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WM2006

Endstand im Tippspiel
(29.06.2008, 22:45h, nach 31 von 31 Spielen)

Aktuelle Kommentare zu den Spielen und
"Kevins EM-Tagebuch" finden sich unter der Tabelle!


Platz           Name          Punkte
nn
1

3

5



9


12


15



19





25

27

29



33







41


44


47





53



57



61




66



70
71

73
74



78
79
80




85

87
88

Kirsten Fahl
Robert Spielhagen
Nicole Biebow
Ralph Hansen
Jan-Malte Wolfsdorf
Tim Klages
Klaus Dittmers
Johannes Göser
Michael Klages
Moritz Kayma
Jan Henrik Petersen
Dirk Dethleff
Michael Roleda
Julian Witt
Andres Rüggeberg
André Kaiser
Rasmus Hilbig
Volker Schwarz
Heiko Hanß
Klas Lackschewitz
Gerd Pilates
Norbert Dregger
Maik  Mahlkow
Tobias Christoph
Bernd Christoph
Torben Stichel
Christian Hass
Christoph Ruholl
Gerd Dieter Höffmann
Jan Scholten
Hanno Kinkel
Alex Schimanski
Hiroshi Kawamura
Ingo Bergmann
Michaela Bessmann
Annette Christoph
Martin Kordowski
Roland Friedl-Schulz
Martin Frank
Jülpetschi
Martin Lonschinski
Rüdiger Stein
Azzedin Ait Brahim
Jochen Dreger
Dieter Piepenburg
Paul Schneeberg
Michael Berger
Ove Krüger
Jeroen Groeneveld
Frederik Dethlefs
Nick Gabler
Sven Petersen
Imke Scheel
Team Badass
Team 4711
Frank Wiegel
Simon Pilates
Hardy Jacobsen
Claudia Didié
Björn Hoffmann
Jan Helmke
Team Schräg-Gegenüber
Henning Bauch
Hansi Borkowski
Nicolas van Nieuwenhove
Daniel Mirgorodsky
Holger Dardzinski *
Knud Jacobsen
Gerd Unger-Schneeberg
Dorothea Bauch
Günter Riemenschneider
Jens Hölemann
Matthias Gröger
Christian Rodde
Dirk Merten
Sebastian Meier
Hauke Krumm
Stefan Wetzel
Sven Geletneky
Andreas Aichinger
Lisa Christoph
Jörn Geletneky
Mikkel Dethleff *
Sabine Lange
Borko Borkowski
Angela Sachs *
Melissa Gabler
Perle

* keine Endrundentipps abgegeben
51
51
50
50
47
47
47
47
45
45
45
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44
44
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43
43
43
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42
42
42
42
42
41
41
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40
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39
39
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38
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36
36
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35
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35
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34
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33
33
33
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32
32
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31
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31
31
30
29
29
28
27
27
27
27
26
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24
24
24
24
24
21
21
19
11




EM-Kommentar vom 30.06.2008

Drei Wochen Fußball-Europameisterschaft liegen nun hinter uns. Von Fußballspaß bis Fußballstress war alles dabei. Am Ende wurde mit Spanien die Mannschaft Europameister, die vom ersten bis zum letzten Spiel ihr hohes spielerisches Niveau halten konnte. Andere Teams hatten irgendwann einen schwachen Tag und - schwupps! waren sie draußen. Form schlägt Klasse; das mussten stürmende Käseroller, athletische Sportugiesen und phasenweise brilliante Russen erleben. Dennoch wird uns diese EM als eine stürmische Zeit in Erinnerung bleiben; der Offensivfußball setzte sich durch und überwiegend defensiv ausgerichtete Teams wie Griechenland, Schweden oder Italien blieben weitgehend erfolglos. Das deutsche Team vermochte uns nur phasenweise zu begeistern, gelangte aber dank der klassischen "deutschen Tugenden" (Schwein, Dusel und Glück) immerhin bis ins Finale. Dort wurde ihm durch die klare Überlegenheit der Spanier klargemacht, dass der von Klinsmann vor 4 Jahren eingeschlagene Weg zu einer mehr spielerisch orientierten Nationalmannschaft noch lange nicht am Ende ist. Im Gegenteil, das letzte Halbjahr zeigte uns eher Rückschritte zum viel geschmähten Rumpelfußball als Fortschritte mit dem Anschluss an das Niveau spielerischer Klassemannschaften. Zu viel hing an Ballack, zu dem alle Mitspieler aufblickten und dabei allzu oft die spielerische Linie verloren. Ballack hat seine unbestrittenen Qualitäten, aber er wird nicht derjenige sein, der uns bis zur nächsten WM spieltechnisch voran bringen kann. Die Spanier dagegen haben mit ihrem Kurzpassspiel gezeigt, wie man schnell und technisch nahezu perfekt kombinieren und damit auch erfolgreich sein kann. Die deutsche Mannschaft war davon meilenweit entfernt (zu weit!), auch wenn einige schnelle Kombinationen mitunter sogar mit Toren belohnt wurden. Die Chancenverwertung war nicht das Problem - es wurden insgesamt nur viel zuwenige Chancen herausgearbeitet. Wir können uns sicherlich für die WM keinen Xavi, Iniesta, Modric oder Pirlo schnitzen, aber die Trainer müssen die vorhandenen Talente noch besser fördern und auch einsetzen. Ich bin gespannt, welches Konzept das bundesdeutsche Trainerteam für die WM-Qualifikation entwickeln wird. Am 6. September ist gegen Liechtenstein Gelegenheit zum Warmschießen; am 10. September muss in Helsinki gegen Finnland dann schon Farbe bekannt werden...

