Außenlinie und
lässt einen
Argentinier
stehen, dreht
dann um,
spielt zwei
weitere
Argentinier
aus und haut
die Kugel
rechts oben in
den Winkel.
1:0 für
Spanien gegen
Costa Rica:
Gavi lupft den
Ball von der
Strafraumgrenze
in die Box, wo
Olmo ihn mit
dem Rücken zu
Tor annimmt,
hoch lupft,
sich dreht und
dabei die
Kugel vom
Gegenspieler
mit dem Rücken
abschirmt, um
sie dann aus 7
Metern zu
verwandeln.
5:0 durch
Gavi, der eine
hohe Flanke
von der linken
Strafraumgrenze
mittig vor dem
Tor stehend
von kurz
hinter der
Strafraumgrenze
mit dem
rechten
Außenrist
links neben
den rechten
Pfosten dreht.
1:0 für
Belgien gegen
Kanada:
Batshuayi
erläuft leicht
links vor dem
Strafraum
einen aus dem
Stand
geschlagenen
50 m-Steilpass
aus aus der
eigenen
Hälfte, lässt
den Ball in
vollem Lauf
und bedrängt
von zwei
Gegenspielern
links noch mal
aufprallen und
haut ihn dann
mit links
rechts
halbhoch neben
den Pfosten.
2:0 für
Argentinien
gegen Mexiko:
Enzo Fernandez
tanzt mit
einem
Übersteiger
zwei
Gegenspieler
im linken
Strafraumeck
aus und
schlenzt die
Kugel dann
rechts oben
ins Toreck.
2:3 für
Kamerun gegen
Serbien:
Aboubakar
erläuft völlig
frei stehend
30 m vor dem
gegnerischen
Tor den lang
geschlagenen
Ball, lässt
mit einem
kleinen
Schlenker an
der
Strafraumgrenze
einen
nachrückenden
Verteidiger
ins Leere
rutschen, und
lupft dann mit
der Fußspitze
per Bogenlampe
den Ball über
den direkt vor
ihm stehenden
gegnerischen
Torwart ins
Netz.
1:1 für
Serbien gegen
die Schweiz.
Nach Flanke
von linken
Strafraumeck
köpft Mitovic
im Laufen den
Ball oben
rechts ins
lange Eck.
8:3 für die
bunten
Hebbelkicker
gegen die
gelben
Leibchen: Manu
zieht aus 15 m
von rechts ab
und haut den
Ball links
oben exakt in
den Winkel.
Das schönste
Tor der WM!
1:1 für
Kroatien gegen
Japan: Perisic
köpft mittig
im Strafraum,
ein paar Meter
vor dem
Elfmeterpunkt,
eine Flanke
aus dem
rechten
Halbfeld
perfekt in der
Luft stehend
rechts unten
neben den
Pfosten. Genau
da sollte der
Ball hin. Ein
Kopfball aus
dem
Fußballlehrbuch.
1:0 für
Brasilien
gegen
Kroatien:
Neymar startet
in der Mitte
der
gegnerischen
Hälfte, lässt
mit 2
Doppelpässen
sechs
kroatische
Gegenspieler
wie
Slalomstangen
stehen,
umkurvt noch
den Torhüter
und schießt
dann aus
kurzer
Entfernung den
Ball von
rechts unter
die Latte.
1:4 für
Südkorea gegen
Brasilien:
Paik nimmt
mittig vor dem
Strafraum im
Stand einen
aus dem
Strafraum
rausgeköpften
Ball an, lässt
ihn einmal
auftropfen und
haut ihn dann
stehend aus 25
m Entfernung
links neben
den rechten
Pfosten.
1:0 für
Frankreich
gegen England:
Tchouaméni
erhält 25
Meter mittig
vor dem Tor
von rechts den
Ball und
knallt ihn wie
an der Schnur
gezogen links
unten neben
den Pfosten.
3:7 für die
bunten
Hebbelkicker
gegen die mit
den Leibchen,
fast eine
Kopie des
Tores vom
vorletzten
Samstag: Manu
zwirbelt die
Kugel schon
wieder aus
über 10 Meter
Entfernung
genau in den
Winkel,
diesmal aber
im Tiefschnee.
2:0 für
Argentinien
gegen
Frankreich:
Nach
Ballgewinn in
der eigenen
Hälfte läuft
der Ball auf
der rechten
Seite über
fünf Stationen
zu Alvarez,
der an der
Strafraumgrenze
nach links in
den Strafraum
zu di Maria
passt, welcher
dann den Ball
über den
Torwart
springen
lässt. Das
Ganze dauerte
nur 8
Sekunden.
2:2 für
Frankreich
gegen
Argentinien:
Marcus Thuram
lupft den Ball
mittig vor dem
Strafraum
links nach
vorn, wo der
heranstürmende
Mbappé mit
einem
Hechtsprung
nach vorn den
Ball mit ganz
langem rechtem
Bein flach ins
lange Eck
jagt.
Das
Tippspiel
Die
Entscheidung
fiel im
Elfmeterschießen:
Bernd hatte
zweimal beim
Vorabtipp auf
Argentinien
als
Weltmeister
gesetzt und
holte sich
damit den
Titel vor dem
so lange und
souverän
führenden
Henning, der
den Franzosen
erneut den
Sieg zugetraut
hatte. So kann
es kommen, so
ungerecht oder
gerecht ist
der Fußball.
Die beiden
hatten sich
ein packendes
Duell
geliefert, das
dem Finale in
Katar um
nichts
nachstand.
Alle anderen
blieben 7
Punkte oder
mehr zurück.
Glückwunsch an
den neuen
Weltmeister
Bernd, der
seit 1994
stets beim
Tippspiel
dabei war,
bereits einmal
Zweiter und
zweimal
Dritter war
(dazu noch
zwei weitere
Top-10-Platzierungen)
und nun
endlich mal
den Titel
holen konnte!
Henning bleibt
die hohe
Anerkennung
für
denjenigen,
der die besten
Ergebnisvorhersagen
lieferte. Ganz
unten bleibt
Kai die Rote
Laterne
und die
Hoffnung, es
bei der EM
2024 besser zu
machen.
Insgesamt hat
das Tippspiel
wieder viel
Spaß gemacht.
In eineinhalb
Jahren werden
wir sicher
wieder zur
normalen Zahl
von
Teilnehmenden
zurückkehren
und können
hoffen, dass
es ein Turnier
wird, bei dem
wieder der
Sport im
Vordergrund
steht. Ein
Turnier unter
Rahmenbedingungen
wie in diesem
Winter wollen
wir nie wieder
sehen.
Ich wünsche
Euch allen
friedvolle
Feiertage und
einen guten
Rutsch in ein
schönes Neues
Fußballjahr!
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei
der FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfand, stand am 18. Dezember 2022
die Partie Argentinien
vs. Frankreich
auf dem Programm – erinnerungswürdig ist
allerdings eine
Rückschau auf die
Feierlichkeiten anlässlich des ersten
Weltmeistertitels von Argentinien vom 25. Juni
1978,
die damals im Anschluss an eine ebenfalls
skandalöse WM-Endrunde stattfanden (Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 14)
Fußball
ist pure Emotion. Bei einem Fußballspiel geht es
niemals um Leben oder Tod. Nein – es geht um
wesentlich mehr! So sehen das jedenfalls die
argentinischen Fans, egal ob sie nun die eigene
Vereinsmannschaft unterstützen oder ihre „Albiceleste“
genannte Nationalmannschaft. Die Verehrung ihrer
größten Fußballstars wie Diego Maradona oder Lionel
Messi nimmt dabei fast schon religiöse Züge an. Man
konnte dieses Phänomen auch jetzt erleben, als die
in Massen über den Atlantik angereisten Argentinier
wesentlich dazu beitrugen, dieser ansonsten völlig
blutleeren Fußballveranstaltung so etwas wie Leben
einzuhauchen. Fußball ist neben Tango die kulturelle
Klammer dieses südamerikanischen Landes, das wie
kaum ein anderes von mehreren großen
Einwanderungswellen geprägt wurde. Vor allem
Italiener, Spanier, Deutsche, Franzosen, Engländer
und andere Volksgruppen aus dem ehemaligen
britischen Weltreich haben in diesem Land innerhalb
der letzten hundert Jahre nachdrücklich ihre Spuren
hinterlassen. Und sie haben vor allem die
Fußballleidenschaft aus ihrer alten Heimat
mitgebracht. Manchmal wird bisweilen sowohl auf dem
Rasen als auch auf der Tribüne etwas über die
Stränge geschlagen. Das gehört in Argentinien aber
einfach dazu. Wenn es auf dem Rasen mal schlecht
läuft, dann pöbeln oder rempeln die Akteure
wahlweise ihre Gegenspieler, den Schiedsrichter oder
in Ausnahmefällen sogar ihre Mitspieler an. Wenn es
dagegen gut läuft, dann machen sie es oftmals
genauso. Never change a running system – dafür
gibt’s bestimmt eine schöne spanische Übersetzung.
Bisweilen wird denn auch schon mal im Überschwang
der Gefühle und zur Provokation der gegnerischen
Mannschaft die runde Lederkirsche mit Vollspann auf
deren Spielerbank geprügelt. Diese Mentalität der
totalen Leidenschaft mit allen Risiken und
Nebenwirkungen gibt es in dieser Intensität wohl nur
in Argentinien. Dafür werden die Söhne der Pampa
weltweit wahlweise geliebt oder gehasst. Rote Karten
oder Rudelbildungen werden von den eigenen Fans
keinesfalls beklagt, sondern im Fall der Fälle sogar
zwingend erwartet. Mit Leidenschaft und Hingabe auch
mal richtig schmutzig gewinnen – nur darum geht es
beim argentinischen Fußball. Diese Sportart
verkörpert für den krisengeplagten Argentinier so
etwas wie den permanenten Kampf gegen des eigenen
Lebens Unbill. Dafür opfern die Fans aus Buenos
Aires, Córdoba, Rosario, Mendoza oder anderen
Städten so einiges. Selbst in Zeiten
wirtschaftlichen Niedergangs wird zur Finanzierung
teurer Auslandsreisen zu WM-Turnieren notfalls das
eigene Auto verkauft, ein Kredit aufgenommen oder es
werden Verwandte, Freunde oder Nachbarn angepumpt.
Denn man will schließlich unbedingt dabei sein, wenn
Argentina mal wieder etwas ganz Großes gewinnen
kann. Das muss man verstehen oder auch nicht.
Jedenfalls erzeugen argentinische Fans mit ihren
fortdauernden Gesängen und ihrem durchdringend
himmelblauweißen Erscheinungsbild in jedem Stadion
der Welt eine Mörderstimmung.
So
war es natürlich auch bei der Weltmeisterschaft im
eigenen Land, die 1978 am Rio de la Plata stattfand.
Über die finsteren Umstände dieser Junta-WM wurde
bereits in Folge 11 hingewiesen. Aber abseits von
Verfolgung und Folter löste der erstmalige Gewinn
des Weltpokals einen Sturm der Begeisterung und
echten Freude aus. Ein weiteres Mal habe ich nun das
bereits an anderer Stelle zitierte Buch „Fußballweltmeisterschaft
1978“ aus meinem Regal gekramt. Dort sprang
mir ziemlich am Ende unter der Überschrift „Argentinien
nach dem Sieg“ der nachfolgende Beitrag ins
Auge, in dem der namentlich leider nicht aufgeführte
Verfasser einen tiefen Einblick in die argentinische
Fanseele gab.
Ganz
Buenos Aires schwelgte in himmelblau und weiß.
Über die Avenidas der Zehn-Millionen-Stadt brauste
ein Orkan der Begeisterung und Ekstase. Der
Torschrei, der ihn ausgelöst hatte, musste noch
drüben auf der anderen Seite des Rio de la Plata,
bei den ungeliebten Nachbarn in Uruguay, zu hören
gewesen sein. Wie eine riesige Woge schwappte
anschließend der Siegestaumel durch das schier
endlose Häusermeer, alles mit sich reißend, was
nicht in der Erde festgefügt war. Widerstand war
zwecklos. Einheimische in den Nationalfarben,
schreiend, singend, tanzend, und Fremde wirbelten
wild durcheinander. Dazwischen Autos, vollgepackt
im Inneren, vollgepackt außen, im Stakkato hupend.
Ein Rhythmus nur noch, dem alles folgte: Zweimal
lang, zweimal kurz – Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na.
Volksfest, Konfettiparade, Taumel und Ekstase als
Reaktion auf einen Fußballsieg. 3:1 für
Argentinien gegen Holland. Weltmeister.
Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na! Der Triumph gehörte
allen.
Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na. Rafael (28), Rechtsanwalt, der uns
am Abend zuvor die komplexen Probleme seines
widersprüchlichen Landes mit scharfem Intellekt
dargelegt hatte, der die heillose Verstrickung
seiner Landsleute in Wunderglauben und Fatalismus
so überzeugend zu vermitteln wusste, der die
Verdienste der Militärs im Kampf gegen die
Korruption der zweiten Ära Peron darzustellen
verstand, ohne darüber in kritiklose Zustimmung zu
allen Arten von Rechtsbeugung und Verfolgung
Andersdenkender zu verfallen – in dieser langen
Nacht des Triumphs war auch er, der auf rationales
Denken eingeschworene Jurist, nur noch „Hincha“,
was die Potenzierung von Fan und Aficionado
bedeutet, wie sie in dieser Mischung nur in
Südamerika denkbar ist. „Hincha“ und Patriot
zugleich.
Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na. Als er am anderen Vormittag mit
beträchtlicher Verspätung im Hotel eintraf, um uns
das „andere“ Argentinien zu zeigen, die
Armenviertel der entlang dem Hafen gelegenen Boca
mit ihren Wellblech- und Bretterfassaden zwischen
bröckelndem Putz, den niemand erneuert, da
entschuldigte er sein Zuspätkommen und die
heiseren Stummbänder mit dem 3:1. Den Sieg hatte
er hoch oben in der dritten Etage des neuen
River-Plate-Stadions erlebt, auf einem Stehplatz
für 10.000 neue Pesos (27 Mark), für den ein
Freund eine ganze Nacht vor dem Portal der
Nationalbank ausgeharrt hatte.
Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na. Was heißt, den Sieg erlebt –
miterlebt und, die strapazierten Stimmbänder
bewiesen es, miterkämpft hatte er ihn. Er hatte
den Triumph mitgetragen und hinterher hatte er ihn
wie Hunderttausende mit ihm zelebriert. Als einer
unter vielen, die sich von der Woge mitreißen,
fortspülen ließen, die sich zu einem Meer von
Köpfen ballten, als die Siegestrunkenen von allen
Seiten auf die Kreuzung der Corrientes mit der
Avenida des 9. Juli strömten und damit für Stunden
den infernalischen Verkehr, der hier sonst tost,
zum Erliegen brachte: Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na.
„Wir haben vier Jahre auf diesen Tag und diesen
Sieg gewartet“, sagte er anderntags mit tonloser
Stimme verlegen, entschuldigend.
Weltmeister
– das heißt kollektive Verzückung. Da wird auch
Rafael, der Rechtsanwalt, dessen Kanzlei
vorzugsweise die Ärmsten der Armen aufsuchen, weil
auf dem Schild an dem Altbau am Rande der Boca
„Consulta gratis“, also Auskunft umsonst, steht,
wieder einer unter Millionen „Hinchas“. Da
vergisst er das Elend, mit dem er von Berufs wegen
konfrontiert wird, ebenso wie die Elenden selbst
es vergessen.
Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na, auch sie feierten mit. Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na, in der Nacht des Triumphs, da
verschafften sie sich Gehör. Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na. Da triumphierten sie, die nie etwas
zu triumphieren haben. Ar-gen-ti-na, Ar-gen-ti-na.
Aber nicht nur sie. Alle triumphierten sie, die
Privilegierten und die Hoffnungslosen, die
Glücklichen und die Pechvögel.
Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na. Fußball als Bindemittel einer
widersprüchlichen Nation, die sich immer wieder in
die Extreme flüchtet, nein, die extrem ist. Und
exzessiv. Fußball als Ablenkung, als Rauschmittel,
als Stimulans, das ist Fußball auf argentinisch.
Fußball
ist pure Emotion – sowohl auf dem Spielfeld als auch
auf der Tribüne. Vor allem auch aufgrund der
bedingungslosen Unterstützung ihrer zahlreichen Fans
ist es der argentinischen Mannschaft gelungen, zum
insgesamt sechsten Mal nach 1930, 1978, 1986, 1990
und 2014 in ein WM-Finale einzuziehen. Dort hat sie
jetzt ihr geliebter „Floh“ (La Pulga)
und Kapitän Lionel Messi zum dritten Titelgewinn
geführt. Er hat sich damit unsterblich gemacht und
steht nun völlig zurecht auf einer Stufe mit seinem
von den Fans ebenfalls vergötterten Landsmann Diego
Maradona. Die Spieler Argentiniens haben sich mit
couragierten Auftritten tief in die Herzen ihrer
Landsleute gespielt und werden von diesen völlig
verdient als wahre Campeones gefeiert. Das Leben ist
auch in schwierigen Zeiten manchmal so wunderbar
leicht wie eine Feder und die Fiesta der großen
Leidenschaft kann nun beginnen. Die Sprechchöre
werden dann wie damals 1978 oder 1986 von Buenos
Aires aus in alle Welt hallen: „Ar-gen-ti-na,
Ar-gen-ti-na!“
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei
der FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 18. Dezember
2022 die Partie
Argentinien
vs. Frankreich
auf
dem Programm – erinnerungswürdiger ist allerdings
eine
Rückschau
auf die Begegnung beider Teams am 30. Juni
2018,
die
damals im Rahmen einer ebenfalls bei der FIFA
gekauften WM-Endrunde stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 13)
WM-Endspiele zwischen südamerikanischen und
europäischen Mannschaften haben einerseits eine
lange Tradition und besitzen auf der anderen Seite
einen ganz besonderen Reiz. Denn es treffen nicht
nur die Besten der beiden mit Abstand stärksten
Fußballkontinente aufeinander, sondern es begegnen
sich auch zwei unterschiedliche Fußballkulturen.
Gemeinhin wird der südamerikanische Fußball mit
Attributen wie Inspiration, Kreativität, Technik,
Spielfreude und Emotionalität in Verbindung
gebracht, während der europäische Fußball mit
Eigenschaften wie Taktik, Disziplin,
Laufbereitschaft, Effektivität und Rationalität
punktet. Das ist natürlich eine sehr grobe
Charakterisierung. Denn nur mit Samba-Fußball wird
auch eine brasilianische Nationalmannschaft keinen
Blumentopf gewinnen und ohne überragende
Kreativspieler in ihren Reihen wird kein
europäisches Team Weltmeister. Aber ein Fünkchen
Wahrheit ist schon dran. Im Kopf hat man natürlich
die prägenden Spieler früherer
Weltmeistermannschaften, die wiederum auch eine ganz
spezielle Spielphilosophie verkörperten. Auf
südamerikanischer Seite waren das José Leandro
Andrade (Uruguay 1930), Juan Alberto Schiaffino
(Uruguay 1950), Pelé (Brasilien 1958), Garrincha
(Brasilien 1962), Rivelino (Brasilien 1970), Mario
Kempes (Argentinien 1978), Diego Maradona
(Argentinien 1986), Romário (Brasilien 1994) und
Ronaldo (Brasilien 2002). In die europäische
Ahnengalerie der Besten gehören Giuseppe Meazza
(Italien 1934), Silvio Piola (Italien 1938), Fritz
Walter (Deutschland 1954), Bobby Charlton (England
1966), Franz Beckenbauer (Deutschland 1974), Paolo
Rossi (Italien 1982), Lothar Matthäus (Deutschland
1990), Zinédine Zidane (Frankreich 1998), Andrea
Pirlo (Italien 2006), Andrés Iniesta (Spanien 2010),
Manuel Neuer (Deutschland 2014) und Kylian Mbappé.
Es wäre für jeden Fußballfan traumhaft, sich diese
Cracks gemeinsam in einer Art von kosmischer
All-Star-Mannschaft vorzustellen.
Doch im Zuge des globalisierten Profisports
verschwimmen diese kontinentalen Unterschiede immer
mehr. Denn den Feinschliff holen sich auch die
größten südamerikanischen Fußballtalente
mittlerweile oftmals nicht mehr zu Hause an der Copa
Cabana oder am Rio de la Plata, sondern in den
Kaderschmieden der großen europäischen Clubs. Ein
Lionel Messi heuerte schon als Dreizehnjähriger beim
FC Barcelona an. Insofern ist es nicht mehr ganz so
eindeutig, einen typisch südamerikanischen oder
typisch europäischen Stil zu identifizieren, denn
vieles hat sich angenähert. In den europäischen
Top-Clubs spielen seit Jahrzehnten die besten
südamerikanischen Spieler und werden auf diese Weise
dort schon in jungen Jahren sozialisiert. Aber
natürlich besitzen sie immer noch die DNA ihrer
jeweiligen Heimatländer. Und wenn diese Burschen
dann zusammen in ihren Nationaltrikots auf den Rasen
laufen, dann ist an guten Tagen eben Samba oder
Tango angesagt. Bei den Europäern fällt mir kein
passender Tanz ein – vielleicht Foxtrott oder Polka?
Im Rückblick mag es allerdings verwundern, dass es
zum ersten transkontinentalen Aufeinandertreffen in
einem WM-Finale erst 1958 bei der sechsten Auflage
des Weltturniers kam (dieses gewannen die
Brasilianer fulminant mit 5:2 gegen teilweise
überforderte schwedische Gastgeber). Bei den fünf
vorangegangenen Weltmeisterschaften standen sich
immer zwei Teams aus dem Kontinent des jeweils
veranstaltenden Landes gegenüber. Nach dem Erfolg
der Brasilianer häuften sich allerdings diese
Finalduelle. Insgesamt gab es bis heute zehn
Endspiele um den Weltpokal mit gemischter
südamerikanischer und europäischer Beteiligung.
Daraus resultierte ein klares Übergewicht der
Südamerikaner, die bisher siebenmal (1958, 1962,
1970, 1978, 1986, 1994 und 2002) gewannen, während
die Europäer dagegen nur dreimal (1990, 1998 und
2014) triumphieren konnten. Diese klare Diskrepanz
ist etwas überraschend, denn bei der absoluten
Anzahl der erzielten WM-Titel liegt Europa (12) doch
recht eindeutig vor Südamerika (9). Man muss dabei
aber berücksichtigen, dass erst viermal WM-Endrunden
in Südamerika stattfanden und schon zehnmal in
Europa. Immerhin ist Deutschland der bisher einzige
Vertreter Europas, dem es gelang, in einem Endspiel
auf südamerikanischem Boden gegen ein
südamerikanisches Team zu gewinnen (vor acht Jahren
gegen Argentinien). Diesen Titel kann uns niemand
mehr nehmen! Das soll als kleiner Trost gedacht sein
und unsere beiden hochkompetent besetzten neuen
DFB-Task-Force-Units (dieses Wortungetüm muss noch
Kollege Bierhoff als Abschiedsgruß verantwortet
haben) beflügeln.
Zurück zum Thema: Aus Anlass dieser widerwärtigen
Fußballveranstaltung treffen jetzt mit den
Nationalteams von Argentinien und Frankreich erneut
zwei Mannschaften aus Südamerika und Europa im
Endspiel aufeinander. Zu dieser Paarung kam es, wie
in Folge 12 kurz berichtet, bereits vor vier Jahren
im Achtelfinale einer ebenfalls von der FIFA
verkauften WM. Unter der Überschrift „Mbappé
führt furioses Frankreich zum Sieg“
analysierte das Fußballmagazin „Kicker“ auf seiner
Homepage nachfolgend die durchaus abwechslungsreiche
und vor allem torreiche Partie.
Frankreichs Trainer Didier Deschamps hatte beim
0:0 gegen Dänemark einige Stars geschont und
veränderte seine Startelf auf sechs Positionen:
Lloris, Pavard, Umtiti, Pogba, Matuidi und Mbappé
kamen für Mandanda, Sidibé, Kimpembe, N’Zonzi,
Dembelé und Lemar neu in die Mannschaft.
Argentinien hatte das Ticket fürs Achtelfinale
beim dramatischen 2:1-Sieg gegen Nigeria erst kurz
vor Schluss gelöst. Coach Jorge Sampaoli nahm im
Vergleich zum letzten Gruppenspiel eine Änderung
vor: Pavon begann anstelle von Higuain. In
nervösen Anfangsminuten waren beide Mannschaften
zunächst um Struktur bemüht. Die erste gefährliche
Aktion der Partie resultierte aus einer
Standardsituation: Griezmann setzte einen Freistoß
kurz vor dem argentinischen Sechzehner an den
Querbalken (9.). Zwei Minuten später zeigte
Schiedsrichter Alireza Faghani auf den Punkt.
Mbappé war nach einem unfassbaren Sprint über den
halben Platz von Rojo im Sechzehner zu Fall
gebracht worden. Griezmann trat an und verwandelte
zur 1:0-Führung für Frankreich (13.). Argentinien
war um eine schnelle Antwort bemüht, hätte kurz
darauf jedoch beinahe einen zweiten Strafstoß
gegen sich bekommen. Tagliafico brachte erneut
Mbappé kurz vor dem Sechzehner zu Fall, den
folgenden Freistoß setzte Pogba deutlich über das
Tor (21.). Ansonsten zog sich die Equipe Tricolore
mit der Führung im Rücken etwas zurück, stellte
die Räume geschickt zu und hielt die Albiceleste
damit gut vom eigenen Tor weg. Zudem blieben Les
Bleus über Konter gefährlich. Den Südamerikanern
fiel derweil wenig ein – das Resultat: Keeper
Lloris musste lange nicht einmal ernsthaft
eingreifen. Kurz vor der Pause war der Schlussmann
dennoch geschlagen: Di Maria kam in zentraler
Position an den Ball und zog aus circa 25 Metern
ab. Die Kugel schlug im rechten oberen Eck zum
etwas überraschenden 1:1-Ausgleich ein, Lloris
blieb nur das Nachsehen (41.). Mit diesem Ergebnis
ging es kurz darauf in die Kabinen.
Durchgang zwei begann wie gemalt für
Argentinien. Messi kam im Anschluss an einen
Freistoß im Sechzehner an den Ball und zog ab.
Mercado hielt seinen Fuß in den Schuss und lenkte
den Ball damit unhaltbar für Lloris zum 2:1 für
Argentinien ins Tor (48.) – Spiel gedreht!
Frankreich zeigte sich jedoch unbeeindruckt und
wäre kurz darauf beinahe zum Ausgleich gekommen:
Griezmann konnte eine verunglückte Rückgabe des
eingewechselten Fazio jedoch nicht für sich nutzen
(56.). Eine Minute später zappelte der Ball aber
im Netz: Nach einer Hereingabe von Hernandez kam
Pavard im Rückraum zum Abschluss und zog volley ab
– der Ball schlug im linken oberen Winkel zum
2:2-Ausgleich ein. Frankreich spielte sich nun in
einen Rausch und stellte die Partie kurz darauf
erneut auf den Kopf. Mbappé nutzte ein
Durcheinander im argentinischen Sechzehner, zog ab
und traf zum 3:2 für Les Bleus (64.) – Keeper
Armani gab dabei jedoch keine gute Figur ab. Wenig
später legte die Equipe Tricolore sogar noch einen
Treffer nach: Am Ende eines mustergültigen Konters
steckte Giroud auf Mbappé durch, der frei vor
Armani cool blieb und zum 4:2 für Frankreich
vollstreckte (68.) – das zweite Tor des Youngsters
und der dritte französische Treffer innerhalb von
elf Minuten! Von diesem Nackenschlag erholte sich
Argentinien nicht mehr. Die Albiceleste war zwar
bemüht, kam gegen geschickt verteidigende
Franzosen aber kaum noch zu gefährlichen
Abschlüssen. In der Nachspielzeit kamen die
Südamerikaner doch noch einmal heran: Messi
bediente den eingewechselten Agüero, der per Kopf
auf 3:4 verkürzte (90.+3). Letztlich blieb es
jedoch beim knappen Sieg für Les Bleus, die damit
in die nächste Runde einzogen. Argentinien um
Superstar Messi muss hingegen die Heimreise
antreten.
Das war die Geschichte vor vier Jahren, die für
die Argentinier nicht gut ausging, dafür aber für
die Franzosen mit dem zweiten Weltmeistertitel umso
besser endete. Doch die Uhren sind wieder komplett
auf Anfang gestellt. Was einmal war, das zählt nicht
mehr (die fünf Euronen sind schon an das
DFB-Winterhilfswerk überwiesen). Jetzt bietet sich
für die Südamerikaner nach dem erfolgreich
gestalteten Halbfinale im Endspiel die Chance zu
einer weiteren Revanche gegen eine europäische
Top-Mannschaft. Es spricht dabei vieles sowohl für
den amtierenden Südamerikameister als auch für den
amtierenden Weltmeister: Ein qualitativ hochwertiger
Kader, ein eingespieltes Team, kaum Schwächen in
allen Mannschaftsteilen, ein positiver Teamgeist,
eine ansteigende Formkurve innerhalb des Turniers
und ein großartiger Unterschiedsspieler in ihren
Reihen. Im Halbfinale standen bei den Argentiniern
noch drei Spieler (Messi, Otamendi und Tagliafico)
in der Anfangself, die schon beim letzten Duell 2018
von Beginn an auf dem Platz standen, bei den
Franzosen waren es sogar fünf (Mbappé, Lloris,
Varane, Griezmann und Giroud). Die abschließende
Frage lautet nun: Kann die argentinische Mannschaft
ihren Kapitän 36 Jahre nach dem letzten
WM-Titelgewinn zum vermutlich größten Spieler aller
Zeiten krönen oder schafft Frankreich etwas, das
seit 60 Jahren keinem amtierenden Weltmeister
gelungen ist? Drei Sterne leuchten am dunklen
Wüstenfirmament – wer holt sie vom Himmel? Am
Sonntagabend sind wir alle schlauer.
