EM-Kommentar vom 18.06.2016
Bonjour EM,
die zweite Runde läuft, einige Mannschaften wollen den guten Eindruck
des ersten Spiels bestätigen und für andere wird es schon eng, weil es
im ersten Versuch schief ging. Zu letzteren gehörten die Slowaken, eine
eigentlich nicht sehr hoch eingeschätzte Mannschaft. Aber gegen immer
noch wenig inspirierte Russen reichten einige kurze geniale Momente.
Der erste war ein sehenswerter Steilpass von Hamsik auf Weiss (9
Packing-Punkte), der zwei Russen wie dumme Schuljungen ins Leere laufen
ließ und trocken ins lange Eck vollendete. Der zweite eine kurz
ausgeführte Ecke von Weiss, die russische Abwehr zeigt sich
desinteressiert, ein Verteidiger zieht sich nocht mal die Stutzen hoh,
da hämmert Hamsik die Kugel eben mal an den langen Innenpfosten. Ein
schönes Kopfballtor von Glushakov reichte nicht mehr für die Sbornaja,
jetzt ist Russland in Not. Geheimpläne machten bereits die Runde, Putin
höchstpersönlich wolle sich zum letzten Gruppenspiel gegen Wales
einfliegen lassen und sein Team ins Achtelfinale schießen. Das Ganze
soll nicht an der fehlenden Nominierung für das russische Aufgebot
gescheitert sein (das ließe sich mit einer entsprechenden Zahlung auf
ein Geheimkonto der UEFA sicher noch nachträglich regeln), sondern an
Putins Weigerung, zum Spiel ein Trikot überzustreifen. Ungeheuer wie
den walisischen Drachen bezwingt er stets hoch zu Ross, mit blankem
Oberkörper und bloßen Händen. Schade.
Das Spiel der Eidgenossen gegen die Muränen bescherte uns ein Déjà-vu
der ersten Runde: Den Schweizern fehlt ein Knipser (solche Chancen wie
Seferovic sie hatte, machen Jens und ich auf der Hebbelwiese noch um
Mitternacht locker rein, ohne Flutlicht!) und die Muränen haben einen
sicheren Elfmeterschützen. Viel mehr muss nicht gesagt werden. 1:1 war
ein irgendwie logisches Ergebnis.
Ähnlich mühsam wie das Gekicke der Schweizer war der Versuch der
Turniergastgeber, die lauf- und kampfstarken Albaner spielerisch zu
bezwingen. Selten habe ich ich ein Spiel mit so vielen schlampig,
nachlässig und z.T. richtig dämlich gespielten Pässen wie hier auf
Seiten der hoch gewetteten Franzosen gesehen, speziell in der ersten
Halbzeit. Hannes wäre die Halsschlagader auf Feuerwehrschlauch-Dicke
geschwollen und Borko hätte die Hebbelwiese zum Beben gebracht,
angesichts solcher Unzulänglichkeiten. Nach dem Wechsel wurde es
besser, aber Trainer Dechamps kann nicht erwarten, dass sein Glück der
späten Tore bis zum Finale anhält. Entweder da kommt mal eine deutliche
Steigerung oder im Viertelfinale bekommen Le Bleus den Blues.
Und weiter mit den späten Toren: Im Battle of Britain kam das Happy End
für weitgehend überlegenen, aber die oft hilflos agierenden Engländer
ebenfalls erst kurz vor Schluss. Das Beste waren wieder die Fangesänge.
Warum schalten die Öffentlich-Rechtlichen für solche Spiele nicht mal
einen Kanal ohne Reportergequassel (hier: Bela Rethy) frei, nur mit
Stadionton? Da wären die Gebühren gut angelegt, ohne Zusatzkosten für
die Sender!
Der frühe Donnerstagabend servierte uns dann mit Ukraine-Nordirland ein
Spiel wie das Wetter in Lyon: Richtig beschissen. Ein Grottenkick im
trüben Dauerregen, kurz aufgehellt durch das 1:0 für die Nordirländer
auf klassische Art: Freistoß, Kopfball, Tor. das Ganze in strömendem
Regen. Warum die Ukrainer auch in der zweiten Hälfte kaum etwas für den
Angriff taten und erst zum Spielende hin etwas offensiver wurden,
dürfen sie schon Mitte nächster Woche ihren Landsleuten erklären. Dann
sind sie nämlich schon zuhause.
Abends dann das zum Schlagerspiel hochsterilisierte Spiel
Deutschland-Polen, abgefeiert bei uns zuhause mit polnischen und
deutschen Gästen, mit schwarzrotgoldenen Gummibonbons und rotweißer
Polenfahne, mit deutschem Bier und polnischer Wildschweinwurst. Auf der
Tribüne war also ordentlich was los, auf dem Feld leider weniger, die
dicksten Chancen hatte Adam Milik, aber der traute sich wohl nicht,
richtig draufzuhalten. Hinterher die üblichen Diskussionen: Wo hakt es
im deutschen Spiel? Warum läuft so wenig über rechts? Ist Höwedes der
Sündenbock? Ich finde, da macht man es sich zu einfach. Das deutsche
Spiel 2016 ist zu asymmetrisch angelegt, fast alles läuft über links,
und der eigentlich rechts vorn eingeteilte Müller drängt ständig in die
Mitte. Soll Höwedes da etwa auf rechts vorn alles alleine regeln? Wenn
dann der Ball verloren ginge, wäre plötzlich rechts alles offen. Nee,
nee, Freunde der Taktik, da muss eine bessere Raumaufteilung her, und
dafür ist der Bundestrainer zuständig. Herr Löw, übernehmen Sie!
