WM-Tippspiel 2006


Endstand
(09.07.2006, 23:00h, nach 64 von 64 Spielen)

Unterhalb der Tabelle finden sich die Kommentare zu den Spieltagen.
(Einige Links im Text sind evtl. außer Funktion)

Platz           Name          Punkte
nn
1
2
3
4
5


8
9
10




15


18



22

24

26

28




33



37
38





44



48




53

55
56
57



61
62

64

66




71
72

74
75

77
78

80
81



Martin Kordowski
Torben Wetzel
Annette Christoph
Roland Friedl-Schulz
Henning Bauch
Gerd-Dieter Höffmann
Ingo Bergmann
Claudia Didié
Klas Lackschewitz
Azzedine Ait Brahim
Ove Krüger
Winfried Hebold-Heitz
Frank Wiegel
Tobias Christoph
Moritz Kayma
Verena Dethlefs
Simon Pilates
Hiroshi Kawamura
Jochen Dreger
Matthias Schmitt
Thomas Müller-Lupp
Hanno Kinkel
Max Wislander
Michael Klages
Emanuil Antonow
Christian Rodde
Jan Petersen
Stephan Steinke
Markus Diesing
Frederik Dethlefs
Bernd Christoph
Lisa Christoph
Hardy Jacobsen
Gerd Unger-Schneeberg
Jan Scholten
Robert Spielhagen
Dieter Piepenburg
Jeroen Groeneveld
Jan-Malte Wolfsdorf
Tim Klages
Frank Schoster
Christoph Ruholl
Michaela Bessmann
Niels Noergaard-Pedersen
Dirk Dethleff
Martin Antonow
John Reijmer
Klaus Dittmers
Carolyn Wegner
Nicole Biebow
Jörn Geletneky
Dorothea Bauch
Sven Petersen
Johannes Göser
Alex Schimanski
Holger Dardzinski *
Nicolas Van Nieuwenhove
Jan Wegner
Stefan Wetzel
Felix Strenge *
Susanne Wetzel
Volker Sielaff *
Jendrik Städler
Jens Hölemann
Günter Riemenschneider
Jan Helmke
Martin Frank
Berthold Kayma
Christian Hass
Paul Schneeberg
Marian Rüffer
Rasmus Hilbig
Sven Geletneky
Borko Borkowski
André Kaiser *
Hannes Städler
Karen Volkmann-Lark
Jörg Geldmacher *
Norbert Dregger *
Knud Jacobsen
Brian Haley *

* keine Endrundentipps abgegeben
114
112
111
110
108
108
108
105
102
101
101
101
101
101
100
100
100
99
99
99
99
98
98
97
97
96
96
95
95
95
95
95
94
94
94
94
93
92
92
92
92
92
92
91
91
91
91
90
90
90
90
90
89
89
88
87
86
86
86
86
85
83
83
81
81
80
80
80
80
80
77
75
75
74
73
73
72
68
68
64
60






WM-Kommentar vom 10.07.

Liebe Freunde,


Gratulazione, Italia! Italien ist Fußball-Weltmeister, und zwar zu Recht. Buffon im Tor und die Viererkette aus massivem Stahlbeton wurden im ganzen Turnier nicht ein einziges Mal vom gegnerischen Angriff überwunden. Wir wissen ja: Offense wins games, defense wins championships. Diese WM war das beste Beispiel. Selbstverständlich brauchten auch die Italiener mitunter Glück, um ihre Spiele zu gewinnen (1:0 gegen Australien 9 Sekunden vor Schluss, Elfmeterschießen im Finale), aber war das z.B. bei der deutschen Mannschaft 1990 in Italien anders? Eigentlich nicht, obwohl man andererseits ein Elfmeterschießen im Halbfinale gegen England auch nicht gerade als allergrößtes Problem für eine deutsche Nationalmannschaft betrachten kann... :-)  Frankreich hat sich gestern selbst geschlagen, zum einen durch die Hasenfuß-Wechseltaktik seines Trainers, und zum anderen durch den Blackout von Zidane. Wer hatte eigentlich den in der ersten Hälfte noch deutlich aktiveren Italienern Valium in den Pausentee getan? Die schleppten sich ja nur noch mühsam über den Platz und offensiv ging gar nichts mehr. Wenn der französische Trainer das nicht bemerkt und weiterhin glaubt, mit einer Spitze den italienischen Beton knacken zu können, dann darf er sich nicht wundern, dass diese Dummheit mit Elfmeterschießen bestraft wird. Manch eine(r) mag jetzt wieder über den neuen Weltmeister lästern und behaupten, das sei nur unattraktiver Betonfußball. Wer das sagt, hat die Philosophie des italienischen Fußballs nicht verstanden, die der Effizienz einen höheren Stellenwert als der brotlosen Kunst einräumt. Schneller Konterfußball hat durchaus seine Reize, und das weiss man scheinbar paradoxerweise zu schätzen, wenn man selber nicht mehr der Schnellste ist. Bei dieser Art Fußball müssen Laufwege und Anspiele sehr gut aufeinander abgestimmt sein, dann kommt es gar nicht mehr so sehr auf die Grundschnelligkeit an. Mitunter reicht es, richtig zu stehen. Marcello Lippi hat es geschafft, der reinen Betonstrategie von Trappatoni ein ungemein flexibles und schnell umschaltendes Mittelfeld hinzu zu fügen, das die Stürmer gezielt füttert. Das klappt natürlich nicht immer, aber es hat gereicht, um Weltmeister zu werden. Hinzu kommt: Nur die deutsche Mannschaft schoss mehr Tore als die italienische. Die Taktik war also erstens nicht nur defensiv und zweitens vor allem richtig. Darauf kommt es schließlich an.

Am Samstagabend wurde die deutsche Nationalmannschaft mit Bronzemedaillen für ihren mutigen Offensivstil belohnt, der sie über weite Strecken des Turniers ausgezeichnet hat. Das war ein schönes Spiel mit viel Offensivfußball und einem dankbaren Gegner, der vor allem in der zweiten Hälfte wohl irgendwie geistig schon auf auf der Heimreise war. Klinsmann und sein Team haben in der deutschen Nationalmannschaft eine neue Stimmung und eine Begeisterung geschaffen, die jetzt nicht verloren gehen darf. Kleinliche Berufsnörgler wie Breitner, Basler und Matthäus wurden Lugen gestraft und wir haben jetzt wieder eine deutsche Mannschaft, bei der das Zusehen Spaß macht. Das muss so bleiben, dann kann das ganze Team in 2008 und 2010 noch allerhöchste Ziele erreichen.

Unser großes Fest ist nun zuende. Die Besatzungsmacht FIFA mit ihrem Führer Blatter übergibt große Teile des Landes wieder dem Staat, den Städten und den Vereinen. Deutsches Bier darf wieder konsumiert werden, ohne dass man sich strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt sehen muss. Dennoch: Wir haben eine fantastische Weltmeisterschaft in Deutschland hinter uns, wie die meisten von uns sie nie wieder erleben werden. Von diesem Ereignis und der Stimmung in diesem Land können wir mit leuchtenden Augen noch unseren Enkelkindern erzählen, und zwar mit Fug und Recht. Ich bin glücklich, dass ich diese Weltmeisterschaft in Deutschland erleben durfte. Alle Träume von einem fröhlichen, friedlichen Fest sind in Erfüllung gegangen, es gab keine Gewalt in den Stadien und drum herum, es gab keine politischen Störenfriede, die sich auf die Bühne drängten, die ihnen nicht gehörte - ja, es war sogar das Gegenteil der Fall. Die Freude an dem Fest im eigenen Land, an der eigenen Gastgeberrolle, und am Erfolg der deutschen Nationalmannschaft haben bei vielen Menschen zu einer neuen Einstellung zu nationalen Symbolen wie Fahne und Nationalhymne geführt, die absolut gar nichts mit Nationalismus zu tun hat, sondern viel mehr mit Lebensfreude. Es bleibt zu hoffen, dass diese Einstellung erhalten bleibt und dass jeder Versuch politisch rechter und reaktionärer Kreise, diese nationalen Symbole in Zukunft für die eigenen Ziele zu vereinbaren, einfach als blödsinnig verlacht wird.
Auch organisatorisch lief alles perfekt. Stadien, Spiele, Public Viewing, Fanmeilen - wenn Depp Blatter von der „besten WM aller Zeiten“ sprach, dann mag man es gern glauben. Vielleicht hätten die Veranstalter vor Ort ein paar geplante Pannen einbauen sollen, damit zukünftige Organisatoren nicht jetzt schon jeden Morgen mit Komplexen aufwachen... :-)

Zum Schluss noch meine unvermeidliche Liste der Merkwürdigkeiten dieser WM. Ob alles tatsächlich des Merkens würdig ist, mag jede(r) selbst entscheiden.

Tolle Spiele...
... gab es leider selten. In der Vorrunde wurde manchmal richtig schön Fußball gespielt (Argentinien, z.T. Spanien und Deutschland) und oft aufopferungsvoll gekämpft (Australien, Südkorea, Angola, Trinidad-Tobago), leider war aber Mittelmaß die Regel. In der Hauptrunde gab es fast nur noch Ergebnisfußball: Spannend, aber nicht schön.

Erfolgreiche Taktik...
... ist inzwischen das Spiel mit nur einem Stürmer. 3 von 4 Halbfinalisten bevorzugten dieses System.

Der Ball...
... macht das Spiel. Vom „Teamgeist“ profitieren die Schützen aus der Zweiten Reihe. Oft war seine interne Dynamik die Basis für

Die schönsten Tore
Philipp Lahms Eröffnungstor gegen Costa Rica - er zirkelte den Ball wunderbar mit dem Innenspann ins lange Toreck.
Esteban Cambiassos 2:0 gegen Serbien-Montenegro nach 26 Stationen und Hackenvorlage
Joe Coles 1:0 gegen Schweden - ein Heber aus ca. 30 m ins lange obere Toreck
Maxi Rodriguez' 2:1 gegen Mexiko - er stoppte einen langen hohen Querpass mit der Brust und schlenzte den Ball von rechts mit links ins lange obere Eck.

Brasilien
Grandiose Selbstüberschatzung und Arroganz, und vorn ein Deoroller als Denkmal. Mehr war da nicht.

Argentinien...
... hätte vor dem Auswechseln der besten Leute erst mal bei Gary Lineker nachfragen sollen.

Holland...
... wählte die falsche Sportart oder das falsche Land. Mit Fußballspielen wären unsere lieben Nachbarn vermutlich bis ins Halbfinale gekommen. Die Kung Fu-WM fand aber 2006 nicht in Deutschland, sondern in Ungarn statt.

England...
... brachte angeblich die beste Mannschaft seit 40 Jahren zur WM, produzierte aber nur Rührei und Schlagzeilen durch die WAGs. Darf weiter fleißig Elfmeter üben.

Spanien
... erfüllte alle Erwartungen: Gut angefangen und dann stark nachgelassen. Eigentlich wie immer...

Schweiz
Ein kleines Land schickte eine Mannschaft mit großem Kämpferherz. Hopp, Schwiiz! Wir freuen uns auf die EM!

Serbien-Montenegro
Was wollten die eigentlich hier?

Die Afrikaner...
... spielen z.T. tollen Fußball, vergessen aber leider das Toreschießen.

Die Asiaten...
... konnten ihre Leistung von 2002 nicht bestätigen. Verdientes Vorrunden-Aus.

Die Superstars...
... fanden nicht statt. Ronaldinho, Ronaldo, Adriano, Ibrahimsson, Nedved, Beckham, Totti, und Rooney schwankten meist zwischen Enttäuschung und Lachnummer.

Der beste Spieler...
... war für mich Fabio Cannavaro. Ein nur 1,76 m großer Innenverteidiger kommt fast ganz ohne Fouls aus und wird im 100. Länderspiel Weltmeister. Besser geht's nicht.

Die Altstars...
... Figo und Zidane ließen noch mal ihr Können aufblitzen. Leider brannte dabei in Zidanes Kopf eine Sicherung durch.

Das Fernsehen...
... versorgte uns bestens mit allem, was wir sehen wollten. Leider sogar mit noch mehr...

Die Nervbolzen...
... waren die üblichen Verdächtigen. Steffen Simon bastelte ständig an neuen leeren Worthülsen; Reinhold Beckmann zerredete jedes Spiel und schwallte uns sogar noch angesichts des fröhlich feiernden neuen Weltmeisters mit Informationen voll, die wir gar nicht wissen wollten; Johannes Baldrian Kerner nahm seine Grinsmaske nicht mal nach dem Last-Minute-Aus der Deutschen gegen Italien ab, sondern moderierte fröhlich lächelnd weiter, während wir zuhause schockiert nach den Notfalltropfen suchten. Unfassbar!

Erfreulich...
... war Bela Rethy, der das Spiel in den Mittelpunkt stellt, nicht ständig Statistiken vom Blatt abliest und auch mal längere Zeit den Mund halten kann.

Erfrischend...
... war Jürgen Klopp, der die Begeisterung für den Fußball in sich trägt und fachkundig auf interessante Details aufmerksam machte, die uns sonst entgangen wären. Leider trat er nur im Trio mit Schiedsrichter-Verteidiger Meyer und Grinsemax Kerner auf.

Überraschend und ehrlich...
... war Pierre Littbarski als Ko-Kommentator bei RTL. Er kritisierte schlampige Pässe und schlechtes Stellungsspiel so, als ob er selbst mit auf dem Platz stünde. Das hat man selten so authentisch gehört. Weitermachen!

Abgenutzt...
... hat sich die Masche von Detzer und Nelling, die inzwischen allzu gezwungen wirkt. Netzers Fachkommentare zu den Spielen halten aber das hohe Niveau.

Überflüssig wie ein Kropf...
.... waren Ingolf Lück & Co mit „Nachgetreten“. Da bot Waldis WM-Club die bessere Unterhaltung und nach Entfernen des Apostroph auch eine korrekte Rechtschreibung (am Anfang hieß er noch „Waldi's WM-Club“)

Einfallslos...
... war die Werbung zwischen den Spielübertragungen und in den Pausen. Während vor der WM noch einige witzige Spots (z.B. von Adidas, Holsten und Paulaner) zum Zusehen einluden, kam später nur noch Einheitsbrei, der wirkungslos am Zuschauer abperlte. Ziel verfehlt!

Der Allergrößte...
... ist Franz Beckenbauer. Er hat uns dieses wunderbare WM-Geschenk beschert, war scheinbar überall dabei und hat dabei (Überraschung!) kaum genervt. Mit der WM ist der Kaiser zum echten Souverän geworden. Hut ab und Danke, Franz!


Mit der WM endete auch das Tippspiel auf der Hebbelkickerseite. Die Entscheidung fiel erst im Endspiel. Martin Kordowski hatte auf Deutschland als torbestes Team gesetzt, überholte quasi in der letzten Spielminute den ca. 2 Wochen lang führenden Torben Wetzel und darf sich jetzt „Tipp-Weltmeister“ nennen. Den passenden Pokal gibt's noch dazu. Sein Erfolg ist kein Zufall, denn schon bei der letzten EM belegte er Platz 3. Roland Friedl-Schulz konnte den 4.Platz von der EM souverän bestätigen. Vor ihn schob sich noch Annette Christoph (EM-Platz 7). Platz 5 teilen sich zwei Hebbelkicker (Ingo Bergmann und Henning Bauch) mit Dieter Höffmann, einem echten Tippspiel-Veteranen. Mit meinem eigenen Abschneiden kann ich nicht recht zufrieden sein; Platz 33 ist kein Ruhmesblatt. Immerhin darf ich mir als Ausweis der Expertise ans Revers heften, zu der Handvoll Experten (Jens Hölemann, Henning Bauch, Klas Lackschewitz, Matthias Schmitt und ich) zu gehören, die schon vor der WM den kommenden Weltmeister richtig getippt hatten. Wahre Klasse setzt sich also am Ende durch... :-)   Und bei der EM 2008 in Österreich und der Schweiz haben wir alle eine Chance, es noch besser zu machen.

Bis dahin alles Gute wünscht
Robert



Kanal-WM-Highlights vom 10.07.2006

Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein (Das ist übrigens kein Werbesong der Fleischerinnungen.) stürmten die Zeugen Klinsmanns bis ins Halbfinale dieser Weltmeisterschaft. Dann platzte gegen Italien keine zwei Minuten vor dem Ende der Verlängerung der große Traum vom vierten WM-Titel (für Deutschland zumindest). Hut ab vor einer großen Mannschaftsleistung. Diese Truppe hat endlich mal wieder Spaß gemacht und man musste sich für deutsche Siege nicht – wie früher schon passiert – entschuldigen. Am Ende hat man aber gesehen, dass man an den ganz großen Kalibern des Weltfußballs schwer zu tragen hatte. Gegen Argentinien half noch das Publikum und der „deutsche Wettbewerb“ Elfmeterschießen. Im Spiel gegen Italien kam es (leider) gar nicht mehr zu letzterem. Am Ende hat eine Prise mehr Cool- und Cleverness bzw. eine geniale Kombination entschieden. Deutschland ist wieder (fast) auf Augenhöhe mit den Großen. Jetzt gilt es, dieses mit viel Aufwand und Energie erzielte Niveau über einen längeren Zeitraum zu stabilisieren – mit oder ohne Klinsmann. Der Vorteil besteht darin, dass die Mannschaft noch jung genug ist, die nächsten großen Meisterschaften gemeinsam in Angriff zu nehmen. Nach dem „falschen Endspiel“ gegen Portugal baumelte am Ende wenigstens etwas Edelmetall am Halse.

Aus Sicht eines Kanalarbeiters habe ich – ganz subjektiv – eine kleine Hitliste meiner persönlichen WM-Höhepunkte positiver wie negativer Art zusammen gestellt. Diese Aufzählung erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit und die Nummerierung ist völlig willkürlich gewählt.

  1. Die größte Ungerechtigkeit:
Englands Mittelfeldstar Frank Lampard nach dem 1:3 im Elfmeterschießen gegen Portugal mit einer neuen Variante des bekannten Lineker-Zitats: „Ich weiß einfach nicht, warum es immer uns treffen muss. Dabei haben wir das Elfmeterschießen vor diesem Spiel noch trainiert – stundenlang. Aber wir scheiden trotzdem aus. Und die Deutschen gewinnen immer. Das ist ungerecht.“


  2. Der fieseste Tritt:
Rooneys mittelenglische Eierpresse gegen seinen Sportskollegen Carvalho im selben Spiel


  3. Der einzige freie Sitzplatz:
Maradonas Platz im VIP-Bereich blieb während des ganzen Spieles im Viertelfinale gegen die Deutschen frei. Diego auch noch als Schwarzmarkthändler? Pfui Teufel!


  4. Die meisten Tore:
... wurden diesmal nicht so ganz geschossen. Rechnet man die vielen falschen Abseitspfiffe mit ein, hätten es aber durchaus 30-40 Treffer mehr sein können.


  5. Die meisten Karten:
Wegen der allgemeinen Kartenknappheit in den Stadien taten sich die Schiedsrichter zu einer solidarischen Aktion zusammen. Unter dem Motto „Viele bunte Karten für die WM“ sorgten sie für eine ungeahnte Ticketvermehrung. Auf dem Platz frei gewordene Stehplätze konnten so mit bisher leer ausgegangenen Fans aufgefüllt werden. Beim Schlusspfiff des Spiels Portugal gegen die Niederlande standen am Ende mehr Fans als Spieler auf dem Platz. Vorbildlich!