Mit dem Finale endet nun eine Weltmeisterschaft, die
wie alle vorherigen WM-Turniere in steter
Regelmäßigkeit von der FIFA zum Wohle des
Gastgeberlandes als beste aller Zeiten
hochsterilisiert wird. Das war immer so, ist diesmal
leider auch so und so wird es wohl auch bleiben –
Amen! Denn wer alles bezahlt, der darf sich auch den
Blumenstrauß aussuchen. Letztendlich hat eine
unverdiente glückliche Fügung dafür gesorgt, dass
völlig zurecht euphorisierte sowie massenhaft vor
Ort auftretende argentinische und marokkanische Fans
dieser mehr als trüben Wüstenveranstaltung
stimmungstechnisch irgendwie wohl doch noch halbwegs
den Arsch gerettet haben. Mehr gibt es aber zu
diesem traurigen Thema nicht zu sagen. Nach dem
Schlusspfiff tanzt dann obligatorisch der große
Gewinner vorne im Konfettiregen, während der
traurige Verlierer weit abseits davon im Halbdunkel
seine Tränen trocknen muss. Letzterem sei
abschließend zum Trost gesagt, dass in der
Schnelllebigkeit unseres vergänglichen Daseins so
etwas wie Ruhm mit einer überaus kurzen Halbwertzeit
versehen ist und schon in vier Jahren wieder die
nächste Chance wartet – es sei denn, einer
derartigen Großveranstaltung kommen doch noch
irgendwie lästige Ereignisse wie Epidemien, Kriege,
Naturkatastrophen oder der vollständige
Weltuntergang böse in die Quere. Aber das wollen wir
doch alle nicht hoffen, denn dann gäbe es ja auch
kein WM-Tippspiel mehr.
Kurze Fakten zum Spiel Frankreich – Argentinien 4:3
(1:1)
Anlass: WM-Endrunde in Russland / Achtelfinale;
Datum: 30.06.2018; Spielort: Kasan-Arena in Kasan;
Zuschauer: 42.873; Torschützen: 1:0 Griezmann (13.
Min.), 1:1 di Maria (41. Min.), 1:2 Mercado (48.
Min.), 2:2 Pavard (57. Min.), 3:2 Mbappé (64. Min.),
4:2 Mbappé (68. Min.), 4:3 Agüero (90. Min.+3)
Zum
Ende dieser WM
findet sich
alles
zusammen. Im
Finale stehen
die
Argentinier,
die sich im
Laufe des
Turniers nach
schwachem
Strart
kontinuierlich
gesteigert
haben und in
deren Reihen
der beste
Fußballer der
letzten 15
Jahre spielt,
der seine
Karriere
krönen will
und kann. Und
wir werden
wieder die
Franzosen
sehen, den
Titelverteidiger,
der über das
gesamte
Turnier eine
große Konstanz
gezeigt hat.
Im Gegensatz
zum kommenden
Gegner legten
unsere
Nachbarn aber
im Halbfinale
nicht noch mal
eine Schippe
drauf. Am Ende
ergaben sich
die Marokkaner
in ihr
Schicksal,
wohl auch weil
die Kräfte
schwanden.
Aber bis zum
2:0 gab es
viele
Gelegenheiten,
wo irgendwie
immer nur die
letzte
Wendung, der
präzise letzte
Pass, der
finale
Abschluss
fehlte. Da
fragte man
sich vor dem
TV immer: Was
wäre wohl
passiert, wenn
jetzt Messi am
Ball gewesen
wäre? War er
halt nicht.
Und die
Marokkaner
hatten Pech:
Ein
Fallrückzieher
an den
Pfosten, ein
guter
Fernschuss in
der ersten
Hälfte, und
einige Szenen,
wo einfach der
Ball zum
Gegner und
nicht zum
eigenen Mann
prallte. So
ist Fußball.
Die Franzosen
haben dagegen
einen guten
Torwart, einen
Griezmann, der
überall auf
dem Feld zu
finden ist,
und einen
Mbappé mit
einem einfach
unglaublichen
Antritt, so
wie Ben
Johnson Ende
der 80er (aber
der schluckte
anabole
Steroide...).
Wie sich
Mbappé
mehrfach den
Ball 15 Meter
vorlegte und
dann am
mitsprintenden
Gegenspieler
vorbeilief...
- wow!
Seltsamerweise
zeigte die so
hoch gelobte
Abwehr der
Franzosen
mehrfach
unerwartete
Schwächen. Die
Marokkaner
konnten sich
da
durchkombinieren,
das hatten wir
bisher beim
Weltmeister
noch nicht so
gesehen. Auch
die
Argentinier
werden sich
das genau
angeschaut
haben. So
erwartet uns
ein
vielversprechendes
Endspiel. Der
Fußballsachverstand
sagt, dass die
Franzosen wohl
die reifere
Mannschaft
haben. Aber
das
Fußballromantikerherz
möchte Messi
mit dem
WM-Pokal und
mit Tränen der
Rührung sehen.
Am Sonntag
wissen wir,
wer gewonnen
hat: Herz oder
Verstand?
Im
Tippspiel ist
es oben
nochmals enger
geworden. Drei
Punkte
Rückstand nur
noch von Bernd
auf Henning.
Beide haben
die Halbfinals
zumindest
tendenziell
richtig
getippt, beide
haben fast
identische
Tipps für die
Finalspiele
abgegeben.
Aber die
Weltmeistertipps
sind
verschieden...
Zwei
Entscheidungen
fallen also im
Finale: Wer
wird
Weltmeister?
Und wer
gewinnt das
Tippspiel? Im
Kampf um die
Rote Laterne
ist es sogar
noch enger.
Aber wer wird
schon gerne
Letzter?
Messi.
Damit ist alles gesagt,
was man über das 3:0 von
Argentinien gegen
Kroatien wissen muss.
Der beste Fußballer
aller Zeiten? Jeder
Vergleich mit den
Allergrößten, die ich
live im Fernsehen
gesehen habe, verbietet
sich. Pelé, Beckenbauer,
Müller, Cruyff,
Maradona... - das war
eine andere Zeit und
auch eine andere Art von
Fußballspiel. Da gab es
mehr Platz auf dem Feld
(obwohl die Plätze
natürlich nicht größer
waren). Jetzt wird es
nicht erst kurz vor dem
Strafraum eng, jetzt
wird spätestens an der
Mittellinie attackiert.
Und wie Messi sich aus
Situationen
herauswindet, wie er im
Fallen noch den Kopf
hebt und den Ball zum
Mitspieler spitzelt, wie
er ansatzlos sprintet
und mit dem Ball um den
Gegenspieler herumläuft,
um ihn dann perfekt zum
Mitspieler zu bringen -
das und vieles mehr ist
im Fußball des 20.
Jahrhunderts
einzigartig. Vielleicht
ist er gerade noch
rechtzeitig in der
argentinischen
Nationalmannschaft auf
dem Höhepunkt seiner
Leistungsfähigkeit
angelangt. Fast 15 Jahre
passten sie nie richtig
zusammen - das
Nationalteam und Lionel
Messi. Jetzt scheint das
anders zu sein. Am
Sonntag werden wir
sehen, ob er seine
Karriere mit 35 Jahren
mit dem größten aller
Titel krönen kann.
Wer einen
Unterschiedsspieler wie
Messi im Team hat, kann
dem Gegner auch erst mal
einige Freiheiten
lassen. 25 Minuten war
das Halbfinale sehr
ausgeglichen, aber ohne
Torchancen. Dann machten
die Argentinier ernst
und überrannten nach
steilen Pässen die
kroatische
Restverteidigung. Erst
das 1:0 durch Messis
Elfmeter nach Foul an
dem durchgebrochenen
Alvarez. Dann das 2:0
durch Alvarez selbst,
der ab der Mittellinie
Vollgas gab und bis in
den gegnerischen
Fünfmeterraum durchlief,
um schließlich
einzunetzen (okay, er
hatte 2x Glück, weil die
Gegenspieler ihm den
versprungenen Ball
wieder vorlegten).
Schließlich noch vor der
Pause fast das 3:0 durch
einen Kopfball von Mac
Allister. In der Kabine
war den Kroaten
vermutlich schon klar,
dass hier nichts zu
holen war. Nach dem
Seitenwechsel noch diese
wunderbare Vorbereitung
des 3:0 durch ein
Messi-Solo rechts im
Strafraum, mit Vorlage
für Alvarez - dann
konnten die Argentinier
das Spiel mit einigen
Wechseln austrudeln
lassen. Ein wenig
durften die Kroaten dann
auch noch mitspielen,
aber nicht zu sehr. Ein
Tor blieb ihnen
verwehrt. Doch das war
egal. In Erinnerung
bleibt eh nur Messi.
Unser Tippspiel geht in
die entscheidende Phase.
Henning hat seine 5
Punkte Vorsprung
gehalten. Doch ich
verrate nicht zuviel,
wenn ich sage, dass die
Entscheidung womöglich
erst im Finale fällt.
Die Weltmeister-Tipps
können in der Spitze
noch einmal alles
ändern. Für mich gilt
das leider nicht. Mir
haben die Kroaten schon
im Viertelfinale eine
noch möglich scheinende
Top-Platzierung
zerschossen, indem sie
Neymar & Co.
rauskickten. Ja, das
Fußballschicksal ist
hart und unerbittlich.
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der
FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 13. Dezember 2022
die Partie
Argentinien vs. Kroatien
auf dem Programm – erinnerungswürdig ist allerdings
eine
Rückschau auf die Begegnung beider
Teams am 21. Juni 2018,
die damals im Rahmen einer ebenfalls bei der FIFA
gekauften WM-Endrunde stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM 2022 –
Folge 12)
Halbfinalspiele
bei Fußballweltmeisterschaften sind eine überaus
zwiespältige Sache. Denn auf der einen Seite haben
die jeweiligen Mannschaften schon eine ganze Menge
gerissen, Vorrunde und erste K.o.-Spiele erfolgreich
überstanden. Andererseits ist man vom ganz großen
Ziel doch noch immer zwei Siege entfernt. Und die
Tatsache, dass die Qualität der Gegner im
Turnierverlauf immer größer wird, macht die
Angelegenheit auch nicht gerade leichter. Ein grober
Schnitzer in der Abwehr, ein verlorener Ball im
Mittelfeld oder ein verschossener Elfmeter kann
letztlich den kleinen aber feinen Unterschied
ausmachen. Auf diesem schmalen Grat gilt es immerhin
noch zweimal zu wandeln, obwohl die betreffenden
Mannschaften schon fünf Spiele in ihren müden
Knochen haben. Nur absolute Top-Teams können das
ausblenden und auch in diesen schwierigen Momenten
ihre beste Leistung abrufen. Andere wiederum
scheitern nicht nur krachend am Gegner, sondern
bisweilen auch am eigenen Erwartungsdruck und stehen
am Ende mit völlig leeren Händen ziemlich dumm da.
Für gleich beide Extreme steht übrigens kurioser
Weise Rekordweltmeister Brasilien: Bei der WM 1958
in Schweden dominierte man sowohl im Halbfinale (5:2
gegen Frankreich) als auch im Finale (5:2 gegen
Schweden) mehr als deutlich und wurde erstmals (mit
dem damals blutjungen Pelé) Weltmeister – auf der
anderen Seite kassierte man bei der Heim-WM 2014
sowohl im Halbfinale (1:7 gegen Deutschland) als
auch im anschließenden Spiel um Platz 3 (0:3 gegen
die Niederlande) zwei wirklich derbe Klatschen und
landete auf diese Weise im tiefstmöglichen Tal der
Tränen. Aber es passiert eben auch bisweilen, dass
im Halbfinale gleich beide Gegner bestmöglich
performen. Wer erinnert sich nicht an das geradezu
epische Duell zwischen Italien und Deutschland bei
der WM 1970 in Mexiko? Dramatik und Torfolge dieses
packenden 4:3 nach Verlängerung führten dazu, dass
die internationale Sportpresse hinterher das
durchaus berechtigte Qualitätssiegel
„Jahrhundertspiel“ verlieh. Trotzdem wurde Italien
anschließend bekanntlich eben nicht Weltmeister,
weil erstens der Kräfteverschleiß nach der
vorangegangenen Schlacht zu groß war und zweitens
Brasilien wie schon 1958 in der Lage war, auch bei
den letzten beiden WM-Spielen (3:1 gegen Uruguay und
4:1 im Finale) ihre vollen Pferdestärken auf das
grüne Geläuf zu zaubern.
Aus
Anlass dieser beschämenden Fußballveranstaltung
treffen jetzt die Nationalteams von Argentinien und
Kroatien im Halbfinale aufeinander. Zu dieser
Paarung kam es übrigens bereits vor vier Jahren in
der Vorrunde einer WM, die offensichtlich ebenfalls
von der FIFA verkauft wurde. Kunden waren seinerzeit
allerdings keine Erdgasscheichs, sondern das
russische Geheimdienst- und Verbrechersyndikat mit
einem Möchtegernzaren an der Spitze. Es kommt bei
mir immer noch starke Übelkeit hoch, wenn ich an die
Bilder von damals mit den auf der Ehrentribüne Arm
in Arm liegenden „Männerfreunden“ Putin und
Infantino denke. Unter der Überschrift „3:0!
Kroatien im Achtelfinale – Messi & Co. vor dem
Aus“ analysierte das Fußballmagazin „Kicker“ auf
seiner Homepage nachfolgend die damalige Partie. Der
zweimalige Weltmeister Argentinien steht mit dem
Rücken zur Wand. Im zweiten Gruppenspiel verloren
die vollends enttäuschenden Südamerikaner gegen
Kroatien mit 0:3. Der Frankfurter Rebic sowie Modric
besorgten die ersten beiden Treffer für die besser
strukturierten und organisierten Kroaten. Als
Argentinien in der Schlussphase auf den
Anschlusstreffer ging, setzte Rakitic den
endgültigen K.o.
Argentiniens
Coach Jorge Sampaoli nahm drei Veränderungen im
Vergleich zum 1:1 gegen Island vor: Anstelle von
Rojo, Biglia und di Maria spielten Mercado, Perez
und Acuna. Kroatiens Trainer Zlatko Dalic tauschte
nach dem 2:0-Auftaktsieg über Nigeria nur auf einer
Position: Brozovic ersetzte den Hoffenheimer
Kramaric. Die Marschroute der Kroaten war klar: Mit
einem Sieg wäre das Achtelfinalticket vorzeitig
gelöst. Dementsprechend legten die „Vatreni" (die
Feurigen) los: Keine fünf Minuten waren gespielt, da
stellte Kroatien sein Potenzial erstmals unter
Beweis: Perisic dribbelte von links in den
Strafraum, ging mit Tempo an Mercado vorbei und
visierte das lange Eck an – Caballero tauchte ab und
lenkte den Ball um den Pfosten (5.). Nach einer
knappen Viertelstunde wurde auch die Albiceleste
gefährlich: Mezas Schuss wurde von Lovren noch
rechtzeitig abgefälscht (13.). Beide Mannschaften
wussten um die Bedeutung der Partie und gingen
dementsprechend intensiv und aggressiv zu Werke.
Zwar wirkte Kroatien von der Struktur her
organisierter und stabiler, die besseren Chancen
ergaben sich allerdings für Argentinien: Erst setzte
Acuna eine Flanke von links auf den Querbalken
(22.), dann leisteten sich Lovren und Subasic ein
Missverständnis – doch Perez schoss flach am leeren
Tor vorbei (30.). War die Sampaoli-Elf bis dahin
zumeist zufällig zu ihren Möglichkeiten gekommen, so
schafften es die Kroaten anschließend aus dem Spiel
heraus: Mandzukic vergab die beste Chance seines
Teams, als er Vrsaljkos Flanke aus vier Metern am
Tor vorbeisetzte (33.). Vor der Pause wurde es
nochmal richtig ruppig: Rebic gegen Mercado, Rebic
gegen Salvio, Meza gegen Vrsaljko – an überharten
Zweikämpfen mangelte es nicht, wohl aber an Toren.
Ohne diese ging es in die Pause, denn Rebic
verstolperte die letzte aussichtsreiche Situation
(45.+2).
Die
Alibeceleste musste so langsam liefern, Agüero gab
einen ersten Warnschuss ab (53.). Doch Keeper
Caballero machte die Pläne seiner Vorderleute
zunichte, als er den Ball nach einem Rückpass über
Rebic hinweg zu seinem Mitspieler lupfen wollte. Das
technische Kunststück misslang ihm vollends –
stattdessen hob er den Ball mustergültig für den
Frankfurter in die Luft, der sich nicht zweimal
bitten ließ und die kroatische Führung per
artistischem Volleyschuss herstellte (53.). Sampaoli
reagierte, brachte Edeljoker Higuain für Agüero. Und
der neue Mann war gleich voll da und assistierte für
Meza, der aus sechs Metern ebenso vergab wie Messi
im Nachschuss (64.). Die Partie war unterhaltsam und
lebhaft, weil Argentinien kommen musste und Kroatien
auf die Entscheidung lauerte. Dabei fand die
Albiceleste kein Mittel, um die Europäer wirklich in
Gefahr zu bringen. Ganz anders Kroatien: Kapitän
Modric fasste sich aus 22 Metern ein Herz, zog ab –
und traf Argentinien mitten in die Seele. Der Ball
schlug im rechten Eck ein, Caballero flog umsonst
(80.). Kurz darauf setzte Rakitic einen Freistoß an
den Querbalken (86.). Argentinien fiel auch danach
nicht mehr viel ein, Mezas Schuss wurde von Vida
geblockt (90.+1). Im direkten Gegenzug machte es
Rakitic besser, der die Kugel von Kovacic serviert
bekam und mühelos zum 3:0 einschob (90.+1).
Dieses
überraschende Ergebnis hatte letztlich doch eine
Bedeutung für den weiteren Turnierverlauf. Zwar
waren beide Mannschaften fürs Achtelfinale
qualifiziert. Doch Argentinien traf als
Gruppenzweiter auf die bärenstarken Franzosen,
während die Kroaten als Gruppenerster mit Dänemark
eine durchaus lösbare Aufgabe vor sich hatten. Für
die Argentinier war dann nach dem 3:4 tatsächlich
Schluss, während die Kroaten mit drei Siegen in den
nachfolgenden K.o.-Spielen (4:3 n.E. gegen Dänemark,
6:5 n.E. gegen Russland und 2:1 n.V. gegen England)
einen sensationellen Durchmarsch bis ins Finale
schafften. Die Duracell-Männchen um Kapitän Luka
Modric mussten tatsächlich dreimal über die volle
Distanz gehen. Dadurch fehlten ihnen im Finale gegen
Frankreich offensichtlich etwas die Körner. Das 2:4
war dann letztlich eine relativ deutliche
Angelegenheit. Trotzdem feierte man den mit Abstand
größten Erfolg des kroatischen Fußballs, und das in
einem mit knapp vier Millionen Einwohnern absolut
sportverrückten kleinen Land, in dem gerade die
Mannschaftssportarten (neben Fußball vor allem
Handball, Basketball und Wasserball) eine große
Rolle spielen.
Mit
Blick auf das nun bevorstehende erneute Rendezvous
der beiden Teams gibt es einige Parallelen, aber
auch Unterschiede zum letzten Aufeinandertreffen. In
den vorangegangenen Viertelfinals standen bei den
Argentiniern noch drei Spieler (Messi, Otamendi und
Acuna) und bei den Kroaten vier Spieler (Modric,
Lovren, Pericic und Brosovic) von damals in der
Anfangsformation. Kroatien ist aber bei weitem nicht
mehr der krasse Außenseiter wie noch vor vier
Jahren. Wer es schafft, zweimal in Folge bis ins
Halbfinale zu kommen, der besitzt eine ganze Menge
Qualität. Und auch das Elfmeterschießen haben die
Männer vom Balkan zwischenzeitlich nicht verlernt.
Mit Luka Modric verfügen sie über einen Kapitän, der
vor vier Jahren vollkommen verdient zum besten
Spieler des Turniers gewählt wurde und der auch im
fortgeschrittenen Alter immer noch in der Lage ist,
einer Partie seinen Stempel aufzudrücken. Zudem
scheint Trainer Zlatko Dalic, der die Kroaten seit
2017 betreut, bei der Kaderzusammensetzung und beim
Umgang mit den bisweilen als schwierig geltenden
Balkanstars ein gutes Händchen zu haben. Auf der
anderen Seite wird der seit 2018 nach der für sie
enttäuschenden WM amtierende argentinische Trainer
Lionel Scaloni seine Spieler in jedem Fall davor
warnen, den Gegner wie vor vier Jahren zu
unterschätzen. Die Himmelblauweißen galten schon vor
dem jetzigen Turnier als einer der ganz großen
Favoriten. Sie gewannen 2021 immerhin die
südamerikanische Kontinentalmeisterschaft „Copa“ im
Endspiel gegen den Dauerrivalen Brasilien (1:0) und
waren bis zum Turnierbeginn in 31 Spielen in Folge
unbesiegt. Zudem möchte das Team seinem Anführer und
ultimativen Unterschiedsspieler Lionel „Leo“ Messi
zu einem glanzvollen Abschied von der WM-Bühne
verhelfen. Und Elfmeter können sie ganz
offensichtlich auch noch recht gut schießen. Das
Team ist jedenfalls heiß auf eine Revanche gegen die
Kroaten. Vor diesem Hintergrund könnten die
Voraussetzungen nicht besser sein für ein
großartiges erstes Halbfinale – es muss ja nicht
gleich ein „Jahrhundertspiel“ sein.
Kurze
Fakten zum Spiel Argentinien – Kroatien 0:3 (0:0) Anlass:
WM-Endrunde in Russland / Gruppenphase; Datum:
21.06.2018; Spielort: Stadion Nischni Nowgorod in
Nischni Nowgorod; Zuschauer: 43.319; Torschützen:
0:1 Rebic (53. Min.), 0:2 Modric (80. Min.), Rakitic
(90.+1. Min.)
Viertelfinale - ab jetzt
kommen die wirklich
geschichtsträchtigen
Spiele! Alles vorherige
war nur Vorgeplänkel.
Und die Spieler einiger
scheinbar großer Teams
gucken nur noch zu.
Grüße an Manuel Neuer im
Krankenhaus! Offenbar
ist er auch im Skifahren
keine Weltklasse (mehr).
Am Freitagabend begann
also die Crunchtime des
Turniers:
Vizeweltmeister gegen
Turnierfavorit. Gesehen
habe ich davon fast
nichts. Um 18 Uhr begann
im Gutenberg
die
Hebbelkicker-Weihnachtfeier,
und mit dem Bus dauert
das halt ein wenig von
Klausdorf in die Stadt.
Als ich ankam, ließen
Jochen und Martin über
ihre Mobiltelefone und
VPN das Schweizer
Fernsehen und die
Verlängerung laufen. Bis
dahin hätte Brasilien
längst 3:0 führen
müssen, aber der
kroatische Keeper
Livakovic hielt einfach
alles, was auf seinen
Kasten kam. Dann
umkurvte Neymar nach
zwei tollen Doppelpässen
den Torwart und schoss
die Führung für den
fünffachen Weltmeister.
Die nächste Etappe auf
dem Weg zum Hexa,
zum 6. Titel schien
geschafft. Doch nun
schlug das ungnädige
Schicksal zu. Drei
Minuten vor Schluss ein
abgefälscher Schuss der
Kroaten zum Ausgleich,
im Shoot-Out ein von
Livakovic gehaltener
Elfmeter, ein Schuss an
den Pfosten - das Aus.
Die Kroaten waren
treffsicher und
gewannen. Und Brasilien
weint.
In der Pause zwischen
den Spielen gab es
Grünkohl, Kartoffeln,
diverses vom Schwein,
und vor allem viel
kühles Bier. Dann zog
der Schankknecht die
Leinwand runter,
schaltete den Beamer ein
und es lief Niederlande
Brasilien - beste
Unterhaltung also. Wer
das nicht gesehen hat,
ist selber Schuld. Eine
aufgrund der
offensiveren
Spielauslegung verdiente
2:0-Führung der Gauchos,
dann die Einwechslung
von Weghorst, sein
schöner Kopfballtreffer
und anschließend 20
Minuten Anrennen der
Holländer. Ein
Freistoßtrick, so simpel
wie genial, brachte
sogar den fast nicht
mehr für möglich
gehaltenen Ausgleich.
Die Käseroller waren am
Drücker und nach Anpfiff
der Verlängerung kam...
nichts von ihnen.
Argentinien spielte nach
vorn und wollte
unbedingt das
Lotteriespiel vermeiden,
in dem der große Nachbar
Brasilien kurz zuvor
gescheitert war. Doch
der Fußballgott liebt
das Drama, kein noch so
guter Schuss fand den
Weg ins Netz, auch
diesmal musste ein
Elfmeterschießen her. Da
hielt der Gaucho-Goalie
Martinez zwei Schüsse
und machte das
Halbfinale klar. Und
Messi darf weiter
träumen.
Am Samstagnachmittag
geschahen dann weitere
wichtige Dinge. Ab 14:15
Uhr wurde auf der
schneebedeckten
Hebbelwiese Pink
Pussy in den
Spielbetrieb begeben,
auch bekannt als Adidas
Al Rihla Pro Winter
WM22. Das musste
hinterher mit Punsch
begossen werden -
unbedingt notwendig, um
den Alkoholpegel vom
Abend zuvor nicht zu
weit absinken zu lassen.
Außerdem war es auch
echt saukalt auf der
Wiese... Parallel lief
jedenfalls bereits das
Spiel Marokko-Portugal,
das ich überwiegend nur
im schnellen Vorlauf
gesehen habe. Die
Sportugiesen wollten es
besser machen als ihre
Ibero-Kollegen im
Achtelfinale,
scheiterten aber
schließlich ebenso wie
diese am
Nordafrika-Beton und an
Torhüter Bono. Ja, sie
hatten durchaus einige
Möglichkeiten, aber eben
auch einen Keeper, der
sich zum Ende der 1.
Hälfte einmal ganz blöd
verschätzte. Dann nützte
auch alles Anrennen
nichts mehr. Marokko
steht als erstes
afrikanisches Land im
Halbfinale einer
Fußball-WM. Autokorsos
in vielen Großstädten.
Das Land feiert. Und CR7
weint.
Den Höhepunkt des
Wochenendes bot für
Liebhaber des
klassischen europäischen
Fußballs das letzte
Viertelfinale.
England-Frankreich, ein
mitreißendes Spiel auf
hohem Niveau, was
Einsatz, Tore, Kampf und
Dramatik betraf. Zwei
tolle Tore der
Franzosen, dazwischen
der verdiente Ausgleich
der Engländer. Es ging
hin und her,
bemerkenswert fair, mit
hoher Intensität. Ein
hochinteressantes Spiel,
in dem keine der beiden
Mannschaften je klar
überlegen war. Den
dramatischen
Schlusspunkt setzte der
engliche Kapitän, indem
er in der 84. Minute den
zweiten Elfmeter für die
Männer von der Insel
hoch übers Tor in den
Nachthimmel über der
katarischen Wüste
drosch. Hoeneß und
Beckham lassen grüßen.
Die Limies sind
unglücklich
ausgeschieden: In fast
allen Statistikwerten
waren sie deutlich
besser als der Gegner,
außer eben bei den
erzielten Toren. Tja,
der Kane war ihr
Schicksal. Ob der
Engländer wohl noch mal
das Elfmeterschießen
lernen kann? No, he
kane't.
Im Tippspiel ist Bernd
dem weiter führenden
Henning näher auf die
Pelle gerückt. Es sind
nur noch 5 Punkte bis
zur Spitze; womöglich
entscheiden die
Zusatzpunkte für die
Weltmeister-Tipps, wer
am Ende den
Tippspiel-Pokal holt.
David hat notgedrungen
die Hoffnung auf eine
Titelverteidigung
aufgegeben und mir das
gute Stück am Freitag
ausgehändigt. Der Kampf
um die weiteren Plätze
bleibt ebenfalls
spannend, auch hierfür
wird wichtig, wer nach
dem Finale noch
Zusatzpunkte erhält.
Unten tun Kai, Jörg und
Johann alles Notwendige,
um wenigstens die Rote
Laterne zu holen.
Noch gibt es vier
Spiele, dann ist diese
ja doch sehr unselige WM
vorbei. Lasst es uns
halbwegs würdevoll
zuende bringen und gebt
noch Eure Tipps für die
Halbfinals und die
daraus resultierenden
Finalspiele ab! Und in
einer Woche ist
Weihnachtsruhe, was den
Fußball betrifft.