Am Freitagnachmittag vertrödelte jeder die Zeit, der sich das Spiel
Willnicht gegen Kannicht anguckte (Italien-Schweden). Der erste
gefährliche Ball aufs Tor kam in der 83. Minute (Kopfball von Parolo),
was für ein trauriger Kick! Dass die Italiener noch 1:0 gewinnen
würden, musste trotzdem jedem Experten klar sein. Solche Spiele
verlieren die Spagettis nie. Auf ins Achtelfinale!
Der frühe Abend bescherte die Versöhnung mit dem Fußball: Kroatien
lieferte erneut hochwertige Arbeit ab, mit technisch versierter
Ballbehandlung, schönen Kombinationen, großer Laufbereitschaft und
tollen Tore. Dann musste Modric verletzt raus, einige Vollidioten
unter den kroatischen Fans warfen Pyros aufs Feld, die Kroaten liessen
sich verwirren, kassierten den Anschlusstreffer und schließlich noch
durch ein dämliches Handspiel das 2:2. Am Ende konnten die Tschechen
ihr Glück kaum fassen. Dennoch bleibt Kroatien für mich das Team, das
bisher am meisten überzeugt hat. Waren die Gegner zu schwach? Kann
sein, aber vermeintlich leichte Gegner hatten auch andere und sie taten
sich trotzdem schwer. Das Spiel gegen die Spanier wird hochinteressant.
Der Titelverteidiger von der westlichen Halbinsel Europas schoss am
Freitagabend die Kollegen von der östlichen Halbinsel ab. Viel gesehen
habe ich davon nicht, im Kieler Schauspielhaus floss beim
Alternativprogramm reichlich Blut und Fräulein Julie überlebte den
Abend nicht, im Gegensatz zu den türkischen Spielern. Fußball kann ja
ein richtig friedliches Spiel sein...
Sonnenschein und Schäfchenwolken am Samstagnachmittag über Kiel, kein
Regen in Sicht. Und das soll Kieler-Woche-Wetter sein? Kaum zu glauben!
Nach einer sehr netten außerplanmäßigen Präsidiumssitzung in den
Mittagsstunden wurde das pflichtgemäße Fußballgucken wieder
aufgenommen. Die Belgier ließen sich nicht lumpen und schenkten den
armen Irländern drei Dinger ein. Zwei mal lief über die rechte Seite
ein Hochgeschwindigkeits-Konterfußball, bei dem die Insulaner nicht mal
hinterhergucken konnten, so schnell ging das. Und vor dem 2:0 hatten
die Belgier sage und schreibe 29(!) Ballkontakte, ohne dass die
Irländer mal gestört hätten. Man kann das Arbeitsverweigerung nennen,
aber Hilflosigkeit beschreibt es wohl besser. Belgien ist zurück im
Geschäft. Wer diese Mannschaft zum Kontern einlädt, sieht ganz schnell
ganz alt aus.
Vor dem Abendessen noch Island-Ungarn, nicht gerade ein fußballerischer
Leckerbissen, aber auch kein Langweiler. Kampf statt Kombinationen,
Einsatz statt Ästhetik - das beschreibt es wohl ganz gut. Island ging
durch einen Elfmeter in Führung - berechtigt oder nicht, darüber
diskutierten die Experten in der Halbzeit gefühlte 30 Minuten lang.
Meine kurze Antwort: Ja! Und ebenso gerechtfertigt war am Schluss der
Ausgleich für die zum Ende deulich bemühteren Ungarn. Olafur und seine
sympathischen Inselkollegen hatten ihr Glück wohl schon im Spiel gegen
Portugal aufgebraucht.
Abends dann Sportugal gegen Österreich, oder besser: Ronaldo gegen
Almer. Der österreichische Torwart entschärfte alles, was auf seinen
Kasten kam und hypnotisierte den gegelten Dauerlächler vor dem Elfmeter
so effektiv, dass der den Ball an den Pfosten setzte. Sehr schön auch
die Versuche Nummer 36 und 37 von Pistolero Ronaldo, bei einer EM oder
WM mal ein Tor durch einen direkten Freistoß zu erzielen. Wieder nix -
kläglich! Ein paar gute Szenen hatte der Weltfußballer immerhin,
darunter einen schönen Kopfball, den Almer aber ebenfalls halten
konnte. Reporter Gerd Gottlob offenbarte seine vollkommene Unkenntnis
von Ronaldos Kopfballstärke durch den Kommentar "Sensationelles
Timing". Was für ein Schwachsinn! Jeder halbwegs gut informierte
Fußballfreund weiß, dass Ronaldo einer der besten Kopfballspieler der
Welt ist - sensationell war da also gar nichts. Auch die
Abschlussschwäche der Sportugiesen war nicht sonderlich überraschend,
das kannten wir schon aus dem Spiel gegen Island. Dennoch wirkten die
Österreicher am Ende irgendwie zufriedener. Für sie geht es jetzt gegen
Island im vorgezogenen K.o-Spiel um alles. Dörrfisch oder Sachertorte -
die Entscheidung fällt am Mittwoch.