  6. Die "besten" Scharfschützen:   
-    Tells Erben im Elfmeterschießen gegen die Ukraine (3 Treffer)
-    Englands Übungsweltmeister im Elfmeterschießen gegen Portugal (3 Treffer)
-    Argentiniens Möchtegernweltmeister im Elfmeterschießen gegen Deutschland (2 Treffer)

  7. Die besten Brasilianer:
Pelé im ZDF-WM-Studio und Felipe Scolari auf der portugiesischen Bank


  8. Die überflüssigste Sendung:
„Nachgetreten“ mit Ingolf Lücks Ansammlung alternder Spaßbremsen


  9. Die besten Netzer-Dellings:
Jürgen Klopp und Urs Meyer im ZDF-WM-Studio


10. Die schönsten Spiele:   
-    Deutschland – Costa Rica (4:2)
-    Deutschland – Ecuador (3:0)
-    Deutschland – Polen (1:0)
-    England – Schweden (2:2)
-    Argentinien – Elfenbeinküste (2:1)
-    Argentinien – Serbien & Montenegro (6:0)
-    Tschechien – Ghana (0:2)
-    Australien – Japan (3:1)
-    Spanien – Ukraine (4:0)
-    Deutschland – Schweden (2:0)
-    Brasilien – Frankreich (0:1)
-    Deutschland – Italien (0:2)

11. Die schlimmsten Kicks:       
-    England – Paraguay (1:0)
-    England – Trinidad & Tobago (2:0)
-    Niederlande – Argentinien (0:0)
-    Mexiko – Angola (0:0)
-    Japan – Kroatien (0:0)
-    Saudi-Arabien – Spanien (0:1)
-    Ukraine – Tunesien (1:0)
-    Schweiz – Ukraine (0:3 n.E.)
-    England – Portugal (1:3 n.E.)

12. Die besten Kung-Fu-Einlagen:   
-    Portugal – Niederlande (ganzes Spiel)
-    Deutschland – Argentinien (zweite Verlängerung)

13. Die spätesten Tore:
Glückliches Italien: Tottis Elfmeter zum 1:0 neun Sekunden vor Ende der 5-minütigen Nachspielzeit im Achtelfinale gegen Australien und Grossos 1:0 in der 119. Minute im Halbfinale gegen Deutschland. Del Piero setzte im gleichen Spiel mit seinem Tor zum 2:0 noch den finalen Schlusspunkt.


14. Die größten Pleiten:   
-    Das frühe Ausscheiden Tschechiens, Kroatiens und Polens in der Vorrunde
-    Das Aus von Holland und Spanien im Achtelfinale
-    Das Aus von Argentinien, England und Brasilien im Viertelfinale

15. Die Verkaufsschlager:
Deutschland-Auto-Flaggenhalter, Hawaii-Ketten in schwarz-rot-gold und sonstiger nationaler Krimskrams


16. Das schlimmste Liedgut:
Deutschland-Lied (erste Strophe laut gegrölt) und die „WM-Hymne“ von Herbemeyer


17. Das besten TV-Kommentatoren:
Fehlanzeige


18. Die beste Organisation:
Fußballverband von Togo


19. Der traurigste Animateur:
Oliver Kahn


20. Die beste Kilometerleistung:
Kaiser Franz Beckenbauer


21. Die schönste Hubschraubertrauung:
s.o. mit seiner „Weihnachtsfee“ Heidi


22. Das schlimmste Bier:
Die „Bud“-Plörre von Anheuser-Busch (USA) in den WM-Stadien


23. Das schlimmste Maskottchen:
Triebtäter „Goleo“ wird nach der WM wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und exhibitionistischer Exzesse für immer aus allen Kinderzimmern verbannt.


24. Der dickste Bauch:
Ronaldo nach dem zweiten Frühstück am 13.06.2006


25. Das glanzvollste Comeback:
Zinedine Zidane am 01.07.2006


26. Die größten Versager:
Beckham, Ronaldinho, Adriano, Roberto Carlos etc.


27. Der ewige Torrekord:
Großes dickes Ronaldo (15) übertrifft kleines dickes Müller (14)


28. Die größten Gewinner:
Zuschauer in den Stadien, Fan-Meilen und Biergärten


29. Die größten Experten:
Günter Netzer und Angela Merkel


30: Das beste Ein-Mann-Team:
Cristiano Ronaldo



Wir vom Kanal wünschen Euch noch schöne schoene Fussball-freie Sommertage. Nochmals besten Dank an den Tippspielorganisator Robert. Es hat wie immer viel Spaß gemacht. Aber es dauert ja nicht mehr lange bis zur nächsten Europameisterschaft bei unseren beiden gebirgigen Nachbarn im Süden. Hoffen wir mal, dass sich unsere Kicker auch diesmal wieder dafür qualifizieren können. Dann steht einer weiteren spannenden Tippspielrunde in 2008 nichts mehr im Wege.

Bernd Christoph



WM-Kommentar vom 06.07.


Liebe Freunde,

die Finalteilnehmer stehen fest und das deutsche Team darf gegen Portugal um die Bronzemedaille spielen. Das gestrige Halbfinale war eines dieser von der Taktik bestimmten Spiele bei dieser WM, von denen wir leider viel zu viele sehen mussten (zumindest wenn man stets am Ball war). Gab es in der ersten Halbzeit noch einige sehenswerte Situationen, die von Spielfreude und Spielkunst zeugten, so verkam das Spiel in der zweiten Hälfte zum reinen Ergebnisfußball. Frankreich wollte nicht und Portugal konnte offenbar nicht besser spielen. Obwohl die Sportugiesen sicherlich auch gewinnen wollten, kamen sie all zu selten direkt vor das gegnerische Tor, das von den Froggies geschickt und mit Routine verteidigt wurde. Das war früher die von den Gegnern so oft verfluchte klassische deutsche Spielweise! Die Franzosen haben momentantan wohl das beste klassisch-deutsche Team seit Griechenland 2004, als Rehakles mit seinen Jungs ebenfalls mit deutscher Taktik Europameister wurde.
Freuen wir uns also auf ein spannendes Finale, das hoffentlich nicht rein taktisch bestimmt sein wird. Vorher kann das deutsche Team mit einem Sieg im "Kleinen Finale" noch einen richtig versöhnlichen Abschluss dieser WM schaffen.

Sportsgruß, Robert



WM-Kommentar vom 05.07.


Liebe Freunde,

nun ist es also passiert: Der Höhenflug der deutschen Mannschaft hat ein Ende gefunden, es reichte dann doch nicht zum Finaleinzug. Die italienische Mannschaft war gestern besser, und das hatte verschiedene Gründe:
1. Einige deutsche Spieler konnten nicht an ihre z.T. sehr guten Leistungen aus den vorherigen Spielen anknüpfen. Schneider: Gestern wenig durchsetzungsfähig und im Abschluss von der Harmlosigkeit einer Stubenfliege. Podolski: Wurde zu wenig in Szene gesetzt, konnte sich nur ein einziges Mal richtig durchsetzen und zum Schuss kommen. Ballack: Was war mit dem Kaptitän los? Zeigt keine Preasenz im Mittelfeld und spielte Alibipässe, wo mal ein energisches Eindringen in den gegnerischen Strafraum oder ein beherzter Schuss angebracht gewesen wären.
2. Das Umschalten von Abwehr auf Angriff lief viel zu langsam. Auffällig viele Pässe waren schlampig gespielt, so dass zusätzliche Laufarbeit gefragt war, die das deutsche Spiel unnötig verzögerte. Von dem sicheren und schnellen Passspiel, wie es noch gegen Schweden praktiziert wurde, war gestern bei der deutschen Mannschaft nichts nichts zu sehen, wohl aber bei den Italienern.
3. Individuelle Klassenunterschiede wurden in der Offensive deutlich, insbesondere im  Kopfballspiel. Die Italiener gewannen quasi ausnahmslos jedes Kopfballduell im eigenen Strafraum. 12:4 Ecken zeigen deutlich auf, dass die Spagettis ihren Gegner erst gar nicht in den Strafraum oder an die Grundlinie ließen, selbst aber immer gefährlich vordringen konnten.
4. Marcello Lippi hatte die bessere Bankbesetzung und setzte sie auch taktisch richtig ein. Sein Team schaltete in der Verlängerung noch mal einen Gang hoch und kam sofort zu zwei dicken Chancen. Schon hier hätten die Azzuri führen können. Die deutschen Auswechselspieler blieben weitgehend wirkungslos. Wohl dem, der ein taktisch so gut geschultes Team hat...
So weit die offensichtlichen Schwächen des deutschen Teamms und die Vorteile der Italiener. Andererseits kann man mit Fug und Recht mit dem Schiedsrichter hadern, dessen Laissez-faire-Einstellung die Deutschen durchaus benachteiligte. Pirlos Oberarm und Schulter gingen bei Ballacks Kopfballvorlage in der ersten Halbzeit eindeutig nach oben und zum Ball (was hat Urs Meier da bloß gesehen? Ich empfehle den Gang zum Optiker!). Das war ein klarer Elfmeter. Und die Szene, in der Freistoß gepfiffen wurde, obwohl der hochspringende Podolski einen Meter weit im Strafraum stand? Nun ja, ein besserer Schiri hätte da wohl eher gar nichts gepfiffen... Es bleibt aber Pirlos Oberarmspiel und die hypothetische Frage, wie das Spiel wohl naach einem verwandelten Elfmeter weiter gelaufen wäre...

Trotz allem sollten wir nicht allzusehr mit dem Schicksal hadern. Die deutsche Mannschaft hat besser gespielt als erwartet, befand sich auf Augenhöhe mit Argentinien und hätte an einem besseren Tag auch die Italiener vielleicht schlagen können. Das hat ganz sicher zu der absolut positiven Stimmung beigetragen, die uns und fast ganz Deutschland jetzt schon dreieinhalb Wochen durch das Turnier begleitet und das ganze Ausland begeistert. Wenn unsere Jungs schon in der Vorrunde gescheitert wären, dann wäre sicher auch die Stimmung runter gegangen. Ergo: Danke auch an Klinsmann und die deutsche Nationalmannschaft!


In unserem Tippspiel ist die Tabelle nun schon fast zementiert. Mit der gestrigen Niederlage starben nicht nur die Finalträume des deutschen Teams sondern auch die Punkteträume vieler Mitspieler/innen. Meine "von Hand" gemachte Zusatzspalte der maximal noch möglichen Punktgewinne hat mich beim letzten Mal etwas getrogen, als ich fälschlicherweise Annette die Tabellenführung bei einem Sieg der Italiener versprach. Ich weiß auch nicht mehr, wie ich dazu gekommen war. Auf jeden Fall wird der WM-Titel auch bei uns wohl erst am Sonntagabend vergeben. Torben kann noch 3 Punkte holen, falls Portugal nicht nur Elfmeter verwandelt, sondern auch kräftig Feldtore erzielt; Martin muss hoffen, dass das deutsche Team die torbeste Mannschaft stellt und sich nicht noch z.B. von den Italienern (beide derzeit 11 Treffer) überholen lässt. Wahre Experten hatten den Spagettis natürlich von Anfang an viel zugetraut: Bei ihrem letzten WM-Triumph 1982 gab es bekanntlich ebenfalls zuhause einen Betrugsskandal und einige eher schwache Vorrunden-Auftritte. Die Geschichte erholt sich bekanntlich im Fußball erstaunlich oft...

Sportsgruß, Robert



Kanal-Kommentar vom 03.07.2006

Don’t cry for me, Maradona

Wie haben wir dich am Freitag nur vermisst. Alle Kameras waren schon lange vor dem Spiel auf deinen Platz in der VIP-Loge des Berliner WM-Stadions gerichtet. Er blieb zunächst leer. Wir hatten Verständnis dafür. Du bist schließlich Genießer und Raucher. Leider wird diese aussterbende Spezies zunehmend mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Wir meinten, dich hinter einem Lüftungsschacht, eingehüllt in dichtem Cohiba-Rauch, entdeckt zu haben. Aber das war nur eine Wunschvorstellung. Spätestens beim Abspielen der argentinischen Nationalhymne musstest du doch endlich ins Bild kommen in deinem wunderbaren blau-weißen Trikot mit Stolz geschwellter Brust. Wir wurden langsam unruhig, als du immer noch fehltest. Hattest du wieder mal Krach mit den Offiziellen der FIFA, die dich noch nie verstehen konnten? 1990 hatten sie den Schiedsrichter im Endspiel bestochen und dir so den sicheren zweiten WM-Titel gestohlen. Nun ging es wieder gegen Deutschland, den Gastgeber. Du hattest völlig zu Recht von möglicher Manipulation gesprochen. Deutschland sollte wieder ins Halbfinale gepfiffen werden. Alle waren auch diesmal gegen Argentinien, nur weil sie Angst vor dir haben. Du kämpfst seit Jahren Seite an Seite mit deinem Freund Fidel Castro für die Rechte der Armen, Schwachen und Unterdrückten in der Welt. Dein Gegner ist das Großkapital, die Weltbank, die WTO und die FIFA. Sie fürchten dich, weil du aus dem Volk kommst und das Volk auf deiner Seite hast. Du bist ein Genie und durch die „Hand Gottes“ für uns alle unsterblich geworden.

Das Spiel begann und du warst immer noch unsichtbar für uns alle. Wir konnten es nicht fassen. Deine Energie ging aber, für uns alle spürbar, in Form eines unsichtbaren Kraftfeldes auf die Mannschaft über. Deine Seele schwebte über dem Stadion. „Argentina, Argentina“ schallte es überall auf den Rängen. Aber auch in der Halbzeitpause blieb dein Platz leer. Sicher warst du in der Kabine, um der Mannschaft den Sieg zu erklären. Dieser Trainer Pekerman war leider nicht in der Lage dazu. Das hast du in deiner famosen Fernsehshow schon seit Monaten gesagt. Deine flammende Ansprache zeigte auf eine geradezu phantastische Weise ihre Wirkung. Noch stärker als vorher kamen die Albinocelesti in der zweiten Hälfte ins Spiel. Kurze Zeit später folgte dieser Freistoß. Du hattest deinen Spielern bis in alle Einzelheiten erläutert, wie sie es machen sollten. Sie folgten exakt deinem weisen Rat und es stand völlig verdient 1:0. Wer sollte Argentinien jetzt noch stoppen? Diese deutschen Panzer etwa? Wir meinten, einen Heiligenschein über deinem leeren Platz erkennen zu können. Dann folgte aber das Unfassbare zehn Minuten vor Schluss. Deutschland glich aus zum 1:1. Wie konnte es dazu nur kommen? Wieder war der Schiedsrichter Schuld. Er verhängte diesen unseligen, vollkommen unberechtigten Einwurf für Deutschland, ohne den das Tor niemals gefallen wäre. Das traf die Mannschaft bis ins Mark. In der Verlängerung brauchte das Team deine Anfeuerung, deinen ekstatischen Tanz in der Ehrenloge des verhassten Establishments. Warum hast du ihnen nicht geholfen, als sie dich so dringend brauchten? Ermattung setzte ein, wie ein lähmendes Gift befiel es nach und nach deine Spieler. Man meinte, sie auf dem Platz förmlich schrumpfen zu sehen. Als es zum Elfmeterschießen kam, waren sie plötzlich nicht mehr zu sehen, waren einfach verschwunden - wie du auch. Warum hast du uns das angetan? Deine Tränen am Schluss hätten diesem unwürdigen Treiben noch einen Hauch von Würde verliehen. Lasst die anderen nur jubeln, lasst sie Argentinien nur betrügen! Ein weinender Maradona bleibt in den Herzen der Menschen - für immer. Aber du warst ja diesmal nicht da. Wir warten auf dich. Jetzt sind es nur noch vier Jahre ...

Bernd Christoph




WM-Kommentar vom 3.7.2006

Liebe Freunde,

Halbfinale! Ich weiß, ich weiß, einige von Euch haben durch ihre Vorabtipps dokumentiert, dass sie es angeblich schon vorher gewusst haben. Aber war da nicht vor allem eine Menge Wunschdenken dabei? Zweckpessimisten wie ich sehen jetzt natürlich alt aus (was sich übrigens auch in der Tippspieltabelle dokumentiert... ☺).
Das Spiel gegen Argentinien war gewiss nichts für Fußballfeinschmecker. Viele Mittelfeldduelle, fast gar keine Torraumszenen, aber eine enorme Spannung. Torsten Frings war für mich der beste Mann auf dem Platz und sorgte dafür, dass die gefährlichen Argentinier nur ganz selten bis in den Strafraum kamen. Vorn lief zwar auch bei der deutschen Mannschaft nicht so viel wie in den Spielen zuvor, aber das hatte wohl auch keiner gegen Argentinien erwartet. Beim Elfmeterschießen fieberten dann 25 Fußballbegeisterte in Borkos und Ulrikes Wohnzimmer mit (nochmals vielen Dank für den tollen Abend und die ganze Mühe!), wie Neuville, Ballack, Podolski, Borowski und Lehmann die Nerven behielten und ihre Mannschaft ins Halbfinale brachten. Zum Glück hatte Argentiniens Trainer Pekerman noch den 1,90 m-Mann Julio Cruz eingewechselt, so dass Klinsmann & Co jetzt mit Recht sagen können: "Endlich wieder einen Großen geschlagen!" Die anderen Argentinier waren ja alle kleiner als ihre deutschen Gegenspieler...

Nach diesem Elfmeter-Krimi lief das zweite Viertelfinalspiel dann erheblich weniger spannend ab. Die Italiener schossen ein schnelles Tor und verteidigten diesen Vorsprung geschickt und mit etwas Glück gegen die nur selten gefährlichen Ukrainer, bis mit den zwei Toren von Tuca Loni die Entscheidung fiel. Business as usual bei den Italienern, die aber auch ihre Stärken bestätigten: Sichere Abwehr und schnelle, kombinationssichere Stürmer. Wenn dann noch das Mittelfeld um Totii einen oder zwei Geniestreiche zeigt, wird es für jeden Gegner schwer. Die deutsche Mannschaft hat aber mit den altbewährten deutschen Tugenden "Kämpfen, Rennen, niemals Aufgeben" den Schlüssel zum Finaleinzug selbst in der Hand. Unter Druck produziert auch die italienische Mannschaft Fehler und wenn dann bei den deutschen Jungs die neuen Tugenden "Schnelligkeit und Angriffsschwung" aus dem Schweden-Spiel zurückkehren, dann sind auch die Italiener schlagbar. Auf geht's, Jungs, wir machen die Spagettis platt und drehen sie durch die Nudelmühle!

Vom Spiel England-Portugal hatten wir uns sicherlich mehr versprochen als ein dramatisches Ende, aber beide Mannschaften quälten uns erst einmal 120 Minuten lang, bevor es richtig spannen wurde. Natürlich war auch schon in der normalen Spielzeit was los: Wayne Rooney ging Ricardo Carvalho mächtig auf den Sack und rooinierte mit seiner Hinausstellung den englischen Angriff. Trotzdem waren die Engländer anschließend das spielbestimmende Team, das aber mangels geeigneter Anspielstationen in der Spitze wirkungslos blieb. Die Sportugiesen kombinierten fleißig, aber auch ihre wenigen Chancen resultierten vor allem aus Weitschüssen. So musste auch hier das Elfmeterschießen entscheiden. Vorsichtshalber hatte Englands Coach Eriksson seinen Kapitän Beckham rechtzeitig vom Platz geholt, so dass dieser keine Chance zum Fehlschuss erhlielt. Schade eigentlich... Seine Kumpels machten es aber nicht besser. Ein Elfmeterschießen zu vergeigen, in dem selbst der Gegner zweimal versemmelt, das schaffen wirklich nur die Limies. Den Grund habe ich inzwischen herausgefunden. Bei entsprechender Eingabe zeigt der deutsch-englische Online-Übersetzungsdienst LEO (http://dict.leo.org): "Die Suche nach "Nervenstärke"  lieferte keine Treffer". Damit ist über Fähigkeiten der Engländer beim Elfmeterschießen wohl alles gesagt...
Sehr gut gefiel mir übrigens auch das heute gelesene Zitat von Frank Lampard: "Ich weiß einfach nicht, warum es immer uns treffen muss. Dabei haben wir das Elfmeterschießen vor diesem Spiel noch trainiert. Stundenlang. Aber wir scheiden trotzdem aus. Und die Deutschen gewinnen immer. Das ist ungerecht!". Dazu kann ich nur sagen: Heul doch! Und üb schön weiter...  Lampards Kollege David Back-home ist ja gestern sogar vom Kapitänsamt zurück getreten. Wirklich rührend...