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der
FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 9. Dezember 2022 die
Partie
Niederlande vs. Argentinien
auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist
allerdings eine
Rückschau auf die Begegnung beider
Teams am 25. Juni 1978,
die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde
stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM 2022 –
Folge 11)
Groß
ist derzeit immer noch die Aufregung über die
derzeit noch laufende bescheuerte
Wüstenveranstaltung – zumindest bei uns in
Deutschland. Aber Katarrh war nicht die erste so
genannte „WM der Schande“. Denn in der Rückschau gab
es gleich mehrere Turniere, die unter Duldung oder
sogar mit aktiver Unterstützung der FIFA unter noch
viel skandalöseren Bedingungen stattgefunden haben.
Zu nennen ist hier zunächst die Mussolini-WM 1934 im
faschistisch regierten Italien, als von den
organisierenden Gastgebern neben dem ganzen
Propagandagedöns unter anderem massiver Druck auf
die Schiedsrichter ausgeübt wurde, um den Nachfahren
der alten Römer durch skandalöse Entscheidungen in
jedem Fall den vorher vom Duce bestellten und wohl
auch bezahlten Weltmeistertitel zu sichern, was
letztlich ja auch wunderbar funktioniert hat.
Und
dann war da die Junta-WM 1978 in Argentinien, die
unter dem bewährten Motto „Brot und Spiele“ von der
zwei Jahre zuvor installierten Militärdiktatur unter
dem uniformierten Staatschef und Massenmörder Jorge
Rafael Videla gezielt zur Selbstinszenierung ihres
Repressions- und Folterregimes genutzt wurde. Mehr
als 30.000 Menschen wurden in dieser Zeit ermordet,
viele tausend verschleppt und gefoltert –
widerborstige Studenten wurden sogar als lebender
Ballast aus Transportflugzeugen über dem Atlantik
abgeworfen. Einige Monate vor Beginn der WM erschien
das Buch „Fußball und Folter. Argentinien ‘78“. Es
war eines von wenigen kritischen Medienerzeugnissen
zur damaligen Weltmeisterschaft. Nicht nur der
greise FIFA-Chef Joao Havelange ignorierte die
finsteren Tatsachen und schwieg dazu. Wenig
ruhmreich war in diesem Zusammenhang auch das
Verhalten des deutschen WM-Trosses rund um den
damaligen DFB-Präsidenten Herrmann Neuberger. Dieser
äußerte sich zu dem Thema mit folgenden
salbungsvollen Worten: „Wir treten ein für die
Menschenrechte in der ganzen Welt. Nur hängen wir
unsere Auffassungen nicht so sehr zum Fenster
hinaus. Das nützt nichts und bringt niemanden
weiter. Wir gehen andere Wege. Ruhig, gemessen,
zurückhaltend." Dazu passend zog sich das Gefolge
des amtierenden Weltmeisters in die Stille der
argentinischen Pampa zurück. Während die anderen
Teams bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Hotels
logierten, bezogen die Deutschen ein hermetisch
abgeschottetes Erholungsheim der argentinischen
Luftwaffe (Augen auf bei der Quartierwahl – dieser
Grundsatz galt damals wie heute, ausnahmsweise war
Bierhoff mal nicht der Schuldige). Vor den Toren
patrouillierten argentinische Soldaten mit
geschulterten Maschinenpistolen, drinnen beschützten
Beamte der Sondereinheit GSG-9 Spieler und
Funktionäre. Das Quartier am Arsch der Welt trug den
treffenden Namen Ascochinga, was auf Deutsch „Toter
Hund“ heißt. Um der Langeweile zu entgehen, lud man
sich passenden Besuch ins triste Trainingscamp ein.
Einer der Ehrengäste war Hans-Ulrich Rudel,
ehemaliger Wehrmachts-Oberst, im Zweiten Weltkrieg
hochdekoriert und nach dem Krieg eine Ikone der
Neonazi-Szene. So wie viele stramme Nazis hatte er
nach dem Ende des „Dritten Reichs“ in Argentinien
Unterschlupf gefunden. 1948 engagierte Staatschef
Juan Perón den früheren Heeresflieger als
Luftwaffenberater. Mit der Unterstützung des
argentinischen Staatschefs wurde dieser zu einem
wohlhabenden Mann. Im argentinischen Exil gründete
Rudel mit dem „Kameradenwerk“ ein
Unterstützungsprogramm für in Europa einsitzende
NS-Kriegsverbrecher, die auf diese Weise in den
Genuss von Lebensmittelpaketen kamen und denen
teilweise sogar die Anwaltskosten erstattet wurden.
Bereits in der Nazi-Ära hatte Rudel zudem die Nähe
zum deutschen Sport gesucht und blieb auch danach
ein in der deutschen Sportszene gern gesehener Gast.
So verwunderte auch nicht der Kommentar von
Neuberger, als er von kritischen Medienvertretern
auf seinen überraschenden WM-Gast angesprochen
wurde: „Das ist keine Peinlichkeit. Wir sind
Freunde." In der Rückschau macht einen das ziemlich
sprachlos. Es ist übrigens ein böses Gerücht, dass
die FIFA schon damals dem deutschen Team unter
Androhung von Strafen das Tragen einer nicht
genehmigten Armbinde untersagt hatte. Das verwendete
Motiv hatte wohl zu viel Ähnlichkeit mit einem
Hakenkreuz oder vielleicht auch nicht. Wer weiß das
schon so genau nach all den Jahren. Garniert wurde
der sportlich überschaubare Auftritt des amtierenden
Weltmeisters („I werd‘ narrisch!“) dann auch noch
mit peinlichen Aussagen deutscher Spieler –
nachfolgend zwei Beispiele. Manfred Kaltz etwa
sagte: „Belasten tut mich nicht, dass dort gefoltert
wird. Ich habe andere Probleme." Und Berti Vogts
erklärte nach der Rückkehr: „Argentinien ist ein
Land, in dem Ordnung herrscht. Ich habe keinen
einzigen politischen Gefangenen gesehen." Hatte sich
unsere frühere Lichtgestalt Franz. B. nicht so
ähnlich über für ihn vollkommen unsichtbare
Arbeitssklaven in Katarrh geäußert? Dem ist nichts
hinzuzufügen.
Alles
nicht so schlimm – wie auch jetzt in der
winterlichen Wüste, in der aktuell der Ball ja noch
ein paar Tage hin- und herrollen wird. Aus gegebenem
Anlass dieser irrsinnigen Fußballveranstaltung
treffen die Niederlande und Argentinien nun im
Viertelfinale aufeinander. So war es auch seinerzeit
bei der WM 1978. Für das damalige Finale
qualifizierte sich also, wie von der Militärjunta
vorher gewünscht, das himmelblauweißgestreifte
Heimatteam. Es war übrigens die Zeit nach Johan
Cruyff, der seine Länderspielkarriere bereits 1977
beendet hatte und vor Diego Maradona, der zwar –
ebenfalls 1977 – sein erstes Länderspiel für
Argentinien bestritt, dann aber zu dessen großer
Enttäuschung nicht in den WM-Kader berufen wurde. Es
fehlten folglich die Stars – mannschaftliche
Geschlossenheit und Kampfkraft dominierten diese
eher triste WM im argentinischen Winter. Der einzig
nennenswerte Kreativspieler war vielleicht
Argentiniens Mittelfeldstratege Osvaldo Ardiles, der
später in der englischen Premier-League bei
Tottenham Hotspur für Furore sorgen sollte. Aber die
Argentinier hatten ein äußerst diszipliniertes Team
beisammen, das von Trainer Cesar Luis Menotti mit
Bedacht zusammengestellt wurde. Zu nennen sind zum
einen die starke Defensive mit dem sehr guten
Torwart Ubaldo Fillol und dem Libero Daniel
Passarella sowie der wuchtige Sturm mit den
torgefährlichen Mario Kempes (6 Tore) und Leopoldo
Luque (4 Tore). Auf der holländischen Seite konnte
der österreichische Trainerfuchs Ernst Happel auf
einen eingespielten Ajax-Block mit Krol, Haan,
Neeskens, Rensenbrink und Rep bauen, der sie schon
bei der WM 1974 bis ins Finale gebracht hatte.
Diesmal fehlte allerdings mit Johan Cruyff der Kopf
der Mannschaft, also ein echter Unterschiedsspieler.
In dem Buch „Fußballweltmeisterschaft 1978“, das ich
zum Glück immer noch in meinem Bücherregal
aufbewahrt hatte, wird der Verlauf des Endspiels in
der Rückschau recht anschaulich kommentiert. Ich
nehme einmal an, dass die Herausgeber dieses
großartigen Standardwerks der Sportliteratur, also
Klaus Fischer und Uli Hoeness, den nachfolgenden
Text unter der Überschrift „Nie war ein Finale
stimmungsvoller“ nicht selbst verfasst hatten,
sondern diese Aufgabe journalistischen Profis
überließen.
Die
Fiesta Argentina, das vierwöchige Fußballfest am Rio
de la Plata, fand ihr Happy-End – am 25. Juni 1978
holte Argentinien den Weltpokal ins Land der XI.
Fußball-Weltmeisterschaft. Mit einem 3:1-Sieg über
die Elf von Holland, die sich freilich erst in der
Verlängerung geschlagen gab. Während
die Verlierer mit dem Schicksal haderten – wie
bereits 1974 hatte es ihnen auch diesmal nur zum
zweiten Platz gereicht – wurde für den Sieger ein
Traum wahr. Der Titelgewinn stürzte ein ganzes Land
in einen Rausch des Jubels und der Begeisterung und
machte zumindest für den Augenblick alle Sorgen und
Nöte mit einem Schlag vergessen.
Der
Mann, der an diesem Tag zum populärsten Argentinier
aufstieg, heißt Mario Kempes. Der beim spanischen FC
Valencia beschäftigte Stürmer mit der wehenden
schwarzen Mähne schenkte seinen Landsleuten diesen
Triumph mit zwei Toren, die ganz allein sein Werk
waren sowie der Vorarbeit zum dritten, das dem
großen Verlierer Holland endgültig die Hoffnung auf
den neuerlichen Gleichstand raubte.
Ein
stimmungsvolleres Finale gab es nie zuvor. Ganz
Argentinien trug himmelblau und weiß, ganz Buenos
Aires zelebrierte die Landesfarben und den Fußball.
Was auf den Rängen des Estadio River Plate vor sich
ging, sucht in der langen Geschichte der
Fußballfeste seinesgleichen. Das River-Plate als
Hexenkessel überschäumender Temperamente, jeden
Augenblick dem Platzen nahe. Ein „Gol“ für
Argentina, und du musst dich festhalten am
Nebenmann. Falls du dann noch eine Hand frei hast,
hältst du dir am besten das Ohr zu.
Für
Holland war es ein Inferno. Ein Höllenspektakel, in
dem der Teufel ein wildes Gemisch aus Schlachtgesang
und Pfeifkonzert braute. Schon in den frühen
Morgenstunden hatten sich die Fans in den Kessel
gewälzt, in blau-weißen Riesenschlangen. Ihre
Aufmachung: blau-weißes Stirnband, blau-weißes
Nationaltrikot, blau-weißer Schal, blau-weiße
Plaketten. Aufschrift: „Argentina – Campeon.“ Sie
kamen in Autos, die blau-weiß beflaggt waren. Sie
kamen mit ihren Cornetas, jenen Blashörnern, die
einen Höllenlärm produzieren. Und in den
Hosentaschen trugen sie ihre Konfetti-Beutel. Zehn
vor drei platzten die Beutel. In diesem Moment
betrat die argentinische Mannschaft den Rasen. Das
River-Plate war eingehüllt in eine Wolke von
Papierfetzen.
Die
Holländer ließen sich zu Beginn des Spiels freilich
nicht aus dem Konzept bringen. Ihnen gehörte die
erste Torchance durch Rep, der in der fünften Minute
nach einem Freistoß von Haan mit einem Kopfball nur
knapp verfehlte. Die Argentinier standen
überraschenderweise unter Druck. Dabei erwies sich
aber Torwart Fillol als einer von mehreren
Weltklassespielern in der Elf der Gastgeber. Seine
Reflexparade in der 27. Minute bei einem
Volleyschuss von Johnny Rep bewahrte Argentinien vor
dem fast sicheren Rückstand und löste auf den
Tribünen einen Beifallsorkan aus, der nur noch
übertroffen wurde, als Kempes in der 38. Minute auf
Vorlage von Ardiles das 1:0 erzielte.
Das
Glück war nicht mit den Oranjehemden. Sie wären
sonst mit einem 1:1 in die Pause gegangen, doch eine
Minute vor der Halbzeit traf Rensenbrink, mit fünf
Treffern Hollands Toremacher Nummer 1 bei dieser WM,
den Ball aus kürzester Entfernung nicht voll, so
dass Fillol per Fußabwehr erneut retten konnte. Der
Fangkünstler im grünen Sweater war auch im zweiten
Durchgang Argentiniens wichtigster Mann. Als gar
nichts mehr helfen wollte, versuchte es Hollands
österreichischer Coach Ernst Happel mit der
Brechstange. Der lange Kopfballspezialist Nanninga,
dessen Sperre aus dem Spiel gegen Deutschland
abgelaufen war, löste Rep ab, und für Jansen kam
Vorwärtsverteidiger Suurbier.
Obwohl
Cesar Menotti, Argentiniens Fußball-Feldherr,
jeweils konterte und mit Houseman und Larrosa
ebenfalls frische Spieler in die Schlacht warf,
spielte nur noch Holland – mit Nanninga und Neeskens
als Doppelspitze und acht weiteren Feldspielern, die
nur noch Offensive zu kennen schienen. Trotz aller
Fangkünste von Fillol, trotz der alles andere als
zimperlichen Abwehrmethoden der Argentinier und
trotz des zuweilen auffällig auf Seiten der
Gastgeber stehenden Schiedsrichters Gonella war der
Sturmlauf in der 80. Minute endlich von Erfolg
gekrönt. Eine Flanke von René van de Kerkhof, der
die Abseitsfalle der Argentinier überlaufen hatte,
wuchtete Nanninga per Kopf zum hochverdienten 1:1
ins Netz. Die Holländer wären sogar als Sieger vom
Platz marschiert, wenn bei Rensenbrinks Schlenzer in
der letzten Minute der regulären Spielzeit nicht der
Pfosten gerettet hätte. Auch
in der Verlängerung stellte der Vizeweltmeister von
1974 zunächst das bessere Team, doch Argentinien
hatte Mario Kempes. Als die Kräfte seiner
Mitstreiter nachließen, trieb der neue Volksheld vom
Rio de la Plata den Ball über das halbe Feld. Kempes
scheiterte zwar zunächst noch an Torwart Jongbloed,
verwandelte aber den Abpraller selbst zum 2:1. Das
Stadion, in dem es vorübergehend fast totenstill
geworden war, tobte vor Begeisterung.
Es
kam sogar noch besser: Mario Kempes, der sich an
diesem trüben Sonntagnachmittag ein Denkmal setzte,
war auch der Initiator des 3:1, das Bertoni in der
114. Minute markierte. Es war die Entscheidung. Nach
dem Abpfiff verschwanden Hollands Spieler rasch in
die Kabinen. Sie kamen nicht wieder. Die
Siegerehrung fand ohne sie statt, wie auch die
Pressekonferenz ohne Trainer Ernst Happel auskommen
musste. Politische Gründe? Hollands Vizepräsident
Jacques Hogewoning: „Nein!“
Marokko-Spanien - da
konnte man ein flottes
Fußballspiel erwarten.
Wer stattdessen ein
spätes
Nachmittagsschläfchen
machte, tat das
Richtige. Es gab 129
Minuten Rasenschach. Die
Marokkaner rührten Beton
an und die Spanier
spielten fleißig im U
nach links vorn, zurück
nach hinten in die
Mitte, nach rechts vorn,
nach hinten in die Mitte
usw. usw.. Gäääähn...
Die so hoch gelobten
Iberer waren
überraschend
einfallslos. Mehr als 2
Stunden langweiliges Hin
und Her, ganz wenige
Chancen, meist für die
Marokkaner, und in der
Schlussminute der
Verlängerung noch ein
Pfostenschuss der
Spanier. Im Grunde war
das Spiel eher
Körperverletzung als
Genuss; man hätte gleich
mit dem Elfmeterschießen
beginnen sollen. Da
flogen die Spanier dann
raus, ohne auch nur
einen einzigen Elfer
versenken zu können.
Marokkos Torwart Bono
hielt gleich zwei Stück,
einer ging an den
Pfosten. Ein bisschen
Schadenfreude ist hier
durchaus angebracht: Die
Spanier hatten ja nicht
ganz unabsichtlich gegen
Japan verloren, um einem
Viertelfinale gegen
Brasilien aus dem Weg zu
gehen, was Trainer Luis
Enrique hinterher auch
indirekt zugab. Jetzt
können die Spanier
zuhause im TV den
Brasilianern beim
Zaubern zusehen. Bei
ihnen selbst ging es
dagegen im Laufe des
Turniers leistungsmäßig
stetig bergab. Dem
berauschenden
Auftaktsieg mit 7 Toren
und einem guten 1:1
gegen Deutschland folgte
die lässige Niederlage
gegen Japan und nun ein
spielerisch total
einfallsloses 0:0 gegen
Marokko. Ein verdientes
frühes Aus für die
mitfavorisierten Iberer.
Und die Marokkaner
werden zuhause gefeiert.
Im
Abendspiel ließen die
Sportugiesen gegen die
Schweiz nie einen
Zweifel aufkommen, wer
hier ins Viertelfinale
einziehen wird. Zwei
richtig tolle Tore in
der Anfangsphase (was
für ein Kopfball vom
39jährigen Pepe!) - den
Eidgenossen war schnell
klar, dass da nix zu
holen war. Die
Westiberer machten
nämlich nach der Pause
einfach weiter, schossen
ein Tor nach dem anderen
und ließen nur ein
Ehrentörchen für die
Schweizer zu. Das war
toller
Kombinationsfußball und
für die armen
Alpenländler ging alles
viel zu schnell. Gehört
Portugal jetzt zu den
Topfavoriten? Das ist
schwer zu sagen. Bei
allem Respekt für das
Team aus der kleinen
Schweiz: An diesem Tag
war der Gegner von Pepe
& Co. einfach zu
schwach. Die
individuelle Klasse der
Brasilianer oder
Franzosen scheint mir im
Vergleich von Mann zu
Mann aber doch größer.
Klar, der
Mannschaftsverbund der
Sportugiesen arbeitet an
Tagen wie heute nahezu
perfekt. Fraglich
scheint, ob diese das
wirklich in jedem Spiel
so abrufen können. Und
unklar ist auch, ob die
Mannschaft mit CR7
stärker oder schwächer
ist als ohne ihn.
Im
Tippspiel hatten allein
Hanno, Michel, Claudia
und John auf Marokko
gesetzt und konnten hier
punkten. Allerdings
überschätzten alle vier
die Qualität der
Schweizer. Das sorgt
dafür, dass im kommenden
Viertelfinale
Marokko-Portugal niemand
von uns Punkte holen
kann. Tatsächlich
trauten nur 14 von 36
verbliebenen
Tippspieler*innen den
Portugiesen einen Sieg
zu. Henning darf sich
jetzt also drei Tage auf
seinem 10
Punkte-Vorsprung
ausruhen. Dahinter ist
es extrem eng, nur 4
Punkte liegen zwischen
Platz 2 und Platz 11. Am
Freitag geht es mit den
Viertelfinals weiter.
Gleichzeitig findet die
traditionelle
Weihnachtsfeier der
Hebbelkicker statt und
ob ich dort die Muße
finde, den Punktestand
zu aktualisieren, wird
sich zeigen. Verzeiht es
mir bitte, wenn die
Tabelle wohl erst
Samstagmittag auf dem
neuesten Stand ist.
Genießt die spielfreien
Tage, seht mal nach, ob
die Familie noch da oder
inzwischen ausgezogen
ist, und erneuert den
Getränkevorrat für ein
Wochenende mit
hoffentlich spannenden
Spielen. Die Paarungen
versprechen
hochklassigen Fußball,
und den haben wir in den
letzten Wochen ja nicht
immer gesehen - außer
natürlich samstags auf
der Hebbelwiese... ;-)
Auch am dritten
Achtelfinaltag gewannen
die Favoriten. Die
überraschenden Siege der
Ostasiaten in ihren
letzten Gruppenspielen,
die Japan und Südkorea
in die nächste Runde
brachten, entstanden
wohl doch aus der
jeweiligen
Gruppenkonstellation.
Wer gegen die B-Elf
einer
Weltklassemannschaft
antritt, kickt halt
nicht gegen ein
eingespieltes Team,
sondern gegen eine
irgendwie
zusammengewürfelte
Truppe. Deren
Einzelspieler sind zwar
alle toll, doch es
fehlen der Verbund und
die Routine. Da gewinnt
es sich dann halt
leichter...
Dennoch
leisteten die Japaner
Kroatien bis zum Ende
der Verlängerung
tapferen Widerstand.
Torchancen waren
Mangelware, fast
zwangsläufig kam es zum
Shoot-Out. Und da hatten
die Kroaten mit
Livakovic einen
Elfmeterkiller zwischen
den Pfosten, der gleich
drei von vier Schüssen
parierte. Insgesamt
wirkten die Balkankicker
aber wenig inspiriert
und weniger gut in Form
als vor vier Jahren. Ich
tippe auf ein Aus im
Viertelfinale.
Der
Gegner der Kroaten heißt
Brasilien. Die Männer in
Gelbgrün zündeten in der
ersten Hälfte ein
dermaßen sprühendes
Feuerwerk an Spielkunst,
dass man um die armen
Südkoreaner Angst haben
musste. Da zirkulierte
der Ball wie im Training
und nach der frühen
2:0-Führung wurde oft
schon nicht mehr der
bessere, sondern der
schönere, aber
risikoreichere Pass
gespielt. Trotzdem
fielen zwei weitere Tore
nach wunderbaren
Kombinationen. Man hatte
nicht das Gefühl, die
Brasilianer seien
gefordert worden. Nach
dem Wechsel der Seiten
und vieler Spieler
übertrieben es die
Männer vom Zuckerhut
dann etwas,
Konzentration und
Präzision ließen nach,
und den Koreanern gelang
sogar das Ehrentor mit
einem sehenswerten
Schuss aus 25 Metern.
Trotzdem: Das war ein
großes Ausrufezeichen
des Topfavoriten der
Tipprunde.
Im
Tippspiel lässt Henning
einfach nicht nach, er
konnte den Vorsprung
sogar auf 10 Punkte
ausbauen. Eine für mich
überraschende Mehrheit
der Teilnehmenden hatte
tatsächlich Japan einen
Sieg zugetraut (19 von
36). Dumm gelaufen,
jetzt kommt das getippte
Viertelfinale gar nicht
zustande. So sind halt
die Spielregeln...
Ich hoffe, alle haben
ihre Stiefelchen
geputzt, sonst ist
morgen nichts drin,
womöglich auch keine
Punkte im Tippspiel.
Mit der Nikolausmütze
grüßt
Robert
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der
FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 5. Dezember 2022
die Partie
Japan vs. Kroatien
auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist
allerdings eine
Rückschau auf die Begegnung beider
Teams am 20. Juni 1998,
die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde
stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM 2022 –
Folge 10)
Begegnungen
zwischen europäischen und asiatischen Mannschaften
liefen bei früheren Fußballweltmeisterschaften
zumeist ziemlich einseitig ab. Die Sportart wurde
nun einmal in Europa erfunden, obwohl unter anderem
auch die Chinesen dieses für sich reklamieren. Erst
1938 in Frankreich nahm mit Niederländisch-Indien
(heute Indonesien) zum ersten Mal überhaupt eine
asiatische Mannschaft an einer WM-Endrunde teil, die
aber schon nach dem ersten Spiel mit einem
deutlichen 0:6 gegen Ungarn ausschied. Für die
nächste Veranstaltung, die wegen des Zweiten
Weltkriegs erst 1950 stattfinden konnte, hatte sich
eigentlich die Mannschaft des erst kurz zuvor
gegründeten Staates Indien qualifiziert. Diese
verzichtete aber freiwillig auf einen Start im
fernen Brasilien, da die FIFA es den Spielern nicht
erlaubte, barfuß zu spielen (wirklich kein Scherz).
Bei der nachfolgenden WM 1954 war dann erstmals
Südkorea mit dabei, kassierte aber gegen Ungarn
(0:9) und die Türkei (0:7) zwei heftige Klatschen.
Für die beiden anschließenden WM-Turniere konnte
sich keine asiatische Mannschaft qualifizieren. Erst
1966 folgte mit Nordkorea ein weiterer Vertreter
Asiens, der aber mit einem sensationellen Sieg gegen
Italien (1:0) spektakulär ins Viertelfinale einzog,
dort aber Portugal mit 3:5 unterlag. Ab der WM 1970
wurde den beiden asiatischen und ozeanischen
Kontinentalverbänden erstmals ein gemeinsamer
Startplatz für die Endrunde garantiert. Dieses
Kontingent erhöhte sich dann im Zuge der
Vergrößerung des WM-Teilnehmerfelds sukzessive auf
derzeit fünf. Den größten Erfolg einer asiatischen
Mannschaft erreichte Südkorea 2002 mit dem vierten
Platz bei der gemeinsam mit Japan organisierten
Heim-WM. Die letzten Turniere haben aber gezeigt,
dass asiatische Mannschaften wesentlich mehr können,
als das von einigen namentlich bekannten
Fußballexperten etwas despektierlich als
„Nähmaschine“ titulierte Dauerstakkato flinker
Beine, mit dessen Hilfe vorwiegend Akteure aus dem
fernen Osten dieses Kontinents versuchen, wahlweise
dem Ball mehr oder weniger zielführend
hinterherzujagen oder diesen temporeich vor sich
herzutreiben. Jedenfalls sprach man bisher diesen
Mannschaften im Vergleich zu Gegnern auf Top-Niveau
jegliche Effektivität beim Torschuss ab. Das hat
sich jetzt wohl offensichtlich geändert – Nachfragen
hierzu beantwortet gerne unser Bundeshansi Flick.
Japan
nahm übrigens seit 1998 siebenmal in Folge an einer
WM-Endrunde teil und kam dabei immerhin dreimal
(2002, 2020, 2018) bis ins Achtelfinale, wo dann
aber jeweils Endstation war. Kroatien wiederum ist
nach der Unabhängigkeit des Landes von Jugoslawien
im Jahre 1991 seit 1998 zum sechsten Mal bei einer
WM vertreten und konnte vor vier Jahren mit der
Vizeweltmeisterschaft (2:4 im Endspiel gegen
Frankreich) ihren bisher größten Erfolg erzielen.
Aus gegebenem Anlass dieser unvertretbaren
Fußballveranstaltung treffen die beiden Länder im
Achtelfinale aufeinander. Erinnerungswürdig ist
allerdings eine Begegnung, die beide Mannschaften am
20. Juni 1998 anlässlich der WM-Endrunde in
Frankreich am zweiten Gruppenspieltag
zusammengeführt hatte. Auf der Homepage des
Fußballmagazins „Kicker“ findet sich unter der
Rubrik „FIFA WM“ der nachfolgende Kurzbericht zu
dieser Begegnung. Der
kroatische Coach Blazevic musste den verletzte
Spielmacher Boban durch Jurcic ersetzen. Bei Japan
gab es keine Änderung. In einer bis zum Schlusspfiff
völlig offenen Begegnung gingen die Kroaten
glücklich, aber letztlich verdient als Sieger vom
Platz. Zwar besaßen die Japaner mindestens die
gleichen Spielanteile, Kroatien hatte jedoch mehr
und bessere Torchancen. Die Asiaten spielten
konsequent über die Flügel und brachten die
kroatische Abwehr vor allem zu Beginn durcheinander.
Die entscheidende Flanke oder der letzte Pass kam
jedoch zu selten, so dass sie am Strafraum meist mit
ihrem Latein am Ende waren. Zudem brachte sich die
japanische Mannschaft durch Konzentrationsmängel und
Leichtsinnsfehler aus dem Rhythmus und in Gefahr.
Die Kroaten hatten dagegen klare Vorteile in den
direkten Zweikämpfen und wirkten vor dem Tor
zwingender ohne jedoch zu überzeugen. Nach der Pause
stellte Blazevic um: Stürmer Vlaovic ersetzte
Stimac, für den Simic nun Manndecker spielte. Dessen
Position auf der rechten Außenbahn übernahm fortan
Stanic, der aus der Spitze abgezogen wurde.
Wesentlich besser lief das kroatische Angriffsspiel
dadurch jedoch nicht, wurde mit der Zeit eher noch
ratloser. Fast logisch, dass ein Fehler im
Mittelfeld Japans den entscheidenden Treffer
einleitete und dass ihn der beste Stürmer, Suker,
erzielte.