Im Tippspiel schien Jochen schier unerreichbar davon zu ziehen.
Zeitweise 11 Punkte Vorsprung auf Platz 2 - hier zeigte ein
Hebbelkicker dem Rest der Fußballwelt, wo der Sachverstand zuhause ist.
Doch in den letzten beiden Spielen lag er jeweils um ein Tor daneben
und mögliche weitere 6-7 Punkte gingen verlustig. Tanja konnte sich
heranpirschen, liegt nur noch 5 Punkte zurück, hat aber ihrerseits 7
Punkte Vorsprung auf Platz 3. Hinter diesem Spitzenduo tummelt sich ein
enges Verfolgerfeld, in das sich inzwischen sogar Weltmeister Boyke
gemischt hat. Unten stehen einige, die vielleicht beim Ausfüllen des
Tippscheins doch lieber einen Würfel hätten bemühen sollen. Vielleicht
eine gute Idee für die Hauptrunde?
Je t'EM!
Robert
EM-Kommentar vom 15.06.2016
Bonjour EM,
die erste Runde ist gespielt, wir haben jetzt
alle Mannschaften gesehen. Na ja, das gilt nur, wenn wir tatsächlich
alle Spiele weggeguckt haben... Hat das jemand geschafft, ohne eine
Minute zu versäumen? Ich bitte um Rückmeldungen.
Am Montag nachmittag versuchten
sich die Spanier an den Tschechen. Hin und her lief die Kugel, jeder
Quadratzentimeter des Spielfeldes wurde mindestens einmal überrollt,
aber ins Tor wollte das Ding einfach nicht rein. Angesichts der
Torflaute bei dieser EM scheint es fraglich, ob die amtierenden
Europameister mit ihrem ausgeprägten Kombinationsspiel der Marke
"Hin-und-her-und-vor-und-zurück" ihren Titel verteidigen können. Vamos,
Companeros! Etwas mehr schneller Zug zum Tor könnte nützlich sein. Doch
für die Vorrunde reicht vermutlich ein genialer Iniesta.
Das Spiel Irland-Schweden lief an mir vorbei.
Hebbelkick geht vor und wenn schon in Frankreich so wenige Tore fallen,
müssen sie eben auf der Hebbelwiese geschossen werden. Die ausgedehnte
Zusammenfassung im Internet bewies, dass die Irländer inzwischen nicht
nur kämpfen, rennen und singen, sondern sogar phasenweise ganz
ansehnlich Fußball spielen können. Die wollen wohl tatsächlich ins
Achtelfinale. Von der schwedischen "Legende" Ibrahimsson war nicht viel
zu sehen, außer bei der Vorlage zum unglücklichen Eigentor der
Irländer. Die Hakennase ist wohl kein Turnierspieler, ähnlich wie sein
gegeltes Pendant bei den Sportugiesen. So wird das nix mit den Schweden.
Abends dann das erste echte Highlight der EM:
Perfekt organisierte Italiener gegen irgendwie ideenlos wirkende
Belgier. Und bereits im zehnten Spiel der schönste Pass der gesamten
EM: Bonucci aus dem Stand von der Mittellinie über alle Belgier hinweg
auf Giaccherini. 10 Packing-Punkte - wer zur Hölle ist Andrea Pirlo?
Solange man Spieler mit so viel Ballgefühl wie Bonucci im Aufgebot hat,
wird nicht mal der Großmeister des ruhenden Balles vermisst. Man darf
die Italiener aber nicht zu früh loben, mitunter folgten auf ein gutes
Auftaktspiel ein zweimaliges Komplettversagen. Doch diese Versammlung
älterer Herren sollte genug Erfahrung besitzen und sich nicht auf dem
ersten Erfolg ausruhen. Für viele in der Mannschaft ist diese EM die
letzte Chance ihrer Karriere, mit der Squadra Azzura mal richtig was zu
reißen. Wenn sie klug sind, nutzen sie sie. Und Jogi sollte genau
hinschauen: Wenn Italien und Deutschland ihre Gruppen und dann auch
ihre Achtelfinals gewinnen, dann gibt es ein schnelles Wiedersehen nach
dem 4:1 im März. Die Belgier dagegen haben enttäuscht, sie fanden keine
Mittel gegen die gut organisierten Spagettis. Nur 2 Schüsse aufs Tor im
gesamten Spiel - was war los? Enttäuscht hat mich, dass Wilmots nach
der Pause quasi im gleichen erfolglosen System weiterspielen ließ.
Anscheinend gab es keinen Plan B. Oder vielleicht doch? Will der
Taktikfuchs womöglich nur einem Zusammentreffen mit den Deutschen im
Viertelfinale aus dem Weg gehen?
Eineinhalb weitere Favoritensterben gab es
dann am Dienstag. Beim Spiel Österreich-Ungarn gegen ... - ähhhh... -
fanden die ziemlich hoch gelobten Österreicher ebenfalls keine Mittel
gegen einen defensiven Gegner. Die Ungarn zeigten sich deutlich
verbessert gegenüber dem letzten Test gegen unsere Adlerträger und nun
wird es in dieser Gruppe richtig spannend.