Am Samstag abend gab es dann noch richtigen Fußball zu sehen. Der Große Alte Mann des französischen Fußballs zeigte all diesen von der Presse zu Superstars hochsterilisierten brasilianischen Ballkünstlern wie man solche Spiele dirigiert, nämlich nicht mit Ballschieberei und Übersteigern, sondern mit Übersicht und dem richtigen Pass zur rechten Zeit. Glaubten Parreira und Zagalo, dass Zidane schon früh die Luft ausgehen würde, oder wareum ließen sie ihn  sonst so frei im Mittelfeld schalten und walten? Ideenlos und ohne Mumm stand den vor allem in der zweiten Halbzeit entschlossen agierenden Franzosen eine brasilianische Mannschaft gegenüber, die ob all der ihr angedichteten Ballzauberei wohl das Kämpfen verlernt hatte. Ronaldinho? Ohne Wirkung, Ronaldo? Nach der ersten Viertelstunde ein Denkmal seiner selbst, Roberto Carlos? In der Offensive gewohnt hirnlos. Adriano? Wer? Unfassbar diese Arroganz beim 1:0 der Franzosen: Während Zidane den Freistoß auf das lange Eck schlug, band sich Roberto Carlos seelenruhig die Schuhe zu. Prompt stand dort – auf "seiner" Seite – Thierry Henry und schob den Ball ins Netz... Die von den Brasilianern im Grunde schon über das ganze Turnier gezeigte Arroganz des scheinbar unschlagbaren Weltmeisters wurde von einem französischen Team bestraft, das sich zur echten Turniermannschaft entwickelt hat. Chapeau, Zizou – die Sportugiesen sind schlagbar, wir sehen uns hoffentlich im Endspiel!


In unserem Tippspiel haben sich zwar diie Positionen in der Spitzengruppe nur geringfügig verschoben, aber Torbens ehemaliger 10 Punkte-Vorsprung ist bis auf einen Zähler geschmolzen. Ich habe in die Tippspieltabelle eine vierte Spalte mit den jeweils noch erreichbaren zusätzlichen Punkten eingefügt (Angaben ohne Gewähr), die uns zeigt, dass die Verfolger z.T. noch erheblich punkten können, während Torben nur noch 3 Zähler schafft, falls Portugal die Torbeste Mannschaft wird (Tore aus den Elfmeterschießen zählen für diese Wertung nicht!). Kommt Deutschland ins Finale, so zieht Martin vorbei; gewinnt morgen Italien, so liegt Annette vorn. Es bleibt also oben spannend, während die Rote Laterne bereits jetzt an Knud Jacobsen fest vergeben ist. Soll man dazu gratulieren? Wohl besser nicht...

Sportsgruß, Robert






WM-Kommentar vom 28.06.

Liebe Freunde,

...da waren's  nur noch acht! Gestern wurde das Viertelfinale komplettiert und kurioserweise hat es aus jeder Vorrundengruppe genau eine Mannschaft bis in die Runde der letzten acht geschafft. Noch dabei sind sieben Mannschaften, die man zu den "üblichen Verdächtigen" zählen darf, und die Ukraine als sog. "Geheimfavorit", der sich aber in Wirklichkeit bisher nur irgendwie durchgemogelt hat, ohne positiv aufzufallen. Gestern muss Schwarzafrika fast verzweifelt sein ob der vielen Torchancen, die die Ghanaer gegen den noch amtierenden Weltmeister Brasilien vergaben. Zur Halbzeit hätte Ghana führen müssen, aber stattdessen stand es 0:2. Zugegeben, das 1:0 durch den dicken Deoroller war eine feine Einzelleistung, aber die wurde durch die moderne Auslegung des "passiven Abseits" extrem begünstigt. Henning meinte, daß die Brasilianer diese Regelung vermutlich mit voller Absicht ausnutzen, indem sie gern einen Spieler auf einem Flügel im (passiven) Abseits stehen lassen und die zu diesem Zweck aufrückende gegnerische Abwehr dann mit einem auf dem anderen Flügel von hinten durchstoßenden Stürmer überlaufen. Kann sein, daß das Absicht ist, und wenn die Regeln das erlauben, so ist das ein guter und völlig legitimer Trick. Ob die Regelauslegung des "passiven Abseits" für den Fußball insgesamt gut und richtig ist, steht auf einem anderen Blatt.
Unklar bleibt auch, was die Brasilianer tatsächlich drauf haben. Über das gesamte Spiel gesehen war das gestern viel zu wenig, gemessen an den großen Erwartungen der Fußballwelt. Ein paar Tricks und eine erstaunliche Effizienz im Abschluss – aber sonst? Manche Spieler laufen doch anscheinend nur noch als Witzfiguren mit. Wieviele Tore hat Roberto Carlos eigentlich in den letzten 4 Jahren aus den üblichen 35 Metern per Freistoß gemacht? Vermutlich ziemlich genauso viele wie ich. Und wieso darf der trotzdem immer noch blind draufhalten? Warum versteckt sich Ronaldinho eigentlich die meiste Zeit in einem Mauseloch? Viel zu sehen ist nicht von ihm. Kocht der Weltmeister absichtlich nur auf Sparflamme und dreht den Gashahn erst gegen einen wirklich starken Gegner auf? Oder hat er einfach nicht mehr drauf? Wir bleiben vorerst ratlos.

Die Franzosen sind vielleicht der richtige Test. Die heben sich mit ihrem Minimalistenfußball zwar kaum noch von den Italienern ab, aber sie verfügen über eine stabile Abwehr, die es gestern gegen die Spanier schaffte, den Gegner fast 90 Minuten aus dem eigenen Strafraum heraus zu halten. Die Szene vor dem Strafstoß war eine echte Ausnahme, aber auch dabei war der Spanier schon wieder auf dem Weg aus dem 16er heraus. Insgesamt eine enttäuschende Leistung der vorher z.T. zu Recht so gelobten Spananier, die gestern einen unverständlichen Angsthasenfußball praktizierten. Gerade mit dem Rückenwind guter Vorrundenspiele war doch wirklich mehr drin als das übliche frühe Ausscheiden. Angst vor der eigenen Courage? Dann wird das auch in Zukunft nix mit dem spanischen Fußball.


Auch in unserem Tippspiel ist das Achtelfinale gelaufen; and the winner is..... Jan Petersen! Als einziger hat er in allen Achtelfinals die richtigen Sieger getippt und kann im Rest des Turniers jetzt noch voll punkten. Unter extrem günstigen Umständen ist für ihn sogar noch ein Sprung in die Preisränge möglich. Ansonsten blieb die Spitzengruppe weiter nahe beisammen. Am unteren Ende streiten sich wohl nur noch Karen und Knud um die Rote Laterne. Ich selbst muß leider erkennen, daß ich auch nicht besser als die Holländer bin: Alle gesteckten Ziele habe ich verfehlt. Niemals auch nur annähernd an den Preisrängen geschnuppert, chancenlos hinter den besten Hebbelkicker Ingo liegend, und schließlich auch noch weit hinter Ehefrau und Sohn zurück gefallen.... Irgendwie ist diese WM ein Trauerspiel...

Sportsgruß,
Robert

P.S.: Was machen wir eigentlich heute abend?



Kanal-Kommentar vom 27.06.2006

Da war’n es nur noch 10

Zweieinhalb Wochen läuft nun schon die WM, oder sollte man sagen erst? Erstaunlich, wie so eine Veranstaltung das alltägliche Leben jedes einzelnen von uns verändern kann. Termine werden nur nach dem aktuellen Spielplan vereinbart, in manchem Wohnzimmer prägen Leinwand und Beamer statt des gewohnten Puschenkinos das Bild, Public Viewing inmitten grölender Massen enthemmter Landsleute ist plötzlich chic geworden, die Häufung beflaggter Automobile im Straßenverkehr nimmt dramatisch zu. Keiner kann sich dem entziehen. Selbst Fußballmuffel müssen irgendwie mitmachen, denn der Anteil der WM-Bekloppten steigt jeden Tag. Tolles Sommerwetter und die Kieler Woche tragen bzw. trugen dazu bei, die Stimmung auf neue Euphoriehöchstwerte zu pushen. Na ja, und dann ist da noch eine deutsche Mannschaft, die uns allen langsam unheimlich vorkommt. Was hat Klinsmann denen nur verabreicht? Sein kalifornischer Wohnsitz lässt Böses erahnen, Balco sei (Un)Dank. So was wollen wir aber nicht mal denken. Vermutlich gab es nur eine DFB-konforme Höchstdosis in Form von intensivem Fitness- und Motivationsdoping. Im Endeffekt ist es uns auch allen egal, warum die deutsche Mannschaft derzeit den attraktivsten Fußball von allen WM-Teilnehmern spielt. Es ist eben (noch) so und wir sollten das genießen wie das schöne Sommerwetter, denn der nächste Regen kommt bestimmt.

Ansonsten bietet das WM-Teilnehmerfeld ein zwiespältiges Bild. Die ganz großen Überraschungen sind leider ausgeblieben. Die Asiaten haben sich in der Vorrunde verabschiedet. Mit Ghana ist nur noch ein Vertreter des schwarzen Kontinents dabei. Australien hat gestern die Italiener ein wenig geärgert, mehr aber auch nicht (Warum haben die Pizzabäcker eigentlich immer so viel Glück, oder wollte der Referee die vielen Fehler seines Kollegen anno 2002 gegen Südkorea mit dem einen Pfiff 9 Sekunden vor Schluss im Nachhinein korrigieren.). Es haben sich letztendlich wieder die großen Namen auf der internationalen Fußballbühne durchgesetzt. Die Leistungen waren bei einigen wenigen Spielen (Spanien, Argentinien, Deutschland, Brasilien nur phasenweise) besonders sehenswert. Es herrschte bisweilen viel Mittelmaß (Endland, Frankreich, Italien). Leider hat die Anzahl der kaum erträglichen Kicks nicht abgenommen. Wer dachte, dass ab dem Achtelfinale Fußball gezaubert würde, hat sich klar getäuscht: Taktik und die Angst vor Gegentoren bestimmten das Bild, bisweilen auch brutale Exzesse (Holland gegen Portugal). Tore sind leider Mangelware: Drei Spiele endeten 1:0, Argentinien brauchte eine Verlängerung und gestern zeigten die Schweiz und die Ukraine Fußball zum Abgewöhnen. Erstmals bin ich bei einem WM-Spiel aus Protest demonstrativ vor Spielschluss ins Bett gegangen. Keine Angst: Im Schlafzimmer habe ich natürlich die Zweitglotze zum Dämmerschlaf parallel laufen lassen und so noch das 11-Meterschießen mitbekommen.

Statt 32 sind jetzt nur noch 10 Mannschaften dabei. Heute Nachmittag treten sogar mehr als die berühmten 10 kleinen Negerlein auf, wenn Ghana den Weltmeister herausfordert. Am Abend spielen dann noch die Rolling Stones zum Tanz auf, wenn es gegen hungrige Iberer geht. Ab Freitag steigt dann das Viertelfinale. Wir hoffen dann wieder einmal, dass die Attraktivität nicht nur aus der Spannung einer weiteren K.O.-Runde resultiert, sondern vielleicht auch mal wieder in Form von Tempo, Tricks und Toren. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt.

Ansonsten wünschen wir vom Kanal euch viel Spaß bei den letzten 10 Spielen dieser Weltmeisterschaft. Genießt sie, denn bald ist hoffentlich alles vorbei.

Bernd Christoph




WM-Kommentar vom 27.06.

Liebe Freunde,

muss man die gestrigen Spiele noch intensiv kommentieren? Die Italiener schafften es durch einen unberechtigten Elfer doch noch ohne Verlängerung und Elfmeterschießen ins Viertelfinale, und alle Welt regt sich über den dazugehörigen Schiedsrichterpfiff auf. Sieht man die Sache aber realistisch, so muss man anerkennen, dass die Spagettis in Vollbesetzung in der ersten Hälfte mehrere wirklich gute Chancen herausgearbeitet hatten und sich erst nach der ebenfalls unberechtigten Hinausstellung von Maserati (o.ä.) so stark nach hinten drängen ließen. Wenn die Aussies dann in Überzahl kein Tor schießen, ist das ja wohl nicht den Italienern zum Vorwurf zu machen. Ich habe mit der ganzen Sache kein Problem. Außerdem hatte ich 1:0 fuer Italien getippt... :-)

Wer sich abends das Spiel Ukraine-Schweiz ansah, tat unterhaltungstechnisch einen echten Griff ins Klo. Ein solche Ansammlung von Ideen- und Konzeptlosigkeit, schlecht gespielten Pässen und ständigen Spielunterbrechungen hatten wir bei dieser WM noch nicht gesehen. Kopfschüttelnd fiel ich kurz vor Mitternacht ins Bett, noch immer verwirrt über die Frage, wie man es schaffen kann, 3 Elfmeter hintereinander so dermaßen schwach zu schießen wie die Schweizer. So etwas hatte ich zuletzt in einem F-Jugendspiel gesehen...

Im Tippspiel rückte die Spitze weiter zusammen. Allzuviele Punkte werden unsere Spitzenreiter aber auch nicht mehr machen, denn jede/r hat sich schon mindestens einen Tippfehler im Achtelfinale geleistet. Auf Platz 5 lauert Ingo, der als einziger aus der Spitzengruppe bisher alle Achtelfinalspiele tendenziell richtig getippt hat. Das gelang sonst nur Jan Petersen, Niels Nörgaard-Pedersen und Jörn Geletneky. Wenn Ingo auch heute nicht schief liegt, hat er allergrößte Chancen auf den WM-Titel, zumal auch seine drei offenen Zusatztipps noch im Rennen sind.

Sportsgruß, Robert



WM-Kommentar vom 26.06.

Liebe Freunde,

wer hätte gedacht, dass die Schwedenhäppchen so leicht verdaulich sein würden? Zwei schnelle Tore und das Ding war gelaufen, zumal die Ikeassons alles mögliche taten, um möglichst bald nach Hause fliegen zu dürfen. Insgesamt war das aber dennoch eine imponierende Gesamtleistung der deutschen Mannschaft, die dieses Spiel auch gegen 11 Schweden gewonnen hätte. Hinten sicher gestanden, im Mittelfeld Angriff auf Angriff nach vorn gerollt, und dort zwei Stürmer, die nahezu perfekt harmonieren. Die Argentinier werden sich jetzt nicht allein auf Klose konzentrieren (müssen), denn auch Poldi nähert sich seiner Bestform. Vielleicht eine Parallele zum Gesamtzustand unseres Landes – nach dem Motto: In der PISA-Studie ganz hinten, aber was soll's: Dumm kickt gut!

Gut kicken können auch andere, z.B. die Argentinier. Leider zeigten sie es uns am Samstagabend nur sporadisch, weil die Mexe technisch und konditionell nicht viel schlechter waren und im Kopfballspiel sogar überlegen. Da entscheiden dann individuelle Fähigkeiten  so ein Spiel, so wie diesmal der phänomenale Schuss von Maxi Rodriguez. Wenn man als gegnerischer Verteidiger staunend dasteht und so einen Ball mit dem Auge verfolgt wie er im Winkel einschlägt, dann hat der Schuss eine doppelte Wirkung. Zum Rückstand kommt noch die demotivierende Wirkung dieses scheinbaren Zauberkunststücks. Damit war für die Mexikaner dann auch Schluss. Der nächste deutsche Gegner ist dennoch ein sehr starkes Team, das nicht nur exzellente Einzelkönner besitzt, sondern auch den Ball perfekt hin und her laufen lassen kann, bis der finale Pass in den Strafraum oder der Schuss aus der Zweiten Reihe kommt.  Nur mit einer weiteren Steigerung hat das deutsche Team eine Chance.

Keine Chance darf man eigentlich den Engländern einräumen. Das war ein dermaßen einfallsloser Kick gegen Ecuador, dass eigentlich beide Teams nach Hause geschickt werden müssten. Zum Glück war genug Erdbeertorte und Kaffee da, aber zum Eintickern der Endrundentipps in mein Notebook hätte ich gern auch noch etwas aufmunternde Fußballunterhaltung gehabt. Aber das war nur Murks.

Abends glaubte ich dann, ich sei versehentlich beim DSF  gelandet, denn übertragen wurde eine seltsame Mischung aus Kartenspiel und Holzhacken. Seltsamerweise flog ab und zu auch ein Fußball durchs Bild. Unfassbar, wie offen manche Spieler um Gelbe und Rote Karten bettelten... Handspiel im Mittelfeld, Ellenbogencheck, Blutgrätsche, gestrecktes Bein in den Gegner – das war ein Gruselkabinett des Fußballs, bestens geeignet zum Abgewöhnen und zum Vergraulen all derjeniger, die sich bisher zwar nicht sonderlich für Fußball interessierten, die aber von der allgemeinen Begeisterung irgendwie angezogen wurden.
Einen Sieger musste das Spiel dann auch noch haben und da die Holländer vor allem in der ersten Halbzeit ihr Angriffsspiel viel zu langsam und pomadig aufzogen und sich in der zweiten Hälfte von der Hektik anstecken ließen, müssen sie nun nach Hause fahren. Der Truppe von Gene Hackman ist dagegen auch das Halbfinale zuzutrauen, denn mehr als die Käsköppe haben die Limies garantiert nicht drauf.

In unserem Tippspiel haben einige Sportskameraden das Handtuch geworfen und keine Endrundentipps mehr abgegeben. Pech gehabt – mit dieser Unsportlichkeit seid Ihr auch im Kampf um die Rote Laterne ausgeschieden, denn dieser plumpe Versuch, möglichst wenig Punkte zu sammeln, wird selbstverständlich mit der Roten Karte bestraft. Oben hat Torben einen Teil des zwischenzeitlich 10 Punkte betragenden Vorsprungs durch falsche Achtelfinaltipps wieder abgeben müssen. Annette und Roland hatten im "Kartenspiel" gestern abend die richtige Nase und können daher in mindestens zwei Viertelfinals punkten, während Torben und Martin die Holländer ins Viertel- bzw. sogar Halbfinale tippten und jetzt auf Spielpaarungen sitzen bleiben, die gar nicht zustande kommen. Der Kampf um den WM-Titel ist noch lange nicht entschieden...

Sportsgruß, Robert




WM-Kommentar vom 23.06.