Der
Spielbericht offenbart die damaligen Stärken und
Schwächen beider Mannschaften. Das Chancenverhältnis
sprach übrigens mit 7:4 für Kroatien. Insofern ging
der knappe Sieg wohl in Ordnung. Dennoch taten sich
die Männer vom Balkan in dieser Partie trotz ihrer
international versierten Profis wie Bilic (dem
späteren Nationaltrainer), Prosinecki und vor allem
Goalgetter Davor Suker doch eher schwer. Japan hatte
bereits das erste Gruppenspiel ebenfalls knapp mit
0:1 gegen Argentinien verloren. Mit dieser zweiten
Niederlage waren sie also nun aus dem Turnier
ausgeschieden. Die folgende dritte Niederlage im
letzten Gruppenspiel gegen den krassen Außenseiter
Jamaika (1:2) fühlte sich aber wie eine Demütigung
an. Kroatien dagegen machte es gegen die Jungs von
der Karibikinsel mit 3:1 deutlich besser, verlor
dann aber das letztlich nicht entscheidende
Gruppenfinale gegen Argentinien mit 0:1. Es folgte
anschließend im Achtelfinale gegen Rumänien ein
weiterer 1:0-Sieg. Im Viertelfinale wartete dann das
hoch favorisierte deutsche Team, das von den
sackstarken Kroaten in der zweiten Halbzeit brutal
mit 3:0 ausgekontert wurde. Im Halbfinale gegen den
ebenfalls favorisierten Gastgeber Frankreich gingen
die Kroaten zwar durch den fünften Turniertreffer
von Suker sensationell in Führung, zogen dann aber
aufgrund von zwei Thuram-Toren noch den Kürzeren. So
hieß es am Ende Spiel um Platz 3 statt Finale um den
WM-Titel. Die letzte Begegnung gegen die
Niederlande, die mit Kluivert, Bergkamp, Seedorf und
Davids absolute Könner in ihren Reihen hatten,
gestaltete man mit 2:1 aber ebenfalls siegreich. Und
mit seinem finalen sechsten Treffer krönte sich
Davor Suker sogar noch zum Torschützenkönig. Ein
großer Erfolg für die kroatischen Kicker und ihre
junge Nation!
Kurze
Fakten zum Spiel Japan – Kroatien 0:1 (0:0) Anlass:
WM-Endrunde in Frankreich / Gruppenphase; Datum:
20.06.1998; Spielort: Stadion La Beaujoire in
Nantes; Zuschauer: 48.000; Torschütze: 0:1 Suker
(76. Min.)
Am Freitag musste man zum letzten Mal parallel auf
zwei Schirmen gucken, um nichts zu verpassen. Was gab es
zu sehen? Wieder diesen schmalen Grat zwischen Cleverness
und Wettbewerbsverzerrung. Bereits für das Achtelfinale
qualifizierte Teams wie Portugal und Brasilien ließen eine
halbe B-Mannschaft auflaufen und verloren prompt kurz vor
Schluss. Portugal versaute mit der Niederlage gegen die
ostasiatischen Nähmaschinen in Gruppe H den Urus das
Achtelfinale, das Südkorea gegen die erste Elf der
Portugiesen wohl nie erreicht hätte. Die Brasilianer
trieben es nicht ganz so schlimm, sondern ließen nur ein
Tor in der Nachspielzeit für Kamerun zu. Das war gerade
noch okay, je ein weiteres Tor für Kamerun und im
Parallelspiel für Serbien hätte die Afrikaner ins
Achtelfinale geschoben. Aber hätte, hätte, Viererkette...
- in Gruppe G fiel die Entscheidung eben doch im direkten
Duell Balkan vs. Teilbalkan, und da hatten die Schweizer
nach einem rassigen Kampfspiel die Nase vorn. Es ging
richtig die Post ab, man schenkte sich nichts, aber die
Schweizer gingen besser mit ihren Kräften um, während bei
den Serben am Ende der Geist noch willig, aber die Pumpe
schwach war. Wieder mal raus in der Gruppenphase, trotz
einer Truppe technisch guter Kampfmaschinen. Vielleicht
klappt es bei der Euro 2024 in Deutschland besser.
Am Samstag gin die WM dann richtig los: Jedes Spiel ein
Endspiel! Von unseren oranjen Nachbarn habe ich nicht viel
gesehen, wir mussten auf der Hebbelwiese nach dem
Samstagnachmittag-Kick noch ein paar Kannen Punsch leeren
und das ÖRTV zeigte hinterher nur ein paar Minuten. Zu
sehen war, dass der Kombinationsfußball der Käseroller
offenbar gut funktioniert; die Tore waren toll aufgelegt
und ebenso schön abgeschlossen. Wir dürfen uns auf den
ersten Knaller freuen, am Freitagabend geht es gegen
Argentinien - ein perfektes Unterhaltungsprogramm für die
traditionelle Hebbelkicker-Weihnachtsfeier! Die Gauchos
brauchten gegen engagierte, aber spielerisch limitierte
Aussies fast eine ganze Halbzeit, bis durch einen schönen
Schuss ins lange Eck endlich das 1:0 fiel - Messi doing
Messi-things... Sehr viel aufregender wurde es auch in
Hälfte 2 nicht, obwohl nach dem Eigentor der Argentinier
in einer kurzen Drangphase der Australier noch mal kurz
Spannung aufkam. Eigentlich müsste Holland nach den bisher
gezeigten Leistungen beider Teams im Viertelfinale klarer
Favorit sein. Aber "eigentlich" ist eigentlich eine
Einschränkung. Wenn da eben nicht Messi wäre...
Der Sonntag brachte dann wieder klare Favoritensiege.
Verdammt, wie gut, wie schnell, wie schusssicher ist
dieser Mbappé denn bloß? Einfach unfassbar, wie er beim
2:0 und 3:0 die Kugel jeweils "einfach so" mit voller
Wucht unter die Latte schweißte. Ja, Polen hatte auch
Chancen und bekam am Ende noch den Ehrentor-Elfmeter, aber
die Franzosen demonstrierten, dass sie bestens in Form
sind und trotz langer Verletztenliste ein ganz heißer
Favorit auf den Titel. Leider - ja, wirklich: Leider! -
treffen sie schon im Viertelfinale auf England. Und das
wird schwer. Die Limies beherrschten gegen Afrikameister
Senegal klar das Spiel und den Gegner und schossen drei
toll herausgespielte Tore. Wo sind eigentlich die
Schwächen der Engländer? Selbst der Torwart hält
schwierige Bälle! Abwehr und Mittelfeld wirken sehr stabil
und vorn geht die Post mindestens genauso schnell ab wie
bei den Franzosen mit Mbappé. Das wird ein
hochinteressantes Spiel am nächsten Samstagabend.
Im Tippspiel hält Henning einen 8 Punkte-Vorsprung. Aber
die Zahl der Verfolger ist groß, die nächsten 10 Plätze
trennen nur 4 Punkte. Und der richtige Spaß beginnt mit
getippten Viertelfinalspielen, die womöglich gar nicht
zustande kommen und daher auch keine Punkte bringen
können. Unten hat sich Jörg offenbar mit der Roten Laterne
angefreundet; allein Johann macht ihm noch Konkurrenz.
Doch mit den möglichen Zusatzpunkten für Weltmeistertipps
etc. kann sich auch unten noch was tun. Also: Dranbleiben!
Spannendere Achtelfinalspiele als bisher wünscht
Robert
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der
FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 4. Dezember 2022
die Partie
Frankreich vs. Polen
auf dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist
allerdings eine
Rückschau auf die Begegnung beider
Teams am 10. Juli 1982,
die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde
stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM 2022 –
Folge 9)
Warum
gibt es bei einer WM eigentlich das Spiel um den
dritten Platz? Ganz einfach: Weil es seit 1934
(einzige Ausnahme: WM 1950) schon immer so war und
gemäß den allgemein bekannten
FIFA-Starrsinnsregularien vermutlich immer so
bleiben wird. Bei den Europameisterschaften hat man
diesen Schwachsinn irgendwann nach 1980 vollständig
abgeschafft. Warum soll man auch zwei enttäuschte
und ausgepowerte Mannschaften, die zuvor ihre
Halbfinalspiele verloren haben, noch einmal
aufeinanderhetzen, nur um die berühmte „Goldene
Zitrone“ auszuspielen. Die Siegermannschaft darf
sich dann zwar einen Satz mehr oder weniger schöner
Bronzemedaillen um den Hals hängen lassen, aber die
Verlierer sind dann als Vierte nach zwei Niederlagen
am Stück gleich doppelt gebeutelt und stehen bei der
„kleinen Siegerehrung“ wie geprügelte Hunde in der
stillen Ecke – trübe Erinnerungen an düstere
Schulzeiten werden wach. Natürlich denken Romantiker
gerne an unser großartiges „Sommermärchen“ zurück,
als Klinsis Jünger nach dem frustrierenden
Halbfinal-Aus gegen sauclevere Italiener auf diese
Weise doch noch ein abschließendes Erfolgserlebnis
gegen CR7 & Co. feiern durften. Ein kleiner
persönlicher und politisch absolut unkorrekter
Seitenhieb auf die damalige Heim-WM sei mir an
dieser Stelle erlaubt. Denn das Hochglanzprodukt
„Sommermärchen“, das uns umtriebige DFB-Netzwerker
rund um den Vielfliegerkaiser Franz B. bescherten,
hatte eine ziemlich dunkle Kehrseite. Denn
bekanntlich wäscht eine Hand gerne die andere, und
die deutschen Funktionäre waren bei diesen
internationalen Waschtagen rund um die obskuren
WM-Vergaben offensichtlich kräftig mit dabei. Dieses
System von Vorteilsnahme, Begünstigung und
Bestechung war letztlich verantwortlich für die in
der Rückschau vollkommen zurecht als schmutzig
empfundenen späteren WM-Vergaben an Russland und
Katarrh. Aber kommen wir noch einmal zurück auf die
ungeliebten Spiele um den dritten Platz. In dieser
Kategorie rangieren die deutschen Teams übrigens mit
Abstand an der Spitze: Gleich fünfmal (1934, 1958,
1970, 2006 und 2010) qualifizierte man sich dafür
und gewann mit Ausnahme von 1958 gleich viermal das
so genannte „kleine Finale“. Das ist WM-Rekord!
Aus
gegebenem Anlass dieser unverzeihlichen
Fußballveranstaltung treffen die Mannschaften von
Frankreich und Polen jetzt im Achtelfinale
aufeinander. Erinnerungswürdig ist allerdings eine
Begegnung, die beide Teams am 10. Juli 1982
anlässlich der WM-Endrunde in Spanien im besagten
Spiel um Platz 3 zusammengeführt hatte. Zuvor waren
die Polen im ersten Halbfinale mit 0:2 gegen den
späteren Weltmeister Italien ziemlich chancenlos
unterlegen. Beide Treffer erzielte der spätere
Torschützenkönig Paolo Rossi (22. und 73. Minute).
Wesentlich spektakulärer ging es dagegen im zweiten
Halbfinale zwischen Deutschland und Frankreich zu,
das später als „Schlacht von Sevilla“ in die
Geschichtsbücher eingehen wird. Die deutsche Führung
durch Pierre Littbarski (17.) glich Michel Platini
per Foulelfmeter bereits in der 26. Spielminute aus.
Mit diesem Ergebnis ging es auch in die
Verlängerung, in der Frankreich nach Toren von
Marius Trésor (92.) und Alain Giresse (98.) bereits
3:1 vermeintlich vorentscheidend führte. Doch der
erst kurz zuvor eingewechselte Karl-Heinz Rummenigge
traf in der 102. Minute zunächst zum 2:3 und Klaus
Fischer besorgte in der 108. Minute per
spektakulärem Fallrückzieher den Ausgleich zum 3:3.
Das anschließende erste Elfmeterschießen bei einer
WM überhaupt gewannen die Deutschen dann mit 5:4,
nachdem Harald „Toni“ Schumacher zwei Elfmeter der
Franzosen entschärft hatte. Einen faden Beigeschmack
behält dieser Sieg wegen eines brutalen Tacklings
des deutschen Keepers gegen den französischen
Mittelfeldspieler Patrick Battiston allerdings bis
heute, vor allem auch wegen dessen, vorsichtig
gesagt, wenig empathischen Aussagen nach dem Spiel.
Die
Voraussetzungen hätten am 10. Juli 1982 im kleinen
Stadion von Alicante also nicht unterschiedlicher
sein können. Denn die Polen hatten bei der WM mit
dem Einzug ins Halbfinale ihre eigenen Erwartungen
bereits weit übertroffen. Zwar hatten sie mit
Zbigniew Boniek einen aufgehenden Stern in ihren
Reihen, aber der alten Garde rund um die beiden
WM-Helden von 1974, Lato und Szarmach, wurde vor dem
Turnier nicht allzuviel zugetraut. Das Erreichen des
Spiels um den dritten Platz stellte für sie daher
noch einmal eine besondere Motivation dar. Bei den
Franzosen war das völlig anders. Der amtierende
Europameister rund um den Alleskönner Michel Platini
galt als einer der ganz großen Favoriten auf den
WM-Titel. Zwar verlief die Gruppenphase mit einer
Niederlage gegen England (1:3) und einem
Unentschieden gegen die Tschechoslowakei (1:1) nicht
ganz planmäßig, aber mit zwei Siegen in der zweiten
Finalrunde gegen Österreich (1:0) und Nordirland
(4:1) qualifizierten sich „Les Bleus“ am Ende doch
souverän fürs Halbfinale. Dort folgte dann aber die
unerwartete kalte Dusche gegen die mit wesentlich
weniger Talent gesegneten deutschen Nachbarn.
Kräfteverschleiß, Schock und Enttäuschung waren die
Folge. Das kam auch dadurch zum Ausdruck, dass
Cheftrainer Michel Hidalgo im letztlich
bedeutungslosen Spiel gegen Polen gleich sieben
seiner Stammspieler (Platini, Ettori, Bossis,
Genghini, Giresse, Rocheteaux und Six) außen vor
ließ. Trotzdem kamen die ersatzgeschwächten
Franzosen gut in die Partie und gingen durch einen
Treffer von Girard (10. Minute) sogar früh in
Führung. Doch die in der Folge sehr engagiert zu
Werke gehenden Polen drehten das Spiel innerhalb von
nur sechs Minuten und zogen durch drei Treffer von
Altmeister Szarmach (40.), Majewski (44.) und
Kupcewicz (46.) entscheidend auf 3:1 davon. Der
nachfolgende Anschlusstreffer Frankreichs durch
Couriol (72.) war dann nicht viel mehr als
Ergebniskosmetik. Mehr ging einfach nicht an diesem
Tag für die tieftraurigen Europameister.
Übrigens
kann man neben Deutschland durchaus auch Polen und
Frankreich als so etwas wie Stammgäste beim Spiel um
den dritten WM-Platz bezeichnen. Die Polen waren
1974 (1:0 gegen Brasilien) und wie oben beschrieben
1982 gleich zweimal erfolgreich. Die Franzosen waren
sogar dreimal im „kleinen Finale“ vertreten und
traten dabei ebenfalls zweimal als Sieger die
Heimreise an. Zunächst schlug man 1958 in einem
denkwürdigen Spiel Deutschland mit 6:3. Der
französische WM-Torschützenkönig Just Fontaine (13
Tore) erzielte dabei gleich vier Treffer. Dann
folgte 1982 die beschriebene Niederlage gegen Polen,
dafür hielt man sich vier Jahre später 1986 mit
einem Sieg gegen Belgien (4:2 nach Verlängerung)
schadlos.
Kurze
Fakten zum Spiel Frankreich – Polen 2:3 (1:2) Anlass:
WM-Endrunde in Spanien / Spiel um Platz 3; Datum:
10.07.1982; Spielort: Estadio José Rico Pérez in
Alicante; Zuschauer: 28.000; Torschützen: 1:0 Girard
(13. Min.), 1:1 Szarmach (40. Min.), 1:2 Majewski
(44. Min.), 1:2 Kupcewicz (46. Min.), 1:2 Couriol
(72. Min.)
Die WM-Gruppenphase geht zuende und das deutsche Team ist raus,
genau wie beim letzten Mal. Ich sehe das zum Glück relativ
emotionslos: Der neue Bundestrainer konnte nicht in eineinhalb Jahren
reparieren, was Jogi Löw am Ende verbockt hatte. Und angesichts der
z.T. gruseligen Spiele in der tollen "Nations League" müssen sich
einige Tippspieler*innen fragen, was sie tatsächlich dazu veranlasst
hat, das DFB-Team als Weltmeister 2022 zu tippen. Seit 2016 keine
Länderspiele mehr geguckt, oder was?
Das gestrige Spiel war nur eine Fortsetzung des Gegurkes
der letzten Jahre, da darf man sich nicht über das Ausscheiden
wundern. "Offense wins games, defense wins championships" - das
gilt schon seit Ewigkeiten. Das gestrige Team hatte weder eine gute
Offensive noch eine stabile Defensive. Und der Trainer probierte im
ganzen Turnier nur herum, weil er offenbar keine richtige Idee hatte,
wie seine Mannschaft eigentlich spielen sollte. Gegen Japan wurde mit
Gündogan, Müller und Musiala das funktionierende Mittelfeld
ausgewechselt - prompt ging die Spielkontrolle komplett verloren und
das Spiel auch. Gegen Spanien musste mit Füllkrug ein richtiger
Mittelstürmer eingewechselt werden, damit der Ausgleich gelang. Und
gegen Costa Rica musste im Offensivbereich schon wiederum fast
komplett gewechselt werden, bis nach guten ersten 10 Minuten und
anschließender wenig effektiver Herumspielerei wieder Schwung in den
Laden kam. Hat da jemand ein Spielsystem erkannt? Ich nicht! Bezüglich
der Euro2024 in Deutschland sollten wir uns keine Illusionen machen.
Hansi Flick kann nicht zaubern.
Während die Deutschen gewannen und gleichzeitig
verloren, lief es bei den Spaniern genau anders herum. So gehen sie
als Gruppenzweiter im Viertelfinale Brasilien aus dem Weg. Das kann
man clever nennen oder aber als Manipulation brandmarken. Schade, dass
niemand bei den Deutschen schnell genug geschaltet hat, als das Spiel
Costa Rica-Deutschland noch mehrere Minuten weiterlief, Spanien-Japan
aber bereits abgepfiffen war. Da hätte ich mir gewünscht, dass die
Deutschen den Ticos den Ball geben würden und sie noch drei Tore
schießen ließen. Dann hätte Spanien sich selbst ganz clever komplett
aus dem Turnier manipuliert.
Nun sind also Japan und Spanien in der Endrunde und
treffen auf Marokko bzw. Kroatien. Die Marokkaner hatten nachmittags
in den entscheidenden Momenten einfach mehr individuelle Klasse als
die Kanadier und zogen verdient ins Achtelfinale ein. Und die Kroaten
schafften mit viel Glück gegen Belgien ein 0:0, trotz bester Chancen
insbesondere für Lukaku. Wie bereits vor einigen Tagen geschrieben:
Die Zeit der belgischen "Golden Generation" ist vorbei.
Im Tippspiel gab es wieder viele Nullnummern und die
Tabelle hat sich kaum verschoben. Bitte denkt daran, rechtzeitig vor
Beginn der Achtelfinals (Samstag 16:00h MEZ) Eure Tipps für die
nächsten beiden Runden abzugeben. Aus Euren Achtelfinaltipps ergeben
sich ja lt. Spielplan die Begegnungen der Viertelfinals, und die müsst
Ihr dann auch gleich noch tippen. Für die Halbfinals und die
Finalspiele gibt es dann noch mal eine letzte Tipp-Runde mit neuem
Tippschein.
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei
der FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 1. Dezember 2022
die Partie
Deutschland
vs. Costa Rica
auf
dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist
allerdings eine
Rückschau auf die Begegnung
beider Teams am 9. Juni 2006, die
damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde
stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 8)
Auf
die Gesetzmäßigkeiten von Eröffnungsspielen bei
Fußballweltmeisterschaften wurde in einem der
vorherigen Beiträge schon einmal ausführlich
hingewiesen. Die deutsche Mannschaft konnte diese
mit ihrem überzeugenden Auftaktsieg bei ihrer
Heim-WM 2006 durchbrechen und damit den Grundstein
für das spätere Weiterkommen ins Achtelfinale legen.
Aus gegebenem Anlass dieser niederträchtigen
Fußballveranstaltung steht im dritten Spiel der
Gruppenphase dieselbe Paarung auf dem Programm.
Gerne denken wir aber an die besagte Begegnung
zurück, die am 9. Juni 2006 in München stattfand.
Auf seiner Homepage dokumentiert der Deutsche
Fußball-Bund in einer Serie alle Spiele deutscher
Nationalmannschaften seit 1934. Sie enthält die
obligatorischen Daten und Fakten, eine kurze
Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den
Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der
Rubrik „Stimmen zum Spiel" einige Zitate von
Zeitzeugen und aus der Presse. Das
WM-Eröffnungsspiel wurde unter die passende
Überschrift „4:2 gegen Costa Rica: Das Sommermärchen
2006 beginnt“ gestellt. Es geht in dem nachfolgenden
Bericht um einen klitzekleinen Abwehrspieler, der
keinesfalls lahm unterwegs war und zudem aufgrund
seiner Beidfüßigkeit auch nicht traurig über den
Platz hinken musste. Aber es ging auch um einen
ziemlich löchrigen Abwehrverbund und einen
erstaunlichen Torjäger, der einfach nicht damit
aufhören wollte, fleißig ein WM-Tor nach dem anderen
einzusammeln.
Vor
dem Spiel: Nach dem EM-Vorrundenaus 2004 trat Rudi
Völler zurück, und sein Sturmpartner der
Weltmeistermannschaft 1990, Jürgen Klinsmann,
übernahm den Job als Bundestrainer. Er brachte neue
Ideen mit, manches wie die roten Trikots war
gewöhnungsbedürftig, aber seine Spielidee gefiel den
Deutschen: Die Nationalmannschaft wollte wieder auf
Sieg spielen. Auch bei der WM im eigenen Land, für
die sie sich also nicht qualifizieren musste,
strebte er das Optimum an: „Wir wollen Weltmeister
werden!" Das sagte er schon bei der Amtseinführung
am 29. Juli 2004. Davon waren allerdings zum
WM-Start, auch aufgrund schwächerer Testspiele, nur
zehn Prozent der Deutschen überzeugt. Auf dem Weg
zur Endrunde kamen 37 Spieler in den Testspielen zum
Einsatz, darunter elf Debütanten. Klinsmann setzte
auf die Jugend, baute Spieler wie Per Mertesacker,
Bastian Schweinsteiger oder Lukas Podolski in die
Mannschaft ein. Aus dem WM-Kader von 2002 waren noch
elf Spieler übrig, so dass sich eine gute Mischung
aus Erfahrung und Unbekümmertheit ergab. Weil sich
der Trainerstab für einen Torwartwechsel entschied –
Jens Lehmann für Oliver Kahn – brauchte es einen
neuen Kapitän: Michael Ballack. Ausgerechnet der
Bayern-Star machte Sorgen vor dem WM-Auftakt, ihn
plagte seit Mitte Mai eine Wadenverhärtung – und so
war es auch noch am 9. Juni. Er hielt sich zwar für
einsatzbereit, aber die Ärzte rieten ab, und
Klinsmann hörte auf sie. Er wollte kein Risiko
eingehen und gab Ballacks Aussetzen mit den Worten
„Die Wade ist noch nicht da, wo sie hin muss"
bekannt. Für ihn kam der Bremer Tim Borowski in die
Startelf. Gegen Costa Rica war ein Sieg natürlich
fest eingeplant. Es war das erste Treffen mit den
Mittelamerikanern, dem vermeintlich leichtesten
Gruppengegner. „WM-Rekord gegen Costa Gurka?" fragte
die „Bild“ etwas respektlos. Bezogen war die Frage
allerdings auf die Eröffnungsspiele, die bisher noch
keinen Sieger mit mehr als einem Tor Vorsprung
gesehen hatten. Costa Rica hatte sich gerade erst
gegen eine Heidelberger Amateurauswahl blamiert
(2:3), aber den Mut nicht verloren. Torjäger Paulo
Wanchope: „Der Druck lastet auf Deutschland. Sie
werden versuchen, in den ersten 15 Minuten ein Tor
zu schießen. Aber wenn wir hinten gut stehen und
kontern, können wir gewinnen." In der
FIFA-Weltrangliste waren die Länder nur drei Plätze
voneinander entfernt, Deutschland war 22., Costa
Rica lag auf Platz 25.
Spielbericht:
Die Welt blickt nach München, rund 1,5 Milliarden
Zuschauer verfolgen das Eröffnungsspiel. Um 18 Uhr
erfolgt an diesem Freitag der Anpfiff, an den
Mikrofonen von ZDF (Béla Réthy) und Premiere (Marcel
Reif) sitzen die, die auch beim WM-Finale 2002
kommentiert haben. Die Sonne lacht zum Auftakt
dieser WM, die man ein „Sommermärchen" nennen wird.
Bernd Schneider ist Kapitän für einen Tag, er
gewinnt die Seitenwahl. Costa Rica stößt an. Die
erste Torchance des Turniers hat Torsten Frings, der
aus 23 Metern aufs Tordach schießt. Das Netz
zappelt, mancher jubelt verfrüht. Zwei Minuten
später ist Jubel angebracht. Philipp Lahm schnappt
sich einen versprungenen Ball auf links, kurvt in
den Strafraum und zieht von dessen Eck ab. Der Ball
schlägt im Winkel ein, mit Hilfe des Innenpfostens
landet er im Tor – ein Sonntagsschuss bringt das
1:0. „Den Trick, dass er immer nach innen zieht,
kennen sie noch gar nicht in Costa Rica", nimmt
Réthy an und findet: „Viel besser kann man in eine
WM nicht starten!" Die ohnehin gute Stimmung im
Stadion steigt noch ein bisschen, schon singen
welche das Lied von der „Nummer eins der Welt", da
passiert es: Costa Rica kombiniert sich durch,
Ronald Gomez spielt auf Paulo Wanchope, Arne
Friedrich hebt das Abseits auf und der Stürmer mit
Premier-League-Erfahrung schiebt eiskalt ein – 1:1.
Jens Lehmann, der sich schon seit der dritten Minute
wegen Schmerzen am Sprunggelenk behandeln lässt, hat
keine Chance.
Wie
wird die Mannschaft reagieren? Als wäre nichts
gewesen. Es dauert nur fünf Minuten, bis sie wieder
führt. Über rechts tankt sich Schneider durch,
Bastian Schweinsteiger leitet sein Zuspiel direkt
weiter auf Miroslav Klose und der drückt den Ball
aus vier Metern mit links über die Linie. Sein 25.
Länderspieltor am 28. Geburtstag bringt den
Gastgeber wieder auf Kurs. Von außen treibt ihn
Jürgen Klinsmann an, Richtmikrofone lassen die
Zuschauer teilhaben an seinen Kommandos: „Breit
machen, Bewegung, weiter geht's." Lukas Podolski,
einer von sieben WM-Debütanten im DFB-Team auf dem
Platz, setzt einen Volleyschuss ab, Schweinsteiger
einen Flatterball, aber Keeper Jose Porras ist auf
der Hut. Kurz vor der Pause zischt ein
Podolski-Freistoß um wenige Zentimeter übers Tor,
dann geht es in die Kabinen. Beifall, auch vom
Kommentator: „Eine tolle, weil überaus amüsante
erste Hälfte", hat Réthy gesehen. In Zahlen: 63
Prozent Ballbesitz und 12:1 Torschüsse, da macht
sich der Spielstand eher bescheiden aus.
Wiederanpfiff.
Podolski brennt auf sein erstes WM-Tor, schießt
schon nach 30 Sekunden drauf – drüber. So
verheißungsvoll es beginnt, danach wird es
schlechter. Die Überlegenheit bleibt, aber die
Nervosität wird offenbar nicht kleiner, sondern
größer. Immer wieder schleichen sich überflüssige
Abspielfehler ins deutsche Aufbauspiel ein, 15
Minuten passiert gar nichts. Dann macht sich wieder
Linksverteidiger Lahm auf zu großen Taten. Diesmal
tankt er sich bis zur Grundlinie durch und flankt
mit dem schwächeren Linken auf Klose, dessen
Bewacher sich verschätzt hat. Der Bremer köpft
druckvoll aufs Eck, Porras pariert, aber der
Abpraller ist eine leichte Beute für das
Geburtstagskind: Mit rechts haut Klose den Ball
unters Tordach, 3:1! „Der Weckruf für die deutsche
Elf ist erfolgt", stellt Réthy fest. Lahm muss
niemand wecken, er ist immer wach und auf Zack und
erhält überall Bestnoten. Kurz nach dem 3:1 dribbelt
er sich durch in den Fünfmeterraum, ein Verteidiger
stoppt ihn im letzten Moment. Im Vorgefühl des
sicheren Sieges werden sie unaufmerksam, was sich
rächt. Das 3:2 ist fast eine Kopie des 1:1: wieder
zerreißt ein geschlenzter Pass auf Wanchope die
Abwehrkette, wieder spielen sie auf Abseits und
obwohl es diesmal knapp zutrifft, zählt auch dieses
Tor. „Hohes Risiko wird bestraft", moniert Réthy.
Die letzten zehn Minuten brechen an, dass sie so
spannend werden würden, hat keiner erwartet.
Klinsmann wechselt zum zweiten Mal, Klose holt sich
seinen Sonderapplaus ab. Mit Neuville kommt ein
Konterstürmer. Das Publikum spürt die Angst im
deutschen Team, feuert es lautstark an.