Mit der EM ist auch unser Tippspiel zuende gegangen. Echter Fußballsachverstand setzt sich am Ende durch, könnte ich jetzt sagen :-), aber wie bei allen Tippspielen war auch diesmal der Glücksfaktor nicht unerheblich beteiligt. Der richtige Vorabtipp auf Spanien als torbeste Mannschaft brachte den beiden Tippspielsiegern jeweils die zum Gesamtsieg notwendigen 3 Punkte. Hätte Deutschland im Finale mit 2 Toren Unterschied gewonnen, wäre Kirsten Dritte und ich Sechzehnter geworden... Nur 6 Punkte zwischen Platz 1 und Platz 10 sind neuer Minusrekord und Beweis für die hohe Leistungsdichte an der Spitze. Dies zeigt ein Vergleich der Punktestände mit denen unserer vorherigen EM-Tippspiele:

Plätze 1 -  5 - 10
1996: 50 - 42 - 41 Punkte (mit etwas anderer Punktevergabe)
2000: 63 - 60 - 54 Punkte
2004: 59 - 49 - 48 Punkte
2008: 51 - 47 - 45 Punkte

Die geringe Punktzahl auf den Spitzenplätzen (auch bei einem deutschen Sieg hätte Tim Klages als alleiniger Tippspielsieger "nur" 55 Punkte gehabt) erklärt sich ganz sicher durch die relativ hohe Anzahl von Spielen mit überraschend vielen Toren, insbesondere in der "Todesgruppe" C und in der Endrunde. Es gab nur ein einziges 0:0 in der Vorrunde (FRA-RUM), aber in immerhin 14 Spielen ging der Sieger mit 2 oder mehr Toren Vorsprung vom Platz. Da sprangen für den "Standard-1:0"-Tipper eben oft nur 2 Pünktchen heraus, sofern er/sie überhaupt richtig lag...

Jetzt sind wir fußballerisch in der Sommerpause, aber die nächsten Europa- und Weltmeisterschaften werfen ihre Schatten voraus. Wohin die Reise dabei jeweils gehen wird, scheint noch recht unklar. Vermutlich im September wird die UEFA entscheiden, ob Polen und der Ukraine die Austragung der nächsten EM wieder entzogen wird. Depp Blatter will gar bis zum Confetti-Cup im nächsten Jahr warten, bevor er Südafrike endgültig seinen WM-Segen erteilt (oder entzieht). Zwei Dinge sind aber sicher: Es bleibt also spannend und es wird in 2010 ein neues Tippspiel geben. Wer dann wieder dabei sein will, möge mir inzwischen erfolgte Änderungen der Emailadresse bitte rechtzeitig mitteilen.

Von der nun vergangenen Europameisterschaft verabschiedet sich mit einem letzten
Gruezi und Servus,
Robert

P.S.: Ich soll Euch ganz herzlich von Kevin grüßen. Er fühlt sich durch seinen wirklich starken finalen EM-Auftritt jetzt als echter Euro-Fighter. Mehr kann man als Schalker doch nicht erreichen, oder?