Abends schließlich ging für Olafur ein Traum
in Erfüllung: Vor seinen eigenen Augen im Stadion in Saint-Etienne
erkämpfte sich das Team seines kleinen Landes einen gar nicht mal
unverdienten Punkt gegen hoch favorisierte Sportugiesen, in einem ein
Spiel, dessen Verlauf ich (wieder einmal, leider...) völlig falsch
eingeschätzt hatte. Die Sportugiesen machten ihre Sache nämlich zuerst
wirklich gut, sie spielten viel über die Flügel und zogen so den
isländischen Deckungsverbund in die Breite. Damit ergaben sich Lücken
für schnelle Angreifer und nach etwas Anlauf fiel ja auch das verdiente
1:0. Jetzt war ich sicher, dass die Iberer das Inselteam in Einzelteile
zerlegen würden und hoffte auf zwei weitere Tore (nicht falsch
verstehen, das hat nichts mit der Verteilung meiner Sympathien zu tun,
mir geht es immer nur um 4 Punkte:-). Aber die die Isländer gaben nie
auf, zeigten auch konditionell keine Schwächen und holten schließlich
(wenn auch begünstigt durch einen geradezu lächerlichen Stellungsfehler
in der Abwehr der Sportugiesen) ihren ersten EM-Punkt. Mehr ging nicht,
denn Spezialist Sigthorsson wurde 10 Minuten vor Schluss ausgewechselt.
Und Ronaldo? War nur mit Ball aktiv, versteckte sich ansonsten und
spielte hinterher die beleidigte Leberwurst, die nicht mal mit dem
Gegenspieler das Trikot tauschen wollte. Pfui, das ist eines
Weltfußballer unwürdig!
Im Tippspiel gab es tatsächlich Experten, die
im Abendspiel den Isländern ein 1:1 zugetraut hatten. Hut ab vor
Jochen, der damit deutlich in Führung ging. Aber das
Verfolgerfeld ist noch breit, da wird sich noch einiges tun. Am unteren
Ende finden sich ExpertInnen, deren Punkteausbeute noch unterhalb der
von ausgewürfelten Zufallstipps liegt. Ziemlich kläglich, aber noch
gibt es genug Punkte zu vergeben. Wir hoffen auf weitere schöne und
spannende Kicks. Die letzten beiden Abendspiele waren schon mal nicht
übel... Je tEM!
Robert
Statistik mit der Tistić (Teil 2)
Madame Rasta erklärt den zweiten Gruppenspieltag der EM 2016
Dobar dan (guten Tag) liebe Freunde des gewässerten Rasens,
nun habe
ich mit wissenschaftlichem Blick die ersten zwölf Spiele der EM sehr
aufmerksam verfolgt. Mir ist dabei aufgefallen, dass die Trikots
diesmal überwiegend modisch-körperbetont daherkommen. Bei einigen Teams
(England, Österreich, Portugal und sogar Albanien) wirkt es so, als
hätten deren Spieler eine zweite Haut an. Da hinken Germaniens Kicker
dem Trend vergleichsweise hinterher. Schon bei der WM 2006 fielen sie
mit ihren XXXL-Trikots der Modellreihe „Adidas – alles im Sack“ doch
ziemlich deutlich gegen die sexy Puma-Jerseys meiner italienischen
Freunde um Gigi-Schätzchen Buffon ab. Alleine aus diesem Grund konnte
das damals im Halbfinale nichts werden. Der kleine Lahm trat doch mit
seinen Füßchen ständig auf den Saum seines überlangen Sportumhangs und
fand sich dann – plumps – jedes Mal flach wie ‘ne Flunder auf dem Rasen
wieder. Aber aus Fehlern wird man ja schlau. Diesmal gibt es bei den
Deutschen in dieser Hinsicht weniger zu meckern. Aber alleine wegen
Thomas Müller musste man in Sachen Körperbetonung natürlich gewisse
Abstriche machen. Wenn der nämlich ein hautenges Trikot tragen müsste,
wäre doch sofort der Notarzt auf dem Platz. Außer Knochen und Sehnen
ist beim Bayern-Schlacks halt unterm Stoff rein gar nix zu entdecken.
Furchtbar!
Bei der
Farbgebung gibt es wenig Neues berichten. Einige laufen traditionell
zweifarbig auf wie die Polen in weiß-rot, die Deutschen in
weiß-schwarz, die Italiener in blau-weiß oder die Ösis in rot-weiß.
Meine jugoslawischen Ex-Brüder aus Kroatien zeigen sich bekanntlich
rot-weiß-kariert. Andere wiederum präferieren, vermutlich aus
Kostengründen, eine einzige Farbe wie die Schweiz und Portugal (jeweils
rot), Frankreich (blau) oder England (weiß). Letztere wohl aus dem
Grund, um zumindest optisch das weiße Ballett vom frisch gebackenen
CL-Sieger Real Madrid oder das Doppelweiß das der Weltmeister-Germanen
von 2014 ansatzweise zu imitieren. Bei den Auswärtstrikots zeigt man
sich dagegen wesentlich experimentierfreudiger. Als geradezu
revolutionär wird das der Deutschen zumindest in der Eigenvermarktung
angepriesen. Es wurde diesmal als Wendetrikot angeblich direkt für den
Einsatz auf Bolzplätzen konzipiert, wäre also genau richtig für
Ghettokids oder ambitionierte alte Herren. Dieses Hemd ist ganz in
fröhlichem mausgrau gehalten und mit gewebten Querstreifen versehen.