Innenverteidiger Per Mertesacker, der nicht seinen
besten Tag hat, kommt bei einer Ecke mit vor und
prüft Porras per Kopf – gehalten. In der 87. Minute
gibt es auf der linken Seite einen Freistoß. Alle
rechnen mit einer Hereingabe von Schweinsteiger,
doch der legt quer auf Frings. Dem Bremer verspringt
der Ball etwas, weshalb ihm der 25-Meter-Schuss
abrutscht. Zum Glück! Unhaltbar schlägt das Geschoss
zum 4:2 ein. Das ist die Entscheidung – der nächste
Traumtreffer des Tages. Nun darf David Odonkor noch
ein paar Minuten spielen, der überraschend in den
Kader gerutschte Dortmunder kommt zu seinem zweiten
Länderspiel und deutet an, warum er dabei ist. Nach
rasantem Antritt bringt der Sprinter den Ball flach
vors Tor, Podolskis Drehschuss wird abgeblockt. Es
folgt der Schlusspfiff, das Publikum verabschiedet
beide Mannschaften mit Applaus. Für die Spieler und
den Trainerstab ist es noch lange nicht zu Ende,
denn es gibt Gesprächsbedarf, wie Philipp Lahm in
seiner Biographie Der feine Unterschied acht Jahre
später niederschreibt: „Costa Rica hatte mit
einfachsten Mitteln zwei Tore gegen uns gemacht,
weil wir viel zu weit voneinander entfernt gestanden
hatten, ohne Gefühl für das, was der andere tun
wird, tun muss, tun kann. Am Tag nach dem Spiel
setzen wir und mit Jürgen Klinsmann und Jogi Löw
zusammen, um das System in unserem Defensivspiel zu
korrigieren. Noch eine solche Partie mit solchen
Löchern in der Abwehr, und wir haben ein ernstes
Problem."
Es folgen einige Stimmen zum Spiel. Jürgen
Klinsmann (Bundestrainer und Chefanimateur): „Es war
ein tolles Auftaktspiel für eine Fußball-WM.
Konzentrationsfehler, wie vor den Gegentoren, kommen
vor. Das muss man schlucken. Wir spüren eine
unheimliche Energie bei uns, aber wir werden nicht
abheben. Wir sind hohes Tempo gegangen, kamen auch
nach den Anschlusstreffern immer wieder ins Spiel
zurück." Miroslav
Klose (Dauertorschütze und Turnkünstler): „Es gibt
nichts Schöneres, als am Geburtstag mit der
Mannschaft zu gewinnen und zwei Tore zu schießen.
Ein Super-Gefühl als ich traf und die Menschen
jubelten. Den Salto lasse ich später folgen – den
mache ich bekanntlich nur bei schönen und wichtigen
Toren." Philipp
Lahm (Dauerläufer und Dosenöffner): „Der Ball sollte
genau da hin gehen. Das war kein Zufall, ich habe ja
nicht auf die Eckfahne gezielt. Für mich war es das
Tor des Jahres, es war sogar das Tor meines Lebens." Torsten
Frings (Lutscher und Klartexter): „Ehrlich, das war
ein Glückstor. Der Ball ist mir abgerutscht." Bastian
Schweinsteiger (Abräumer und Poldis Dauerkumpel):
„Ich hätte heute lieber 2:0 gewonnen. Es gibt
sicherlich bis zum nächsten Spiel noch einiges zu
verbessern." Franz
Beckenbauer (Chef des WM-OK und frühere
Lichtgestalt): „Hervorragend, dass unsere Mannschaft
von der ersten Minute an gezeigt hat, dass sie Herr
im Hause sein will, und das bis zur letzten Minute
durchgehalten hat." Diego
Maradona (Weltmeister im Fußball und Handball): „Das
war eine Weltklasseleistung von Philipp Lahm. Er hat
perfekt gespielt und ein tolles Tor geschossen. In
dieser Form kann er einer der Topspieler der WM
werden." „Vorne
geballert, hinten gebibbert – so schafften wir zum
Start unserer WM ein 4:2 gegen Fußball-Zwerg Costa
Rica. Diese Baller-Knaller-Tore haben richtig Laune
gemacht! Besonders der Frings-Hammer aus 30 Metern
hat uns den Atem geraubt. Auch der Wille stimmte
(...) Aber ehrlich gesagt: Etwas weniger Spannung
wäre uns Deutschen lieber gewesen. Diese Abwehr
quält uns! Sie wurde nicht oft gefordert, leistete
sich trotzdem schwere Alptraum-Anfälle. So droht
spätestens im Achtelfinale gegen Schweden oder
England eine Packung!“ („Bild“) „Die
Probleme in Klinsmanns Defensive bleiben. Starke
Offensivleistung - zu wenig Pressing gegen einen
limitierten Gegner." („Kicker“) „Oh
nein! Sie haben sich wieder in Marsch gesetzt. Im
Eröffnungsspiel mit den meisten Toren in der
WM-Geschichte erzielte Deutschland zwei Wundertore."
(„Daily Mirror“ / England) „Vier
Tore und eine schwache Verteidigung: Die Mannschaft
bot zusammen mit Costa Rica das stärkste
Eröffnungsspiel seit 40 Jahren." („Liberation“ /
Frankreich) „Klose
& Co. haben einen großartigen Start. Nichts
konnte Deutschland das Fest vermiesen, auch nicht
die Fehler in der Abwehr." („La Republica“ /
Italien) „Einen
besseren Start für die WM hätte man sich nicht
wünschen können. Deutschland und Costa Rica boten
uns ein Fußballfest." („Expressen“ / Schweden)
Das
waren jetzt viele warme Worte nach einem insgesamt
überzeugenden WM-Auftakt der deutschen Mannschaft.
Der Fortgang der weiteren Turniergeschichte dürfte
noch allgemein im Gedächtnis geblieben sein:
Jung-Odonkor auf Alt-Neuville zum Last-Minute-Sieg
gegen Polen (1:0), erneuter Doppel-Klose gegen
Ecuador (3:0), zwei Poldi-Kracher im Achtelfinale
gegen Schweden (2:0), Lehmanns erfolgreiche
Zettelwirtschaft im Viertelfinale gegen Argentinien
(5:3 n. E.), Endstation Sehnsucht im Halbfinale
gegen Italien (0:2) und Schweini-Show im Mini-Finale
gegen CR7 & Co. (3:2). Klinsmann schmeißt
trotzdem nach der WM hin. Assi „Jogi“ fährt den
Wagen vor und übernimmt gleich das Steuer. Das so
schöne „Sommermärchen“ nebst Lichtgestalt Franz
Beckenbauer bekommen später ein paar ziemlich böse
Brandflecken ab. Und die fleischgewordene
Reporterschlaftablette Béla Réthy hat endlich die
flehenden Bitten unzähliger von ihm jahrzehntelang
verbal traktierter Fußballfans erhört und darf
direkt im Anschluss an diese merkwürdige Wüsten-WM
in einem schönen Seniorenheim mit Blick auf den
Mainzer Lerchenberg seine wohlverdiente
öffentlich-rechtliche ZDF-Rente genießen.
Kurze
Fakten zum Spiel Deutschland – Costa Rica 4:2 (1:1) Anlass:
WM-Endrunde in Deutschland / Gruppenphase; Datum:
09.06.2006; Spielort: Allianz-Arena in München;
Zuschauer: 66.000; Torschützen: 1:0 Lahm (6. Min.),
1:1 Wanchope (12. Min.), 2:1 Klose (17. Min.), 3:1
Klose (61. Min.), 3:2 Wanchope (73. Min.), 4:2
Frings (87. Min.); Aufstellung Deutschland: Lehmann
– Friedrich, Mertesacker, Metzelder, Lahm – Frings,
Borowski (Kehl), B. Schneider (Odonkor),
Schweinsteiger – Klose (Neuville), Podolski
Tag 2 der Entscheidungen in
der Vorrunde, diesmal in den Gruppen C und D. Nachmittags sah es bei
Australien-Dänemark und Tunesien-Frankreich lange, viel zu lange nach
einer Doppel-Doppel-Null aus. Die Außenseiter mühten sich gegen die
Favoriten ab, spielten engagiert und körperlich robust, aber eben
wenig effektiv. Man fragte sich bei den Dänen, wann sie denn wohl mal
loslegen wollten, ein 0:0 reichte in keinem Fall. Frankreich trat mit
einer B-Elf ohne die Topstars an und das war deutlich zu sehen. Da
klappte wenig, es fehlte an Tempo und Kombinationssicherheit, aber das
war weniger schlimm, schließlich hatte der Weltmeister hatte das
Achtelfinale ja schon sicher. Und prompt ging Tunesien nach einer
knappen Stunde und schönem Steckpass durch Khazri in Führung, der sich
gegen zwei französische Abwehrspieler durchsetzen und den Ball an
Ersatztorwart Mandanda vorbeilegen konnte. Nun war Tunesien in der
Blitztabelle auf Platz 2, doch nur ganz kurz. Denn Australien holte
sich diesen Platz nur 2 Minuten später zurück, durch einen quasi
identischen Treffer von Leckie, ebenfalls nach Steckpass und nach
Abschütteln von zwei Verteidigern. Wer jetzt von den Dänen einen
Sturmlauf und ein Chancenfestival erwartete, wurde bitter enttäuscht.
Mit großem Einsatz, aber mit überraschend wenig Mühe brachten die
Down-Underdogs den Vorsprung über die Zeit. Dänemark wurde zu einer
der bisher größten Enttäuschungen dieses Turniers: Letzter in der
wahrlich nicht extrem schwierigen Gruppe D mit einem einzigen
mickrigen Törchen - da hatten wir vom letztjährigen EM-Halbfinalisten
mehr erwartet, und die rotweißen Fans zwischen Esbjerg und Kopenhagen
sicher auch. Australien steht nun zusammen mit Frankreich im
Achtelfinale. Der Titelträger wechselte zwar noch seine Topstars
Mbappé, Griezmann und Dembelé ein, aber auch die brachten außer einem
Abseitstor nichts Zählbares zustande. Die aufopferungsvoll kämpfenden
Tunesier konnten sich über einen Sieg gegen den Weltmeister freuen,
müssen aber trotzdem jetzt schon die Heimreise antreten. Die beiden
überraschenden Ergebnisse in Gruppe D sorgten übrigens für eine
komplette Nullnummer in der Tippspieltabelle. Niemand hatte den
Außenseitern eine Siegchance eingeräumt und Australien hatte auch
niemand ins Achtelfinale getippt.
Abends beendete die Gruppe C die Vorrunde und auch hier stand zur
Halbzeit die Vierfach-Null, da Szczesny gegen Messi mit einer tollen
Parade ein Elfmetertor verhinderte. Dann schlug Argentinen nur eine
Minute nach Wiederanpfiff zu und riss die Tür zum Achtelfinale auf. 20
Minuten später machte Alvararez alles klar für die Gauchos. In Polen
begann das große Zittern, der Rosenkranz rotierte, Stoßgebete wurden
zum Himmel geschickt. Mexiko hatte nämlich inzwischen zwei Tore gegen
Saudi-Arabien vorgelegt und lag in der Gruppentabelle nur wegen einer
größeren Zahl Gelber Karten hinter den Polen. Ein weiteres Tor für
Mexiko oder Argentinien und Lewandowski & Co. hätten den 2. Advent
zuhause in Polen feiern können. Doch der Fußballgott war mit unseren
Nachbarn, die Argentinier verballerten beste Chancen und Mexiko wurde
ein Tor aberkannt. In der Nachspielzeit konnten die Saudis per Konter
zwar den Anschlusstreffer erzielen, aber auch das brachte keine
Sicherheit, ein weiteres Tor für Mexiko hätte die Polen immer noch
rausgekickt. Das fiel aber nicht mehr. Puuuuuh... - Glück gehabt!
In der Tippspieltabelle zieht Henning weiter oben einsam seine Kreise.
Verfolgerplatz 2 ist jetzt vierfach besetzt, eine Laune des Zufalls.
Von sechs teilnehmenden Hebbelkickern stehen übrigens vier auf den
ersten acht Plätzen - da sieht man doch, wo der Fußballverstand
zuhause ist. Morgen folgt das Finale in der "deutschen Gruppe" - ein
spannender Abend ist garantiert. Ich gucke mir das beim Spitzenreiter
an.
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich
erneut bei der FIFA gekauften
internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter
skandalösen Umständen diesmal während
der Adventszeit in einem kleinen, aber
überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 30.
November 2022 die Partie
Polen
vs. Argentinien
auf dem Programm – wesentlich
erinnerungswürdiger ist allerdings
eine
Rückschau auf die
Begegnung beider Teams am 15. Juni
1974,
die damals im Rahmen einer richtigen
WM-Endrunde stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 7)
Vielleicht
erinnern sich ältere Semester noch an
die erste Fußball-WM, die bei uns auf
heimischem Boden ausgetragen wurde. Das
war im Sommer 1974 und viele Fußballfans
hofften natürlich, dass die deutsche
Mannschaft als amtierender Europameister
diesmal vielleicht sogar den ganz großen
Wurf auf der Weltbühne würde schaffen
können. Aber dann kam bekanntlich in der
Vorrunde erst die sensationelle
Niederlage im deutsch-deutschen
Prestigeduell gegen Sparwasser & Co.
und dann der Zoff um Moneten in der
tristen Trainingskaserne von Malente.
Vor allem aber zauberten zu diesem
Zeitpunkt ganz andere Mannschaften einen
großartigen Fußball auf die Plätze der
deutschen Stadien. Sicherlich hatte man
von den Endspielgegnern der vorherigen
WM, also Brasilien und Italien, eine
ganze Menge erwartet. Aber jetzt
präsentierten sich weitere Teams, die
einen großartigen Offensivfußball
hinzauberten. Das waren natürlich die
Holländer um den genialen Regisseur
Johan Cruyff und auch die technisch
versierten Jugoslawen. Darüber hinaus
konnten die Argentinier mit großartigem
Kombinationsfußball auf sich aufmerksam
machen, den sie bis zur letztlich für
sie überaus erfolgreichen Heim-WM 1978
noch einmal perfektionieren sollten. Die
beste Offensivmannschaft der gesamten WM
waren aber eindeutig die Polen. Für
Experten kam diese Entwicklung gar nicht
einmal so überraschend. Schon bei der
Olympiade 1972 (2:1 im Endspiel gegen
Ungarn) gewannen die so genannten
„Staatsamateure“ ziemlich überzeugend
die Goldmedaille und in der
anschließenden WM-Qualifikation
eliminierten sie 1973 für viele
sensationell das englische Team (2:0 und
1:1). In ihren Reihen standen absolute
Weltklasseleute wie ihr Torwart
Tomaszewski, Mittelfeldregisseur Deyna
sowie natürlich ihr Traumtrio, bestehend
aus dem Mittelstürmer Lato und den
beiden Flügelstürmern Gadocha und
Szarmach. Polen erzielte am Ende
sagenhafte 16 Turniertore (davon alleine
sieben von WM-Torschützenkönig Lato und
fünf von Szarmach) und erreichte am Ende
einen großartigen dritten Platz. Und wer
weiß, wie das Spiel im „verkappten
Halbfinale“ (es gab bei dieser WM eine
zweite Finalrunde ohne K.-o.-Spiele)
gegen Deutschland ohne die
berühmt-berüchtigte „Frankfurter
Wasserschlacht“ ausgegangen wäre, wenn
nicht unser „kleines dickes Müller“ so
überaus präzise aus einer tiefen Pfütze
heraus zum erlösenden 1:0 abgezogen
hätte. Aber wäre, wäre, Fahrradkette und
die Wahrheit liegt immer auf’m Platz –
fünf freiwillige Euronen ins
Fußball-Phrasenschwein!
Aus
gegebenem Anlass dieser bekloppten
Fußballveranstaltung treffen Polen und
Argentinien wieder in der Gruppenphase
aufeinander. So war es auch damals im
Stuttgarter Neckarstadion und es sollte
eines der interessantesten und
spektakulärsten Spiele der gesamten WM
werden. Die Hauptakteure auf polnischer
Seite wurden bereits oben benannt. Aber
auch die Argentinier hatten so einige
Könner mit dabei. Zu nennen sind hier in
besonderer Weise der Abwehrspieler
Heredia, die beiden Mittelfeldspieler
Houseman und Babington, der übrigens von
1974 bis 1978 bei der SG Wattenscheid 09
in der zweiten Bundesliga spielte, sowie
der Stürmer Ayala. Aber auch Mario
Kempes, der spätere WM-Torschützenkönig
von 1978, stand damals schon in der
Startelf. In seinem Buch
„Fußball-Weltmeisterschaft 1974“, das
ich zum Glück immer noch in meinem
Bücherregal aufbewahrt hatte,
kommentierte der Autor und frühere
Startrainer Hans „Hennes“ Weisweiler den
Weg der beiden Mannschaften in die
zweite Finalrunde wie folgt.
Die
Auslosung der Gruppe 4 mit Polen,
Argentinien, Italien und Haiti erwies
sich – im Nachhinein – als Volltreffer.
Die Besucher der Stuttgarter Spiele und
die Millionen Fernsehzuschauer werden
noch lange von den Polen und den
Argentiniern schwärmen. Im Neckarstadion
sind die polnischen Spielzüge beklatscht
worden. Kazimierz Deyna, Grzegorz Lato
und Robert Gadocha avancierten zu
Publikumslieblingen. Als Andrzej
Szarmach im letzten Soel gegen Italien
(Anmerkung: 2:1 für Polen) wegen einer
Gesichtsverletzung vom Feld ging, wurde
er mit prasselndem Applaus
verabschiedet. Warum? Weil das polnische
Spiel so einfach aussah, so klar in der
Konzeption angelegt war und mit so viel
Tempo ausgeführt wurde, dass sowohl die
Argentinier als auch die Italiener
schlecht aussehen mussten. Polens
Spieler beherrschten in der ersten
Finalrunde eine Grundregel des Fußballs
optimal. Jene Regel, die besagt, den
Ball laufen zu lassen. Argentiniens
Individualisten haben trotz ihrer
2:3-Niederlage gegen Polen in
Süddeutschland ebenfalls imponiert. Es
wäre bedauerlich gewesen, hätte diese
Elf vorzeitig ausscheiden müssen. Die
Südamerikaner wirkten in ihrer
Mannschaftsleistung erstaunlich
diszipliniert. Dabei blieb genügend
Spielraum für Solisten, für
Ballkünstler, wie sie überall auf der
Welt geliebt werden. Der
temperamentvollste unter ihnen war
Carlos Babington, der Raum, Ball und
Gegner beherrschte, nur sich selbst
nicht immer. Babington schlug die Bälle
meist diagonal über das halbe Feld in
den Angriff, zu Houseman, Ayala oder
Yazalde. Argentinien gab Europa einen
Vorgeschmack auf die WM 1978 am La
Plata. In
dem Besagten, nach unzählbarem früherem
Durchblättern mittlerweile etwas
romponierten WM-Buch findet sich auch
die nachfolgende interessante Passage
über das so genannte „Holzkästchen“ der
Polen. Wissen ist bekanntlich Macht, und
die Polen gingen bei ihren
Vorbereitungen offensichtlich sehr stark
wissenschaftlich vor – sie waren damit
wohl so etwas wie Vorreiter einer
Entwicklung, die heute auf digitaler
Grundlage zum Standard im
internationalen Fußballgeschäft gehört.
Polens
Aufstieg zur Weltmacht im Fußball ist
kein Geheimnis, keine Hexerei und schon
gar kein Wunder. Es ist
wissenschaftliche Arbeit. Vielleicht
liegt viel auch in der polnischen
Mentalität begründet. Wahrscheinlich
vergisst man in Polen weniger schnell
als anderswo. So erklärte Trainer
Kazimierz Gorski nach dem 2:1-Erfolg
gegen Italien in Stuttgart: „Vor neun
Jahren haben wir gegen den gleichen
Gegner noch mit 1:6 verloren.“ Man
lernte aus den Fehlern der
Vergangenheit. Die Polen zeigten in der
Gruppe 4 auf ihrer Straße des Sieges die
besten Spiele und die besten Ideen. Die
Mannschaft wird durch Erfolge noch
motiviert, kennt noch kein Sattsein.
Kazimierz Deyna, der Mittelfeldstratege,
sagte einfach: „Sicher hätte ich gerne
ein Auto, aber da ich keines besitze,
fahre ich eben mit der Straßenbahn.“ Bei
Polens Olympiasieg in München meinten
die Experten und jene, die sich dafür
halten, na ja, gegen Westamateure ist
doch leicht zu gewinnen. Die
Weltmeisterschaft hat bisher das
olympische Turnier nachträglich
aufgewertet. Wenn man Polens Trainer
meint, spricht man von Kazimierz Gorski
und vergisst leicht, dass es auch einen
Jecek Gmoch gibt, 35 Jahre alt,
Diplomingenieur von Beruf, sogenannter
Leiter der Informationsbank. Er ist der
Wissenschaftler, der Tüftler, der
Sammler von Daten, Systemen,
Erkenntnissen, die er in einem
Holzkästchen wie ein Beamter aufbewahrt.
Gmoch („für die westeuropäischen
Mannschaften war die Saison zu lang und
zu hart“) analysierte vor der
Weltmeisterschaft alle teilnehmenden
Teams und suchte für das Training
Klubmannschaften als Sparringspartner
aus, die beispielsweise deutsche,
italienische oder holländische Spielart
zu kopieren hatten. So einfach ist das –
wenn man dann Spieler wie Deyna, Gorgon,
Lato, Kasperczak oder Szarmach hat.
Danach
war in der zweiten Finalrunde für
Argentinien allerdings „Flasche leer“:
erst Klatsche gegen Holland (0:4), dann
etwas knapper gegen Erzgegner Brasilien
(1:2) und schließlich eher kraftlos
gegen die DDR (1:1). Für Polen war
dagegen noch längst nicht alles
verloren: Zunächst zwei weitere tolle
Siege gegen Schweden (1:0) und
Jugoslawien (2:1), dann verlor man beim
schlüpfrigen Frankfurter Wasserballett
(0:1) gegen den deutschen Europameister
etwas den Halt unter den schnellen
Füßen, im „kleinen Finale“ gegen die
Brasilianer folgte aber die süße Rache
(1:0) und am Ende baumelte eine schöne
Bronzemedaille am Hals der polnischen
Fußballhelden.
Kurze
Fakten zum Spiel Polen – Argentinien 3:2
(2:0) Anlass:
WM-Endrunde in Deutschland / erste
Gruppenphase; Datum: 15.06.1974;
Spielort: Neckarstadion in Stuttgart;
Zuschauer: 32.700; Torschützen: 1:0 Lato
(7. Min.), 2:0 Szarmach (8. Min.), 2:1
Heredia (60. Min.), 3:1 Lato (62. Min.),
3:2 Babington (66. Min.)
Am
3. Gruppenspieltag geht es
traditionell für viele
Mannschaften nur noch um Hopp oder
Top, um Heimreise oder
Achtelfinale. So auch diesmal in
den Gruppen A und B, natürlich in
parallel laufenden Spielen. Seit
der "Schande von Gijon" 1982 lässt
die FIFA nicht mehr zu, dass
Spiele Absprache-gemäß enden, weil
das Ergebnis des anderen Spiels
bereits bekannt ist. Da waren die
Deutschen - wenn auch unrühmlich -
also mal an einer wichtigen
Entwicklung im Weltfußball
beteiligt. Es gibt noch eine
weitere - aber dazu kommen wir
vermutlich erst in der Endrunde.
Zur besten Kaffeezeit spielten
also Niederlande-Katar und
Ecuador-Senegal. Die Holländer
begannen eher vorsichtig,
beherrschten den Gegner, aber ohne
viele eigene Torchancen. Dann fiel
das 1:0, natürlich wieder durch
Gakpo, der nun in Katar mit links,
rechts und dem Kopf getroffen hat.
Spätestens in der nächsten Saison
sehen wir diesen Mann in einem
europäischen Topverein, das ist
wohl klar... Kurz nach der Pause
folgte das zweite Tor und die
Partie verlor deutlich an
Qualität. Holland spielte
Schlafwagenfußball und Katar
schaute zu. Der sonst von mir
hochgeschätzte Thomas Broich
versuchte, als Ko-Kommentator das
lahme Ballgeschiebe zu extrem
sicherem Kombinationsspiel
schönzureden und rechnete
traumhafte Passquoten aus. Wow, es
ist auch wirklich schwierig,
hinten den Ball hin- und
herzuschieben, wenn einen niemand
angreift. Das kann ich auch. Tja,
also... - viel passierte nicht
mehr. Ein wegen Handspiel
aberkanntes Tor, ein paar
Alibischüsse der Gastgeber - man
konnte froh sein, dass irgendwann
Schluss war. Die Niederländer
wurden kaum gefordert, aber das
erhoffte Torfestival war es eben
leider auch nicht. Wer weiß,
vielleicht durften die Oranjes
auch nicht öfter treffen, weil die
Katarer sonst den Gaspreis
hochgetrieben hätten. In dieser
verrückten Welt scheint alles
möglich!
Das Parallelspiel war deutlich
aufregender, je nach Spielstand
drängte die eine oder die andere
Mannschaft auf das gegnerische
Tor. Senegal musste gewinnen, um
in die nächste Runde einzuziehen.
Zum Ende der überlegen geführten
1. Hälfte gelang auch das 1:0 per
Elfmeter. Prompt übernahmen die
Südamerikaner nach dem
Seitenwechsel das Kommando und
schossen schließlich Mitte der 2.
Hälfte den Ausgleich. Das war
Anlass für den Afrikameister,
wieder aktiver zu werden, und
postwendend folgte tatsächlich die
erneute Führung für den Senegal.
Wieder bedrängte Ecuador das
gegnerische Tor, aber nun gelang
nicht mehr viel, alle Bemühungen
blieben erfolglos. Senegal steht
im Achtelfinale und das ist aus
drei Gründen eine gute Nachricht:
1. ist Alidou Cissé der coolste
Trainer, 2. ist die bunte,
tanzende senegalesische Fantruppe,
u.a. mit acht bemalten Männern und
den Buchstaben S-E-N-E-G-A-L,
einfach sensationell, und 3. hatte
ich den Afrikameister in die
Endrunde getippt, was mir 2
Zusatzpünktchen einbrachte.
Abends folgte das innerbritische
Duell Wales-England und "The
Battle in the Desert" Iran-USA.
Die Engländer übernahmen sofort
das Kommando, beherrschten das
Spiel, blieben aber in der 1.
Hälfte trotz vieler Torschüsse
erfolglos. Das änderte sich nach
dem Wechsel. Rashford mit einem
tollen Freistoßtor aus gut 22 m
Entfernung und Foden am langen
Pfosten nach kluger scharfer
Hereingabe von Kane - mit
dem 2:0 in der 51. Minute war das
Spiel im Prinzip gelaufen. Auch
die Waliser durften dann ein wenig
mitspielen, aber Rashford machte
mit seinem 2. Tor den Sack zu. Wer
sich hinterher in der ARD nur die
Zusammenfassung anschaute, konnte
feststellen, dass man auch ohne
Geographiekenntnisse in einer
Sportredaktion Karriere machen
kann. Ralf Scholt titulierte in
seinem Kommentar zum Spiel
Wales-England mehrfach Kane,
Rashford & Co. als "die
Briten". Auf welcher Insel liegt
noch mal Wales, lieber Ralf?
Parallel zum Briten-Duell lief das
angenehm fair geführte und völlig
zu Unrecht von der Journaille zum
Politikum "hochsterilisierte"
Spiel Iran-USA. Die junge
amerikanische Mannschaft begann
sehr engagiert, kam zu Chancen und
konnte sogar verdient in Führung
gehen. Doch dann schlug das
Verletzungspech zu, mehrere
Führungsspieler mussten raus und
der Iran starte nach der Pause
einen Angriff nach dem anderen auf
das Tor der US-Boys. Nur mit sehr
viel Glück und Geschick konnten
diese ihren Vorsprung ins Ziel
retten - ein Remis wäre nicht
unverdient gewesen. Doch so zieht
das junge amerikanische Team ins
Achtelfinale ein. Wenn die
Holländer wieder so pomadig
spielen wie am Ende gegen Katar,
dann könnte das mit einer
Überraschung enden.
Im Tippspiel ist Henning an der
Spitze weit davongezogen, er
punktete in allen vier Spielen und
holte noch 8 Zusatzpunkte. 13
Punkte Vorsprung auf den ersten
Nicht-Geldgewinnerplatz, davon
kann er jetzt zehren. Aber noch
gibt es 28 Spiele, da kann man
viel richtig machen - oder
komplett daneben liegen.
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich
erneut bei der FIFA gekauften
internationalen Fußballgroßveranstaltung,
die unter skandalösen Umständen diesmal
während der Adventszeit in einem kleinen,
aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 29.
November 2022 die Partie
Iran
vs. USA
auf
dem Programm – wesentlich
erinnerungswürdiger ist allerdings eine
Rückschau
auf die Begegnung beider Teams am 21.
Juni 1998,
die
damals im Rahmen einer richtigen
WM-Endrunde stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 6)
Politisch
brisante Spiele hat es im Fußball immer
wieder einmal wieder gegeben. Einmal mündete
eine Begegnung in der WM-Qualifikation
zwischen den seinerzeit verfeindeten
mittelamerikanischen Staaten Honduras und El
Salvador am 26. Juni 1967 sogar einige
Wochen später in eine militärische
Auseinandersetzung, die anschließend unter
der schlimmen Bezeichnung „Fußball-Krieg“ in
die Geschichte einging. Es sollte eigentlich
nicht sein, aber die Welt ist nun einmal so
wie sie ist. Die armen Fußballer auf dem
Platz können dann trotz des negativen
Grundrauschens um sie herum nur irgendwie
versuchen, sportlich einigermaßen fair damit
umgehen und in ihren jeweiligen Gegnern eben
keine Erz- oder Systemfeinde zu sehen.