Kevins EM-Tagebuch – Teil 10

Samstag, 28.06.2008

9:00 Uhr: Letztes Frühstück hier in Ascona. Uns reicht's nach dreieinhalb Wochen im Luxusknast „Il Giardino“ so ganz allmählich. Trotz gelegentlichem Freigang heißt die Nobelhütte bei uns nur noch Swiss-Sing-Sing. Das einzige große Nutella-Glas ist schon seit über einer Woche alle. Und was passiert? Nichts! Kein Wunder, dass der Arne auf’m Platz keine Leistung mehr bringt. Er will uns jetzt auch gar nicht mehr sein Traumtor erklären. Das ist schon sehr bedenklich. Marcell, Tim und ich haben es als Power-Bankdrücker da wesentlich besser. Zwischendurch sind wir sogar auf eigene Faust los zum Supermarkt. Die haben aber nur einen ALDI in dem Kaff hier und dieser Rummelladen führt bekanntlich nur das Surrogat NUTOKA. Ekelhaft – nichts wie weg hier!

10:00 Uhr: Wir sollen jetzt langsam unsere Zimmer aufräumen. Jogi-Cheffe macht nachher die Endabnahme. Der Egoist Ballack hat sich natürlich gleich den einzigen Staubsauger auf unserem Flur gemopst – typisch DDR! Poldi und Schweini fluten derweil gerade ihr Badezimmer. Haben bei sich zu Hause für so was wohl ’ne Putze engagiert. Beim DFB herrschen eben noch Zucht und Ordnung. Do it yourself. Und das ist auch gut so. Nach dem Bettenmachen packe ich noch die Adidas-Tasche und meinen Turnbeutel zusammen. Im Köfferchen habe ich mir mindestens 20 kuschelige Hotelhandtücher und den soliden Wandfön gesichert. Von nix kommt nix. Ist ja auch alles vom Bierhoff bezahlt hier. Andere klauen sogar Gemälde oder ganze Fernseher. Jogi macht noch mal die Fingerprobe auf’m Schrank und unterm Bett: Null Staub – Test ohne Nachputzen bestanden! „Das war wirklich echte Weltklasse, Kevin. Weiter so!“ lobt er mich und streicht mir über meinen frisch gegelten Strähnenteppich. Das geht mir runter wie Öl und ist wirklich reif fürs Finale! Poldi und Schweini müssen dafür noch kräftig aufwischen. In deren Zimmer sieht es jetzt aus wie im Frankfurter Waldstadion anno ’74 vor dem Polenspiel. Sie haben auch schon die große Saugrolle im Einsatz. Das gibt ’ne satte Verlängerung für die beiden Bademeister.

11:00 Uhr: Time to say goodbye: Der Mannschaftsbus wartet schon vor dem Hotel. Mama Nöwill hat uns noch mal kiloschwere Fresspakete runter gebracht und knutscht minutenlang ihren Sohn ab. Dem ist das oberpeinlich. Aber da muss der chronische Zweitligist durch. Als schon alle Koffer verstaut sind, rücken endlich auch Poldi und Schweini barfuß und in Badehosen an. Sind noch klitschenass und tropfen den halben Bus voll. Jogi hat deren Wischversuche im Zimmer erfolglos für beendet erklärt. Wir müssen schließlich unseren Flieger kriegen.

14:00 Uhr: Ankunft in der Endspielstadt: Auf der Fahrt vom Flugplatz zum Hotel frage ich den Jogi, wo denn hier der Gipfel ist, den wir morgen besteigen sollen. Ist doch nur scheiße flach in Wien. „Kevin, das mit unserer Bergtour war doch nur symbolisch gemeint.“ Poldi fragt jetzt zur Sicherheit beim Cheffe nach, ob wir denn nun auch symbolisch gegen die Spanier gewinnen sollen. „Nein Poldi, ihr sollt schon so richtig auf’m Platz gewinnen. Vielleicht so 3:0. Ein 2:0 wäre aber auch in Ordnung. Das habe ich der Kanzlerin gestern versprechen müssen. Sonst wird die immer so aufdringlich.“ Poldi macht jetzt wieder so’n Staune-Gesicht wie bei Jauchs Millionen-Euro-Frage. Schweini hat natürlich das Wort Kanzlerin aufgeschnappt und will jetzt wegen seiner neuen Busenfreundin (ich meine damit nicht sein blondes Barbie-Model) auch schwer mitreden. Ist aber zum Glück zu spät dafür, denn der Bus ist just in diesem Moment beim Hotel Sacher angekommen. Alt-Portier Fritz Eckhard öffnet uns geschmeidig die Tür und verteilt mit der anderen Hand zwei rot-weiß-rote Bademäntel an Poldi und Schweini. Die sollen sich in ihrem Tarzan-Outfit schließlich nicht verkühlen. Krasser Service hier – die Ösis haben’s wirklich voll drauf! Fußboi spuin kennen's dafui aba net. Ist mir aber jetzt ziemlich egal. Uns' Kevin im Sacher – her mit der Torte!