Liebe Freunde,

die Spreu trennt sich vom Weizen, und dabei bleibt auch die eine oder andere höher eingeschätzte Mannschaft schon in der Vorrunde hängen. Gestern erwischte es die Tschechen, deren "Goldene Generation" ganz offensichtlich schon längst ihren Zenit überschritten hat. Durch Verletzungen und Sprren weiter geschwächt waren sie letztendlich gegen clevere Italiener chancenlos. Die wenigen halbwegs guten Torschüsse kamen alle aus der zweiten Reihe, denn im Strafraum ging gar nichts. Milan Baros blieb völlig wirkungslos, von Poborsky war auch kaum was zu sehen und allein Nedved zwang Buffon mit einigen Weitschüssen zu schönen Paraden. Aber der "blonde Engel" nahm sich auch viele Auszeiten, stand im Mittelfeld herum und wartete auf den Ball. Und sonst? Hat das Ex-Lüdenscheider "Schnitzel" überhaupt mitgespielt? Zu sehen war nix. Die Spagettis spielten ihren Part nach der 1:0-Führung routiniert herunter, so wie wir es von ihnen kennen. Nicht schön, aber effektiv. Totti zeigte sich als Passgeber deutlich verbessert, brachte aber aus der 2. Reihe nur Schüsschen zustande. Abwarten, das wird noch besser. Im K.o.-System kommen die Stärken der Italiener erst richtig zur Geltung. Die Kraftfußballer aus Australien sind vermutlich ein guter Aufbaugegner.

Abends durften wir uns fast eine ganze Halbzeit fragen, mit welchem Konzept die Brasilianer denn eigentlich gegen laufstarke und motivierte japanische Nähmaschinen gewinnen wollten. Erst nach dem Ausgleich durch Dickerchen Ronaldo, dem eine wunderschöne Kombination aus Flankenball und Kopfballvorlage vorausging, zeigten die Zuckerhutkicker uns ihre wahren Fähigkeiten. Plötzlich klappte das Ballzirkilieren und auch die Anspiele in den Strafraum  fanden ihre Abnehmer. Die überforderten und demotivierten Japaner mutierten zum Spielball, der schließlich mit dem 1:4 noch gut bedient war. Auch wenn jetzt Käseblätter wie die "Kieler Nachrichten" und der Möchtegern-Berufsjugendliche Laberhannes B. Kerner die Brasilianer zum absoluten Topfavoriten hochsterilisieren wollen, gieße ich gern mal Wasser in den Wein und behaupte, dass die Brasilianer erst einen Teil der Fähigkeiten nachgewiesen haben, die ein zukünftiger Weltmeister braucht. Toreschießen können sie, aber gegen eine konzentrierte Abwehr tun sie sich schwer, und die eigene Defensive ist immer für einen Aussetzer gut. Das Dickerchen darf man natürlich nicht wie beim 1:1 alleine vor dem Tor rumstehen lassen, denn das Schießen und Köpfen hat er nicht verlernt. Die explosive Dynamik im Antritt ist aber weg, und gerade die hat ihn in seiner besten Zeit ausgezeichnet. Trotzdem ist ein 90 Kilo-Denkmal natürlich nicht so leicht umzuwerfen. Ich freue mich auf das Spiel gegen Ghana, das kann ein wirklich munterer Kick werden.


Im Tippspiel hat sich Torben jetzt bereits um 10 Punkte von Platz 2 abgesetzt. Ihm gelangen in den letzten 16 Spielen sechs Volltreffer (4 Punkte) und sieben Dreier. Nur zwei Mal lag er völlig daneben, aber er sackte auch noch 3 Extrapunkte für den Tipp der einzigen torlos gebliebenen Mannschaft des Turniers ein. Unglaublich! Dennoch können auch Titelfavoriten bei der WM rasch abstürzen, wenn ihnen 2-3 Achtelfinaltipps misslingen. Das Verfolgerfeld ist immer noch sehr breit. Am hinteren Ende konnte Knud wieder Anschluss gewinnen. Ich hoffe, dass auch dort der Ehrgeiz für die WM-Endrunde hoch bleibt, denn ein letzter Platz im Tippspiel ist wahrhaftig kein Ehrentitel.

Ein schönes Achtelfinalwochenende wünscht mit Sportsgruß
Robert



WM-Kommentar vom 21.06.


Liebe Freunde,

das Minimalziel ist erreicht, "wir" sind im Achtelfinale. Heute morgen hatte ich das Gefühl, dass noch mehr Autos mit schwarzrotgoldenen Fähnchen rumfuhren als gestern; die Euphorie scheint unaufhaltbar. Berechtigt? Ich meine: Jein! Gestern haben wir vom deutschen Team eine ordentliche Leistung gesehen, mehr aber auch nicht. Die Meerschweinchenbrater aus den Hochanden schickten eine leicht verstärkte B-Elf auf den Platz, um sich eine wohl schon erwartete Niederlage abzuholen und dann gut erholt gegen England anzutreten. Keine schlechte Taktik, meine ich, denn was Becks & Co. gestern in der zweiten Hälfte boten, war nicht gerade zum Fürchten. Und das deutsche Team? Wir haben drei wirklich schöne und prima vorbereitete Tore gesehen, aber dazwischen auch jede Menge Leerlauf. Quasselstrippe Reinhold Beckmann wollte uns jeden halbwegs gut gedachten, aber dann leider doch vom Gegner erlaufenen Pass als "Weltklasse-Aktion" verkaufen. Manchmal habe ich den Eindruck, dass Leute wie Beckmann diese Weltklasse gern herbeireden möchten. Das hat aber im Fußball noch nie geklappt. Hat Poldi gestern ein Superspiel gemacht, weil er einmal genau dorthin gelaufen ist, wo ein Stürmer verdammt noch mal hinzulaufen hat, wenn sein Nebenmann außen steil geht? Ist die deutsche Abwehr plötzlich richtig sattelfest, bloß weil die Ecuadorianer gestern keinen Mittelfeldspieler hatten, der den Ball mal (wie von Ballack gestern vorbildlich demonstriert) im richtigen Moment in die Gasse schieben kann? Die Lamazüchter hielten 3-4 mal aus der zweiten Reihe drauf, das war's auch schon. Damit darf man dem defensiven Mittelfeld und der Abwehr ein gut praktiziertes Forechecking bescheinigen, aber auch nicht mehr. Ob Huth und Mertesacker den Laden auch "am Mann" dicht halten können, war gestern nicht wirklich zu beurteilen. Ljundberg, Ibrahimsson und Larsson sind da schon ein anderes Kaliber. Das durften gestern auch die Limies erfahren, die nach der ersten Hälfte wohl dachten, sie könnten das Ding locker nach Hause schaukeln. Die Schweden veranstalteten einen richtigen Wirbel im und um den englischen Strafraum, und die Engländer hatten verdammtes Glück, dass sie ihr 2:1 genau dann erzielten, als die Schweden kurz Luft holten und gerade zur endgültigen Erstürmung der englischen Festung ansetzen wollten. Ob diese Schweden wirklich ein leichterer Gegner als die ziemlich berechenbar erscheinenden Engländer sind, möchte ich bezweifeln. Beide scheinen schlagbar für das deutsche Team, aber es wäre keine echte Überraschung, wenn Ballack & Co. am Samstagabend die Koffer packen müssten. Ob danach immer noch halb Deutschland mit schwarzrotgoldenen Fähnchen rumfährt? Ich will es hoffen, denn dann wären dies Fahnchen wirklich ein Zeichen der Freude über das großartige Ereignis "WM in Deutschland" und nicht bloß eine gefühlsduselige Schwärmerei auf dem Niveau der Fans von "Tokio Bordell" (oder wie die auch heißen mögen)…


In unserem Tippspiel platzten gestern abend um viertel vor 11 noch einige Punkteträume (z.B. bei Frederik), als die Schweden doch noch den verdienten Ausgleich erzielten. Weil Torben zusätzlich noch 3 Punkte aus dem Tipp für die Toreminimalisten einsackte (Tinibrago-Dingsbums blieb völlig torlos), konnte er mit Annette gleich ziehen. Zu Platz 5 sind es jetzt schon 5 Punkte Abstand. Die gilt es nun zu verteidigen. Auch die Rote Laterne hängt hinten schon ziemlich einsam herum – da darf in der Endrunde ruhig etwas besser getippt werden. Aber von wem sollen den die guten Ratschläge kommen? Papa ist ja auch nur geringfügig besser…  :-))

Heute abend untersucht das bewährte Testerteam die WM-Tauglichkeit diverser WM-Teilnehmerstände auf dem "Internationalen Markt" der Kieler Woche. Es gibt daher nach 18:00h vorerst kein Update der Punktetabelle, dafür aber voraussichtlich am Freitag das Ergebnis unserer Untersuchungen.

Sportsgruß, Robert



Kanalkommentar vom 20. Juni 2006


Von Donkosaken und Wüstensöhnen – Nachbericht vom WM-Spiel Saudi-Arabien – Ukraine (19.06.2006 / 18:00 Uhr)

Heute sind wir tatsächlich live bei der WM dabei. Zwei Karten für das Vorrundenspiel von Saudi-Arabien gegen die Ukraine in Hamburg hat der gnädige FIFA-Computer uns nach mehrfachen Fehlversuchen schließlich gegönnt. Es hätte vielleicht eine attraktivere Begegnung sein können. Wir wollen aber nicht meckern. Millionen andere haben bei der Ticketvergabe ganz in die Röhre geguckt oder mussten sich diese bei öden Gewinnspielen erkämpfen, auf passende Geburtstagsgeschenke hoffen bzw. „schwarze Karten“ zu horrenden Preisen erstehen. Das ist uns glücklicherweise erspart geblieben. Wir – das sind mein Sohn Tobi und ich.

Die Aktion wird gründlich vorbereitet. Das sind wir uns als Gastgeberland mit entsprechenden Tugenden schließlich schuldig. Zunächst wird im Internet die beste Bahnverbindung erkundet. Es gibt verschiedene Varianten ab verschiedenen Bahnhöfen mit verschiedenen Umsteigemöglichkeiten. Alles recht kompliziert. Wir beschließen, den ganzen Kram auszudrucken, mitzunehmen und uns vor Ort auf die Intuition zu verlassen. Dann schauen wir kurz nach dem Wetter. Die Prognose frisch vom Rechner ist nicht wirklich gut: 91 % Regenwahrscheinlichkeit und 4 bis 10 Liter Regen werden bei eher kühlen Temperaturen vorhergesagt. Also Windjacke und Jeans statt T-Shirt und Shorts.

Am frühen Nachmittag starten wir bei trübem Himmel mit dem Regionalzug vom Kieler Hauptbahnhof in Richtung Hamburg. Wir stellen fest, dass noch einige andere vermutlich das gleiche Ziel haben. Im Abteil feiert eine junge Truppe in Deutschland-Trikots mit Partyfässchen das bevorstehende WM-Spiel. Weiter vorne entdecken wir beim Gang zum Bord-WC eine größere Gruppe männlicher Wesen mit roten UdSSR-Shirts. Die Stimmung ist auch dort gut. Sie singen lautstark wie die Donkosaken. Kurz hinter Neumünster reißt die Wolkendecke unerwarteter Weise auf und die Sonne brennt durchs Fenster. Schnell erreichen wir im Abteil Saunatemparaturen. Danke an den Wetterdienst! In Hamburg angekommen orientieren wir uns auf dem Hauptbahnhof an den bunten WM-Schildern, die uns zielsicher zur S-Bahnlinie 21 leiten. Auf dem Bahnsteig hat sich hier ein bunter Tross von Fußballfans verschiedener Nationalitäten eingefunden. Gemeinsam geht es per S-Bahn zum Bahnhof Stellingen. Das Stadion ist nun nicht mehr weit. Im Bahnhof werden wir mit einem Schlüsselband mit integrierter Trillerpfeife in Form eines Fußballs beglückt. Vor dem Bahnhof dominieren die Farben weiß und blau der ukrainischen Anhänger. Vor einer Unterführung entdecken wir an einem Imbissstand die ersten Scheichs. Diese entpuppen sich aber als dreiste Fälschungen, denn welcher Saudi würde freiwillig in eine Bratwurst beißen? Daneben kann man Fan-Schals aller WM-Teilnehmer käuflich erwerben. Wir entscheiden uns für den weiß-roten der Eidgenossen mit dem Schriftzug „Hopp Schwiiz!“ Ab jetzt gelten wir als Schweizer. Wir durchqueren die dunkle Unterführung in einem großen Tross erwartungsfroher Fußballfans. Wenige Meter weiter warten die Shuttle-Busse zum Stadion schon. Wir quetschen uns in eines der Fahrzeuge. Neben uns sehen wir eine Gruppe in gelb-blau mit großer Ukraine-Fahne. Erstaunlicherweise sind das aber keine Ukrainer, sondern trinkfreudige Schweden. Anscheinend gibt es eine Farbpartnerschaft zwischen diesen beiden Ländern. Bietet sich ja auch an.

Endlich sind wir nach kurzer Busfahrt am Ziel. Die WM-Arena Hamburg, so heißt das Stadion in diesen Wochen, liegt in strahlendem Sonnenschein vor uns. Die Temperaturen nähern sich der 30-Grad-Grenze bei hoher Luftfeuchtigkeit. T-Shirts und Shorts wären jetzt schön gewesen. Nochmaliger Dank an den Wetterdienst. Wir geraten in eine Gruppe lustiger Scheichs in komplettem Wüstenlook. Für den richtigen Kopfschmuck wurden Geschirrhandtücher gewählt. Sie tragen lustige Namensschilder an ihren weißen Kitteln wie Mohammed Al-Kaida oder so ähnlich. Wir werden von den Wüstensöhnen mit „Hopp Schwiiz“ begrüßt und müssen gemeinsam auf ein Foto. Wir können uns nicht dagegen wehren. Es stößt noch ein fröhlicher Ukraine-Anhänger dazu, wir sind ja schließlich multikulturell. In der benachbarten Color-Line Arena läuft vor den Imbissständen auf verschiedenen Monitoren das Spiel Schweiz gegen Togo. „Wir“ führen 1:0. Unser Erscheinen wird dort mit anerkennendem Kopfnicken zur Kenntnis genommen. Man ist schließlich wer, wenn man bei einer WM führt. Nachdem ich im Schnelldurchgang die mitgebrachten Biervorräte erledigt habe, suchen wir den richtigen Eingang für den auf den Eintrittskarten vermerkten „blauen Bereich“. Das verhilft uns zu einer wunderbaren Stadionrunde bei sommerlicher Hitze. Danke an den Wetterdienst. Die Einlasskontrollen gestalten sich ziemlich problemlos. Zunächst wird der Inhalt der Jacken und des Rucksacks von einem sehr freundlichen jungen Mann in Augenschein genommen. Die kurz vorher im Bahnhof erstandene Trillerpfeife dürfen wir gleich in der Mülltonne versenken. Wie gewonnen, so zerronnen! Teil zwei der Kontrollen folgt ein paar Meter weiter. Wir müssen die Ticket an ein im Drehkreuz eingebautes Lesegerät halten. Sesam öffne dich! Ohne Ausweiskontrolle gelangen wir ins Stadion hinein. Was hatte man vorher alles angekündigt...

Nach einer kleinen Erkundungstour nehmen wir unter dem Stadiondach in der vorletzten Reihe unsere beiden Plätze ein. Die Aussicht auf Spielfläche und Zuschauerränge ist wirklich Atem beraubend. Auf der großen Video-Wall läuft immer noch das Spiel der Schweizer. Diese schießen gerade das 2:0. Wir zeigen unseren nagelneuen Schal. Kurze Zeit später ist die Partie beendet. Hopp Schwiiz! Über dem Stadion braut sich derweil eine dunkle Wolkensuppe zusammen. Man kann das aufziehende Gewitter fast fühlen. Auf der Video-Wall quält uns Herbert Grönemeyer mit seinem WM-Song: Zeit, dass er bald geht! Die Mannschaften werden lautstark begrüßt und die Ränge füllen sich jetzt nach und nach. Auf der Ehrentribüne entdecken wir per Fernglas unseren Landeschef Peter Harry, wie er gerade Sepp Blatter begrüßt. Uwe Seeler ist auch da, der Kaiser wird schmerzlich vermisst. Die weiteren FIFA-Formalitäten sind allen WM-Guckern bestens bekannt. Trotzdem stellt sich bei uns Gänsehaut-Atmosphäre ein. Jetzt sind auch alle Fans auf den Plätzen. Eine Kurve ganz in blau-gelb, die andere in grün. Die Saudis machen mit ihrem Trommeln ordentlich Betrieb. Hinter uns stehen trinkfeste Ukrainer, ganz in ihre Fahnen eingehüllt. Kurz vor dem Spiel entlädt sich das Gewitter. Es regnet in Strömen. Glückwunsch an den Wetterdienst. Endlich wird der Platz einmal gut gewässert. Beim Abspielen der Nationalhymnen singen alle mit, vorausgesetzt sie kennen die jeweiligen Texte.

Dann geht es endlich los: Anpfiff! Die Ukraine macht ordentlich Druck und hat nach drei Minuten schon den ersten Eckball, wobei der saudische Torwart keine gute Figur abgibt. Bei der zweiten Ecke ist es schon passiert: 1:0. Hinter uns reißen die ukrainischen Fans das Stadiondach ab. Die ersten „La Olas“ werden losgetreten und branden durch das Stadion. It’s Partytime in Hamburg! Die Zuschauer feiern die beiden Mannschaften, die WM, vor allem aber sich selbst. Nach einer halben Stunde sitzt bei einem Weitschuss der saudische Torwart auf dem Hosenboden. Keine gute Voraussetzung, um einen Ball zu halten: 2:0. Der Anhang der Wüstensöhne reagiert etwas gereizt. Jetzt enden immer die „La Olas“ im grünen Block, was dann von den anderen Zuschauern jeweils mit einem schallenden Pfeifkonzert begleitet wird. Spielverderber kommen in Zeiten der allgemeinen WM-Euphorie eben nicht so gut an. Nach der Halbzeitpause sind unsere ukrainischen Freunde noch nicht mal vom Bierstand zurück, da fällt schon das 3:0 durch einen schönen Kopfballtreffer von Superstar Andrej Schevchenko. Die ukrainischen Fans sind außer sich vor Freude und stimmen muntere Volkslieder an, die wir sicherlich alle gerne mitgesungen hätten. Zehn Minuten vor dem Ende der Partie fällt auch noch das vierte Tor der Ukrainer gegen einen in allen Belangen unterlegenen und bisweilen überforderten Gegner. Es hätte auch noch das 5:0 fallen können. Dann hätte Tobi im Tippspiel die volle Punktzahl erreicht. Aber auch so war es ein sehr unterhaltsames Spiel und ein tolles Erlebnis für uns beide.

Nach dem Verlassen der riesigen Stadionschüssel eilen wir wieder in Richtung Shuttle-Bus Richtung Stellingen. Vor uns gehen mehrere enttäuschte Saudi-Fans, und zwar keine getürkten, sondern wirklich echte. Die grüne Saudi-Flagge flattert zwischen diesen im Wind. Ein schönes Bild gelebter Melancholie, das ich in diesem Augenblick mit dem Fotoapparat gerne für die Nachwelt festhalten will. In diesem Augenblick zieht einer der Fans sein weiß-grünes Saudi-Trikot aus und wirft es in hohem Bogen über den hohen Metallzaun in die Büsche der Grünanlagen. Das ist Frust pur und wirklich großes Tennis. Wir verneigen uns vor so viel Emotion. Tobi klettert über den Zaun und ergattert auf diese Weise das teure Sammlerstück. Auf diese Weise wird uns die WM noch lange Zeit in bester Erinnerung bleiben. Das bringt uns auch die spontane Anerkennung einiger Deutschland-Fans. Diese beglückwünschen uns zum 2:0-Sieg. Nach einem sehr netten Smalltalk trennen sich unsere Wege. Der eine ruft uns noch zu: „Solche Schweizer hab’ ich noch nicht erlebt. Ihr habt ja nicht mal einen Akzent!“ Eine WM ist eben immer wieder für Überraschungen gut.