Die Ärmel sind grün und neongelb abgesetzt. Wenn man das Shirt nach
Gebrauch in Ermangelung einer Waschmaschine auf links dreht, also
wendet, leuchtet es plötzlich in neongrün. In der Abenddämmerung
havarierte Autofahrer könnten das Teil also im Notfall auch als
Rettungsweste verwenden. Wie praktisch!
Aber
wichtig ist doch eigentlich nur, was in den schönen oder hässlichen
Trikots so alles drinsteckt. Nachfolgend präsentiere ich meine,
natürlich völlig subjektive Auswahl für die Wahl zur attraktivsten oder
wahlweise erotischsten EM-Elf:
Tor: Gianluigi Buffon (Italien) – wer sonst? Na ja, mit Yann Sommer (Schweiz) steht sein Nachfolger schon in der Warteschleife.
Abwehr: Gerard Piqué, Sergio Ramos (beide Spanien), Mats Hummels (Deutschland), Dejan Lovren (Kroatien), Bruno Alves (Portugal)
Mittelfeld und Angriff:
Jack Wilshere (England), Kyle Lafferty (Nordirland), Graziano Pellè
(Italien), Mario Gomez (Deutschland), Cristiano Ronaldo (Portugal)
Trainer: Joachim „Jogi“ Löw (Deutschland) – The original Mr. Schwarzkopf himself
Natürlich
wird auch noch weiterhin fleißig Fußball gespielt. Es geht in die
zweite Gruppenrunde mit dem nächsten Dutzend Spielen.
Gruppe A
Rumänien (17) – Schweiz (25) am 15. Juni
Bei günstigem Verlauf könnten einige
Rumänen nach dem Spiel auf ein Bleiberecht in der Schweiz hoffen. Mehr
dürfte für die Mannen vom Schwarzen Meer aber nicht drin sein.
Hackentricks und Hütchenspiele alleine reichen eben nicht aus, obwohl
es auf diese Weise gegen die Franzosen fast zu einem Punktgewinn
gelangt hätte. Die Schweizer sollten aber auch im zweiten Spiel das
Toreschießen nicht ganz vergessen. Ihre chronische Lethargie bzw. die
schweizerische Dynamik wäre ihnen schon im ersten Spiel gegen zehn
Albaner fast zum Verhängnis geworden. Mein Tipp: 1:2
Frankreich (3) – Albanien (30) am 15. Juni
Die im ersten Spiel mehr als glückliche
Heimelf dürfte sich auch im zweiten Spiel durchsetzen. Die
Franzosen sollten aber diesmal dringend darauf achten, ihre
Wertgegenstände in der Kabine diebstahlssicher einzuschließen. Meine
Lebenserfahrung sagt mir: Wenn der Albaner an sich schon keine Punkte
mitnimmt, dann behilft er sich eben anders. Also Augen auf, sonst sind
die teuren Armbanduhren von Pogba & Co. plötzlich futsch! Mein
Tipp: 2:0
Gruppe B
Russland (4) – Slowakei (34) am 15. Juni
Beim Eishockey wäre diese Partie
sicherlich so eine Art Neoklassiker. Beim Fußball bin ich mir da nicht
so sicher. Die Russen schmoren in ihrer „Premjer-Liga“ (Премьер-Лига)
doch ziemlich im eigenen Borschtsch. Der Auftaktpunktgewinn gegen
England war schließlich mehr als glücklich, obwohl russische Hooligans
und Schlägerbanden nach dem Spiel klar die Oberhand behielten. Die
diesmal überwiegend als Irokesen (wie früher mal die Türken –
scheußlich!) frisierten Slowaken waren nur gut, als sie früher zusammen
mit den Tschechen in einem Team kickten. Nach den aktuellen Leistungen
müssten sich die Russen normalerweise zu einem knappen Sieg quälen.
Aber das würde natürlich nicht mit meiner wissenschaftlich erstellten
Statistik korrespondieren. Es spielen schließlich die Nummer 4 gegen
die Nummer 34 meines EM-Rankings gegeneinander. Und die fast maximal
mögliche Differenz von dreißig Plätzen muss sich doch irgendwie auch im
Ergebnis niederschlagen. Mein Tipp: 7:0
England (13) – Wales (23) am 16. Juni
Das britische Bruderduell sorgt für
erhöhte Emotionalität nicht nur auf dem Spielfeld. Die westbritische
Auswahl mit Spielern aus der zweiten und dritten Liga kämpft gegen die
stürmische englische Jugendauswahl der Premier League vermutlich
aufopferungsvoll, aber vermutlich leider auf verlorenem Posten. Sie
werden das nach dem überraschenden Dreier im ersten Spiel aber
vermutlich locker verkraften. Prince Charles wird das Spiel übrigens
zusammen mit seiner giftgrün gewandeten Jubiläums-Mutter im TV-Saal des
Buckingham Palace schauen. Und nach einem englischen Sieg wird sie
ihrem Son of Wales vermutlich mit höhnischem Grinsen mal wieder seine
walisischen Segelohren in die Länge ziehen. God save the never ending
queen! Mein Tipp: 2:1
Gruppe C
Ukraine (29) – Nordirland (30) am 16. Juni
Mehr als Not gegen Elend ist bei dieser
Partie der bisher punktlosen Teams normalerweise nicht zu erwarten.