19:00 Uhr: Training im Ernst-Happel-Stadion: Die olle Torte liegt uns wie ’ne Bleiplatte im Magen. Deshalb ist nur leichtes Traben angesagt. Ich fand den Döner vor drei Tagen aber irgendwie noch viel schlimmer. Heute geht’s gemütlich zu, denn Miesepeter Ballack mimt einen auf toten Mann. Typisch Ossi – wenn’s mal eng wird, jammern sie rum und ziehen den Schwanz oder sonst was ein. Mal sehen, ob morgen ein Plätzchen für mich im Sturm frei wird. Der blinde Pole ist wohl vorne erstmal gesetzt. Aber gegen die Spanier kann Jogi unmöglich unseren Spanier bringen. Der Chancentod weiß doch dann gar nicht, auf welches Tor er spielen soll. Läuft insofern wohl alles auf mich hinaus. Sauge schon mal Stadionatmosphäre auf und höre innerlich schon den Stadionsprecher: „Tor für Deutschland in der 119. Minute – Torschütze mit der Nummer 22 …“ In diesem Moment kollidiere ich mit dem verdammten Treckerrasenmäher. Was hat dieses Scheißding beim Training auf dem Rasen verloren? „Du muscht schon die Augen aufmachen, Kevin – in Öschterreich haben landwirtschaftliche Fahrzeuge immer Vorfahrt!“ Manchmal könnte ich unseren Chef mit Freude umgrätschen.


Sonntag, 29.06.2008

2:00 Uhr: Irrenhaus Hotel Sacher: Auf’m Flur draußen tobt unser Ossi ’rum. Seit acht Stunden hat Katzenmeier ihm die Wade durchgewalkt. Jetzt macht er den ersten Realtest. Sieht noch etwas staksig aus, aber mit Gehhilfe könnte das morgen durchaus was werden mit ihm. Jetzt jammert er wieder ’rum: „Immer ich – entweder gesperrt oder verletzt oder wir verlieren im Finale!“ Ich kann’s allmählich nicht mehr hören. Sollen sie ihm den DFB-Soli in Cash auszahlen und ihn in den nächsten Flieger nach London setzen. Für Weicheier ist kein Platz hier und außerdem ist jeder ersetzbar – na ja vielleicht nicht ein Kevin Kuranyi.

9:00 Uhr: Endspieltag im Sacher: Endlich zum Frühstück wieder Nutella satt! Arne, Tim und Marcell strahlen übers ganze Gesicht. Hat uns extra der clevere Portier organisiert. Was soll jetzt eigentlich noch schief gehen heute. Das wird bestimmt mein ganz großer Tag. „Man of the Match“ im Finale! Danke an die vielen unbekannten Fans draußen im Lande, die immer an mich geglaubt haben! Noch schlappe 12 Stunden, dann gehts endlich los …

(heimlich abgeschrieben von Bernd)