Bernd Christoph




WM-Kommentar vom 20.06.

Liebe Freunde,

heute kann ich es kurz machen, denn der Bericht vom Spiel Ukraine-Saudis wird vom Kanalkommentator nachgereicht, der gestern in Hamburg live dabei war. Von den Schweizern habe ich gestern nur eine Hälfte gesehen. Es muss wohl die obere gewesen sein, denn sie haben schließlich gewonnen. Kein begeisternder Fußball, nicht gerade hochklassig, aber immer mit großem Einsatz und viel Begeisterung. Die Jungs wissen, dass sie jetzt schon in Vorleistung für die EM im eigenen Land treten können und betreiben dafür die bestmögliche Werbung. Man muss das Team ins Verhältnis zur Größe und der eher dünnen Fußballtradion der Schweiz stellen, um die Leistung der Mannschaft zu würdigen. So gesehen ist der bisherige Erfolg durchaus beachtlich, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Togo dagegen wurde seiner Rolle als absoluter Außenseiter gerecht und hatte dann auch noch Pech mit fragwürdigen Schiedsrichterentscheidungen. Das Togowabohu um Prämienzahlungen und Trainerrücktritte tat ein Übriges, um jeglichen Erfolg zu verhindern. Auf Wiedersehen beim nächsten Mal!

Wiedersehen werden wir die Orangenzüchter aus Spananien auf jeden Fall. Eine Energieleistung in der zweiten Halbzeit brachte den sicheren und verdienten Sieg gegen die Tunanesier. Nun müssen noch 90 Minuten Torschusstraining absolviert werden (die FIFA nennt das "Spiel gegen Saudi-Arabien") und es wartet im Achtelfinale ein allemal schlagbarer Gegner aus Gruppe G. Im Viertelfinale kommt vermutlich Brasilien, und dann müssen die Spanier alles zeigen, was sie drauf haben. Gegen die Brasiliander der letzten zwei Spiele könnte man noch optimistisch sein, allerdings muss man denen eine kontinuierliche Steigerung zutrauen. Auch Brasilien war oft eine typische Turniermannschaft, die erst zu sich finden muss, um die volle Leistung abzurufen.

Damit sind wir natürlich auch beim klassischen Stichwort für das deutsche Team. Wir werden heute sehen, ob die Hochanden mit dem zuletzt gezeigten Hurrafußball zu stürmen sind oder ob die konterstarken Ecuadorianer dem Druck standhalten. Ich möchte da gern etwas auf die Euphoriebremse treten. Immerhin wurden im letzten Spiel 92 Minuten gebraucht, um Polen zu besiegen. Das ging in der Vergangenheit auch schon mal schneller... ;-) Und dann bedurfte es auch noch eines Franzosen... ;-)


In der Tippspieltabelle ist es immer noch unglaublich eng. Gerade mal 10 Punkte trennen Platz 1 von Platz 19. Kein Wunder, dass es schon wieder einen Führungswechsel gab. Etwas Glück ist natürlich für viele auch dabei, die da vorne kräftig punkten. Es gab bisher wenig Überraschungen und zwischen 4 oder eben nur 2 Punkten liegen oft nur ein voreiliger Abseitspfiff oder ein Pfostenschuss. Freund Jochen hat sich nach meiner Standpauke ordentlich berappelt und mich inzwischen um 3 Punkte distanziert. Mein WM-Ziel rückt in weite Ferne... 

Sportsgruß, Robert




WM-Kommentar vom 19.06.

Liebe Freunde,

die zweiten Spiele der Vorrunde können in einigen Gruppen schon die ersten Entscheidungen bringen und dementsprechend ging es manchmal ordentlich zur Sache. Die Argentinier machten auch dem letzten Zweifler klar, dass sie zu den ganz heißen Favoriten gezählt werden müssen. Gut, die Gegenwehr der Balkankicker beschränkte sich weitgehend auf Zuschauen und Staunen, aber auch sechs Tore wollen erst mal geschossen sein... Als Schalkefan freut mich wenigstens, dass der am Freitag um mindestens 5 Jahre gealterte Mladen Krstajic nun doch noch zu ausreichendem Erholungsurlaub kommt.

Am frühen Abend mussten dann wieder unsere Nachbarn von hinterm Deich ran. Wer zu dicht vor der Glotze saß, riskierte akuten Augenkrebs, denn alle strahlten wieder in frisch nachgefärbten Oranje. Der Trick des Zeugwarts: Gouda und Gen-Tomaten zum Trikot in die Waschmaschine, dann klappt's auch mit der richtigen Farbmischung! Die Qualitätsprüfung durch die Ivorer fiel dann durchaus ernsthafter aus als durch die Cavapcici-Brater letzte Woche, wobei Drogba mit dem Probegriff an die van Bommel in der Hose vielleicht geringfügig übertrieb. Arjen Robben zeigte uns eine wunderschöne Flugeinlage, die prompt mit Gelb honoriert wurde – ach nein, enschuldige bitte, John: Das war natürlich ein grobes Foul, war ja im Fernsehen deutlich zu sehen, oder? Wie war das noch mit Klose?. In der zweiten Halbzeit hatten die Tomatenzüchter das Glück eindeutig auf ihrer Seite und man sah, dass die Abwehr durchaus ihre Wackler hat. Fast hätten die Afrikaner den Oranjes noch die Hosen ausgezogen. Dieses Schicksal blieb Cocu & Co erspart, nicht aber 1000 Holland-Fans, die in orangefarbenen Lederhosen Eintritt begehrten. Wegen des Werbeaufdrucks einer Brauerei mussten sie vor dem Stadion die Lederhosen ausziehen und in Unterhosen hinein...

Zu Mexiko-Angola brauche ich nichts zu sagen. Für fast alle von uns entsprach der Punktgewinn der Torausbeute. Auch Kommentator Gerd Gottlob glich sein Niveau dem des Spiels an und kam kaum über den Wortschatz der Teletubbies hinaus: "...ein Riesen-Spiel..., eine Riesensache..., ein Riesen-Erfolg..." Oh, oooohhhhhh.....
Das bringt mich zum neuen Lieblingsthema von Johannes "B wie Blödmann" Kerner: Der Ball! Johannes ist tatsächlich aufgefallen, dass bei dieser WM erstaunlich oft aus der Zweiten Reihe geschossen wurde, und er fragt sich und jeden Sendetag aufs Neue auch seine Studiogäste, ob das wohl am Ball liegen könnte. Olle Kamellen! Statt uns mit immer dem selben Thema zu nerven, hätte er bloß mal die Hebbelkicker fragen müssen, denn die spielen bereits seit Mitte Dezember mit dem "Teamgeist" (siehe HIER). Wir können zwar nicht richtig tippen (außer Ingo, der sich peu a peu an die Spitzengruppe rangepirscht hat), aber mit dem Teamgeist kennen wir uns aus! Nun ja, Kerner ist ja nicht allein: Thomas Wark machte seine ganz persönliche Mannschaftsaufstellung. Ronaldinho durfte auf einmal bei den Sportugiesen mitspielen. Egal, zumindest scheint die Gesichts-Operation gelungen, auch wenn der Eigensinn mitunter übertrieben war ("der Ball ist meiner und ich behalte ihn auch!"). Ansonsten war das eine ordentliche Leistung der Iberer, nicht mehr und nicht weniger. Richtig geprüft werden sie frühestens im Achtelfinale  durch Argentinien oder Holland.

In der Gruppe E gab es die erste fette Überraschung dieser WM. Die Ghanaer rannten und spielten um ihr Leben, um drei Punkte und um einen weiteren Starterplatz für Afrika in 2010. Den Tschechen muss fast schwindelig geworden sein... Wenn die Afrikaner noch richtig das Toreschießen lernen, dann kann richtig Schluss mit lustig sein für offensichtlich überalterte europäische Mannschaften wie Tschechien und Frankreich. Mein WM-Tipp Italien blamierten sich abends dann kräftig gegen "elf kleine Amilein". Zwei grätschten ihren Gegner um, da waren's nur noch neun – aber auch die hätten das Spiel eigentlich gewinnen müssen, wenn sie nur ein wenig konzentrierter ihre Chancen genutzt hätten. Der Kampfgeist der US-Boys wurde nur zum Teil belohnt und Marcello Lippi muss sich heute von der italienischen Presse fragen lassen, warum er immer gleich 4-5 hochgelobte Abwehrspieler zur Bewachung eines einzigen Stürmers  abstellte.

Auch der gestrige Sonntag brachte uns viel Kampf und wenig guten Fußball. Ähnliche Mühe wie die Italiener hatte der WM-Favorit Brasilien gegen 11 bestens vorbereitete Australier. Es wäre interessant zu sehen gewesen, was die Brasilianer drauf haben, wenn sie einmal zurück liegen. Die Flucht nach vorn der Aussies stürzte Lucio und seine Kollegen ein ums andere Mal in Verwirrung. Vorne durfte der Deoroller erneut viel Standarbeit verrichten, bevor ihn der Trainer wieder pünktlich nach 70 Minuten erlöste. Denkmalpflege auf Brasilianisch! Es bleibt völlig unklar, was von dieser Mannschaft zu halten ist. Ein Achtelfinale gegen Italien könnte Aufschluss bringen. Das zweite Spiel der Gruppe F zeigte uns, dass Kroatien und Japan wohl nur mittelmäßige Mannschaften zur WM geschickt  haben. Das "Endspiel" Kroatien-Australien könnte wirklich interessant werden...

Gestern abend gab's dann wieder französischen Beamtenfußball. Allein auf Henry dürfen sich die Froschfresser einfach nicht verlassen, denn auch der trifft nicht immer. Zu viele Denkmäler wurden jenseits des Rheins gepflegt - und die sind bekanntlich nicht allzu beweglich in den Hüften. Das Spiel wurde erst richtig gut, als die Koreander in der 80. Minute zum ersten Mal aufs Tor schossen und direkt anschließend den Ausgleich erzielten. Dann ging es endlich hin und her. Warum nicht gleich so? Wenn die Schweizer heute gewinnen sollten, dann müssen die Froggies gegen Togo gewinnen, um nicht eine ähnliche Blamage wie in 2002 hinzulegen. Es bleibt spannend...


Spannend ist es auch in unserem Tippspiel. Ich bin es ja schon seit 2002 gewohnt, dass mein Sohn mich in der Tabelle gnadenlos abhängt, aber dass er nun sogar ernsthaft ganz oben mitspielt, erfüllt mich doch ein wenig mit Stolz. Sollte sich die Investition in das Kicker-Abonnement am Ende tatsächlich auszahlen? Wir werden sehen, heute abend ist erst Halbzeit bei der WM. Meine Ziele siedle ich jetzt etwas tiefer an. "Bester Hebbelkicker", das wäre doch auch schon was, aber dazu muss ich immerhin Ingo einholen, der sich Schritt für Schritt an die Spitze herangearbeitet hat. Dort lauern u.a. die "orange Gefahr" und ein echter (Handball)Weltmeister auf Fehler des Spitzenreiters. Heute gibt es wieder 3 Spiele, 12 Punkte, viereinhalb Stunden Fußball und mindestens 10 Einblendungen für dämliche Gewinnspiele. Viel Spaß beim Glotzen!

Sportsgruß, Robert




Hannos Antwort an John (16.06.)

Geachte Prof. Reijmer, mon amis,

in Anbetracht Deines Punktestandes müssen wir uns wirklich Gedanken um Deinen Fussballverstand machen. Haben sie Dir was in Deine Boullabaisse gekippt, der Klimawandel soll ja jede Menge gefährliche Tiere ins Mittelmeer bringen, und da Ihr in Deiner neuen Wahlheimat (Grüsse an die Froggies) ja alles verspeist, was aus dem Wasser kommt, mach' ich mir ernsthaft Sorgen. Du solltest Dich wirklich auf die Grundnahrungsmittel des Homo hollandicus wie Frikandel, Kroketten und Sate-Spiesse beschränken, alles andere scheint mir gefährlich. Wir wollen heute erst mal sehen, ob eine Robbe genug ist, um eine Herde Elefanten zu erschrecken. Ich fürchte nicht, und bei dem gegenwärtigen Zwischenstand der Gauchos geben die Euch dann den Rest. Dabei hätten wir uns so auf Euch gefreut. Naja, solange Ihr Eure Caravanstellplätze auch für den Rest der Hauptrunde behaltet, wollen wir es doch beim Motto dieser WM belassen: Zu Gast bei Freunden - schön dass Ihr da wart.

Groetjes en tot de volgende keer (mischien hebben julie dan ook en beetje massel)

Hanno


WM-Kommentar vom 16.06.

Liebe Freunde,

ich war Weltmeisterschaft! Nein, besser: Wir sind Weltmeisterschaft! Ach was, eigentlich noch besser: Deutschland ist Weltmeisterschaft! Ich war live dabei und davon kann ich später noch meinen Enkeln erzählen, denn es war klasse!

Mittags um halb eins geht es vom Büro meiner Fußballfreunde in der Bergstraße los. Borko fragt nach und natürlich (verdammt!): Ich hab' den Pass vergessen, dessen Nummer irgendwo in der Elektronik eines modernen Fußballtickets versteckt ist. Lassen die mich wohl auch mit dem Personalausweis rein? Keine Ahnung, also schnell noch mal nach Klausdorf gedüst, den Pass aus der Schublade gezogen, und ab auf die Autobahn. In Neumünster wird Markus abgeholt, der inzwischen eine halbe Stunde gewartet hat. Zum Glück war's warm und trocken... Gegen halb zwei erreichen wir problemlos die S-Bahn-Haltestelle Stellingen und finden einen Parkplatz nur 50 m entfernt. Prima! Ticket und Ausweispapiere eingesteckt und ab zur Haltestelle. Dort ist es ordentlich voll, aber völlig friedlich und relaxed. Polizisten überall, aber auch die spüren wohl, dass hier alles ruhig abgeht. Rotgekleidete Costa Rica-Fans hier, knallgelbe Ecuadorianer dort, aber die wollen alle nur eine große Fiesta und ganz bestimmt keine Randale. Es geht viel entspannter zu als bei HSV-Heimspielen, keine Glatzen in Kutte und Lederstiefeln, viel mehr Frauen, und überall nur fröhliche Gesichter. Irgendwo müssen die "Tricolores" Tausende von Panamahüten verteilt haben (die bekanntlich nicht aus Panama, sondern aus Ecuador stammen!), viele Deutsche haben so einen Hut auf - eine gelungene Werbeaktion! Die "Ticos" kontern mit Unmengen von Bananen, deren Schalen einen lustigen Berg um die Mülleimer bilden. Egal, heute ist Volksfest, aufgeräumt wird hinterher.

Auf dem Weg zum Stadion wird klar: Ein Wunder ist geschehen! Die grottenhaften Katakomben der Unterführung unter der S-Bahn haben einen nagelneuen Anstrich und neue Verkleidungen erhalten und der einstige Trampelpfad zur Arena ist einem bestens gepflegten und Platten-belegten Fußweg gewichen. Unglaublich, dass ich das noch erleben durfte...!

Am Stadion dann der erste Engpass. Vor der Leibesvisitation (absolut keinerlei ess- oder trinkbare Mitbringsel dürfen ins Stadion) muss man fast eine Viertelstunde anstehen, aber auch hier geht es friedlich und entspannt ab. Dann noch zur Einlasskontrolle. Selbstverständlich interessiert sich niemand für unsere Ausweispapiere; das Ticket wird kurz vor einen Kartenleser gehalten, dann dürfen wir durch. Schnell hinein in die Arena, es sind nur noch 20 Minuten bis zum Anpfiff. Unsere Plätze sind in der viertobersten Reihe hinter einem der Tore, fast direkt unterm Dach. Dennoch ist die Sicht gut; die neuen, steilen Stadien sind schon ein echter Fortschritt. Rechts neben uns liegt die Ecke mit den rotgekleideten Costa Rica-Fans und die sind bester Laune. Schräg gegenüber die Ecuadorianer, ebenfalls in guter Stimmung. Es riecht nach Fiesta in Hamburg. Aber es ist trocken! Also wieder die steile Treppe runter und zum Bierverkauf. Die Schlange ist erträglich und nach wenigen Minuten darf ich meine Bestellung aufgeben: "Vier Bier bitte!". Dumm gelaufen, die junge Dame erklärt mir freundlich und mit Bedauern, dass nur 3 Bier pro Bestellung ausgegeben dürfen. Ach ja, davon hatte ich gehört. Zum Glück hilft sie auch gleich mit dem passenden Tipp aus: "Vielleicht kann jemand anderes für Sie das vierte Bier...?" Schnell das Pärchen hinter mir gefragt - kein Problem! Ich bezahle 4 Biere und nehme sie auch gleich mit. Danke, so sieht Flexibilität aus!

Zurück am Platz sind die Fans der Ticos nicht zu überhören: "Oleeee, ole, ole, oleeee, Ticoooos, Ticoooos....." Das animiert zum Mitsingen. Dann der Anpfiff. Schnell wird klar, dass die Costaricaner im Grunde fast gar nichts drauf haben und dass in Sachen Fußballqualität in Südamerika hinter Argentinien und Brasilien eine Lücke klafft, die mindestens so breit ist wie der Atlantik. Nun gut, in über 2000 Metern Höhe spielt man Fußball wahrscheinlich etwas langsamer. Dennoch gehen die Ecuadorianer rasch in Führung, weil Abwehrarbeit wohl nicht gerade die Stärke der Ticos ist. Die Stimmung im Block nebenan ist arg eingetrübt. Schade, das waren eben noch alles freundlich lächelnde Menschen. Zum Glück hält die Trübsal nicht lange an: "Oleeee, ole, ole, oleeee, Ticoooos, Ticoooos.....". Die Stimmung steigt wieder, aber das Spielniveau sinkt ins Unterirdische, es entwickeln sich alle Anzeichen eines Grottenkicks. Ungenaue Pässe, zu kurz, zu lang, oder gleich ins Nichts. Keine Laufbereitschaft bei den Ticos, kein Spiel über die Flügel, alles geht durch die Mitte, aber dort stehen die Tricolores ganz geschickt und sicher. Die beschränken sich auf wenige Konter; was soll's, sie führen ja und Costa Rica muss kommen. Es kommt aber fast nichts. Nach 35 Minuten der erste Torschuss der Ticos, aber auch der ist völlig ungefährlich. Wo jedes Bundesligapublikum aber längst zu einem gellenden Pfeifkonzert angesetzt hätte, wird hier jeder halbwegs gelungene Pass beklatscht. Alles nach dem Motto: Wenn wir schon ein WM-Spiel sehen, dann wollen wir auch Spaß haben! Galgenhumor macht sich breit, vor allem unter den deutschen Zuschauern. Das Spiel bleibt auf unterirdischem Niveau, jedes Bezirksligaspiel hat mehr Action und Dramatik. Aber dies ist die Weltmeisterschaft und das lassen wir uns nicht vermiesen!