Beispiele hierfür sind das deutsch-deutsche
Duell bei der WM 1974 in Hamburg oder die
WM-Begegnung 1986 zwischen den vormaligen
Falkland-Kriegsgegnern Argentinien und
England, die aber dann letztlich durch
Maradonas „Hand Gottes“ sportlich eben
gerade nicht so ganz fair entschieden wurde.
Genau
in diese beschriebene Kategorie fiel auch
das WM-Gruppenspiel des Iran gegen die USA
bei der WM 1998 in Frankreich. Auch diese
Partie wurde vom seit 1979 bestehenden
Konflikt zwischen diesen Ländern komplett
überlagert. Seinerzeit hatten die USA die
damalige Zwangsherrschaft des Schahs von
Persien zu stützen versucht. Dieses
missglückte Unterfangen endete blutig mit
der so genannten „Islamischen Revolution“,
dem Sturz des Schah-Regimes und der
Einrichtung eines „Gottesstaates“ durch die
schiitischen Mullahs. Die Situation
eskalierte in der Folge durch eine von
radikal-islamischen Studenten durchgeführte
Geiselnahme von über fünfzig Personen in der
US-amerikanischen Botschaft, um die
Auslieferung des ins Ausland geflohenen
Schahs zu erzwingen. Diese gewaltsame Aktion
dauerte dann insgesamt 444 Tage an, endete
zwar mit der Freilassung aller Geiseln, war
aber letztlich Ausgangspunkt eines nunmehr
Jahrzehnte andauernden politischen Konflikts
der Staaten, den radikale Kräfte auf beiden
Seiten bisweilen martialisch zu einer
„Todfeindschaft“ hochstilisiert hatten. Die
USA organisierten in der Folge zusammen mit
anderen westlich orientierten Staaten ein
striktes Wirtschaftsembargo gegen den Iran,
das im Grunde bis zum heutigen Tage anhält,
und der Iran heizt seitdem immer wieder
kriegerische Konflikte im Nahen und
Mittleren Osten an.
Aus
gegebenem Anlass dieser untragbaren
Fußballveranstaltung treffen im dritten
Spiel der Gruppenphase wieder einmal die
Amerikaner auf den Iran. Gerne denken wir an
eine besondere Begegnung zurück, die am 21.
Juni 1998 im Stade de Gerland in Lyon
anlässlich der WM-Endrunde in Frankreich
durchgeführt wurde. Am Ende stand im zweiten
Gruppenspiel ein ziemlich überraschender
Sieg des Iran. Der Bericht über dieses
hochemotionale und international
vielbeachtete Duell wurde am 04.08.2016
unter der einigermaßen neutralen Überschrift
„Politik im Fußball: Iran – USA 1998“ auf
der Homepage des FIFA-Museums
veröffentlicht. Interessant ist dabei, dass
einige später auch in Deutschland und der
Bundesliga bekannte Akteure mit dabei waren,
wie beispielsweise die beiden US-Amerikaner
Thomas Dooley (1. FC Kaiserslautern) und
Claudio Reyna (Bayer Leverkusen), die beiden
Iraner Ali Daei (Bayern München) und Mehdi
Mahdavikia (HSV), aber vor allem der auch
noch heute bei deutschen Fernsehsendern
präsente frühere Schiedsrichter Urs Meier.
Vielleicht war es genau richtig, dass man
seinerzeit einen Referee aus der neutralen
Schweiz für diese brisante Begegnung
angesetzt hatte. Es geht in dem
nachfolgenden Bericht um zwei vermeintliche
„Todfeinde auf dem Platz“, die sich aber
erfreulicher Weise ein überaus faires Spiel
lieferten, die um freundliche Gesten bemüht
waren und um einen stolzen Sieger, dessen
Erfolg vielleicht gar nicht einmal so
überraschend kam. Denn auch in den Reihen
der Iraner standen damals hervorragende
Fußballer, die sich später in
internationalen Ligen als echte
Leistungsträger etablieren sollten. Merke:
Erfreulicherweise wird nichts so heiß
gegessen, wie es einige unverbesserliche
Scharfmacher vorher zusammengekocht haben!
Kaum
ein Spiel in der jüngeren WM-Geschichte war
politisch so brisant wie die Partie am 21.
Juni 1998 im Stade de Gerland in Lyon. Mit
dabei war auch Hamed Reza Estili, der an
diesem Tag zum Volkshelden avancieren
sollte. Die Partie stieß nicht nur bei
Fußballfans auf enormes Interesse. Trotz
aller Spannungen machten die beiden Teams
ihren Ländern alle Ehre, spielten resolut,
aber jederzeit fair. Für dieses
mustergültige Verhalten wurden die beiden
von der FIFA später gar mit dem
Fairplay-Preis ausgezeichnet, der nun neben
dem Hemd des iranischen Helden Hamed Reza
Estili in unserer WM-Ausstellung von 1998 zu
sehen ist. Die beiden Exponate sind
sinnbildlich für dieses Spiel, das so viel
Sprengkraft bot, letztlich aber als eine der
sportlich fairsten Partien in die Geschichte
einging. Dabei hatte das Machtgehabe
zwischen den beiden Ländern, die auf dem
politischen Parkett seit Jahrzehnten die
Klingen kreuzen, mit der Auslosung der
beiden in dieselbe Gruppe einen neuen
Höhepunkt erreicht. Fans, Intellektuelle,
Medien und sogar Politiker debattierten
darüber, wer das sportliche Gefecht gewinnen
würde. Der Präsident des US-Fußballverbands
sprach gar vom „Spiel der Spiele“. Es war
auf jeden Fall eine Begegnung, die weit über
die beiden Länder hinaus ein großes Echo
fand und bei der es für viele um mehr als um
den Einzug ins Achtelfinale ging. Nach den
Auftaktniederlagen der beiden – 0:2 der USA
gegen Deutschland und 0:1 der Iraner gegen
Jugoslawien – wurde der Druck noch grösser.
Neben einem Prestigeerfolg ging es für die
beiden ideologischen Gegner auch ums
sportliche Überleben. Drei Punkte waren
daher Pflicht. Dennoch war die
Stimmung gelöst, sicherlich auch, weil der
21. Juni von der FIFA zum Fairplay-Tag
ernannt worden war. Der iranische Kapitän
Ahmedreza Abedzadeh überreichte seinem
Kollegen vom US-Team, Thomas Dooley, zum
Auftakt gar einen großen Blumenstrauß, ehe
die beiden Mannschaften als Zeichen der
Verbundenheit gemeinsam für ein Foto
posierten.
Mit
dem Anpfiff durch den Schweizer
Schiedsrichter Urs Meier war die Spannung
aber wieder da. Beide Teams kämpften um die
Vormacht, bis die Iraner fünf Minuten vor
der Pause zum entscheidenden Schlag
ansetzten. Javad Zarincheh flankte von
rechts genau auf den herbeigeeilten und
sträflich allein gelassenen Estili, der aus
elf Metern zu einem Kopfball ansetzte. Kasey
Keller konnte sich noch so lang machen, er
kam nicht mehr ran. Nach seinem Coup gab es
bei Estili kein Halten mehr. Mit
ausgestreckten Armen rannte er los, um mit
seinen Mitspielern die erstmalige Führung
der Iraner in einem WM-Spiel zu feiern. „Im
Mittelfeld hatte Bagheri gegen vorne mehr
Platz als ich“, erzählte Estili im Januar
2000 dem offiziellen Magazin der asiatischen
Fußballkonföderation „Football Asia“. „Ich
sah, dass Bagheri noch immer in unserer
Hälfte war. Als Mehdi Mahdavikia und Javad
Zarincheh auf der rechten Seite waren,
entdeckte ich zwischen Azizi und Daei eine
Lücke. Ich rannte in den Strafraum, nahm den
Ball mit dem Kopf und traf ins Tor. Ich
konnte es kaum glauben, als das Spiel vorbei
war. Alle weinten. Wir hatten die USA
geschlagen.“ Estilis spektakuläre Führung
erhöhte Mahdavikia sechs Minuten vor Schluss
auf 2:0. Nach einem Sprint über 45 Meter
versenkte er den Steilpass von Daei in die
lange Ecke. Den USA gelang nur noch der
Ehrentreffer durch Brian McBride in der 87.
Minute. „Leute von 5 bis 95 bewundern mich
für dieses Tor“, schwärmte Estili einige
Jahr nach dem berühmten Treffer. „Viele
Iraner, die im Ausland leben, sagen nun mit
Stolz, dass sie Iraner sind. Dieser Sieg hat
alle Iraner vereint.“ Nach
diesem unerwarteten Prestigeerfolg hatten
die Iraner dann aber offensichtlich ihr
Schießpulver ein wenig verschossen. Denn im
letzten Gruppenspiel setzte es ein klares
0:2 gegen Deutschland. So hieß es letztlich:
Raus mit Applaus und anschließend
wochenlange Party zu Hause in Teheran – aber
im Land der Mullahs höchstwahrscheinlich
wohl eher ohne Alkohol!
Kurze
Fakten zum Spiel USA – Iran 1:2 (0:1) Anlass:
WM-Endrunde in Frankreich / Gruppenphase;
Datum: 21.06.1998; Spielort: Stade de
Gerland in Lyon; Zuschauer: 39.100;
Torschützen: 0:1 Estili (40. Min.), 0:2
Mahdavikia (84. Min.), 1:2 McBride (87.
Min.)
Zum
letzten Mal ein Vier
Spiele-Marathon, mit zwei
Langweilern zu Beginn und den
Highlights am späten Nachmittag:
Brasilien-Schweiz und
Portugal-Uruguay. Ja, das hatten
wir wohl alle so erwartet. Doch
der Fußball bietet halt immer
wieder Überraschungen, siehe am
Sonntag Jap... - ach, das hatten
wir ja schon... Also, kurz
gesprochen: Es kam anders!
Brasilien
bot gegen die Schweiz eine gute
Stunde langweiligen
Beamtenfußball. Die Schweizer
trauten sich nicht so recht nach
vorn und die Brasilianer spielten
jeder nach dem Motto "Mein
Nebenmann wird's schon richten".
Ein äußerst zähes Spiel, mit dem
ersten Torschuß erst nach 27
Minuten. Ein wegen Abseits nicht
gegebener Treffer erinnerte die
Südamerikaner aber nach gut 60
Minuten daran, dass dies kein
Testspiel, sondern eine sogenannte
WM ist. Brasilien erhöhte den
Druck und in der 83. Minute
reichte genau diese eine richtig
gute Kombination, die es im
Fußball eben manchmal gibt, zum
1:0, mit einem tollen
Abschluss durch Casemiro.
Brasilien bot keine Offenbarung
und das Fehlen des verletzten
Neymar war deutlich zu merken.
Aber am Ende stand dann eben doch
ein sicherer Sieg. Und das muss
man erst mal gegen die Schweiz
hinbekommen.
Das
zweite vermeintliche Highlight war
in der ersten Hälfte ebenfalls
eher ein Langweiler. Dem sichtlich
gealterten Ronaldo gelang wieder
nicht viel gegen biedere und viel
zu defensive Uruguayer. Erst das
1:0 für Portugal öffnete in
Halbzeit 2 das Spiel, erzielt
durch den überragenden Fernandes,
obwohl Ronaldo es gern für sich
reklamiert hätte. Womöglich war
eine seiner gut gegelten
Haarspitzen auch noch am Ball,
bevor der im Netz einschlug. Auf
einmal entdeckte Urugay
gezwungenermaßen das
Angriffsspiel, hatte ein wenig
Pech mit einem Pfostenschuss und
anderen guten Versuchen, aber es
reichte nicht zum Ausgleich.
Stattdessen erzielten die
Sportugiesen noch das 2:0 mit
einem fragwürdigen Elfmeter -
ironischerweise wieder durch
Fernandes, denn - ach, wie
schaaaade! - der etatmäßige
Standardschütze Ronaldo war schon
ausgewechselt worden... Insgesamt
war das wieder keine tolle
Leistung von Portugal, aber das
Achtelfinale ist nun sicher. Davon
können andere Mitfavoriten nur
träumen.
Richtig
gute Unterhaltung boten nur die
beiden Spiele mittags und am
frühen Nachmittag. Nach etwas
Abtasten zu Beginn und dem 1:0 für
Kamerun nach einem Eckball,
drehten die Serben kurz vor der
Pause richtig auf. Elf lange,
kräftig gebaute Kerle, denen man
ihre technischen und spielerischen
Fähigkeiten gar nicht zutrauen
mag, profitierten von der schon
wieder viel zu luftigen
Verteidigung der Kameruner. Das
war weder Mann- noch Raumdeckung,
das war gar nichts. Und weil sich
zu Beginn der 2. Hälfte daran
nichts besseret, konnten die
Serben gleich noch das 3:1
nachlegen, wieder schön im
Strafraum hin und her kombiniert,
bis einer frei und einschussbereit
steht. Holla! denkt man da, die
Serben machen es ihren
Balkankollegen aus Kroatien nach,
die ja auch erst einen Weckruf
brauchten, bevor sie richtig
loslegten. Aber wieder sorgte der
Fußball für eine Überraschung.
Denn jetzt konterten plötzlich die
Kameruner und schossen durch einen
genialen Lupfer und einen nach
Querpass auf Choupo-Moting eiskalt
abgeschlossenen schnellen
Gegenstoß noch den Ausgleich. Die
Serben guckten ziemlich dämlich
aus der Wäsche - sich nach
einem 2 Tore-Vorsprung auskontern
zu lassen, gehört zum Dümmsten,
was man im Fußball machen kann. Es
folgten noch weitere gute Chancen
für beide Mannschaften, und am
Ende stand nach einem aufregenden
Spiel mit (lt. kicker.de) 28
Torschüssen ein verdientes Remis.
Nach
dem Mittagessen ging es ganz
ähnlich weiter, Südkorea-Ghana
stand auf dem Programm. Seit der
WM 2002 in Japan und Südkorea
wissen wir, wie ostasiatische
Mannschaften spielen: Den Gegner
beschäftigen, Räume eng machen,
niemals aufgeben und vor allem
laufen laufen, laufen - wie gut
geölte Maschinchen. So auch an
diesem Montagnachmittag.... - und
man kann das Spiel aus Sicht von
Südkorea wie ein
Funktions-Protokoll erzählen: Erst
ratterten die Nähmaschinen in
vollem Tempo los, doch rutschte
ihnen nach einer halben Stunde der
Faden aus der Nadel - prompt stand
es 0:2. Nach dem Wechsel der
offensiven Zentralnadel wurde der
Faden wieder eingefädelt, durch
zwei schöne Kopfbälle gelang der
Ausgleich. Jetzt sollte noch ein
Saum drumherum genäht werden, die
Nähmaschinen liefen unermüdlich
weiter, doch prompt ging wieder
der Faden verloren, den Ghanaern
gelang die erneute Führung. Die
koreanischen Maschinen ratterten
bis zum Ende, aber die Spule war
leer, die Nadel war gebrochen,
trotz unglaublich vieler Flanken
kam der letzte Einstich nicht mehr
und Ghana gewann das Spiel.
Die
Hälfte aller Spiele ist nun
absolviert, im Tippspiel balgen
sich Michaela und Henning um die
Führung und unten hat Roland
gerade mal halb so viele Punkte
wie die beiden ganz oben. 31
Punkte, das ist Schnitt nicht mal
einer pro Spiel, trotz inzwischen
maximal 11 möglicher Punkte aus
den Zusatzfragen. Ich kommentiere
das lieber nicht...
Ab
jetzt geht es für 27 Mannschaften
noch um den Einzug in die
Endrunde. Nur Frankreich,
Brasilien und Portugal sind
bereits durch, Katar und Kanada
dagegen chancenlos. Das dürfte
eine Menge spannender Spiele
geben.
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut
bei der FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter
skandalösen Umständen diesmal während der
Adventszeit in einem kleinen, aber überaus
kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat
stattfindet, steht am 28. November 2022
die Partie
Brasilien
vs. Schweiz
auf
dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger
ist allerdings eine
Rückschau
auf die Begegnung beider Teams am 28. Juni
1950,
die
damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde
stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 5)
Welcher
vermeintliche Experte würde denn wohl auf den
abstrusen Gedanken kommen, dass die
brasilianische Fußballnationalmannschaft in
ihrer bisherigen Länderspielgeschichte gegen die
Schweiz lediglich eine ausgeglichene Bilanz
vorzuweisen hat? Aber es stimmt tatsächlich: In
sechs Begegnungen gab es für jede Mannschaft
einen Sieg und viermal trennte man sich
Unentschieden (Quelle: www.fussballdaten.de). In
letztere Kategorie fielen auch die beiden
einzigen WM-Partien 1950 und 2018. Das erste
Spiel endete 2:2 und das zweite 1:1 – in beiden
Spielen glichen die Eidgenossen kurz vor Schluss
noch aus. Zum Vergleich: Deutschland verlor in
26 Begegnungen immerhin gleich 16-mal gegen die
Südamerikaner, erreichte fünfmal ein
Unentschieden und konnte ebenfalls nur fünfmal
am Ende über einen Sieg jubeln – dafür am 8.
Juli 2014 nach dem WM-Halbfinale in Belo
Horizonte aber umso heftiger. Das bedeutet zwar
nicht unbedingt, dass die Schweiz ein wirklicher
Angstgegner für die Brasilianer ist, aber
vielleicht so etwas wie ein Angstgegnerchen,
gegen den man bis zum Ende des Spiels schwer auf
der Hut sein muss.
Aus
gegebenem Anlass dieser schäbigen
Fußballveranstaltung treffen die beiden Länder
im zweiten Spiel der Gruppenphase nun erneut
aufeinander. Erinnerungswürdig ist allerdings
eine besondere Begegnung, die beide Mannschaften
am 28. Juni 1950 anlässlich der WM-Endrunde in
Brasilien in Sao Paulo zusammengeführt hatte. Am
Ende stand im zweiten Gruppenspiel ein
sensationelles Unentschieden auf der
Anzeigentafel des Estádio do Pacaembu. Nach dem
vorherigen 4:0 der Brasilianer gegen Mexiko und
dem 0:3 der Schweizer gegen Jugoslawien gingen
nicht nur Fußballexperten von einem weiteren
klaren Sieg der Gastgeber aus. Aber es kam dann
ganz anders. Um einzelne Spieler zu schonen,
schickten die Brasilianer gleich vier
Reservisten aufs Feld. Später wurde ihnen das
als Überheblichkeit ausgelegt. Ein erster
kleiner Dämpfer für den klaren Turnierfavoriten.
Der zweite viel schlimmere Rückschlag sollte
aber gut zwei Wochen später vor rund 200.000
entsetzten Zuschauern im neu erbauten
Maracana-Stadion gegen Uruguay noch folgen. Aber
bleiben wir zunächst beim Spiel gegen die
Schweiz. Deren großartiger Stürmer Jacques
Fatton brachte es tatsächlich fertig, zweimal
die Führung der hoch favorisierten Hausherren
auszugleichen. Das renommierte Schweizer
Fußballmagazin „Zwölf“ ließ vor einigen Jahren
insgesamt 25 Experten die 100 größten Schweizer
Spiele wählen, die dann in der Ausgabe Nr. 25 im
Juli 2011 veröffentlicht wurden. Das besagte
WM-Spiel kam wenig überraschend unter die
Top-10. Im weltweiten Netz findet man dazu
folgenden Kommentar des Schweizer Fußballfans
Cyprian Völker: „Ich finde, das Uruguay-Spiel
(Anmerkung: Damit ist das bereits oben genannte
„Quasi-Endspiel“ gemeint) war nur die
zweitgrößte Sensation. Die Schweiz hat den
Brasilianern zu Hause ein 2:2 abgetrotzt,
während Spanien (1:6) und Schweden (1:7)
förmlich untergingen – Respekt!“ Dieser
Auffassung kann man sich wirklich nur
anschließen.
Zum
Abschluss soll der eigentlich Matchwinner des
Spiels, das in Wahrheit natürlich keinen Sieger
hatte, kurz gewürdigt werden. Der oben schon
erwähnte Jacques „Jacky“ Fatton (2025-2011) gilt
bis heute als einer der besten Stürmer seines
Landes. In 53 Einsätzen für die Eidgenossen
erzielte er 29 Treffer und nahm an zwei
Weltmeisterschaften (1950 und 1954) teil. Die
meiste Zeit seiner Karriere spielte er in seiner
Heimat für Servette Genf, mit denen er unter
anderem vier Meisterschaften und einen Pokalsieg
feiern konnte. Dreimal wurde er Torschützenkönig
in der Nationalliga A. Seine Trefferquote im
Jahre der WM 1950 in Brasilien: 32 Tore in 31
Spielen. Als 36-Jähriger erzielte er in der
Saison1961/62 bei seinem vierten
Meisterschaftsgewinn in 17 Spielen 25 Tore.
Fatton war ein sehr torgefährlicher
Flügelstürmer. Der nur 1,66 Meter große
Linksaußen verfügte über einen harten und
präzisen Schuss. Reaktionsschnell brachte er
sich in aussichtsreiche Schusspositionen und
konnte durch seine gute athletische Verfassung
auch noch in den letzten Spielminuten
entscheidende Tore erzielen. Bei der WM 1954 vor
eigenem Publikum bestritt er alle vier Spiele
der Eidgenossen. Damit war er auch in der
legendären „Hitzeschlacht“ am 26. Juni im
Lausanner Stade de la Pontaise im
Viertelfinalspiel gegen Österreich im Einsatz
gewesen. Nach einer 3:0-Führung nach 19 Minuten
verlor das Team von Trainer Karl Rappan die
Begegnung noch dramatisch mit 5:7 Toren! Karl
Rappan bezeichnete Jacques Fatton als den besten
Linksaußen, den es je in der Schweizer
Nationalmannschaft gegeben habe. Nach der WM
1954 wechselte Fatton für drei Jahre zu
Olympique Lyon. Fatton steuerte in 83 Spielen 33
Tore für den Club aus dem Département Rhône bei.
Besseres als ein 8. Platz in der Division 1
sprang angesichts der starken Konkurrenten Stade
de Reims, OGC Nizza und AS Saint-Étienne aber
nicht heraus. Insgesamt brachte es Fatton von
1943 bis 1963 in 440 Erstligaspielen auf 307
Tore. Respekt!
Aufgrund
des bereits erwähnten Patzers im ersten Spiel
gegen Jugoslawien nützte den wackeren
Eidgenossen auch ein abschließender Sieg in der
Gruppenphase gegen Mexiko (2:1) nichts mehr,
weil damals nur der Gruppensieger in die zweite
Finalrunde der besten vier Teams einziehen
durfte. Das waren bekanntlich die Brasilianer,
die fortan völlig erwartet mit zwei fulminanten
Siegen (7:1 gegen Schweden und 6:1 gegen
Spanien) bis zur alles entscheidenden WM-Partie
durchmarschierten, dort dann aber nach dem 1:2
gegen ihren ungeliebten Nachbarn Uruguay völlig
unerwartet wie geprügelte Hunde vom Platz des
Maracana schlichen.
Zwölf
Spiele von Freitagvormittag bis Sonntagabend - kann man das alles
komplett weggucken? Ja, kann man. Aber man kann auch selber kicken
gehen und nachmittags Vanillekipferl und Spekulatius mit der Familie
essen. Es gibt tatsächlich ein Leben außerhalb des Fußballs und daher
diesmal auch nur Kurzkommentare zu den Spielen.
Wales-Iran: Klägliche Vorstellung der Männer von der
Insel. Über 90 Minuten fragte sich Bruno Moravetz: "Wo ist Bale, ey?".
Die Suche blieb erfolglos. Und die Iraner gewannen verdient durch
extrem späte Tore (99. und 101. Minute).
Katar-Senegal: Die Gastgeber schossen das erste Tor
ihrer WM-Geschichte - und wohl auch für lange Zeit das letzte. Die
Senegalesen bestätigten ihre gute Form aus dem unglücklich gelaufenen
ersten Spiel gegen Holland. Ich hoffe, sie schaffen es in die
Hauptrunde - Aliou Cissé ist einfach der coolste Typ auf der
Trainerbank!
Niederlande-Ecuador: Starke Geste der Holländer, wegen
des Orange Day (Internationaler Tag gegen Gewalt gegen Frauen), extra
in Oranje aufzulaufen! Aber das frühe 1:0 für die Niederlande war ein
Weckruf für die Südamerikaner, die trotz 14:2 Torschüssen nur einen
Treffer zustande brachten. Am Ende waren die Holländer mit dem
Unentschieden sehr gut bedient.
England-USA: Die US-Boys entzauberten den
Vize-Europameister. Das 6:2 im Auftaktspiel der Limies war wohl doch
kein Maßstab. Am Ende stand leider ein nur mageres Pünktchen für die
Amis, denen ein Knipser im Strafraum fehlt. Sonst hätten sie gewonnen.
Wo war das Umschaltspiel der Engländer, wo der viel gerühmte wuchtige
Sturm? Glück gehabt!
Tunesien-Australien: WM-Fußball zweiter Klasse. Ein
Kopfballtor reichte für den Sieg. Ansonsten wenig Lärm um nichts.
Polen-Saudi-Arabien: Man kann nicht alles gucken. Und
ein 7:5 auf der Hebbelwiese ist allemal interessanter als ein
Mittelklasseduell bei der Wüsten-WM. Mit Szczeszny im Tor stand bei
den Polen hinten die Null, trotz vieler guter Chancen (inkl. Elfmeter)
der Saudis. Und dann machte Lewandowski doch noch sein allererstes
WM-Tor. Nach diesem Sieg gibt es für die Polen mit etwas Glück das
Achtelfinale. Mehr aber sicher nicht. Nach dem Hebbelkick gab es
leckeren Punsch. Das war diesmal wohl die bessere Wahl.
Frankreich-Dänemark: Verdienter Sieg des
Titelverteidigers gegen wahrlich nicht schwache Dänen. Aber dieser
Mbappé ist einfach eine Waffe! Tempo und Spitzentechnik - die
Franzosen haben genau das, was dem deutschen Team fehlt. Wenn sich die
schnellen Außen nicht verletzen, ist Frankreich ein heißer Tipp für
den Titel.
Argentinien-Mexiko: Ein Arbeitssieg für die Gauchos,
denen in Halbzeit 1 wenig gelang. Nach dem Wechsel ließ sich Mexiko
hinten reindrängen - leider keine gute Idee. Wer Messi 22 m vor dem
eigenen Tor frei rumstehen lässt, wird konsequent mit dem 0:1
bestraft. Und wenn man dann immer noch nicht aktiv wird, bleibt dem
Gegner noch Zeit für ein Bilderbuchtor zum 2:0. Argentinien hat sich
zurück ins Turnier gekämpft.
Japan-Costa Rica: Warum fasziniert uns Fußball? Weil wir
nicht wissen, wie das Spiel ausgeht! Das unterscheidet den Fußball vom
Handball oder Basketball, wo eigentlich immer die bessere Mannschaft
gewinnt. Nicht so in diesem Spiel, in dem Japan die Partie dominierte,
aber den Ball nicht im Kasten unterbringen konnte. Die Ticos trafen
mit ihrem bisher einzigen Schuß aufs Tor bei dieser WM zum 1:0 und
gewannen. Solche Geschichten schreibt nur der Fußball!
Belgien-Marokko: Die Zeit der "Goldenen Generation" der
Belgier ist vorbei. Zu langsam und fehlerhaft war ihr Aufbauspiel. Die
Ü30-Generation sollte das Feld den Jüngeren überlassen, dann ist in
4-6 Jahren wieder mit den Roten Teufeln zu rechnen. Die Marokkaner
sind schnell, hungrig und heiß auf das Achtelfinale. Und, ganz
nebenbei: Nach 5 vergeblichen WM-Bewerbungen der Marokkaner
hintereinander gehört das Weltturnier endlich mal nach Nordafrika!
Kroatien-Kanada: Engagierter Start der Kanadier mit dem
bisher schnellsten Tor der WM, dann übernahmen die Kroaten die
Kontrolle und drehten ganz abgezockt das Spiel noch vor der Pause. Der
Rest war eine Mischung aus Technik und Routine. Man wundert sich immer
wieder, wie so ein kleines Land so eine gute Mannschaft hervorbringen
kann. Die Balkankicker werden wieder ein unangenehmer Gegner sein,
gegen wen auch immer. Und für die Kanadier bleibt das Lob eines sehr
engagierten und tapferen Auftritts. In 4 Jahren bei der Teil-Heim-WM
kann dieses dann deutlich reifere Team für eine Überraschung sorgen.
Spanien-Deutschland: Haben wohl alle selber geguckt. Ein
verbesserter Auftritt des deutschen Teams, das diesmal durch die
Auswechslungen nicht irritiert, sondern neu und besser ausgerichtet
wurde. Am Ende hatten die Spanier offenbar gehörigen Respekt vor dem
vierfachen Weltmeister, das spielte dem deutschen Team in die Karten.