Kevins EM-Tagebuch – Teil 9


Mittwoch, 25.06.2008

20:00 Uhr: Was für eine Scheiß-Hitze heute in Basel! Und da soll man noch vernünftig Fußball spielen, wenn man denn überhaupt spielen darf und nicht auf der Bank verschimmelt wie ich. Schwüles Wetter war den Deutschen noch nie ihr Ding. Dabei ist das eindeutig dem Kevin sein Wetter. In den mittelamerikanischen Tropen geboren, bin ich wohl als einziger von uns absolut hitzeresistent. Aber selbst Geburtsurkunde und Impfpass konnten Jogi vorhin nicht erweichen. Aber es gibt ja noch das große Finale am Sonntag. In Panama sagen wir dazu immer: „Am Ende pisst die Beutelratte“. Kurz vor dem Spiel in der Umkleide hocken die anderen derweil triefend wie im türkischen Dampfbad. Passt ja auch irgendwie gut zum heutigen Gegner. Selbst unserem Schwatten tropft der Schweiß von der Nase. Und das will schon was heißen. Wenn das mal gut geht nachher gegen die Türken. Die feiern  nebenan schon ihren Sieg gegen uns und singen fröhliche Lieder. Als die Argentinier das damals machten, haben wir uns noch mächtig aufgeregt. Heute ist uns das ziemlich egal. Irgendwie fühlen wir uns alle a bisserl matschig. Könnte neben der Hitze vielleicht auch an den fuffzig Döner gelegen haben, die uns der dämlich grinsende türkische Betreuer vorhin aufgeschwatzt hat. Aber einem geschenkten Esel schaut man ja bekanntlich nicht in die Arschritze. Womit wir schön beim Thema wären: Der kalorienreiche Döner-Imbiss zeigt allmählich Wirkung. Wir blähen krass wie die Europameister um die Wette und Jogi-Cheffe wird auf einmal ganz blass um die Nase. Nach seiner daraufhin etwas lustlos abgespulten Ansprache („Denkt immer dran: Die Türken sind keine Portugiesen!“) schleichen wir Reservistas nun langsam in Richtung Lümmelbank. Aber heute demonstrieren wir mal so richtig Stärke, denn bei den Türken nebenan sitzen nur noch der cholerische Trainer, der immer noch dämlich grinsende Betreuer, der dritte Torwart und der Ministerpräsident. Der Punkt geht schon mal eindeutig an uns!

21:10 Uhr: Die Türken rennen wie gedopt über das Basler Stoppelfeld. Was haben die sich vorher wohl in die Wasserpfeife getan? Bei uns läuft derweil nur der Schweiß. Schönes Ding: Old Surehand Lehmann legt sich mal wieder selbst ’n Ei ins Netz. Hat wohl gestern in der Glotze zu viele Wiederholungen von Nikopolidis und Cech gesehen. Die 11 Ersatz-Türken gehen dadurch tatsächlich in Führung. Es läuft nicht wirklich rund bei uns. Furzend trabt Ballack an der Außenlinie bei uns vorbei und flucht auf sächsisch: „Diesa Scheiß-Döna – de verbippschten Blähungen!“ Zum Glück inszenieren Poldi und Schweini kurz danach wie gegen die Portus wieder ihren Running-Gag über linksaußen. Ausgleich – oben kriegt Angie bestimmt gleich wieder ihren Tribünen-Orgasmus. Der Platini neben ihr kann einem wirklich Leid tun.

22:00 Uhr: Der blinde Pole vorne in der Mitte kann’s manchmal doch noch: Gnädig unterstützt von diesem türkischen Nachtfalter Rösti im Tor netzt er per Vorderschädel ein. Wollte mich dabei gerade warm machen. Jetzt ist aber wohl wieder Essig mit der Einwechslung. Den Türken schmeckt unsere Führung überhaupt nicht. Ging uns mit deren Döner aber genauso. Unruhe auf der Türkenbank: Der Ministerpräsi brüllt den Trainer mit den großen Schweißflecken an. Der lässt daraufhin ein XXXL-Trikot und kurze Hosen für den Politaffen bringen. Der türkische Volkssturm macht sich bereit für den letzten Einsatz!

22:30 Uhr: Lehmann stümpert zum zweiten Mal und macht die kurze Ecke nicht zu. Den hätte meine ungarische Oma locker gehalten. Die Türken gleichen aus. Adler und Enke applaudieren spontan. Jogi macht die beiden aber sofort zur Minna. Als ich ihn frage „Soll ich vielleicht mal ins Tor gehen, Cheffe?“ hat sich das mit meiner Einwechslung für heute auch schnell erledigt. Kann der Schwarzwälder keinen Spaß vertragen? Als wir schon Zigaretten für die Verlängerung ziehen wollen, wird unser kleiner Lahm noch mal richtig munter. 3:2 – den Türken nutzt diesmal keine noch so lange Nachspielzeit. Katzenmeier brauchte nicht mal die Elektrotafel für uns zu türken. Nach dem Schlusspfiff rennen unsere Jungs zur Entsorgung der Döner-Reste erst mal auf die Toilette. So viel Dynamik haben wir im Spiel vermisst. Selbst die Türken sind jetzt schwer beeindruckt. Bierhoff denkt endlich mal mit und bestellt bei den Schweizern zur Sicherheit die Kanalreinigung. Was für eine Befreiung!