In der zweiten Halbzeit wird kaum etwas besser auf dem Feld, aber die Stimmung auf den Rängen bleibt gut. Immer wieder rollt La Ola durchs Stadion, es macht Spaß dabei zu sein. Das Gurkenspiel der Costaricaner (immer durch die Mitte!) geht weiter und treibt Borko fast in den Wahnsinn. Ständig ruft er taktische Anweisungen hinunter, aber die Akteure dort unten wollen ihn einfach nicht verstehen... Das ist aber auch zu ärgerlich! Immerhin macht Ecuador noch ein schönes Tor und Ingo freut sich über seinen gelungenen 2:0-Tipp. Vier Punkte im Tippspiel, das könnte in der Tabelle der ersehnte Sprung nach vorn sein! Immer wieder wälzen sich Ecuadorianer nach Fouls minutenlang auf dem Rasen; es sieht nach Schauspielerei aus, was dann doch die ersten Pfeifkonzerte bewirkt. Später sah ich im Fernsehen, dass zumindest einmal ein übelstes Foul vorlag (auf den liegenden Gegner draufgetreten), aber um das zu erkennen, sind wir doch zu weit weg. Schließlich fällt in der Nachspielzeit noch das 3:0 für Ecuador und Ingo flucht laut vor sich hin. Ade, Du schöner Tipp...

Dann der Abpfiff. Wir bleiben noch einige Minuten sitzen und schauen den Ecuadorianern beim Feiern zu. Achtelfinale - wer hätte das gedacht? Wir gönnen es ihne gern. Dann raus aus der Arena. Die Fans der Ticos finden rasch ihr Lächeln wieder, die Farben sind bunt gemischt und alles ist und bleibt friedlich und freundlich. Ein toller Anblick und ein schönes Erlebnis!

Wir marschienen zurück zur S-Bahn-Haltestelle, das Wetter ist immer noch prima, sogar die Sonne kommt jetzt durch. Das kann noch nicht alles für uns gewesen sein, also schnell vier Dosen Bier gekauft, ab in die S-Bahn und auf zum "Public Viewing" auf dem Heiligengeistfeld neben dem Millerntorstadion. Wieder Einlasskontrolle: Keine Getränke, kein Essen! Die riesige freie Fläche ist mit ein paar Getränke- und Fressalienbuden bestückt und auf höchst angenehme Weise mit ca. 10.000 Menschen gefüllt. Am Vortag sollen es noch 65.000 gewesen sein... Wir stärken uns mit Pizza und Chinanudeln zu moderaten Preisen und setzen uns in der Halbzeit des Spiels England gegen Trinidad-Tobago mit dem Bier in der Hand auf eine der aufgebauten Tribünen. Das Spiel ist nur wenig besser als "unseres" und die Engländer neben uns stöhnen immer wieder entsetzt auf, wenn die Limies den Ball vergeigen. Fünf Männer in Lederhosen tauchen vor dem Tribünenkomplex auf und werden mit fröhlichen Gesängen begrüßt: "Zieht den Bayern die Lederhosen aus...!" Die Lederhosen freuen sich. Ich glaube aber, das waren Engländer...

Rooney kommt ins Spiel, aber nichts wird besser. Trotzdem fallen noch 2 Tore für die Limies, begleitet von lautem Jubel auf der Tribüne und in der Menschenmasse vor der Leinwand. Dann ist das Spiel aus, und wir beschließen zu gehen. Zum Abschied noch ein netter Plausch mit den Engländern von nebenan. Deren Optimismus für den Rest des Turniers ist eher mäßig, aber sie lassen sich den Spaß nicht verderben. Gegenseitiges Schulterklopfen, ein "See you in the next round!" und als Antwort das unvermeidliche Lineker-Zitat beschließen das Gespräch. Völkerfreundschaft live! Beim Verlassen des Heiligengeistfeldes kommen uns viele gelb-blau bekleidete und bemalte schwedische Fans entgegen. Die Party geht weiter...

In der S-Bahn nach Stellingen stehen wir neben zwei Schweizer Fans, die auf ein fröhliches "Hopp Schwiiz!" mit breitem Lächeln reagieren. Es entspinnt sich ein Gespräch über die vergebenen Chancen im Spiel gegen Frankreich und die Aussichten der noch jungen Schweizer Mannschaft beim Turnier im eigenen Land. Die Jungs sind mit gutem Grund optimistisch. Auf meine Meinung, dass so eine Europameisterschaft 2008 im eigenen Land (und in Österreich) bestimmt eine tolle Sache werde, antworten sie zweifelnd und in Bezug auf das bestens vorbereitete "Public Viewing": "Aber ob wir sowas Tolles hinbekommen....?" Eine solche Aussage von den Organisationsweltmeistern aus der Schweiz... - ich bin sprachlos....

Insgesamt war das ein toller WM-Nachmittag in Hamburg. Wenn dieses fröhliche Fest so weiter geht, mit hoffentlich weiterhin gutem Wetter, mit vielen lächelnden Gesichtern bei Gastgebern und Gästen, mit einer gelösten Stimmung, die unabhängig bleiben möge von Siegen und Niederlagen, und hoffentlich ohne Gewalt von wem auch immer, dann haben alle gewonnen. Der gestrige Tag hat mir Hoffnung gemacht, dass die Weltmeisterschaft in Deutschland womöglich wirklich das Bild von Deutschland in der Welt positiv verändern kann. Wir können alle in den Begegnungen mit unseren Gästen dazu beitragen, ob in Hamburg, Kiel oder sonstwo. Wir sind Weltmeisterschaft!


Bezüglich unseres Tippspiels muss ich mir langsam ernsthaft Sorgen über die Verteilung der Fußballkompetenz im eigenen Hause machen. Meine fußballerisch eigentlich eher desinteressierte Liebste hat die Führung übernommen, der 12jährige Sohn liegt auf Platz 3, und mir selber bleibt nur das Niemandsland des Mittelfeldes. Das verstört mich doch ein wenig...

Sportsgruß, Robert




Johns Meinung zum Kanalkommentar vom 15.06.

Damen und Herren,

der  Kanal-Kommentar von 15.06.2006 könnte auch der Kommentar zum Deutschland-Polen-Spiel sein.
Einfallsloses Herumspielen. 5 Millionen-Euro-pro-Jahr-Mann Ballsack hat seinen Winterschlaf angefangen und bringt wirklich nichts zustande. Hat Chelsea noch eine Rückgabe-Garantie vereinbart? Klose lässt sich wieder fallen und dieses unsportliches Verhalten hat als Resultat, dass ein Gegner vom Platz muss statt Komödiant Klößchen. Schweins hat sich jetzt eine Frisur anmessen lassen, die übereinstimmt mit seinem Nachnamen. Nur Lahm und Schneider zeigen Einsatz und spielen Fußball wie es sich gehoert. So kommt ihr nicht weit. Ihr habt wahrscheinlich wieder Glück und trefft auf die Engländer oder Schweden. Wer hat das so geplant?? Herr Mafia oder Herr Beckenbauer???

Vive La France und die Niederlande wird Weltmeister.

John




Kanal-Kommentar vom 15.06.2006

Von der Leidensfähigkeit eines Zuschauers

Komme nach einem ziemlich durchwachsenen Arbeitstag etwas angesäuert gegen halb sechs nach Hause. Heute will ich mal eine WM-Pause einlegen. Kaum trete ich durch die Tür, höre ich schon den Fernseher im Wohnzimmer: Vorbericht vom Spiel England gegen Trinidad & Tobago. Muss man sich denn jedes Scheißspiel reintun, nur weil man fünf Taler für’n Tippspiel investiert hat? Ich meine nein und fühle mich richtig gut nach dieser klaren Entscheidung. Die Familie soll auch mal zu ihrem Recht kommen. Wo ist die eigentlich? Aus einem der oberen Zimmer höre ich lautstarke Diskussionen über mathematische Formeln. Wenn Sohn und Ehefrau so bei der Sache sind, sollte man nicht weiter stören. Bildung hat ganz klar Vorrang. Von der Tochter ist weit und breit nichts zu sehen. Im Flur stehen etwa 20 Weinkartons, die heute frisch vom Winzer aus dem Frankenland angelandet wurden. Spontan denke ich an Nürnberg, da findet auch das heutige Spiel statt. Das nennt man wohl Duplizität der Ereignisse. Warum läuft der Fernseher eigentlich noch? Jeden Tag eine gute Tat. Ich schleppe den Wein in den Keller, Karton für Karton. Als ich dort alle aufgestapelt habe, ist der kleine Lagerraum unter der Treppe mehr als voll. Wie kommt das? Haben wir diesmal zu viel bestellt? Egal – ich bin von der Aktion völlig zerschossen und setze mich erst mal in den Fernsehsessel. Der steht mitten im Raum in Richtung Fernseher. Warum muss der so stehen? Als ich drin sitze, merke ich, dass die Glotze immer noch läuft. Wo ist die verdammte Fernbedienung? Das Spiel hat gerade begonnen. Die ersten fünf Minuten will ich noch ertragen, dann vielleicht Zeitung lesen oder ein gutes Buch. Oben liegen drei Stück davon, die ich irgendwann mal angefangen habe. Welches soll ich jetzt weiter lesen? Zu kompliziert das Ganze, zumindest für heute.
 
Das Spiel läuft nun schon zehn Minuten: 0:0. Die Engländer werden es schon richten, denken sie. Trinidad verteidigt und Tobago drückt derweil die Daumen für die bevorstehende Abwehrschlacht. In welcher Ecke der Karibik liegen diese beiden Inseln eigentlich? Da kommt doch dieser weiße Rum her. Ich denke an diese Mädels aus der Bacardi-Werbung. Vor acht Uhr gibt es kein Bier, beschließe ich spontan.

Nach zwanzig Minuten steht es 0:0. Die Engländer sind noch alle auf dem Platz, bewegen sich aber kaum noch. Ich werde langsam müde. Die Fernbedienung ist immer noch nicht aufgetaucht. Vorne in der Mitte stakst bei den Engländern so eine traurige Gestalt umher. Hat Volker Zerbe jetzt auf Fußball umgesattelt und warum spielt er für England?

Eine halbe Stunde sind gespielt. Es steht 0:0 und England hat das stärkste Mittelfeld der Welt, sagt der Reporter: Lampard, Gerrard und Beckham haben einen Marktwert, der wahrscheinlich höher ist als alle Etats der ganzen Bundesliga zusammen. Meine Tochter kommt von irgendwo her. „Hallo Papa, schon wieder Fußball?“ Bevor ich noch sagen kann, dass ich eigentlich gar nicht schauen wollte und nur zufällig in diese blöde Situation geraten bin, resigniere ich. Man muss nicht immer das letzte Wort haben.

Kurz vor der Halbzeit: Es steht 0:0 und England muss einen Kopfball der Kariben von der Torlinie kratzen. Ich bin plötzlich wieder hellwach und bekomme Hunger. In der Halbzeitpause will ich mich stärken. Dann ist endlich Schluss mit Fußball!

Nach dem gemeinsamen Abendbrot bin ich plötzlich wieder alleine. Die WM macht irgendwie einsam. Der Fernseher läuft immer noch. Ich beschließe aber, mich auf den Teppich vor dem Fernsehsessel zu legen. Das sieht zum einen sportlicher aus und ist zum anderen deutlich bequemer. Ich werde zunehmend müder.

In der fünfzigsten Minute macht sich Rooney warm. Der will mit gebrochenem Fuß spielen. Es steht 0:0. Die Engländer stehen jetzt fast alle herum. Trinidad hat weniger Einwohner als Stockholm und England hat auch einen schwedischen Trainer. Ich versuche, diese Fakten in einen logischen Zusammenhang zu bringen. Es gelingt mir nicht. Die Luft ist stickig im Raum. Ich öffne die Terrassentür.

Nach sechzig Minuten wird ein ganzer Schwarm frischer Engländer eingewechselt, darunter auch Rooney. Der verliert gleich ein Laufduell gegen Dwight Yorke. Letzterer hat mal mit Beckham in Manchester zusammen gespielt und könnte mit seinen 36 Jahren glatt Rooneys Vater sein. Wenn das wirklich stimmen sollte, wie gnadenlos hässlich muss denn wohl Rooneys Mutter aussehen. Fish & Chips geben neben fettiger Körperfülle eine ungesunde Gesichtshaut. Die Fans sehen auch alle so aus. Ich beschließe, auch in den nächsten Jahren nicht nach England zu reisen.

Nach siebzig Minuten ist immer noch nichts passiert. Es steht 0:0. Die Kariben kommen gar nicht aus der Karibik, erfahren wir vom Reporter, sondern aus Wrexham, Luton oder Watford. Dritte und vierte Liga gegen kommende Weltmeister. Warum wehren die sich eigentlich so? Denkt vielleicht einer von denen mal an die Zuschauer? Ich werde noch müder auf dem Teppich und die Augen fallen mir zu. Wer erlöst mich endlich von dem Spiel, das ich eigentlich gar nicht sehe, sondern eher wie in Trance fühle?

Achtzig Minuten gespielt. Der lange Crouch hat vorher schon eine dicke Kopfballchance versemmelt. Er tut mir Leid, so wie er traurig auf dem Platz herum steht. Ob der wohl jemals eine Freundin abbekommen wird? Aber die Engländer sind ja nicht so wählerisch, mit Ausnahme von Beckham. Dessen schwerst aufgemotzte Frau sitzt auch im Nürnberger Stadion und man blendet sie mehrfach ein. Das ändert aber nichts am Spielstand. Es bleibt beim 0:0.

Es rumort in mir, ich habe das Spiel doch schlechter verkraftet als erwartet. Auf der Toilette geht es mir dann schon gleich besser. Da mache ich eine unerwartete Entdeckung: Auf dem Toilettenpapier stehen witzige Fußballfragen drauf. Das motiviert nicht gerade zum sparsamen Umgang damit, erweitert aber spätestens beim dreißigsten Blatt den Horizont. Ich rolle das nicht benutzte Klopapier notdürftig zusammen. Es sieht grauenvoll aus. Als ich wieder im Wohnzimmer eintreffe, steht es gar nicht mehr 0:0. Die englischen Fans feiern gerade ihre großartige Mannschaft. Es sind wohl doch noch zwei Tore gefallen. Eines hat dieser lange Crouch geköpft. Jetzt freut er sich und sieht in diesem Moment gar nicht mehr so hässlich aus. Das sind wohl die großen Momente einer WM. Meine Enttäuschung hält sich in Grenzen. Ich hätte auch auf dem Teppich einschlafen können und dann die beiden Tore auch verpasst. Wieder ist ein Spiel vorbei. Ich beschließe spontan, mir heute das Abendspiel in jedem Fall zu ersparen. Der Sessel steht immer noch mitten im Wohnzimmer. Im Fernsehen läuft eine Rückschau auf das Spiel. Ob die wohl noch mal die Tore zeigen? Wo ist eigentlich diese verdammte Fernbedienung …?

Bernd Christoph




Hannos Exkurs in die Fußballwissenschaft (15.06.)

Liebe Sportsfreunde,

da kommt man morgens leicht verkatert ins Büro, noch immer glücklich, dass Neustadt doch noch das Runde ins Eckige gebracht hat, leicht verwundert über Kloses neue Frisur (schade eigentlich um den letzten Mittelscheitel-VoKuHiLa), die mit Sicherheit Einfluss auf sein Kopfballverhalten hatte, und gibt sich den üblichen Donnerstagmorgen-Ritualen hin. Kaffeekochen, Smalltalk und mal sehen, was in der  "BILD für Wissenschaftler" steht. Und dann das: Fußball. Da muss den Engländern das Herz stehen bleiben, auch noch mit 'nem Bild unserer Helden. Doch worum geht es da eigentlich? Aha, Statistik. Da haben ein paar als Mathemathiker und Physiker getarnte Fußballwahnsinnige 22000 Bundesligaspiele (Ost/West/Vereint/Frauen/Männer) und 3400 WM-Spiele ausgewertet. Kurzer Rede gar kein Sinn, offensichtlich beflügelt das Toreschießen zu weiterem Toreschießen, ansonsten ließe sich die ungerade Verteilung von Ergebnissen und das statistisch viel zu häufige Auftreten von hohen Ergebnissen nicht erklären (Artikel liegen bei). Offensichtlich hatte Jogi Löw schon einen Vorabdruck ergattert (was bei seiner Akribie nicht verwundert) und entsprechend das Einstürzen des polnischen Kartenhauses nach dem ersten Treffer prophezeit. Schade nur, dass nach dem ersten Treffer so wenig Zeit war, auch die Theorie zu überprüfen, aber was soll's - Hauptsache gewonnen, meine Kicker-Steckfahne hab' ich schon mal ins Achtelfinale gesteckt, und so wie das Westfalenstadion gestern gesungen hat, habe ich nicht mal Angst vor den Tommies und es tröstet mich über denn Verlust des ersten Platzes.

Mit sportlichem Gruss
Platz 10


Artikel aus "Nature"

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Originalartikels

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WM-Kommentar vom 15.06.


Liebe Freunde,

heute nur ein Kurzkommentar, denn schon mittags geht's ab nach Hamburg zum Topspiel Ecuador-Costa Rica. Daher gibt es heute voraussichtlich auch keine Aktualisierungen der Tippspieltabelle vor 23 Uhr.
 
Tja, lange, lange mussten wir warten, bis endlich Neuville den Ball im polnischen Tor unterbrachte. Am Ende war der Sieg glücklich, aber hochverdient gegen eine kämpferisch ebenbürtige polnische Mannschaft. Die müssen sich doch täglich vor Ärger in den Hintern beißen, dass sie das Spiel gegen Ecuador so leichtfertig und kampflos weggeschenkt haben. Aber ist das unser Problem? Nein.Richtig große Probleme hatte das deutsche Team aber gestern mit den Polen auch wieder nicht. Nun ja, Arne Friedrich muss wohl noch ein paar Jahre üben, bis er mal wieder mit seinen Flankenversuchen den Kopf eines Mitspielers trifft, und Miro Klose hat unverständlicherweise eine Sperre im Kopf – ähhh...- ich meinte: beim Kopfball. Ansonsten war das gestern eine brauchbare Vorstellung einer hochmotivierten deutschen Mannschaft, die mit vollem Einsatz und hohem Tempo den Gegner mürbe rennen und kämpfen wollte. Gut gemacht, der Bundestrainer hat erkannt, wo die Stärken seines Teams liegen: Rennen, Kämpfen und niemals Aufgeben. Das sind (leider!) noch immer die Primärtugenden des deutschen Fußballs. Grinsmann hat immer von attraktivem Angriffsfußball gesprochen, den er von seinen Spielern fordert, aber auch er musste schließlich zur Erkenntnis kommen, dass mit dem vorhandenen und in seinen spielerischen Fähigkeiten begrenzten Spielermaterial der Erfolg nur über die Primärtugenden kommen kann. Vielleicht ist das noch immer zu wenig, vielleichtt kann man aber (wie früher) mit diesen Tugenden, mit den Fans im Rücken und dem Schub der ersten Erfolge am Ende mehr erreichen als manch einer (auch ich) gedacht hat. Der Knackpunkt wird das Achtelfinale werden, da bin ich sicher.

Am Nachmittag gab es die zweite WM-Überraschung, denn die Ukrainer sahen gegen die Spananier dermaßen alt aus, dass man sich fragen muss, wie sie es schaffen konnten, sich so deutlich als erste europäische Mannschaft zu qualifizieren. Die Spanier waren spielfreudig, dominant und sicher im Abschluss, und gelegentlich konnten sie (z.B. vor dem wunderbaren 4:0) sogar richtig kämpferischen Einsatz zeigen. Allerdings haben wir in den letzten Jahrzehnten zu oft gesehen, dass die zuerst hoch gelobten Iberer dann hoffnungslos untergingen, wenn es in den entscheidenden Spielen um die Chimborazo-Wurst (oder wie das heißt) ging.