Wenn alles normal läuft, reicht ein 2:0 gegen Costa Rica zu Platz 2 in
der Gruppe. Wenn das nicht geschafft wird, hat man im Achtelfinale
auch nichts verloren. Aber was ist schon normal bei einer WM im
Wüstensand in der Adventszeit?
Im Tippspiel hatte Michaela, eine Tippspielveteranin
seit 2006, sich übers Wochenende einen 7 Punkte-Vorsprung erarbeitet,
doch davon sind nur 2 Pünktchen übrig geblieben, denn Henning bleibt
hartnäckig und hatte zum Wochenendfinale beim 1:1 die richtige Nase.
Im Kampf um die Rote Laterne geht es sogar noch enger zu. Montagabend
ist Halbzeit im Tippspiel, auch wenn es natürlich noch jede Menge
Zusatzpunkte zu gewinnen gibt. Und denkt bitte daran, dass direkt nach
Ende der Vorrunde die Achtelfinaltipps abgegeben werden müssen!
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei
der FIFA gekauften internationalen
Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen
Wüstenstaat stattfindet, steht am 27. November
2022 die Partie
Deutschland
vs. Spanien
auf
dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist
allerdings eine
Rückschau auf die Begegnung
beider Teams am 20. Juli 1966,
die damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde
stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 4)
Begegnungen
zwischen deutschen und spanischen
Nationalmannschaften zählen seit vielen Jahren zu
den Klassikern im internationalen Fußball. Wer
erinnert sich nicht an die Endspiele bei der EM 2008
und der WM 2010, die dann leider beide nicht ganz zu
Gunsten unserer Teams ausgingen. Aber manchmal
mussten bei großen Turnieren bisweilen eben auch die
stolzen Iberer mal den Kürzeren ziehen. Aus
gegebenem Anlass dieser unerklärlichen
Fußballveranstaltung warten im zweiten Spiel der
Gruppenphase nun wieder einmal unsere Kicker auf die
Spanier. Gerne denken wir an eine besondere
Begegnung beider Mannschaften zurück, die am 20.
Juli 1966 im traditionsreichen Villa-Park in
Birmingham anlässlich der WM-Endrunde in England
stattfand. Auf seiner Homepage dokumentiert der
Deutsche Fußball-Bund in einer Serie alle Spiele
deutscher Nationalmannschaften seit 1934. Sie
enthält die obligatorischen Daten und Fakten, eine
kurze Übersicht zur jeweiligen Ausgangslage und den
Spielbericht. Darüber hinaus finden sich in der
Rubrik „Stimmen zum Spiel" Zitate von Zeitzeugen und
aus der Presse. Das hochdramatische dritte
Gruppenspiel gegen Spanien wurde unter die passende
Überschrift „WM 1966: Emmerichs Traumtor gegen
Spanien“ gestellt. Es geht in dem nachfolgenden
Bericht um „Emma“, ausnahmsweise keine kreischende
Möve, um eine „linke Klebe“, um ein unmögliches Tor
aus unmöglichem Winkel und um den Fluch der guten
Tat, den der damalige Bundestrainer Helmut Schön
nach dem Spiel auf sich zukommen sah. Das hing vor
allem auch mit der Tatsache zusammen, dass zum
Zeitpunkt der WM 1966 Einwechslungen von Spielern
während der laufenden Partie noch nicht möglich
waren – auch nicht im Falle von Verletzungen. Das
bedeutete dann zwangsläufig: Wer zu Beginn aufläuft,
der bleibt unabhängig von seiner Leistung bis zum
Ende auf dem Platz.
Vor
dem Spiel: Die Personallage, das unbefriedigende
Spiel (Anmerkung: Hiermit ist das zweite
WM-Gruppenspiel gegen Argentinien gemeint, das 0:0
endete) und die Situation in der Gruppe erforderten
Veränderungen. Der stets an sich zweifelnde Overath
rechnete mit seiner Verbannung, doch Co-Trainer
Dettmar Cramer beruhigte ihn schon am Vortag: „Dein
Platz ist dir sicher!" In anderen Fragen fiel die
Entscheidung noch später. Schön schlug sich damit
laut Cramer „zwei Tage und zwei Nächte" herum, dann
entschied er am Morgen des Spiels, zwei Neue zu
bringen: Werner Krämer aus Duisburg ersetzte Albert
Brülls und die Herausnahme des darüber stark
verärgerten Helmut Haller (Schön versprach ihm, es
sei „kein Abschied für immer") sorgte für Umbauten
im Mittelfeld. Seeler wurde zurückgezogen, agierte
als Halbstürmer, „Siggi“ Held rückte von Linksaußen
auf den Mittelstürmerposten und machte Platz für
Lothar Emmerich. Der gab sein WM-Debüt, sehr zur
Freude der „Bild“-Zeitung („Jetzt muss Emma ran!").
Nur Sepp Herberger blieb skeptisch: „Wenn der ein
Tor schießt, kriegt ihr ihn nicht mehr raus aus der
Mannschaft!" Mancher hielt ihn noch für taktisch
unreif.
Damit
bildeten die Dortmunder Shootingstars der Saison
1965/1966 (Europapokalsieger) nun auch im DFB-Team
ein Sturmgespann. Für Emmerich war es erst das
zweite Länderspiel. Es hatte sich im Training
angedeutet, als Schön im Spiel A gegen B Haller und
Emmerich jeweils eine Halbzeit im A-Team spielen
lässt. Deutschland genügte ein Punkt zum
Weiterkommen, Spanien musste gewinnen. Trainer
Villalonga brachte gleich fünf Neue, ließ sogar
seine Stars Suarez, Pirri und Kapitän Gento
überraschend draußen. Auf der Fahrt zum Spiel
verunfallte der Bus mit den deutschen Spielerfrauen,
auch einige Funktionäre, Reporter, Fans und
Herberger waren an Bord. Die meisten kamen mit dem
Schrecken und leichten Schürfwunden davon. Nur den
Fahrer und DFB-Vertreter Alf Riemke
(Oberschenkelbruch) erwischte es bei dem
Zusammenprall mit einem LKW schwerer. Riemke blieb
noch zwei Wochen über das WM-Ende hinaus im
Krankenhaus.
Spielbericht:
Wieder spielt Deutschland in Birmingham, diesmal
aber in den traditionellen schwarzen Hosen. Die ARD
überträgt das Abendspiel (Anpfiff: 19.30 Uhr), Rudi
Michel kommentiert an diesem Mittwoch. Die Heimat
sieht die bis dahin schwächste deutsche Halbzeit und
eine absolut verdiente spanische Führung, die einer
der Neuen erzielt: Fusté darf ein Amancio-Zuspiel im
Strafraum mit der Brust annehmen und an Tilkowski
vorbei schlenzen. Vergebens hofft Michel noch:
„Abseits, oder?" Nein. Erstmals in England liegt die
deutsche Mannschaft zurück. Drei Minuten zuvor hat
Beckenbauer die erste deutsche Chance vergeben, die
zweite vergibt Held als direkte Antwort auf das 0:1
knapp. Dann ein Kopfball von Seeler, „den wir alle
schon im Netz sehen" („Sport Magazin“), aber Iribar
kommt noch dran (31.). Zwei Minuten später kommt er
nicht mehr dran, wie kann er auch mit dem Geschoss
rechnen, das Lothar Emmerich auf einen Schlag
berühmt macht? Nach Helds Einwurf in den Strafraum
lässt „Emma" den Ball noch einmal aufspringen und
drischt ihn dann Zentimeter von der Seitenauslinie
mit dem Außenspann aus etwa sieben Metern an Iribars
Kopf vorbei unter die Latte. Das erinnert an Rahn.
In Overaths Biographie „Ja, mein Temperament" liest
sich das so: „Ja, und dann kam das sagenhafte Tor
von Lothar Emmerich, ein Tor, das nur „Emma“
schießen kann. Aus einem unmöglichen Winkel, fast
auf der Torauslinie stehend, knallte er auf den
Kasten. Und zur großen Verwunderung unserer Spieler
und zum großen Entsetzen der Spanier zappelte das
Leder im Netz."
Schön
schrieb in seinen Memoiren: „Wenn ich rückblickend
an „Emmas“ sensationelles Tor denke, wäre es mir
lieber gewesen, ein anderer hätte es geschossen. Von
nun an war ich, insgeheim, auf Emmerich festgelegt
und musste ihn auch im Endspiel bringen – wo er dann
weitgehend ausfiel." In Birmingham aber geht dank
„Emma“ ein Ruck durch die Mannschaft, endlich laufen
die Kombinationen. Zuversicht gewinnt die Oberhand
über die Angst vor dem Versagen. Noch vor der Pause
hat Beckenbauer das 2:1 auf dem Fuß, trifft aber nur
Iribar. Nach Wiederanpfiff dringt Seeler in den
Strafraum ein, Gallego legt ihn. Für deutsche
Beobachter ein „klarer Elfmeter“, für den
Brasilianer an der Pfeife, Herrn Marques, nicht.
Auch nicht, als Sanchis Emmerich legt. Das Spiel
wogt hin und her, noch hat sich keiner den Sieg
verdient. Nach einer Stunde rettet Höttges
spektakulär für Tilkowski, erst gegen Amancio, dann
gegen Marcelino. Dafür bezahlt er mit einer Zerrung,
drei Minuten wird der Bremer behandelt, dann kehrt
er bandagiert zurück. „Unsere Abwehr hat pausenlos
zu tun, es gibt keine Verschnaufpause“,
protokolliert das „Sport-Magazin“. Einen der wenigen
Entlastungsangriffe in dieser Phase vertändelt
Krämer, der seine Aufstellung nicht rechtfertigen
kann. Beckenbauer schießt aus 20 Metern weit
daneben, aber immerhin schießt er mal – im Gegensatz
zum Argentinien-Spiel. Fast gelingt Emmerich sein
zweites Tor, Iribar hat etwas dagegen (74.). Dann
endlich die Entscheidung. Sie fällt über den linken
Flügel, auf den Held einfach mal ausgewichen ist.
Seine flache Flanke drückt Seeler aus fünf Metern
ein, er kann sich den Ball sogar noch zurechtlegen.
Es ist der Sieg, den Krämer noch ausbauen kann, aber
er kommt nicht an Emmerichs Flanke heran. Das Tor
wäre leer gewesen. Noch einmal scheitert Seeler an
Iribar, dann ist es vorbei und 5.000
Schlachtenbummler besingen wieder mal den
wunderschönen Tag, „so schön wie heute". Als
Gruppensieger zieht Deutschland ins Viertelfinale
ein und entgeht so Gastgeber England, mit dem es nun
die Argentinier zu tun bekommen. Es folgen einige
Stimmen zum Spiel.
Helmut
Schön (Mann mit der Mütze): „Ich kann meine
Mannschaft nur loben. Sie hat großartig gekämpft.
Emmerichs Tor hat unsere Mannschaft mächtig
aufgerüttelt, so dass der Sieg wohl auf Grund der
zweiten Halbzeit verdient war. Ein Kompliment den
Spaniern, die wohl ihr bestes Spiel in England
lieferten. Die 90 Minuten haben für uns, die wir auf
der Bank saßen, Nerven gekostet.“
Lothar
Emmerich (Linksfuß und Ruhrpottintellektueller):
„Ich habe nicht einfach losgeknallt, sondern
blitzschnell die Lage gepeilt und instinktiv, und
zum Glück den Ball voll treffend, den richtigen
Winkel erwischt. Ich habe den Ball dann gar nicht
mehr gesehen und erst der Jubel verriet mir, dass es
ein Tor war." Sigfried
„Siggi“ Held (Dauerläufer und Flankenkönig): „Ich
freue mich über „Emmas“ herrliches Tor. Es gab ihm
so viel Selbstvertrauen, dass er beinahe noch ein
zweites und drittes geschossen hätte und sogar
geschickt mitkombinierte.“
Willi
Schulz (Ausputzer und Abwehrstratege): „Wir wohnen
viel zu schön, als dass einer von uns Lust hätte,
nach drei Spielen schon nach Hause zu fahren!" Helmut
Haller (Edeltechniker und Italienlegionär): „Einer
kann nur spielen, wenn zwei für den gleichen Posten
da sind. Ich freue mich genauso, als wenn ich
mitgespielt hätte.“ „Wenn
auch die spielerischen Mittel nicht ausreichten, um
die Spanier in die Knie zu zwingen, so wurden sie
doch mit letztem Einsatz niedergekämpft. Es war
unwahrscheinlich, wie sich unsere Elf in
kämpferischer Hinsicht zu steigern wusste"
(„Sport-Magazin“)
„Der
Jubel ist groß. In der Tat, man kann stolz auf die
Mannschaft sein…Die frischen, ehrgeizigen Spanier
entfesselten jedoch ungeahnte Kräfte. Ihnen zu
widerstehen, das bedurfte der ganzen Konzentration
der deutschen Abwehrkräfte. Oft genug sah es
verdammt brenzlig in Tilkowskis näherer Umgebung
aus." („Süddeutsche Zeitung“) „Der
Villa-Park krachte nur so mit Applaus von der ersten
bis zur letzten Minute. Das Spiel war ein reich
verdienter Triumph für Deutschland, ein Kredit für
Spanien und ein totaler Sieg für das Fußballspiel."
(„Daily Telegraph“ / England)
Den
Spaniern wurde mit dieser Niederlage turniermäßig
endgültig der Stecker gezogen, da nützte auch der
vorherige Sieg gegen die Schweiz (2:1) nichts mehr,
weil man bereits im ersten Spiel gegen Argentinien
(1:2) das Nachsehen hatte. Uns‘ Uwe & Co.
überzeugten dagegen auch in der Folge mit
großartigen Leistungen (4:0 im Viertelfinale gegen
Uruguay und 2:1 im Halbfinale gegen die UdSSR),
zogen verdient ins WM-Finale ein und scheiterten
letztlich nur an einem schnauzbärtigen Linienrichter
aus der Sowjetunion, dem vermutlich der vorherige
Sieg der Deutschen gegen seine Landsleute nicht so
recht schmeckte.
Noch
ein kurzer Nachtrag zur bemerkenswertesten Szene des
Spiels: In seinem Buch „Lexikon der Fußballmythen“
führte der Sportjournalist Christian Eichler unter
der Rubrik „Tore“ tatsächlich eine eigene
Unterkategorie mit der Bezeichnung „Emmerich-Tor“
ein, das wie folgt beschrieben wurde. „Der
spitzwinklige Treffer ist immer spektakulär
anzuschauen, kann sich aber nie ganz vom Verdacht
des Zufallstreffers befreien. Wollte der Schütze
wirklich auf den Kasten zielen? Oder ist ihm nur
eine Flanke ins Tor missglückt? Ein wuchtiger,
leicht über den Außenspann abgerollter Schuss, der
sich fast von der Torauslinie ins Tor hineindreht,
vorbei an einem verdutzten Torwart – so etwas nennt
man Emmerich-Tor, seit der gleichnamige Stürmer bei
der WM 1966 im Gruppenspiel gegen Spanien auf diese
Weise an Iribar vorbei traf. Wer immer ihn trotz
minimaler statistischer Chance nachzuahmen versucht,
kann sich der Beschwerden der Mannschaftskollegen
sicher sein, warum er nicht abgegeben hat. Ein noch
besseres Emmerich-Tor als Emmerich schoss Marco van
Basten im EM-Finale 1988 – nicht nur spitzwinklig,
auch noch volley.“
Kurze
Fakten zum Spiel Deutschland – Spanien 2:1 (1:1) Anlass:
WM-Endrunde in England / Gruppenphase; Datum:
20.07.1966; Spielort: Villa-Park in Birmingham;
Zuschauer: 45.187; Torschützen: 0:1 Fusté (23.
Min.), 1:1 Emmerich (39. Min.), 2:1 Seeler (83.
Min.); Aufstellung Deutschland: Tilkowski – Höttges,
Schulz, Weber, Schnellinger – Beckenbauer, Overath –
Krämer, Held, Seeler, Emmerich
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA
gekauften internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter
skandalösen Umständen diesmal während der Adventszeit in einem
kleinen, aber überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat
stattfindet, steht am 26. November 2022 die Partie
Frankreich
vs. Dänemark
auf
dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine
Rückschau
auf die Begegnung beider Teams am 11. Juni 2002,
die
damals im Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand (Skandalwüstenadvents-WM
2022
– Folge 3)
Die Bürde eines
amtierenden Titelträgers lastet manchmal doch viel schwerer als
erwartet auf einer Mannschaft. Diese bittere Erfahrung musste der
französische Welt- und Europameister bei der von Japan und Südkorea
im Jahre 2002 gemeinschaftlich ausgerichteten Fußball-WM machen.
Allerdings erwies sich die Auslosung in die Vorrundengruppe A im
Nachherein gesehen als keinesfalls so optimal, wie zunächst gedacht,
denn die Gegner hießen Senegal, Uruguay und Dänemark. Bereits im
Eröffnungsspiel der WM wurden die Franzosen beim 0:1 von den starken
Westafrikanern ziemlich kalt erwischt. Auch im zweiten Spiel gegen
den zweifachen Weltmeister aus Südamerika blieb der erhoffte
Befreiungsschlag aus, denn die frühe rote Karte gegen Thierry Henry
in der 25. Minute machte den Franzosen einen bösen Strich durch die
Rechnung und man musste sich letztlich mit einem 0:0 zufriedengeben.
Doch mit einem Sieg im dritten Gruppenspiel gegen Dänemark hätte man
den Einzug ins Achtelfinale noch aus eigner Kraft schaffen können. Das war die
Ausgangssituation an diesem denkwürdigen 11. Juni 2002. Die
Franzosen konnten trotz der Rotsperre von Stürmerstar Henry mit
Barthez, Thuram, Desailly, Lizarazu, Makelele, Vieira, Zidane und
Trezeguet immerhin noch acht absolute Weltklassespieler aufbieten,
während die Dänen von ihrem individuellen Leistungsvermögen her doch
eher nur gehobenes internationales Mittelmaß darstellten. Aber ihre
Stärke war die mannschaftliche Geschlossenheit, mit deren Hilfe man
zuvor die „Urus“ doch etwas überraschend 2:1 schlagen konnte und den
gefährlichen Senegalesen anschließend immerhin ein 1:1 abtrotzte.
Sinnbild der dänischen Kampfkraft und einer überragenden
Defensivarbeit war vielleicht der später auch in der Bundesliga
aktive bullige Mittelfeldspieler Stig Tøfting. Trotzdem setzte vor
dem Spiel kaum jemand einen Pfifferling auf „Danish Dynamite“. Aber
es kommt dann manchmal doch ganz anders. Gerne blicken wir daher aus
gegebenem Anlass auf diese Begegnung, die auch jetzt bei dieser
unsäglichen Fußballveranstaltung wieder im Fokus der Öffentlichkeit
stehen wird. Unter der Überschrift „Aus für den Weltmeister!“
analysierte das Fußballmagazin „Kicker“ auf seiner Homepage
nachfolgend relativ nüchtern die damalige Partie und deren
Auswirkungen für das weitere Turnier. Nach der 0:2-Niederlage
im letzten Gruppenspiel gegen Dänemark muss sich Noch-Weltmeister
Frankreich bereits in der Vorrunde aus dem Turnier verabschieden.
Dabei blieben die Franzosen in drei Spielen sieglos und erzielten
kein einziges Tor. Beide Trainer nahmen vor dem entscheidenden Duell
um den Einzug ins Achtelfinale mehrere Veränderungen in ihren Teams
vor. Roger Lemerre, Coach des aktuellen Welt- und Europameisters,
musste gegenüber dem 0:0 gegen Uruguay auf den angeschlagenen
Leboeuf sowie die gesperrten Henry und Petit verzichten. Für den
Verteidiger von Olympique Marseille rückte Candela in die
Vierer-Abwehr-Kette, Henry wurde von Dugarry und Petit von Makelele
ersetzt. Dagegen konnte erstmals Superstar Zinedine Zidane nach
auskuriertem Muskelfaserriss in das Turnier eingreifen. Für ihn
musste Micoud weichen. Bei den Dänen brachte Trainer Morten Olsen
nach dem 1:1 gegen Senegal drei neue Akteure. Als „Leibwächter“ für
Zidane spielte Poulsen von Beginn an, Stürmer Sand blieb draußen.
Weiterhin kam Niclas Jensen für den zuletzt formschwachen Heintze
und Jørgensen für Grønkjaer. Den Franzosen half am
Ende weder eine hohe Ballbesitzquote noch ein deutliches Plus sowohl
bei den Torchancen (8:4) als auch bei den Eckbällen (6:0). Den
„Todesstoß“ der Dänen besorgten Rommedahl und Tomasson mit ihren
Toren in der 22. und der 67. Minute. Die rund 48.000 Zuschauer sahen
am Ende eine völlig entnervte französische Mannschaft, die gegen die
stark defensiv eingestellten Dänen ihre Chancen einfach nicht
verwerten konnte. Die Dänen hingegen nutzten ihre wenigen
Möglichkeiten eiskalt aus und standen damit wie Senegal verdient im
Achtelfinale. Die erste wirkliche Sensation der WM war damit perfekt
– ein absolutes Fiasko für die Stars aus Frankreich um Zinedine
Zidane. Es folgen die Stimmen der beiden Trainer. Morten Olsen: „Die
Gruppe war schwer. Aber wir sind mit viel Selbstvertrauen ins Spiel
gegangen, haben Disziplin bewiesen und einen guten Tag erwischt. Der
Einsatz von Zinedine Zidane hat sich für die Franzosen zunächst als
Stimulanz erwiesen, aber wir haben ihn gut gedeckt. Gegen Frankreich
kann man nur gewinnen, wenn alle Spieler mit verteidigen. Im Angriff
haben wir zudem gut kombiniert.“ Roger Lemerre: „Man kann
nur sagen, wie es ist: Wir waren nicht auf der Höhe und hätten die
Qualifikation für das Achtelfinale nicht verdient gehabt. Schon am
ersten Tag waren wir nicht präsent und hatten von Beginn an
Schwierigkeiten. Wir werden jetzt mit jungen Spielern weiterarbeiten
und werden uns verbessern.“ Die Dänen haben dann
anschließend offensichtlich ein paar Flaschen zu viel von diesem
komischen japanischen Reisschnaps in der Hotelbar kreisen lassen.
Anders lässt sich die klare 0:3-Klatsche im fünf Tage später
stattfindenden Achtelfinalspiel gegen England kaum erklären. Aber
auch diese Tatsache dürfte für den frustrierten Welt- und
Europameister aus Frankreich kein großer Trost gewesen sein. Kurze Fakten zum Spiel
Dänemark – Frankreich 2:0 (1:0) Anlass: WM-Endrunde in
Japan und Südkorea / Gruppenphase; Datum: 11.06.2002; Spielort:
Incheon-Munhak-Stadion in Incheon; Zuschauer: 48.100; Torschützen:
1:0 Rommedahl (22. Min.), 2:0 Tomasson (67. Min.)
Zum Abschluss der ersten Spielrunde
gab es wieder das inzwischen leider übliche und wenig aufregende 0:0,
diesmal zwischen Uruguay und Südkorea. Und es gab drei Spiele, in
denen die 2. Halbzeit mal nicht ein müdes Auslaufen, sondern eine
deutliche Steigerung bot. Los ging es schon morgens mit dem 1:0-Sieg
der Schweiz gegen Kamerun. Die Afrikaner hatten in der 1. Hälfte
einige Dreiviertelchancen, aber nach der Pause drehten die Eidgenossen
auf und nutzten die angebotenen Räume. Im holländischen TV wurde es
schon zur Halbzeit gezeigt: Kamerun deckte extrem luftig und ließ die
Schweizer unverständlicherweise oft völlig frei agieren, das sah
mitunter aus wie Fußball in den 70ern, keiner griff den Gegner
wirklich an. Höhepunkt: Das 1:0 durch Embolo, der 6 Meter mitten vor
dem gegnerischen Tor mutterseelenallein frei einschießen konnte.
Später hatte Vargas in gleicher Situation das 2:0 auf dem Fuß,
scheiterte jedoch an Torwart Onana. Insgesamt keine überragende, aber
eine gute Leistung der Schweizer, während Kamerun viel zu wenig bot.
Nachmittags mühte sich Portugal gegen Ghana lange ohne Erfolg ab. Man
merkt Ronaldo inzwischen an, dass er keine 27 mehr ist. Wo er früher
im Eins gegen Eins den Gegner vernaschte, bleibt er jetzt allzu oft
hängen und der Ball ist weg. Und die langen Sprints schenkt er sich
nun auch, denn die machen nur müde. Auch sein früher überragendes
Kopfballspiel kommt nicht mehr zur Geltung. Ein alter weißer Mann auf
dem Fußballfeld. Aber Elfmetergeschenke nimmt er noch immer gerne an
und verwandelt eiskalt oben links im Winkel, so geschehen nach einer
guten Stunde. Das war dann der Auftakt zur vielleicht aufregendsten
halben Stunde dieser WM. Plötzlich spielten die vorher eher biederen
Ghanaer mit, schossen auf einmal auch aufs gegnerische Tor und
schließlich sogar den Ausgleich, kassierten prompt zwei weitere
Gegentore, blieben aber dran, erzielten das 2:3 und hätten in einer
verrückten Szene in der 98. Minute fast noch den Ausgleich gemacht.
Ein wildes Hin und Her mit am Ende glücklichen Sportugiesen.
Wer abends vom Topfavoriten unserer Tipprunde ein Feuerwerk von
Spielfreude, Tricks und Tempo erwartet hatte, wurde zunächst
enttäuscht. Die Brasilianer hätten wohl schon gerne gewollt, aber da
war leider noch ein Gegner. Die Serben stellten sich nicht nur hinten
rein, sondern spielten fleißig mit. Technisch gut, einsatzfreudig bis
zur Schmerzgrenz des Gegners und taktisch offenbar genau richtig
eingestellt, ließen sie vor allem in der 1. Hälfte kaum was zu.
Besonders Neymar wurde da der Spaß am Spiel verdorben, seine beste
Aktion war der Versuch einer direkt verwandelten Ecke. Okay, auch die
Balkankicker hatten nur eine gute Torchance, als Zivkovic, in der
dritten Generation Namenspatron eines qualitativ herausragenden
Kräuterschnapses, den wir damals in unserem Urlaub an der serbischen
Adriaküste in dieser netten kleinen Strandbar so gern getrunken haben
und den langjährige Teilnehmer*innen des Tippspiels aus unseren
Protokollen des alljährlichen Kieler Woche-Rundgangs kennen, eine
Kopfballchance leider nicht verwerten konnte (Hach, was für ein
schöner langer Satz! Und korrekt beendet! :-). In der 2. Hälfte konnte
Brasilien dann den Druck erhöhen, spielte breiter und öffnete damit
mehr Räume, versuchte aber auch, schneller in die Tiefen der
serbischen Abwehr vorzustoßen. Und das gelang dann auch. Seinem
Abstauber-1:0 nach schöner Dribbling-Vorbereitung durch Neymar ließ
Richarlison dann mit einem wunderbaren Seitfallzieher das 2:0 folgen -
das bisher schönste Tor der WM. Es gab insgesamt eine Fülle guter
Chancen, auch einen Lattentreffer noch. Und hinten standen die
Gelbgrünen enorm sicher. Brasilien brauchte eine Halbzeit zum
Warmwerden gegen wirklich nicht schlechte Serben, aber seit dem
Wiederanpfiiff waren sie drin in diesem Turnier, da machte das Zusehen
richtig Spaß. Willkommen, wir lieben solche Spektakel!
So, und jetzt haben wir sie alle gesehen, die Topfavoriten, die
Mitfavoriten, die üblichen Verdächtigen und das vermeintliche
Fallobst. Wer konnte überzeugen? Mit Sicherheit Spanien, England und
Brasilien, mit einigen Abstrichen auch Frankreich. Portugal, Belgien
und die Niederlande gewannen ihre Auftaktspiele, sind in dieser Form
aber noch keine Kandidaten fürs Halbfinale. Und wer hat richtig
enttäuscht? Vor allem Argentinien und Deutschland, denen ihre
1:0-Führungen keine Sicherheit gaben und die beide noch verloren.
Jetzt wird es richtig schwer, wobei die Gauchos gegen Mexiko und Polen
sicher bessere Chancen haben als Deutschland gegen Spanien. Es wird
spannend, auch für die Überraschungsteams aus Japan und Saudi-Arabien,
die ihre Leistungen aus den Auftaktspielen gegen vermeintlich
leichtere Gegner bestätigen müssen. Und wer fehlt? Italien. Niemand
singt so inbrünstig die Nationalhymne wie die Azzuri. Irgendwie doch
schade, dass sie sich für einen WM-Boykott entschieden haben.
Im Tippspiel wechselten die Positionen ganz oben und ganz unten fast
von Spiel zu Spiel. Auch hier gibt es noch keine klaren Favoriten. Und
es folgt ein Wochenende mit 12 Spielen, in denen sich noch alles
komplett drehen kann.