Beide Länder kennen sich allerdings sehr gut in Bürgerkriegen aus. Das
lässt, passend zum EM-Ranking, auf ein heftig umkämpftes Unentschieden
schließen. Mein Tipp: 1:1
Deutschland (1) – Polen (26) am 16. Juni
Politisch absolut inkorrekt und geradezu
bösartig könnte man anmerken, dass sich die Begegnung beider Länder
nicht erst seit dem Spätsommer 1939 zu einem echten Klassiker
entwickelt hat. Wer erinnert sich nicht an die legendäre Regenschlacht
bei der WM 1974 in Frankfurt oder an das Last-Minute-Tor der
Speed-Twins Odonkor & Neuville bei der WM 2006 in Dortmund? Bei
einer EM gab es letztmals ein 2:0 der Germanen in der Vorrunde 2008.
Noch nie haben die Deutschen bei einer EM oder WM gegen die Polen
verloren. Das wird auch diesmal so bleiben. Beiden im ersten Spiel
siegreichen Teams würde ein Unentschieden fürs Achtelfinale reichen.
Nach seinem furiosen Kurzeinsatz mit finalem Abschluss und
anschließender Ehrenrunde darf man nun auf weitere Einsatzminuten
Schweinsteigers gespannt sein. Reichlich gespannt präsentierte sich
allerdings auch dessen Trikot über Brust und Bauch. Dieser Anblick
erinnerte doch etwas an den späten Helmut Haller. Anscheinend mundet
ihm die Serbische Bohnensuppe meiner Tennis spielenden Landsfrau Ana
Ivanovic (steht übrigens nicht in meiner Mädelskartei) mehr als gut.
Oder sind es die vielen Tüten funny-frisch Chipsfrisch der Sorte
Currywurst Style, die ihm sein kalorienbewusster TV-Werbepartner
jeden Tag gratis auf den Couchtisch stellt? Mein Tipp: 1:1
Gruppe D
Spanien (2) – Türkei (16) am 17. Juni
Wie reagiert Erdogan wohl nach einer
weiteren Niederlage? Wird er den spanischen Botschafter einbestellen?
Oder wird er beim Sportgerichtshof CAS dagegen klagen? Wird er aus
Frust wahllos kurdische Dörfer bombardieren? Oder lässt er Spaßvogel
Böhmermann vom türkischen Geheimdienst nach Ankara entführen? Wir
wissen es nicht. Die im ersten Spiel erfolgreiche spanische
Panzerknackerbande rund um ihren genialen Anführer Andrés Iniesta
könnte das vielleicht etwas verunsichern. Daher wird der Sieg des
dreifachen Europameisters eher moderat ausfallen, um den türkischen
Staatschef so milde wie möglich zu stimmen. Mein Tipp: 2:1
Tschechien (6) – Kroatien (18) am 17. Juni
Nach dem EM-Ranking sind eigentlich die
Tschechen favorisiert. Aber Tomas Rosicky ist doch reichlich in die
Jahrzehnte gekommen. Und meine kroatischen Freunde haben sowohl Zeug
als auch die Mittel dazu, ihren slawischen Kollegen aus dem Norden
einen sehr unerfreulichen Abend zu bereiten. Mit einem zweiten Sieg
wäre ihnen zumindest der Gruppenvizeplatz nicht mehr zu nehmen. Das
sollte doch für die alte Frau Modric und ihre Kameraden Ansporn genug
sein. Ich befürchte, dass die zweite Pleite auch von diesem
tschechischen Torwart mit dem lustigen Fahrradhelm auf dem Schädel
nicht zu verhindern sein wird. Mein Tipp: 0:2
Gruppe E
Italien (5) – Schweden (15) am 17. Juni
Diese beiden Länder können auf eine sehr
lange Fußball-Tradition zurückblicken. Die Italiener sind aber nicht
nur wesentlich erfolgreicher (insgesamt fünf Titel bei Welt- und
Europameisterschaften) als die Skandinavier (WM-Vize 1958), sondern
werden sich auch diesmal durchsetzen. Balkan-Schätzchen Zlatan wird von
drei eisenharten Verteidigern neunzig Minuten so lange durch die
italienische Heißmangel gedreht, bis ihm seine bunte Rückentapete
sauber von der Haut abblättert. Auf diese Weise könnte die Riegel- und
Kontertaktik der Tifosi aufgehen. Gegen Belgien hatte das ja schon
ziemlich gut geklappt. Mein Tipp: 1:0
Belgien (12) – Irland (19) am 18. Juni
Die Belgier haben im Nachbarland
eigentlich nur gefühlte Heimspiele. Und ihre Favoritenrolle können sie
beim zweiten EM-Auftritt trotz ihres Fehlstarts gegen eine italienische
Altherrentruppe sicherlich nicht an die wackeren Feier-Iren abgeben.