Am frühen Abend kam dann noch das Spiel "Not gegen Elend". Die beiden Mannschaften, die aufgrund ihrer Herkunft die geringsten Probleme mit der Hitze haben sollten, lieferten das bisher schlechteste WM-Spiel ab. Immerhin gab es vier Tore. Keins der beiden Tea ms werden wir im Achtelfinale wiedersehen.

In unserem Tippspiel wurde der führende Hanno locker vom Thron gestürzt. Die neuen Favoriten punkteten zwar z.T. erst in allerletzter Minute, aber auch die gehört bekanntlich dazu. Extrapunkte gab es für alle, die Ballack als ersten deutschen Geldsünder getippt hatten. Heute gibt  es wieder 9 Punkte zu verteilen und morgen kommt der Bericht von meiner ersten und einzigen WM-Teilnahme. Wir sind Weltmeisterschaft!

Sportsgruß, Robert



WM-Kommentar vom 14.06.

Liebe Freunde,


der Dienstag war ein Tag der Enttäuschungen bei dieser WM. Am Nachmittag bemühten sich koreanische Nähmaschinen redlich, gegen teilweise recht unkonventionell spielende Togolesen einen Sieg herauszulaufen. Das klappte aber erst, nachdem ein Togolese nach einer Notbremse vom Platz geflogen war. Nicht ganz unerwartet kam diese (gelb)rote Karte, hatten die Afrikaner doch schon in der ersten Halbzeit kräftig rumgeholzt. Andererseits waren bei ihnen Technik, Athletik und Angriffsspiel z.T. auf recht hohem Niveau, was sich in dem wirklich schönen Schuss zum 1:0 dokumentierte. Ein Schewtschenko oder Henry hätte das nicht besser machen können. Wie vorauszusehen war, hielten die Koreander dann aber in der zweiten Hälfte ihr gar nicht mal sonderlich hohes Tempo, während Togo – zusätzlich durch den Platzverweis geschwächt - immer mehr abbaute. Die Enttäuschung stand Otto Pfister ins Gesicht geschrieben: Erstes Spiel und eigentlich ist schon alles vorbei. Wohl nicht nur "eigentlich" – ein Teil der Verbandsspitze will ihn loswerden. Macht nix, bei der nächsten WM ist er bestimmt wieder dabei. Bald verlassen werden uns vermutlich auch die Ostasiaten. Südkorea überzeugte ebenso wenig wie Japan, scheint aber konstitutionell besser drauf zu sein. Mal sehen, was im nächsten Spiel gegen die Froschfresser geht...

Die Franzen waren gestern die nächste Enttäuschung. Das war Beamtenfußball der einfallslosesten europäischen Sorte: Keiner bewegte sich freiwillig. Es mag je heiß gewesen sein in Stuttgart, aber das allein kann doch nicht der Grund für diese Art von Standfußball gewesen sein. Wenn einer den Ball nach vorn trieb, bewegte sich bestenfalls der ihm am nächsten befindliche Mitspieler, der Rest hielt es mit des Kaisers Motto: Schau'n mer mal... In den letzten 20 Minuten habe ich mal intensiv darauf geachtet, was passierte, wenn ein Franzose 20 Meter in der gegnerischen Hälfte nahe der Seitenauslinie den Ball hatte: In exakt 100% aller Fälle wurde nicht etwa der direkte Weg zur Torauslinie gesucht, nein: Jedesmal, wirklich jedesmal zog der Angreifer nach innen, machte die Räume eng und es den Schweizern relativ leicht, den Angriff abzuwehren. Ja guuut, den einen oder anderen halbwegs gefährlichen Angriff der Blauen gab es natürlich, aber genauso gefährlich waren auch die Schweizer auf der anderen Seite. Noch haben sich die jungen Schweizer aber nicht so richtig getraut, die Ex-Weltmeister vom hohen Favoritenross zu schießen. Schade eigentlich, gegönnt hätte ich es ihnen gestern. Die alten Säcke von westlich des Rheins werden Mühe haben, ihre seit dem Finale 1998 anhaltende WM-Torflaute abzublasen. Ein Sieg gegen Togo ist wohl drin, aber ob das für das Achtelfinale reicht?

Die dritte und letzte Enttäuschung bereitete uns der noch amtierende Weltmeister. Das sah gestern wahrhaftig nicht nach Titelverteidigung aus; mit ein wenig mehr Glück und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten hätten die Kroaten das Spiel mindestens unentschieden gestalten können. Ein wenig Zauberei von Ronaldinho hier, die unvermeidlichen, aber seit ca. 5 Jahren völlig erfolglosen Fernschussgranaten von "Carlos Roberto" (O-Ton Beckmann) dort – viel mehr war da von der hochgelobten Fußballkunst nicht zu sehen. Die Ausnahme war Kaka, der nicht nur ein sehr schönes Tor schoss, sondern auch in anderen Szenen den Willen zum Erfolg zeigte, den die meisten seiner Kollegen wohl gern durch Ballschieberei und Tricks herbeigezaubert hätten. Ronaldo durfte einmal aus gut 20 Metern abziehen, ansonsten stand er auf dem Platz herum und sah aus, als ob man ihn mit vorgehaltener Pistole zum Mitspielen gezwungen hätte. Unglaublich, dass der Trainer ihn nicht nur 70 Minuten auf dem Feld ließ, sondern ganz offensichtlich diese Art von Denkmalpflege auch im nächsten Spiel fortführen will. Die Kroaten waren stark und agierten leider in einigen Szenen nur zu überhastet, um die Brasilianer in Gefahr zu bringen. Zwei schöne Torschüsse aus guter Position landeten leider direkt in den Armen des aufmerksamen Dida. Mit etwas mehr Abgeklärtheit war mindestens ein Punkt drin. Schade.

In unserem Tippspiel ist es oben jetzt ganz eng geworden. Vier Mitspieler auf Platz eins und dahinter lauert eine ganze Meute auf Fehler. Selten war es in den letzten Jahren so spannend. Am Tabellenende hat sich Jochen meine Worte zu Herzen genommen und die Rote Laterne abgegeben. Gut so! Jetzt wollen wir gleich mal sehen, ob die Spananier ihre Serie erfolgloser WM-Auftritte fortsetzen. Der Geheimfavorit Ukraine ist gleich ein harter Brocken und bietet dafür beste Voraussetzungen...

Sportsgruß, Robert



Hannos Entgegnung auf Jochens Kommentar

Liebe Sportsfreunde,

Die Kommentare von Platz 81 können wir so nicht im Raum stehen lassen, da fühlen wir uns in unserer Wissenschaftlerseele gekränkt:
1. Die italienische Wettmafia ist ein Phänomen, das sich aus der frühen menschlichen Beeinflussung des Klimas und der Vegetation im Mittelmeerraum ableiten lässt. Hätten die alten Römer ein paar Bäume stehen gelassen, sähe deren Welt heute anders aus und sie könnten sich mit Holzhandel beschäftigen. Da dieses Phänomen also mindestens 2000 Jahre alt ist, hätte es einem Nichtverkopften auch auffallen müssen.
2. Temperatureinfluss auf den Fußball: Es gibt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Elastizität und der Temperatur, sprich: Die Luft im warmen Ball dehnt sich aus und macht die Umsetzung der Einschlagsgeschwindigkeit auf die Reichweite und Schnelligkeit des Balls höher. Heißt also: Die lahmen Krücken, die es kaum in den 16er schaffen, könnten mal gepflegt von hinten draufhalten. Wie das geht, haben die Herren Lahm, Frings und Kaká gezeigt.
Also: Mit ein bisschen Grips hätte man das alles vorhersehen können

Gruss, Platz 1


Detailierte Informationen:

Temperature can affect a couple of different variables in a ball to alter the distance it will travel from an impact. For inflated balls, the temperature can change the air pressure inside the ball giving an over inflated effect if it was warmed, or and under inflated effect if it was cold. (Have you ever tried dribbling a basketball without enough air in it?) The amount of air pressure then is directly proportional to the temperature of the air inside.

For solid core balls, like baseballs, golf balls etc… temperature has a similar effect on the ball but the mechanics are a bit different. Here the characteristics of the material inside the ball are responsible for the bounciness of the ball.

A ball’s bounciness is dependent on the elasticity of its constructed materials. The property of elasticity allows the ball to retain kinetic energy during a collision by having the ability to flex without breaking and then return to its original shape. This measure of a material’s elasticity is called its coefficient of restitution.

An object with a low coefficient of restitution will lose a great deal of its kinetic energy in a collision through breaking or deforming, or through the generation of sound or heat. Compare the kinetic energy transmission through steel balls suspended on strings as they bounce back and forth in an example of a high coefficient of restitution. Now consider a lump of clay or a piece of glass in a collision, both materials having very low restitutional values – they simply do not transfer energy well because they are not as elastic.

How does all this tie back into the temperature of materials? Temperature can also affect elasticity – the colder a material gets, the less elastic it can be. Under cold conditions, the material can actually become more of an 'energy sink' – absorbing energy rather than transferring it.

Both inflated and solid core balls rely on the principle of coefficient of restitution. A warmed, (over inflated) ball is more elastic than a cold, (under inflated) ball just as a solid core ball that is warm has more elasticity than an identical ball that is cold.

Quelle:  The MATH and PHYSICS of soccer


Jochens Antwort zum WM-Kommentar vom 13.06.


Lieber Robert,


also in Bezug auf meine prognostischen Fähigkeiten täuscht Du Dich natürlich gewaltig. Meine Tipps sind eigentlich exzellent, aber leider sind die Ergebnisse die allerletzte Scheiße. Dafür gibt es 2 plausible Erklärungen:
1. Die italienische Wett-Mafia
oder
2. Die irregulären Temperaturen in den Stadien.  Es müsste doch gerade den verkopften Wissenschaftlern von GEOMAR und ähnlichen Fakultäten bekannt sein, dass naturwissenschaftliche Abläufe (also auch Fußballspiele) nur in einer definierten Temperaturspanne prognostizierbar und reproduzierbar sind. Bei Temperaturen von mehr als 30°C in den Stadien müssen die Ergebnisse als nicht valide und somit irregulär gewertet werden. Ich beantrage deshalb, die Ergebnisse sämtlicher 15:00- und 18:00-Uhr-Spiele der letzten Tage aus der Tipp-Wertung zu nehmen!
Sollte dieser Antrag trotz der schlüssigen Argumentation wider Erwarten abgelehnt werden, beantrage ich eine Änderung der Geschäftsordnung: ALLES GELD FÜR PLATZ 81!!

Es grüßt  PLATZ 81



WM-Kommentar vom 13.06.

Liebe Freunde,


vier Spieltage liegen hinter uns, und noch immer gilt: Wir sind Weltmeisterschaft! Zwei der sogenannten "Kleinen" im Weltfußball (die es ja bekanntlich gar nicht mehr gibt) haben uns gestern ein recht ansehnliches Spielchen mit einem am Ende noch überraschenden Ausgang beschert. Hut ab vor den Aussies, die bei glühender Hitze lange einem Rückstand hinterherliefen, der auch noch regelwidrig zustande gekommen war. Ihr Fußballspiel war zwar nur von der alten englischen Sorte und weit werden sie damit nicht kommen, aber es ist immer noch ansehnlicher als manch taktisches Ballgeschiebe hochgelobter Favoriten. Den japanischen Nähmaschinen, die normalerweise mit nie nachlassender Drehzahl laufen, laufen und laufen, ging am Ende bei dieser Hitze wohl doch der Schmierstoff aus. Ist aber auch egal, im Achtelfinale hat keine der beiden Mannschaften etwas zu suchen.

Vom Spiel am frühen Abend kann ich nur berichten, dass es unglaublich heiß und trocken auf dem Spielfeld war. Kaum Schatten, und dennoch ein recht ansprechendes Spielchen, das am Ende einen verdienten Sieger fand. Die Rede ist hier zwar vom gestrigen Hebbelkick, aber nach allem, was ich vom Spiel USA-Tschechien gesehen habe, war es da ganz ähnlich. Da spielten zwar die Nummern 5 und 2 der FIFA-Weltrangliste (Deutschland steht auf Platz 19!), getrennt nur durch magere 18 von 772 Punkten, aber dennoch war recht schnell klar, wer hier als Sieger vom Platz gehen würde. Das Spiel der US-Boys ist zwar bemüht und z.T. durchaus ansprechend im Spielaufbau, aber heutzutage entscheidet eben oft die Klasse einiger weniger Spitzenspieler so eine Begegnung. Sorry, Brian, that was not enough to make it to the next round!

Nach dem Hebbelkick wurde den Spielern zur Vermeidung von Ausfallerscheinungen vom Mannschaftsarzt die Einnahme von isotonischen Getränken verordnet. Glücklicherweise befand sich die Versorgungsstation in unmittelbarer Nähe zu einer Großbildleinwand, auf der wir die erste Hälfte des Spiels Italien-Ghana verfolgen konnten. Das Ganze wird zur Nachahmung empfohlen, mit dem Hinweis, dass es in der "Forstbaumschule" nicht einmal übermäßig voll war. Mein Weltmeistertipp spielte die Begegnung gestern routiniert herunter, stand hinten meist sicher (im ganzen Spiel musste Buffon nur einen einzigen halbwegs gefährlichen Schuss halten!), versuchte die schnell offensichtlichen Schwächen bei hohen Bällen des Fliegenfängers im Tor der Ghanaer auszunutzen, und setzte mit gutem Kombinationsspiel immer wieder gefährliche Konter. Meist fehlte zwar noch ein Tick an Präzision, sonst hätten die Afrikaner noch einige weitere Dinger kassiert, aber insgesamt präsentierten sich die Azzuri gut vorbereitet auf eine erfolgreiche WM. Ein sicherer, aber nicht begeisternder Sieg; mit den Italienern muss man rechnen.


In unserem Tippspiel haben Jan Wegner und Ex-Europameister Hiroshi dicht zum weiter führenden Hanno aufgeschlossen, während Alex etwas zurück fiel. Am Tabellenende sind jetzt alle im zweistelligen Bereich, doch macht es mir Sorgen, dass es mit den prognostischen Fähigkeiten meines Hausarztes offenbar nicht allzuweit her ist. Na, egal, solange es nur um Fußballitis geht, wird Jochen schon das richtige Hausmittel wissen, denke ich. Zum Beispiel jetzt gleich das Spiel "Togowabohu gegen die Südkoreander"...

Sportsgruß,
Robert



Die Westufer-Reaktion auf den WM-Kommentar vom 12.06.


Da war sie wieder die Überheblichkeit und Arroganz der Ostufer-Mafiosi. Ihr mögt da drüben ja Excellence in Science haben, aber leider scheint da die Bodenhaftung verloren gegangen zu sein. Vielleicht sieht die Welt ja aus dem Tauchboot anders aus, aber wir vertreten hier noch die gute alte Schule, da ist die Welt so rund wie ein Fußball, Spiele gehen, wie eine gepflegte Vorlesung, 90 Minuten, und die Dozenten haben immer recht, deswegen stimmen auch die Tippergebnisse. Falls ihr mal wieder wissen wollt, wie das Leben so spielt, werden Alex und ich ein kleines Nachhilfe-Tutorium "Neue Aspekte der Erdgeschichte: Warum 2006 Deutschland Weltmeister wird" anbieten.


Mit sportlichem Gruß (54, 74, 90, 2006)

Hanno



WM-Kommentar vom 12.06.

Liebe Freunde,

die Welt ist zu Gast bei uns. Bei uns? Ja, und wir sind nicht nur Papst. Nein, viel besser: Wir sind Weltmeisterschaft! Deutschland zeigt sich als perfekt vorbereitetet Gastgeber: Um technische Pannen wie die Sturzbäche in Frankfurt beim letztjährigen Konfetticup-Finale zu vermeiden, wurde allerbestes Sommerwetter organisiert. Weiter so, da macht dank DVB-T das Fussballgucken auf der heimischen Terrasse erst richtig Spaß.

Erfreulich war auch das Eröffnungsspiel. Sechs Tore zum Auftakt – wann hat es das zuletzt gegeben? Grinsmann macht gute Miene zum bösen Abwehrspiel des deutschen Teams und hofft tatsächlich darauf, dass Klose & Co die Torfabrik am Laufen halten. Das kann klappen, eventuell aber auch schon gegen Polen und Ecuador fatal enden. Die werden sich unsere Deckungsschwächen genau angesehen haben und versuchen, mit vertikalem Spiel die deutsche Abwehr zu durchbrechen. Früher war mal von den "deutschen Panzern" die Rede, heute kann sich der Gegner leider oft genug darauf verlassen, dass hinten noch ein letzter Horchposten steht, der aber den Schuss nicht gehört hat und dann das Abseits aufhebt. Den Polen duerfte vor den "deutschen Panzern" jedenfalls nicht besonders bang sein, allerdings müssen sie ihr reichlich einfallsloses Gekicke vom Ecuadorspiel deutlich besser strukturieren. Das war bisher gar nix und den Tricolores reichte eine mäßige Leistung für einen ungefährdeten Sieg. Der Trainer sah zwar aus wie ein Drogenbaron im Maßanzug, aber er hat da ein gut vorbereitetes Team zusammen gestellt, dem durchaus der Gruppensieg zuzutrauen ist. In ein paar Tagen kann ich mir selbst ein Bild machen: Da am Freitag einige wahrhaft "Gute Frrreunde" bei mir zu Gast waren und mir ein wirklich völlig unerwartetes Geschenk gemacht haben, darf ich mir tatsächlich am Donnerstag das Spiel Ecuador-Costa Rica in Hamburg live im Stadion ansehen. Toll! Ich bin WM!

Am Samstag ging es eher verhalten los. Die Limies stellten gegen Paraguay nach ein paar Minuten das Fußballspielen weitgehend ein und schaukelten den glücklich zustande gekommenen 1:0-Vorsprung über die Runden. Angeblich war es zu heiss in Frankfurt... Seit wann ist das eine Ausrede für Profis, die sonst z.T. in Spanien spielen? Die Hebbelkicker mussten am Sonntag schließlich auch bei glühender Mittagshitze in Schönwohld antreten und holten dennoch fast den Turniersieg!

Eins ist nach dem kläglichen Unentschieden gegen Tonidad-Tribago klar: Die Schweden sind keine Überflieger – ausgenommen vielleicht Wilhelmsson, aber der machte das auch eher unfreiwillig... Selbst als sein "Starthelfer" vom Platz geflogen war, schafften sie es nicht, die karibische Abwehr wirklich überzeugend zu durchspielen. Von Ljungberg und Ibrahimsson hatte ich wirklich mehr erwartet, die sind noch nicht bei der WM angekommen. Wenn dann von den Aussenverteidigern kein zusätzlicher Druck auf den Gegner ausgeübt wird, hat der es relativ leicht. Dennoch traue ich den Schweden gegen spielstarke Gegner durchaus eine Überraschung zu.

Abends gab es dann das bisher beste Spiel der WM. Argentinien spielte ball- und kombinationssicher, cool und routiniert einen 2:1-Sieg gegen die Ivorer heraus, die in dieser "Todesgruppe" womöglich das beste Team der WM darstellen, das schon in der Vorrunde scheitert. Kleinste Unsicherheiten in der Abwehr werden eben von den Gauchos gnadenlos bestraft; das ist schon eine Klassemannschaft, die hier auftritt. Aber die schwarzen Männer von der Elfenbeinküste bauten zum Schluss doch gehörig Druck auf und hatten zumindest das eine Tor von Drogba – erzielt in bester Gerd-Müller-Manier – redlich verdient. Die Holländer werden es am Freitag nicht einfach haben...