Aus
gegebenem Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften
internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber
überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am
25. November 2022 die Partie
England
vs. USA
auf
dem Programm – wesentlich erinnerungswürdiger ist allerdings eine
Rückschau
auf die Begegnung beider Teams am 29. Juni 1950,
die
damalsim Rahmen einer richtigen WM-Endrunde stattfand
(Skandalwüstenadvents-WM
2022
– Folge 2)
Englische
Nationalmannschaften konnten bisher (1966 bei den Männern und
kürzlich 2022 bei den Frauen) immer nur dann Titel bei einer WM oder
EM gewinnen, wenn erstens die Turniere zu Hause auf der britischen
Insel stattfanden, wenn zweitens die Partien abschließend im
heimischen Wembley-Stadion entschieden wurden und wenn vor allem
drittens das Schieds- und Linienrichtergespann ihnen wohlgesonnen
war. Wir vergessen jetzt einmal die Heim-Europameisterschaft 1996,
als es damals trotz Geld und guter Worte einfach nicht gelingen
wollte, diesen runden Ball, vor allem aber den schönen silbernen
Siegerpokal dazu zu bewegen, nach dreißig Jahren brutaler
Titellosigkeit von einer Rückkehr zu den selbsternannten Erfindern
dieses wunderbaren Spiels zu überzeugen. Vor diesem Hintergrund
besteht aus gegebenem Anlass dieser abstrusen Fußballveranstaltung
also keine große Gefahr für andere Mannschaften, dass die englischen
Dreilöwenträger bei ihrem Rückflug aus der Wüste irgendetwas
Hochglänzendes im Handgepäck mitnehmen werden. In der Gruppenphase
warten für sie aber nun zunächst einmal die USA als zweiter Gegner.
Bei vielen anderen Profisportarten (American Football, Baseball,
Basketball oder auch Eishockey) wäre die Ausgangslage für die
Nordamerikaner wesentlich günstiger. Aber beim Soccer gegen das
Mutterland desselben? Keine Chance!
So
dachte man allerdings auch schon einmal am 29. Juni 1950, als die
USA bei der WM-Endrunde in Brasilien in ihrem ebenfalls zweiten
Gruppenspiel auf die hochfavorisierten Engländer trafen. Am Ende
stand eine der bis dahin größten Sensationen im internationalen
Fußball. Zwei der Macher des renommierten deutschen Fußball-Magazins
„11FREUNDE“, Tim Jürgens und Philip Köster, hatten 2014 das
Buch „Die 100 besten Spiele aller Zeiten“ in einer
erweiterten und aktualisierten Ausgabe veröffentlicht und eben genau
das besagte Spiel auf Platz 56 ihres Rankings gesetzt. Unter der
Überschrift „Traumtor eines Tellerwäschers“ lassen wir den
mit reichlich Skurrilitäten versehenen Spielbericht noch einmal
Revue passieren. Aufmerksame Leser werden anschließend treffend
bemerken: „Wieder mal eine Sensation in Belo Horizonte! War da nicht
ein paar Jahrzehnte später noch so ein bemerkenswertes Spiel?“ Aber
jetzt nicht abschweifen – seinerzeit traf es eindeutig nicht die
Brasilianer, sondern zur Abwechslung einmal die Engländer. Schadenfreude
ist aber völlig fehl am Platz, wenngleich durchaus verständlich.
Am
Abend vor dem Spiel haben sich die US-Boys in einer Bar noch mal
ordentlich Mut angetrunken. Auf die Mannschaft von Bill Jeffreys
kommt einiges zu. Im zweiten WM-Gruppenspiel wartet auf sie die
Fußballweltmacht England. Die nordamerikanischen Kicker gehen von
einer üblen Packung aus, die sich mit ein paar Mojitos im Blut
leichter ertragen lassen. England gilt als beste Mannschaft der
Welt. Im ersten Spiel hat das Team auch ohne seinen Superstar
Stanley Matthews und den bulligen Topstürmer Jackie Milburn mit 2:0
gegen Chile gewonnen. Trainer Walter Winterbottom sieht auch gegen
die USA keinen Sinn darin, seine Leistungsträger schon frühzeitig
unnötig zu belasten. Schließlich warten noch genug schwere Aufgaben
auf dem Weg ins Finale auf die beiden. Matthews und Milburn fehlen
auch diesmal in der Startelf.
Das
Team der USA besteht aus Einwanderersöhnen, die das Spiel von ihren
Eltern oder deren Verwandten erlernt haben. In puncto Kapitänsbinde
herrscht bei den Amerikanern das Rotationsprinzip. Gegen England
wird Ed McIlvenney auserkoren, weil er britischer Abstammung ist.
Gegen Spanien (Anmerkung:
Endergebnis 1:3) hat der hauptamtliche Briefträger Harry Keough das
Kapitänsamt ausgefüllt, weil er der Einzige im Team ist, der
Spanisch spricht. Trainer Jeffreys gibt sich hinsichtlich der
Erfolgschancen seiner Mannschaft keinen Illusionen hin. Er sagt:
„Wir haben keine Chance.“ Allein in den ersten zwölf Minuten nach
Anpfiff verzeichnen die Engländer sechs Torschüsse. Der Ball rollt
wie von einem Hang hinab – immer nur in Richtung amerikanisches Tor.
Doch
in der 38. Minute ereignet sich Seltsames: Der Grundschullehrer
Walter Bahr bringt den Ball von der rechten Seite halbhoch in den
englischen Strafraum. Bert Williams stürmt heraus, aber der
Tellerwäscher Joe Gaetjens ist schneller. Der krasse Außenseiter
geht mit 1:0 in Führung. In der zweiten Halbzeit nimmt das Grauen
für die Briten langsam Gestalt an. Viermal treffen die Engländer das
Gebälk von Frank Borghis Gehäuse, doch der Ausgleich will einfach
nicht fallen. Die Blamage ist unermesslich. Als das Ergebnis in den
Zeitungsredaktionen im Mutterland des Fußballs ankommt, glauben die
Redakteure zunächst, ein Druckfehler habe eine Ziffer unterschlagen:
Es müsse statt 1:0 eigentlich 1:10 heißen. Die englische Delegation
legt in ihrer Verzweiflung sogar Protest ein. Denn wie sich
herausstellt, haben drei Spieler keinen US-Pass: Ed McIlvenney ist
eigentlich Brite, Joe Maca und Torschütze Joe Gaetjens besitzen
haitianische Ausweise. Das FIFA-Schiedsgericht aber schmettert die
Klage ab, weil das Trio bereits Ende der 1940er Jahre bei der
Einwanderungsbehörde um die Staatsbürgerschaft ersucht habe und alle
drei eine Freigabe vom US-Verband besitzen. Während Englands Coach
Winterbottom wegen seiner himmelschreienden Fehleinschätzung der
US-Mannschaft später als einer der imaginären Gäste im TV-Klassiker
„Dinner for One“ verhohnepipelt wird, ereilt den Siegtorschützen ein
ungleich schlimmeres Schicksal: Joseph Nicolas Gaetjens, der erst
1946 in die USA eingewandert ist, kehrt bereits 1952 nach Haiti
zurück. Für das Team der USA spielt er nach der WM nie wieder. Das
Kicken hat er längst aufgegeben, als er am 8. Juli 1964 spurlos
verschwindet. Was mit ihm geschehen ist, wurde niemals aufgeklärt.
Sicher ist nur, dass er am Tag seines Untertauchens Besuch von der
Geheimpolizei Tonton Macoute des haitianischen Diktators Francois
Duvalier (Anmerkung:
Spitzname „Papa Doc“) bekommen hat…
Da
anschließend sowohl England (0:1 gegen Spanien) als auch die USA
(2:5 gegen Chile) ihr drittes Gruppenspiel in den feinen
brasilianischen Sand setzten, konnten beide Mannschaften
anschließend endlich ihren wohlverdienten Badeurlaub an der
Copacabana antreten. Im Gegensatz zu den schockgefrosteten
Engländern haben die munteren US-Boys das sicherlich locker
verschmerzt und in der Strandbar mit ein paar weiteren Mojitos oder
Caipirinhas auf den größten Sieg in ihrer bisherigen
Länderspielgeschichte angestoßen. Hochmut kommt manchmal eben vor
dem Fall. Oder wie sagte es schon einmal der französische Philosoph
Jean-Paul Sartre so überaus treffend: „Im Fußball verkompliziert
sich alles durch das Vorhandensein der gegnerischen Mannschaft.“
Kurze
Fakten zum Spiel USA – England 1:0 (1:0)Anlass:
WM-Endrunde in Brasilien / Gruppenphase; Datum: 29.06.1950;
Spielort: Independencia-Stadion in Belo Horizonte; Zuschauer:
10.151; Torschütze: 1:0 Gaetjens (38. Min.)
Weltmeisterschaften in despotisch regierten
Ländern scheinen für die deutsche Mannschaft ein schwieriges
Feld zu sein, da kann man bis zur WM 1978 in Argentinien zurück
gehen (ich sage nur: "Cordoba"!). Und wie 2018 in Russland ging
der Auftakt auch in Katar daneben. Vor viereinhalb Jahren war
der Auftritt gegen Mexiko einfach katastrophal, diesmal spielte
das deutsche Team 65 Minuten überlegen und wartete auf das 2:0,
das einfach nicht fallen wollte. Dann stellten die Japaner um,
Hansi Flick wechselte mit Müller und Gündogan seine beiden
besten Mittelfeldakteure aus, und schon ging es dahin und die
Japaner übernahmen die Initiative. Eklatante Stellungsfehler von
Süle (einmal an der Strafraumgrenze für den Gegner die Lücke
nicht geschlossen, einmal weit weg vom Ball das Abseits
aufgehoben) und von Schlotterbeck (Arm heben reicht nicht, man
muss schon am Gegner dran bleiben!) sowie ein irgendwie seltsam
anmutender Abwehrversuch im kurzen Eck von Neuer beim 1:2 (warum
drehte er die Schulter vom Pfosten weg?) - schon war ein bis
Mitte der 2. Hälfte komplett kontrolliertes Spiel verloren. Der
Bundestrainer muss über vieles nachdenken, vor allem über die
Stabilisierung der Defensive. Da ist nur Antonio Rüdiger
wirklich in WM-Form. Oder lag es einfach nur an der falschen
Binde? Verschwörungstheoretiker vor!
Bezüglich des nächsten deutschen Gegners dürfte das zweite Spiel
der Gruppe E dem Bundestrainer eine schlaflose Nacht bereiten.
Okay, Costa Rica war harmloser als eine Tüte Gummibonbons, aber
die Art und Weise, wie sich die Spanier durch die Reihen der
Ticos kombinierten, war schon beeindruckend. Vielleicht muss man
robust dazwischen gehen, vielleicht gibt es Lücken in der
Ibero-Abwehr, die heute nicht zu sehen waren. Aber ich fürchte,
in der deutschen Mannschaft ist niemand, der das notwendige
Tempo ins Spiel bringt, um diese Spanier zu knacken. Es wird
hochspannend am Sonntag. Bernd wies mich darauf hin, dass nicht
einmal zwei Siege für das deutsche Team in den verbleibenden
Spielen das Weiterkommen garantieren. Das absehbar gute
Torverhältnis der Spanier und der Sieg von Japan gegen
Deutschland (direkter Vergleich!) könnten selbst mit 6 Punkten
noch das Aus bedeuten.
Wenig aufregend war das Vormittagsspiel Kroatien-Marokko. Am
Ende stand ein müdes 0:0, aber es hätte genausogut umgekehrt
ausgehen können. Abends mühte sich der ewige Geheimfavorit
Belgien gegen Kanada zu einem schwer erkämpften 1:0, mit gütiger
Mithilfe des offenbar eingepennten VAR und mit einem Torwart
Courtois, der immer noch zu den Besten gehört. Schade für die
mutigen und kampfstarken Kanadier, die für ihren nimmermüden
Einsatz nicht belohnt wurden, die aber auch Abschlussprobleme
offenbarten. Belgien muss sich steigern, sonst beginnen die
Weihnachtsferien früher als gedacht.
Im Tippspiel hält John die Spitze, aber sein Vorsprung ist arg
geschmolzen, auch weil einige deutsche Teilnehmer*innen
Zusatzpunkte einheimsen konnten. Unten wechselte die Rote
Laterne mehrfach den Besitzer, da ist noch nichts verloren.
Knapp ein Fünftel aller Spiele ist ja erst absoviert...
Bzgl. des eigenen Punktestands mäßig optimistische Grüße,
Robert
Zwei WM-Tage mit ... - nun ja...
- nicht unbedingt berauschendem Fußball, aber immerhin meist ganz
unterhaltsamen Partien ohne echte Überraschungen. Doch nun am 3. Tag
ein echter Knaller: Der Mitfavorit auf den WM-Titel Argentinien
verliert gegen Saudi-Arabien mit 1:2, trotz Messi, trotz haushoher
Überlegenheit in der 1. Hälfte, trotz guter Chancen auch im 2.
Durchgang. Aber die Saudis nutzten ihre wenigen Möglichkeiten gegen
allzu lässig verteidigende Gauchos, und der arabische Torwart hatte
auch noch einen Sahnetag. Das ist wohl die größte Überraschung bei
einer WM seit dem 1:0-Sieg von Nordkorea gegen Italien 1966. Hut ab
vor dem Kampfgeist der Wüstensöhne, deren Enkel noch von der
Heldentat ihrer Großväter erzählen werden!
Nach dieser am Ende natürlich hochspannenden Partie wurden dem
geneigten Zuschauer erst mal Beruhigungspillen serviert. Zweimal
0:0, zweimal mäßiger Unterhaltungswert. Unsere nördlichen Nachbarn
haben große Probleme im Spielaufbau, wenn Eriksen nicht zur
Entfaltung kommt. Tunesien ist auch diesmal kein Fallobst, sondern
ein unangenehmer Gegner. Mexiko kombiniert gut, weiß aber nicht, wo
das Tor steht. Und Lewandowski trifft nicht in WM-Spielen, auch
nicht per Elfmeter. Damit ist eigentlich alles gesagt.
Abends dann der Auftritt des amtierenden Weltmeisters, und fast eine
halbe Stunde konnte man befürchten, dass der seit 2010 anhaltende
Fluch auch diesmal den Titelverteidiger mit einer Niederlage im
ersten Spiel treffen könnte. Aber dann drehten die Franzosen mal
kurz auf und das Spiel auf 2:1, gegen sehr einsatzfreudige, aber
technisch beschränkte und insgesamt eher biedere Männer aus Down
Under. Im 2. Durchgang zeigten Dembelé und Mbappe dann mal kurz,
welche Bedeutung Tempo im Weltfußball auf höchstem Niveau haben
kann. Und zack-zack stand es 4:1, der Weltmeister war zufrieden und
mit etwas Bewegungstherapie schaukelte er die Kiste nach Hause. Das
war über weite Strecken noch keine Offenbarung des
Titelverteidigers, aber die bekannten Stärken blitzten bereits auf.
Mit Frankreich ist wieder zu rechnen.
Verrechnet haben sich die europäischen Verbände, die mit der
angeblich ja so tollen "1 Love"-Binde ein Zeichen gegen Homophobie
und andere Diskriminierung von bestimmten Gruppen und für
Menschenrechte setzen wollten und nun einknickten. Mal abgesehen von
der Tatsache, dass auf dieser Binde ja nur ein paar Farbstreifen und
kein Regenbogen zu sehen ist: Hier wäre der Moment gewesen, es mal
richtig knallen zu lassen. Was wäre wohl passiert, wenn die
gesammelten Europäer nach einer ersten Bestrafung einfach mal ihr
Koffer gepackt hätten und z.B. nach Zypern geflogen wären. Raus
aus dem arabischen Raum, aber nah genug für eine schnelle
Rückkehr. Wenn die Europäer ausgestiegen wären, hätten die
Werbepartner der FIFA und die europäischen TV-Anstalten dem
Infantino die Hölle heiß gemacht, denn die haben ja jede Menge
Geld für diesen ganzen Bums in der Wüste hingeBlattert, den dann
ja keiner mehr sehen wollen würde - zumindest niemand mit
richtig Kohle in der Tasche. Aber... - na klar... - alles nur
ein schöner Traum. Mit Rücksicht auf die Spieler wurde vom DFB
nachgegeben, die 1 Love-Binde in den Koffer gepackt und nun wird
mit FIFA-genehmer Kapitänsbinde gespielt. Chance vertan! Doch
man kann sich ja immer noch damit brüsten, bei der nächsten
Präsidentenwahl den Oberverbrecher Infantino nicht unterstützen
zu wollen. Bravo, das ist echt toll und mutig!
Holla, das Turnier nimmt langsam
Fahrt auf! Beim Probensortieren habe ich rechts oben im Bildschirm
das Spiel England-Iran mal so nebenbei laufen lassen. Viel hatte ich
nicht erwartet, aber am Ende musste ich doch verdammt oft genauer
hingucken, denn acht Tore und eine Menge weiterer heißer
Strafraumszenen boten einiges an Unterhaltung. Selbst die Iraner
entschlossen sich irgendwann zum Mitkicken, obwohl man in Halbzeit 1
denken konnte, dass dem verweigerten Mitsingen der Nationalhymne
(starkes Statement!) auch eine weitgehende Spielverweigerung folgen
sollte. Insgesamt aber vor allem ein beeindruckender Auftritt der
Limies, selbst wenn der Gegner nur unteres WM-Niveau bot. Trotzdem:
Sechs Tore muss man erst mal schießen!
Am frühen Abend hatten die Holländer gegen den Senegal dann mehr
Mühe als viele erwartet hatten. Das Ergebnis von 2:0 ist
schmeichelhaft und mindestens ein Tor zu hoch. Beide Mannschaften
hatten eine Menge guter Torchancen, aber offenbar keinen richtigen
Knipser. Okay, der Kopfball zum 1:0 war schön und lehrbuchhaft, aber
der Afrikameister hätte locker noch ausgleichen und sogar in Führung
gehen können. Also, liebe Käseroller von nebenan: Ihr müsst Euch
noch steigern, sonst reicht es nicht weiter als bis zum
Viertelfinale. Und den Senegal würde ich gern auch noch in der
Endrunde sehen. Mir hat gefallen, wie technisch stark die Mannschaft
war. Könnte also klappen mit der Endrunde. Katar und Ecuador sind
schlagbar.
Abends noch USA-Wales. Ein Spiel, das genau das hielt, was es
versprochen hatte. Ein US-Team, das stark begann, richtig guten
Fußball spielte und verdient in Führung ging... - und das dann Angst
vor der eigenen Courage bekam, sich von wirklich nicht besonders
beeindruckenden Walisern völlig grundlos hinten reindrängen ließ und
schließlich noch durch ein dämliches Foul und Elfmeter den Ausgleich
kassierte. Irgendwie kriegen es die Amis einfach nicht hin. Geht
lieber zum Baseball, Leute!
Im Tippspiel hat John die Führung übernommen, mit 14 Punkten aus 4
Spielen. Nicht schlecht, doch dabei sind 2 Extrapunkte für die
Zusatzfragen, die John bzgl. seines Heimatteams beantwortet hatte.
Diese Chance bietet sich uns anderen erst am Mittwoch. Ab morgen
wird es dann richtig hart, mit täglich 4 Spielen. Wer soll, wer will
das alles gucken?
Ich sehe diese WM rein sportlich:
Eingeschaltet wird eine Minute vor Anpfiff, abgeschaltet wird direkt
nach Abpfiff. Beim Eröffnungsspiel gab es zwischendurch erst ein paar
Zuckerli und dann nur noch Magerkost. Wenn Katar der Asienmeister ist,
wie schlecht sind dann wohl die anderen asiatischen Mannschaften? Oder
wurde der Kontinentaltitel genauso gekauft wie diese WM? Ach, ich will
es lieber gar nicht wissen! Die Ecuadorianer ließen es nach dem 2:0
ruhig angehen - wer kann es ihnen verdenken, denn wirklich gefährdet
war dieser Sieg in keiner dieser quälenden 100 Minuten. Hoffen wir
mal, dass dieses Spiel nicht den Maßstab setzt für die ganze WM... Und
hoffen wir weiterhin, dass wir uns jetzt nicht täglich bei der
Berichterstattung über das deutsche Team dieses endlose Gelaber über
den angeblich so tollen "Geist von Bahia Blanca" anhören müssen. Ich
war 2002 mal einige Tage im Teamhotel der deutschen Mannschaft 1954
während der WM in der Schweiz ("Hotel Belvedere"), aber einen "Geist
von Spiez" habe ich dort nicht getroffen. Vielleicht wurde der
inzwischen auch schon totgeredet....
Im Tippspiel gab es die ersten Punkte, aber die Tabelle ist noch ohne
Belang. Interessanter ist vielleicht die Verteilung der
Weltmeistertipps. Da gibt es nämlich einen klaren Favoriten: Von 36
Teilnehmenden, tippten 14 auf Brasilien. Es folgen Deutschland (6),
Frankreich (5), Spanien und Argentinien (je 4), sowie Belgien, England
und die Niederlande (je 1). Spannend!
Aus
gegebenem
Anlass einer offensichtlich erneut bei der FIFA gekauften
internationalen Fußballgroßveranstaltung, die unter skandalösen
Umständen diesmal während der Adventszeit in einem kleinen, aber
überaus kapitalkräftigen arabischen Wüstenstaat stattfindet, steht am
20. November 2022 als Eröffnungsspiel die Partie
Katarrh
vs. Ecuador
auf dem Programm – wesentlich
erinnerungswürdiger ist in diesem Zusammenhang allerdings eine Rückschau
auf die Historie der offiziellen WM-Eröffnungsspiele seit 1966 (Skandalwüstenadvents-WM
2022 – Folge 1)
Wer
bislang nicht davor zurückschreckte, sich auf die Betrachtung eines
WM-Eröffnungsspiels einzulassen, der musste oftmals nach neunzig
Minuten zuzüglich Nachspielzeit ernüchtert feststellen, dass es
weder Tore noch einen Sieger zu bestaunen gab. Und in den
allermeisten Fällen musste sogar ein überaus zähes Gegurke ertragen
werden. Dieses Phänomen konnte man seit der offiziellen Einführung
dieser speziellen Opening-Veranstaltungen im Jahre 1966 – zuvor gab
es bei den WM-Endrunden oft zeitgleiche Spiele – immer wieder
beobachten. Sportpsychologen und Journalisten ohne wissenschaftliche
Vorkenntnisse sprechen dann gerne von einem zu hohen Erwartungsdruck
in Tateinheit mit einer kapitalen Versagensangst. Der jeweilige
WM-Gastgeber oder WM-Titelverteidiger – beide Varianten sind bei
Eröffnungsspielen möglich – spielt ja medial vor einem
Milliardenpublikum und mit einer Heimblamage möchte natürlich
niemand in das Turnier starten. Dabei könnten die beteiligten
Mannschaften psychologisch durchaus auch anders an die Sache
herangehen: Das in den meisten Fällen anstrengende mehrwöchige
Vorbereitungstraining ist nun endlich vorbei und eine junge hungrige
Fußballmeute kann jetzt auch unter Wettkampfbedingungen einmal
zeigen, was sie so alles draufhat. Aber das wäre natürlich völlig
naiv gedacht. Also bleibt alles beim Alten: Die beiden Teams tasten
sich nach der unvermeidbaren Eröffnungszeremonie inklusive
Showprogramm zuerst einmal in aller Ruhe ab, organisieren in der
Folge einen dichten Deckungsverbund, stehen dabei ihren jeweiligen
Gegenspielern in solider Manndeckung oder brachialem Pressing mehr
oder weniger auf den Füßen, nähern sich mit Glück dann und wann dem
gegnerischen Strafraum und hoffen letztlich verzweifelt auf den
einen oder anderen Standard, der dann vielleicht sogar in einen
Torschuss münden könnte. Das war bislang viel zu oft die traurige
Praxis. Einige wenige Ausnahmen bestätigten lediglich die Regel. Bei
den ersten vier WM-Eröffnungsspielen von 1966 bis 1978 brachten es
die beteiligten Akteure tatsächlich fertig, in sage und schreibe 360
Minuten kein einziges Tor zu fabrizieren. Ab 1982 war dann der Bann
gebrochen und die trübe Torflaute fand nun tatsächlich sogar
dauerhaft ein Ende. Bei den nächsten sechs Partien von 1982 bis 2002
gab es allerdings auch nur eine Serie von vier eher mageren
1:0-Siegen, die einmal (1986) von einem 1:1 und ein weiteres Mal
(1998) von einem 2:1 unterbrochen wurde. In der Summe waren das aber
alles nicht gerade rauschende Fußballfeste. In den 14 bisherigen
Begegnungen gab es nur viermal drei Tore oder mehr zu bewundern. Den
höchsten Sieg fuhr tatsächlich 2018 WM-Gastgeber Russland mit einem
4:0 gegen Saudi-Arabien ein. Aber wer weiß denn, was den Spielern in
ihrer Heimkabine vorher so alles in die Kraftgetränke gerührt wurde
oder welche miesen Tricks des Lügen- und Repressionsregimes rund um
den heutigen Kriegsverbrecher Wladimir den Wahnsinnigen zur
Verunsicherung des Gegners noch zum Einsatz kamen. Die meisten Tore
in einem Eröffnungsspiel fielen übrigens zu Beginn des
vermeintlichen „Sommermärchens“ von 2006 beim 4:2 der deutschen
Mannschaft gegen Costa Rica. Für
die Gastgeber endeten die Eröffnungsspiele bisher erstaunlich
erfolgreich. In sechs Begegnungen gab‘s drei Siege und drei
Unentschieden. Hingegen ging es für die amtierenden Weltmeister
nicht immer gut aus. Von acht Partien endeten zwar zwei mit einem
Sieg und drei mit einem Unentschieden, aber dreimal zogen die
favorisierten Titelträger (1982 und 1990 Argentinien sowie 2002
Frankreich) jeweils gegen einen krassen Außenseiter den Kürzeren.
Deutschland war bisher immerhin dreimal (1978, 1994 und 2006) bei
einem WM-Eröffnungsspiel dabei und erzielte mit zwei Siegen und
einem Unentschieden eine überaus passable Bilanz. Und
jetzt gibt es bei dieser schändlichen Skandalwüstenadvents-WM wieder
so ein komisches Eröffnungsspiel, obwohl das zunächst überhaupt
nicht auf dem Programm stand. Aber wer wundert sich überhaupt noch
über irgendwas bei dieser schrägen Veranstaltung? Ich hatte übrigens
kürzlich einen schönen Traum: Ein gut klimatisiertes und sauber
herausgeputztes Wüstenstadion war bis auf den letzten Platz gefüllt.
Auf den Tribünen saßen aber keine normalen Fußballfans, sondern
ausschließlich die Angehörigen der geschätzt etwa 6.500 auf den
Baustellen der WM-Stadien umgekommenen Arbeitsmigranten sowie deren
ehemalige Kameraden, welche die skandalösen Arbeitsbedingungen
offensichtlich glücklicherweise überlebt hatten. Diesen Menschen
hatte man vorher Flugtickets, Hotelgutscheine und Eintrittskarten
zukommen lassen. Der WM-Organisationschef und Fußballscheich
entschuldigte sich in einer langen Rede für die schlimmen
Verfehlungen seines Landes und versprach zudem eine großzügige
finanzielle Entschädigung – wohl wissend, dass eine solche Geste
nicht einmal ansatzweise das wiedergutzumachen vermag, was den
betroffenen Arbeitern und deren Familien in den letzten Jahren
angetan wurde. Anschließend redete auch dieser ansonsten immer
aalglattgrinsende FIFA-Chef, der sich für das korrupte Verhalten der
FIFA vor allem im Zusammenhang mit der Vergabe der letzten beiden
Weltmeisterschaften an Russland und Katarrh in aller Form
entschuldigte und den sofortigen Rücktritt von allen seinen Ämtern
verkündete. Aber wie sagte einmal ein berühmter deutscher Politiker:
„Wer Visionen hat, der sollte zum Arzt gehen!“ Recht so – ich
werde den komischen Traum einfach mal vergessen und mich gleich
morgen um einen Termin bemühen. Und selbstverständlich kommt alles
wie erwartet: Es wird weder Entschuldigungen noch Entschädigungen
und schon gar keine Rücktritte geben. Der dauergrinsende FIFA-Chef
und der gerissene Fußballscheich werden sich Arm in Arm vier Wochen
lang medieninszeniert für ihre Wohltaten abfeiern lassen. Und am
Finaltag werden wir vielleicht sogar die eine oder andere
Politprominenz auf der Ehrentribüne entdecken. Es ist aber ein böses
Gerücht, dass unserem Wirtschaftsexperten Doktor Habeck anlässlich
seiner mehr oder weniger erfolgreichen Gas-Shoppingtour vor einigen
Monaten vom Energiescheich gleich mehrere WM-Endspielkarten
zugesteckt wurden, obwohl ja allgemein bekannt sein dürfte, dass
kleine Geschenke immer noch am besten die Freundschaft erhalten. Es
wird zu dieser Fußballveranstaltung übrigens weder einen Prolog noch
einen Epilog vom Kanal geben, ebenso keine Texte mit direktem Bezug
zu den in den acht Wüstenstadien zelebrierten Spielen. Es wurden
diesbezüglich schon genug Worte verloren. Aber es gab ja in der
Vergangenheit so viele wunderbare gleichlautende Spielpaarungen bei
richtigen Weltmeisterschaften, auf die man auch als WM-Tippspieler
innen und außen (sorry – das fehlerfreie Gendern muss ich wohl
nochmal üben) bei Interesse noch einmal zurückblicken könnte. Viel
Spaß dabei!