Das wird trotzdem eine schwierige Partie für die bislang etwas blutleer
auftretenden Flamen und Wallonen. Schon beim Punktgewinn gegen
eigentlich favorisierte Schweden haben die grünen Insulaner gezeigt,
dass in deren Heimat nicht nur Rugby, Hurling und Gaelic Football
gespielt wird. Mein Tipp: 2:1
Gruppe F
Island (34) – Ungarn (14) am 18. Juni
Als Filmtitel fällt mir bei dieser Partie
nur „Dirty Underdogs Reloaded“ ein. Beim Handball wäre das aber eine
echte Spitzenbegegnung. Und da würden in jedem Fall auch ein paar Tore
mehr fallen als bei der von mir prognostizierten Nullnummer. Mein Tipp:
0:0
Portugal (11) – Österreich (21) am 18. Juni
Das wird gar nicht so einfach wie es nach
der Papierform aussieht. Die Ö-Streicher haben diesmal nicht nur
Ambitionen, sondern auch einen qualitativ ausgeglichenen Kader mit
vielen erprobten Bundesliga-Kickern von der Alm ins Tal getrieben. Das
erinnert an alte Zeiten mit Hans Krankl („I werd‘ narrisch“) und
„Schneckerl“ Prohaska. Trotzdem sollte sich die bessere spielerische
und taktische Klasse der turniererprobten lusitanischen Auswahl rund um
CR7 durchsetzen. Mein Tipp: 2:1
Das war der zweite Gruppenspieltag in meiner Vorschau.
Zbogom (auf Wiedersehen) und bis zum nächsten Mal
Eure Rasta
Prof. Dr.
Rasta Tistić (Alter unbekannt) leitet seit vielen Jahren das Institut
für empirische Arithmetik an der internationalen Sporthochschule
Belgrad. Nebenbei gründete sie die Agentur für angewandte
Beziehungsberatung „Bunga-Bunga Ltd.“ mit Sitz auf den Jungferninseln.
Für Aufsehen sorgte „Madame Rasta“, wie sie in Fachkreisen genannt
wird, in diesem Jahr mit der gewagten Prognose: „Leicester City wird
garantiert Meister in der englischen Premier League.“ Jetzt sind wir
alle schlauer und „Madame Rasta“ um viele Tausend Euro reicher. Die
EM-Prognosen von Professorin Tistić wurden übrigens von Boris Zivkovic
(ehemals Bayer Leverkusen) vom Serbokroatischen ins Deutsche übersetzt.
Dieser betreibt nach seiner aktiven Fußballer-Laufbahn jetzt eine
Kräuterschnaps-Destille irgendwo an der serbischen Adriaküste.
EM-Kommentar vom 13.06.2016
Vive la France, vive la Europameisterschaft!
Der Ball rollt, die Wochen des Wartens
sind vorbei, die EM läuft und ganz Fußball-Europa hofft auf ein
friedliches Fest. Die Gastgeber hoffen auch auf einen erneuten
Titelgewinn im eigenen Land, aber dazu gehört eine zielgerichtet
spielende Mannschaft. Doch im EröffVive la France, vive la
Europameisterschaft!
Der Ball rollt, die Wochen des Wartens
sind vorbei, die EM läuft und ganz Fußball-Europa hofft auf ein
friedliches Fest. Die Gastgeber hoffen auch auf einen erneuten
Titelgewinn im eigenen Land, aber im Eröffnungsspiel taten sich Les
Bleues noch recht schwer, das Abwehrbollwerk der Muränen auszuhebeln.
Nicht alles lief rund, da ist noch Justierungsbedarf, vor allem in der
Offensive. Immerhin wurde 2:1 gewonnen. Die ersten beiden Tore waren
irregulär, weil jeweils ein Stürmerfoul vorausging? Geschenkt, was
zählt ist der Sieg durch einen schönen Weitschuss von Payet.
Samstag lief dann das volle Programm,
mit drei Spielen nacheinander. Albanien leistete unerwartet harten
Widerstand gegen die Schweiz und gab sich trotz Unterzahl nur knapp 0:1
geschlagen. Den Schweizern fehlt ein echter Klassestürmer, da reicht es
nicht, den Ball im Mittelfeld schön laufen zu lassen. Mittelklasse,
mehr war das nicht.
Am frühen Abend zeigten dann die
Waliser, wie man mit Kampfgeist Spiele gewinnt. Echte Experten hatten
schon geahnt, dass der Sieg der Slowaken gegen das deutsche Team, kurz
vor der EM, wohl eher der schlechten Organisation der deutschen Abwehr
und der Flutkatastrophe in der Halbzeit geschuldet war als einer
starken Leistung der Slowaken. Am Ende ein verdienter Sieg von Bale
& Co.. Das Spiel gegen die scheinbar übermächtigen Engländer dürfte
höchst interessant werden...
Die Limies schenkten uns dann einen
unterhaltsamen Abend. Jugendwart Rooney dirigierte seine Jungens zu
einem knappen, aber durchaus verdienten Sieg... - dachten alle im
Stadion. Und dann kam die kalte Dusche mit dem Ausgleich in letzter
Minute. Dennoch: Das englische Team macht Spaß, da ist Leben in der
Bude, es gibt tatsächlich viel Kreativität und technisch richtig guten
Fußball. Nur das Tor treffen müssen sie noch. Die Sbornaja enttäuschte
dagegen über die größte Zeit des Spiels. Kein deutliches System, eine
vor allem in Halbzeit 1 oft wacklige Abwehr, kaum geordneter
Spielaufbau, stumpfe Spitzen - so gibt es bei dieser EM nichts zu
gewinnen.