Die Tomatenzüchter machten es dann bei ca. 30 Grad in Lüdenscheid ähnlich wie die Engländer am Tag zuvor: Ein schnelles Tor durch den quirligen Robben und dann auf den Schlusspfiff warten. Effizienzfussball höchster Güte war das, aber wir können bisher noch wenig darüber sagen, was unsere Nachbarn wirklich draufhaben, ausser einem Linksaußen in Topform.

Am späten Nachmittag zeigten uns dann zwei Hitze-gewohnte Teams ein munteres Spielchen mit vier Toren. Die angeblich "beste Mannschaft aller Zeiten" des Iran hatte aber ab der Halbzeit nichts mehr zu melden und versuchte es mit Befreiungsschlägen und Betonfußball. Die Sombreros brauchten dann mit ihrem z.T. recht ansehnlichen klassischen Angriffspiel mit zwei echten Aussenstürmern zwar eine halbe Stunde, bis der verdiente Sieg gesichert war, und können nun schon ziemlich sicher für das Achtelfinale planen. Bei diesem gewiss nicht schlechten Spiel stand der beste Mann aber nicht auf dem Platz, sondern am RTL-Mikrofon. Unser WM-Held Litti sprach immer wieder bei gelungenen oder mißglückten Aktionen Klartext aus der Sicht eines echten Fußballers und damit genau das aus, was man als interessierter Zuschauer auch selber gerade dachte. Da verzeihe ich auch gern das eine und andere "Ähhh" und so manchen verunglückten Halbsatz. Weiter so, RTL!

Abends hatte ich dann einen deutlichen Sieg der Sportugiesen gegen ihre ehemalige Kolonie erwartet, wurde aber wie viele andere ziemlich enttäuscht. Wieder gab es hier eine schnelle Führung des überlegenen Teams, vorbereitet von einem unglaublich sprinstarken Figo, aber dann fehlte einfach der letzte Wille und Einsatz, um den im Grunde harmlosen Angolanern die Hütte vollzuschiessen. Die Pfiffe der Zuschauer fällten ein eindeutiges Urteil.


In unserem Tippspiel hat sich auf wundersame Weise ein Duo vom IfG an die Spitze gesetzt. Das heißt nach erst einem Achtel der Spiele natürlich noch gar nichts, zumal ein extrem breites Mittelfeld bereit steht, schon heute ganz oben alles durcheinander zu wirbeln. Wie man es allerdings als angeblicher Fussballexperte schaffen kann, nach 8 Spielen noch im einstelligen Punktebereich rumzukrebsen, bleibt mir ein Rätsel...

Heute gibt es das zweite Tabellen-Update erst nach dem letzten Spiel, da ich während des Spiels USA-Tschechien selbst gegen den Ball trete. Übrigens: Wenn jemand wünscht, dass seine/ihre Email-Zweitadresse ebenfalls in den Verteiler aufgenommen wird, möge er/sie mir das bitte mitteilen.

Sportsgruss, Robert




Kanal-Kommentar vom 11.06.2006

Von der Leichtigkeit des Unwissens

Die Tippspielzeit ist die Leidenszeit der vermeintlich Wissenden. Mit großem Aufwand werden Fußballstatistiken ausgewertet, aktuelle Meldungen rund um die WM analysiert und stundenlang zumeist todlangweilige Testspiele aller WM-Teilnehmer im Fernsehen verfolgt. Manch einer legt sich spezielle Datenbanken an oder verfasst tägliche Memoranden, um die aktuelle WM-Form der Mannschaften akribisch zu dokumentieren. Selbstverständlich werden besondere Faktoren wie zum Beispiel der Vorteil Ecuadors in heimischer Höhe oder die Angst der Engländer und Holländer vorm Elfmeter in die abschließenden Bewertungen einbezogen. Auch gewisse Wahrscheinlichkeiten wie der offensichtliche Vorteil der Heimmannschaft oder die Tatsache, dass zumeist Mannschaften auf dem jeweils eigenen Kontinent erfolgreich waren, gilt es zu berücksichtigen. Am Ende ist es dann aber wie immer: Favoriten straucheln, Außenseiter siegen – leider aber immer die Mannschaften, denen man das vorher so nicht zugetraut hatte. Der nachfolgende Tipp-Frust lässt sich dann frei nach Goethes Faust zusammenfassen: „Ich seh’, dass wir nichts wissen können, das will mir schier das Herz verbrennen.“

Psychologen haben übrigens kürzlich das Tippverhalten von Sportwettern wissenschaftlich untersucht und festgestellt, dass zu viel Wissen und eine zu lange Vorbereitung dem Tipperfolg absolut abträglich ist. Am besten sind spontane Bauchentscheidungen auf der Grundlage intuitiver Erfahrungen. Also besser schnell mal die Tipps aller WM-Spiele wie in Trance herunter geschrieben und fertig! Zumindest das Verhältnis zwischen miserablen Tippergebnissen und dem dafür erforderlichen Aufwand ließe sich dann in Grenzen halten.

Wir wollten uns denn diesmal aber doch nicht so recht nur auf unseren mehr oder weniger gesunden WM-Bauch verlassen. Als ersten Ansatz wählten wir also die so genannte FIFA-Weltrangliste. Kein Mensch außer Sepp Blatter weiß zwar, wie diese Kicker-Hitparade zu Stande kommt, aber sie steht nun mal im Internet und wird ständig aktualisiert. Nach diesem Ranking müsste es bei dieser WM eigentlich zu folgenden Viertelfinalspielen kommen:

Schweden – Niederlande
Tschechien – Frankreich
England – Mexiko
Brasilien – Spanien

Mexiko und Spanien im Viertelfinale? Deutschland schon im Achtelfinale draußen? Und die Amis wären als FIFA-Sechster nur deshalb nicht im Viertelfinale, weil sie im Achtelfinale gegen Brasilien spielen müssten. So ein Blödsinn!

Dieses doch recht unerfreuliche Ergebnis wollten wir natürlich keinesfalls zur Grundlage unserer WM-Tipps machen. Also wählten wir diesmal einen ganz anderen Ansatz, nämlich in Form eines „Gottesurteils“ einer nachgespielten WM-Runde am Kickertisch. Im Mai wurde im Kieler Einkaufszentrum „Sophienhof“ genau das durchgeführt. Wir selbst wollten natürlich dem Schicksal etwas auf die Sprünge helfen und nahmen an dieser Tischfußball-WM als „Team Frankreich“ teil. „Allez les bleus“ hallte es von den Zuschauerrängen, als wir die Shopping-Mall betraten. Auch uns kam in diesem Moment die Gänsehaut hoch. Nach dem Aufwärmtraining wurden die Konkurrenten kritisch auf ihren Leistungsstand hin gemustert. Erster Gegner der Franzosen war bekanntlich die Schweiz, ein äußerst schwer zu spielender Gegner. Nach hartem Kampf wurde zwischenzeitlich ein klarer 3-Tore-Vorsprung für die Blauen heraus gespielt. Am Ende setzen sich jedoch leider die größeren Kraftreserven der Eidgenossen durch und das Spiel wurde denkbar knapp in den letzten Sekunden noch verloren. Das war wirklich Schweizer Käse und eine kalte Dusche für den Stolz Frankreichs. Hatte Zinedine Zidane seinen Zenit vielleicht doch schon überschritten? Zwickte vielleicht seine Wade und er wagte nicht, diese seinem Trainer zu outen? Wir wissen es nicht. Im zweiten Gruppenspiel gegen Togo keimte noch einmal Hoffnung für den Weltmeister von 1998 auf. Im Schlussspurt wurden die Afrikaner noch einmal knapp in die Schranken gewiesen. Der erste Dreier machte wieder Hoffnung fürs Achtelfinale. Dann folgte das Schlüsselspiel gegen Südkorea. Anscheinend hatten sich die Asiaten körperlich und mental ganz besonders auf diese WM vorbereitet. Mit Atem beraubenden Kombinationen überrollten sie die Blauen mit einer wahren Torflut. Damit hatte nun wirklich keiner gerechnet. Statt Achtelfinale hieß es für Thierry, Henry & Co. diesmal, wie in 2002 auch schon, erneut vorzeitig die Heimreise anzutreten. Das war aber nicht die einzige Sensation des Turniers. Auch England, Schweden, Portugal, Tschechien und Spanien mussten schon in der Vorrunde die schlaffen Segel streichen. Am schlimmsten erwischte es in Gruppe F Turnierfavorit Brasilien. Mit drei Niederlagen wurden die Jungs vom Zuckerhut sogar nur Gruppenletzter. Im Achtelfinale erwischte es dann auch noch völlig unerwartet die Niederlande, Deutschland und Argentinien. Das Favoritenmassensterben war damit komplett. Enttäuschte Fans dieser Länder verbrannten spontan ihre Fahnen. Rauchmelder grölten, der „Sophienhof“ musste kurzfristig geräumt werden. Nachdem die Kieler Berufsfeuerwehr die Situation wieder im Griff hatte, kam es zu folgenden Viertelfinalbegegnungen:

Ecuador – Angola
Paraguay – Iran
Ghana – Südkorea
Italien – Saudi-Arabien

Als letzter WM-Favorit strauchelten auch noch die Italiener. Angola, Ghana, der Iran und Saudi-Arabien zogen ins Halbfinale ein, in dem sich die beiden letztgenannten Mannschaften durchsetzen konnten. In einem dramatischen Endspiel siegte dann Saudi-Arabien gegen den Iran und wurde völlig verdient zum ersten Mal Weltmeister. An diesem Tag wurde wahrlich WM-Geschichte geschrieben.

Abschließend betrachtet können wir mit den Ergebnissen dieser WM-Simulation sehr zufrieden sein, denn sie entspricht exakt den Vorgaben der FIFA an die Schiedsrichter, wegen künftig besserer globaler Vermarktungsmöglichkeiten auch Außenseitern eine realistische Chance zu geben. In jedem Fall hatten wir mit diesem Ausgang eine grundsolide Basis für unsere WM-Tipps gelegt. Also bitte nicht wundern, wenn die Kanaltipper diesmal ganz vorne landen sollten. Mit Ecuador hat immerhin schon ein getippter Viertelfinalist kräftig gegen Polen zugeschlagen. Die anderen Außenseiter werden bestimmt noch folgen. Das kann eine wundervolle WM werden. So hoffen wir jedenfalls alle am Kanal.


Bernd Christoph



06.06.2006
Prolog vom Kanal zum WM-Tippspiel 2006

Endlich ist es vorbei!

Bevor es losgeht, ist eigentlich schon alles gesagt und getan – mehrfach, wiederholt, gnadenlos. Seit über einem Jahr wurden bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit die Tage rückwärts gezählt, als gelte es, das Datum eines möglichen (Welt-)Untergangs nur ja nicht zu verpassen. Im Lande wird Fröhlichkeit eingefordert und natürlich Geschäftssinn. Es geht um Erfolge und Schotter, vor allem auch um zigtausend (Teilzeit-)Arbeitsplätze. Die WM ist der Hoffnungsschimmer für ein zweifelndes Land. Der Kaiser hat sie uns geholt. Ewige Dankbarkeit! Schön, dass es damit endlich vorbei ist!

Was haben wir früher auf Weltmeisterschaften hingefiebert, fleißig Fußballbilder gesammelt und stapelweise den „Kicker“ gekauft. Heute brauchen wir das alles nicht mehr. Denn der Fan steht im Mittelpunkt und da leider immer wieder im Wege. Die FIFA hat das endlich klar erkannt und brennt über unsere Köpfe hinweg ein unentrinnbares Marketingfeuerwerk ab: Deutsches Bier fliegt aus den Stadien, Arenen werden zwischenzeitig mit viel Aufwand umbenannt und widerborstige Firmen systematisch abgemahnt. Kontrolle ist wichtig. Es geht um Milliardenumsätze. Dafür muss der Sport, dafür müssen wir alle einfach Verständnis haben.

Fußball ist weltumspannend und besitzt daher einen hohen (Unterhaltungs-)Wert. Um den Preis für diese Ware hoch zu halten, muss diese knapp gehalten werden. Tickets werden nicht einfach nur zu Freudenhauspreisen an interessierte Fans teuer verkauft. Nein, man inszeniert ein beispielsloses Bewerbungsszenario und schert sich dabei einen Scheißdreck um den Datenschutz. Transparenz und Sicherheit wird uns vorgeheuchelt. Dabei geht es nur um die Schaffung von Begehrlichkeiten und Knappheiten. Die meisten Tickets sind schon lange vorher an Sponsorenfirmen und Medien verschachert worden. Letztgenannte traktieren uns dank Dauergrinsern wie Pilawa, Geißen & Co. nun schon seit Monaten mit so genannten Fußballshows, die eigentlich keiner braucht, geschweige denn sehen will. Die Quote erreicht man aber mit Verlosungsaktionen. Der Zuschauer braucht nur eine auf der Mattscheibe eingeblendete Nummer auf den Cayman Islands anzuwählen und die Frage zu beantworten, ob Ballack nun Fußballer, Wasserballer oder ein Rostschutzmittel ist. Für verzweifelte Fußballfans ist das aber die einzige Chance, auf legalem Wege noch an Tickets zu kommen. Schön, dass es damit endlich vorbei ist!

Die Werbemaschinerie rollt seit vielen Monaten wie geschmiert. Kaum ein Spot im TV und Rundfunk, kaum eine Anzeige in Zeitung oder Magazin, die nicht in irgendeiner Art und Weise König(-Pilsener) Fußball thematisiert. Grinsende Logos, enthoste Maskottchen und dicke Fans in zu knappen Trikots. Wie originell! Dadurch gelingt es diesen Firmen eindrucksvoll, ein völliges Alleinstellungsmerkmal für sich zu reklamieren, nämlich eine allein stehende Dämlichkeit. Die Rechnung geht aber trotzdem auf: Der dauerberieselte Zuschauer hat kurz vor seinem Hörsturz ganz sicher diese jaulende Melodie von James Blunt im Ohr, die als akustischer Flokati über eine Deutschlandtrikot tragende Menschenkette gelegt wurde. Bei nächster Gelegenheit wird er sich in Notwehr in den nächsten Telekom-Laden stürzen, um endlich den gewünschten Knebelvertrag für sein neues Handy unterschreiben zu dürfen. Schön, dass es damit endlich vorbei ist!

Auch sonst verpassen Politiker, Verbände oder sonstige Institutionen keine Gelegenheit, um (Eigen-)Kapital aus der allgemeinen WM-Massenhysterie zu schlagen. Hausbackene kommunale Volksvertreter werden dafür mit VIP-Tickets belohnt. Eine Verbrauchertestzeitung riet uns kürzlich vom Kauf von Fußballstadien ab. Danke für diesen  unglaublichen Rat! Schön, dass es damit endlich vorbei ist!

Kommen wir nun zum Sportlichen. Auch das ist kaum noch vom Wirtschaftlichen zu trennen. Wer zählt noch die Werbeverträge von Köpke, Bierhoff, Löw und diesem blonden Schwabenengel mit dem Decknamen Jay Goppingen? Die mediale Dauerpräsenz sollte vermutlich von seiner kalifornischen Dauerabstinenz ablenken. Dabei meckern darüber nur die ewig Gestrigen wie Beckenbauer oder BILD. Heutzutage kann man doch alles per Email regeln. Entscheidend ist nicht mehr auf’m Platz sondern auf’m Läpptopp. So kann man auch schwierigen Personalentscheidungen oder Charakteren elegant aus dem Wege gehen. Einfach die Löschtaste bedienen und – schwupps – schon sind bärbeißige Torwarttrainer, nörgelnde Torleute oder hüftsteife Angreifer aufs virtuelle Abstellgleis befördert. Aber brauchen wir Meier, Kahn oder Kuranyi wirklich? Der Bessere ist der Feind des Guten, wenn man denn überhaupt welche hat. Alles Weitere wird von den Gummiband schwingenden amerikanischen Bundesfitnesstrainern geregelt. Zum Glück ist es bald aber endlich vorbei mit den Nerv tötenden Testspielen, in denen wir seit zwei Jahren die technischtaktischkonditionellen Fortschritte unserer Kicker als Reality Soap hautnah miterleben durften. Selbst beim Konfetticup im letzten Jahr konnte kein Blumentopf, geschweige denn ein richtiger Pokal gewonnen werden. Insofern möge uns der Fußballgott den WM-Titel ersparen. Denn dann ginge das bis 2010 munter so weiter unter dem Motto „The torture never stops“.

Ansonsten läuft aber eigentlich alles ziemlich optimal im Lande. Unser Team kann wirklich Großes erreichen. Kritiker kommen jetzt sicher wieder mit dem blödsinnigen Argument, wir hätten seit 20 Jahren oder so keinen der „Großen“ geschlagen. Dabei weiß jeder (Wer hat das eigentlich zuerst gesagt: Beckenbauer, Vogts, Ribbeck oder Völler?), dass es keine „Kleinen“ mehr gibt. Also sind letztendlich alle fast gleich groß und schon hätten wir dieses Problem per Definition bereits vorab gelöst. Die Italiener haben uns sogar vorgeworfen, Lothar Matthäus hätte bei der Gruppenauslosung so lustlos im Topf herum gestochert, dass Deutschland wieder mal nur lahme Luschen als Gegner bekommen hätte. Es wird dabei aber vergessen, dass Don Berlusconi und Konsorten im Mauscheln weltweit sowieso absolut konkurrenzlos sind und dass der Loddar abseits des Platzes noch nie irgendwas absichtlich so richtig gewuppt hat.

Jetzt so kurz vor dem WM-Start freuen wir uns aber gnadenlos auf die Welt, die ja bei uns zu Gast bei Freunden sein wird. Welche Freunde sind damit eigentlich gemeint? Ich habe im Freundeskreis schon einmal herum gefragt, es hat sich dort aber noch nicht ein Gast aus dieser Welt angemeldet. Entweder sind die Gäste noch nicht da oder ich habe die falschen Freunde. Vielleicht sollte ich bei Waldi und Harry noch mal nachfragen. Die haben während der WM bestimmt ganz tolle Gäste im Studio.

Aber sicherlich wird bald alles gut und garantiert sogar noch viel besser, wenn das Warten auf den Anpfiff endlich vorbei ist und der neue WM-Ball über den grünen Rollrasen rollt. Wie sagte es doch unser derzeit (noch) aktueller Bundesklinsi am 19. Januar 2006 passend zum Jahr der Vogelgrippe vor laufenden Kameras so schön: „WM 2006 – Da kommt einem die Gänsehaut hoch!“

In diesem Sinne wünschen wir euch kanalseits eine wundervolle Weltmeisterschaft mit vielen interessanten Spielen in diesem unserem Lande. Mahlzeit und prost allerseits!

Bernd Christoph

P.S.: Ich gehöre übrigens zum glücklichen Club derer, die tatsächlich WM-Karten ergattern konnten (normales Verfahren, nix mit Firmensponsoring oder Gewinnspiel). Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich das Vergabeverfahren generell hochgradig bescheuert finde. Mein Sohn Tobi und ich haben die besondere Ehre, dem ultimativen WM-Klassiker Ukraine gegen Saudi-Arabien in Hamburg beiwohnen zu dürfen. Sportlich vielleicht gar nicht mal so uninteressant, versprechen die Saudis doch immer viele schöne (Gegen-)Tore. Mal sehn, wie sich Shevchenko, Voronin & Co. gegen die Wüstensöhne so anstellen. Darüber hinaus dürfte die Sicherheit wohl gewährleistet sein. Glaube nämlich kaum, dass Sportsfreund Bin-Laden seine nächsten Verwandten in die gute hanseatische Luft blasen wird. Werde dann zu gegebener Zeit in einem kleinen Beitrag von diesem Spiel und den dort gemachten Eindrücken noch berichten.