Am Sonntag lieferte die ARD uns
gefühlte 12 Stunden Vorberichterstattung zum Abendspiel
Deutschland-Ukraine. Jede Pause wurde zur Schalte nach Lille genutzt,
wo der Mannschaftsbus dann die Kulisse für vorgetäuschte Aktualität
geben sollte. Eingestreut wurden zwei Fußballspiele. Kroatien zeigte
über nahezu die gesamte Spielzeit, warum Modric & Co. als
Geheimfavoriten gehandelt werden: Technisch sauberer Fußball, oft mit
schnellem Umschaltspiel, gute Kombinationen und Zweikampfhärte bis an
die Grenzen des Erlaubten (und manchmal auch darüber). Nur das
Toreschießen gegen harte, aber insgesamt erschreckend harmlose Türken
klappte nicht so recht. Kaum eine Mannschaft arbeitete jedoch so viele
Großchancen heraus wie die Kroketten - wenn Mandzukic und Perisic
besser damit umgehen, ist locker das Viertelfinale drin.
Am frühen Abend versuchten unsere
polnischen Nachbarn dann die grünweiße Mauer der Nordirländer
einzureißen. Lewandowski links, Lewandowski rechts, Lewandowski in der
Mitte, hier wurde hart gearbeitet, um den Stahlbeton von der grünen
Insel zu durchstoßen. Dies gelang nur ein einziges Mal, und auch noch
ohne Lewandowski. Am Spiel änderte sich nicht viel, Polen blieb klar
überlegen, bekam den Ball aber nicht über die Linie. Wie gut die
polnische Abwehr ist, erfahren wir erst am Donnerstag, denn gestern
wurde sie nicht gefordert.
Abends schließlich der Höhepunkt
für alle deutschen TV-Gucker: Die deutsche Mannschaft wollte als erste
einen deutlichen Vorsprung herausschießen. Ihr werdet es alle gesehen
haben: Dies gelang nur mit Mühe in der Nachspielzeit, und auch nur
wegen großartiger Paraden von Torwart Neuer und einer Artistik-Einlage
von Lieblingsnachbar Boateng. Die Ukrainer wollten sich mit der
vorgesehenen Rolle als Opferlamm einfach nicht zufrieden geben, die
kennen das Spielchen ja schon aus ihren östlichen Landesteilen und
machen es einfach nicht mit (frag nach bei Putin). Vor allem in der 1.
Hälfte schwamm die deutsche Abwehr nach der eigenen Führung bedenklich.
Hier war routiniertes Forechecking gefragt, aber das defensive
Mittelfeld ließ zu viele Flanken und Standards zu. Nach vorn lief alles
über links, das hatten die Blaugelben dann auch irgendwann gemerkt. So
stockte der deutsche Spielaufbau, Boateng spielte nur noch zurück zu
Neuer statt diagonal nach vorn, Müller war quasi kaum im Spiel und die
Linksausrichtung verengte die Räume so weit, dass 3 von 4 Angriffen
abgebrochen werden mussten. Rückpass hinter die Mittellinie, Neuaufbau
- das war die Devise. Erst zum Ende, als die Ukrainer auf einen Lucky
Punch wie die Russen hofften, war der Raum da und wurde in
Weltklassemanier genutzt. Die Flanke mit links von Özil, der technisch
richtig schwierige Schuss von Schweinsteiger als Dropkick aus vollem
Lauf - das war schon weltmeisterlich! Am Ende stand ein verdienter
Sieg, der mir 4 Punkte und einen erfreulichen Platz in der Tabelle
verschaffte :-)
Was gab es sonst noch? Die Mode hält
Einzug in den Fußball. Oli "he he" Kahn in Glanzhemd und
Silberfadenhose erklärte uns den Knuckle Ball. Und manche Torhüter
lassen sich ihre Kluft offenbar vom Hausschneider der Queen fertigen:
Volkan Babacan und Andrij Pyatov zeigten den gleichen Mut zur Neonfarbe
in Quietschgrün und Grellpink wie die 90-jährige Lizzie. Apropos
Inselaffen: Ein Titel wird mit Sicherheit auf eine der Inseln im
Nordatlantik gehen: Niemand sang so schön wie die Waliser, Engländer
und die Green-White Army. Wenn jetzt noch die Irländer in den
Wettbewerb eingreifen, können die Kontinentaleuropäer einpacken.
Und drumherum um die Spiele? ARD und
ZDF erfreuten uns wieder mit ewig langen, aber völlig nichtssagenden
Berichten aus dem deutschen Quartier und mit den üblichen Reportagen
vom fahrenden oder rumstehenden deutschen Mannschaftsbus. Gääääähn....
Und eine Frage blieb offen: Wieso
moderieren Matze und Mehmet im Stehen vor einer Kloschüssel? Ja, ich
weiß: Sitzen ist für'n Arsch, aber trotzdem - was soll das?
Im Tippspiel stehen zwei Hebbelkicker
vorn - da sieht man doch, wo die Fußballkompetenz zuhause ist.
Nachwuchstalent Mette hatte den Nordirländern zu viel zugetraut (Tipp:
1:1) und musste die zwischenzeitliche 3-Punkte-Führung wieder abgeben.
Dahinter lauert schon der WM-Zweite aus Island, der uns hoffentlich
demnächst direkt aus Frankreich mit Infos versorgt, wenn sein
Heimatland ins Geschehen eingreift.
Ein schnelles Fazit nach dem ersten Wochenende: Viele enge Spiele und noch kein einziger echter Grottenkick. Je t'EM!
Robert
Statistik mit der Tistić (Teil 1)