Donnerstag, 26.06.2008

12:30 Uhr: Ich bin jetzt im Finale! Echte Weltklasse setzt sich eben immer durch. Jogi hat das endlich auch erkannt und mich heute zum ersten Mal für die Pressekonferenz nominiert. Das kann nur als Wink fürs Endspiel verstanden werden. Mein Einsatz steht also unmittelbar bevor. Ich muss jetzt aber ganz cool bleiben. Bescheidenheit kommt bei den Leuten besser an. Das hat der Loddar mir früher immer gesagt. Meine Endspieltore schieße ich übrigens fürs Rote Kreuz. Für jeden Treffer von mir bekommt ein Minenopfer in Afghanistan ein rotes Holzbein. So kann man manchmal sogar das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Die Menschen werden mich lieben! Aber jetzt steht erstmal die PK an. Frisch gekämmt und gegelt geht’s ab zum Medienzentrum in Tenero. Der Saal ist rappelvoll. Ich setze mich vorne auf dem Podium neben unseren dicken Presseonkel Stenger. Das ist ’ne harte Nummer, denn der hat immer voll krassen Mundgeruch, weil er sich morgens ’ne Überdosis Knofi-Pillen reinpfeift. Der Fettsack haucht mich von der Seite an, weil ich den Mikroknopf so schnell nicht finde. So ein fieser Gestank – mir fliegt fast der Haarreif aus der Frisur. Macht aber nichts: Ich habe die Medien voll im Griff. Einem Kevin Kuranyi hört man eben gerne zu. Die ersten Reihen sind aber frei. Als ich Stenger danach frage, sagt der nur: „Das ist zur reinen Sicherheit für die Journalisten, Kevin, damit du die beim Lispeln nicht nassspritzen kannst.“ Ich würde dem alten Sack jetzt gerne eine reinhauen. Geht aber leider nicht, denn im Auditorium sind ehemalige Kollegen als rasende Reporter vor Ort. Das würde einen schlechten Eindruck machen. Ich erkenne unsere fröhlichen Frührentner Bobic, Helmer und Scholl. Und natürlich unseren Loddar – der ist jetzt hauptamtlich Fußball-Animateur bei 9-Live und darf 24 Stunden lang nonstop irgendwelche lustigen Quizfragen stellen. Ich will mich natürlich nicht blamieren. Zum Glück habe ich mir noch den Telefon-Joker aufgehoben. Als das Pressestündchen fast zu Ende ist, fragt mich doch tatsächlich irgend so’n Schlaumeier von der FAZ nach meiner Meinung, was ich denn zum bisherigen Erfolg der deutschen Mannschaft beigetragen hätte und warum ich nicht lieber gleich in Urlaub gefahren bin. Was habe ich für einen Rochus auf diese Schmierfinken! Aber ich lasse mich nicht provozieren und trete spontan in einen unbefristeten Pressestreik. Vorher verkünde ich aber noch meinen sofortigen Wechsel zu ManU. Dann haben die Idioten wenigstens was zu schreiben. Aber ab jetzt bleibt das Mikro aus. Soll der Stenger doch den Schreibknechten die wundersame Welt des DFB erklären. Ich geh’ erst mal ’ne Runde chillen. Will schließlich fit sein für meinen großen Auftritt im Endspiel. Als ich aufstehe, füllen sich die ersten Sitzplatzreihen wieder. Einer klappt seinen Regenschirm wieder zusammen. Was sind das alles bloß für Arschlöcher hier!

(heimlich abgeschrieben von Bernd)



EM-Kommentar vom 24.06.2008

Siedend heiß fiel mir ein, dass ich ja noch was zum letzten Viertelfinale schreiben wollte. Irgendwie hatte ich das Spiel kurz nach dem Upload der Punktetabelle auch schon wieder aus meinem Gedächtnis gestrichen. Vielen Dank für gar nichts! Der ungute Geist des Österreichers Karl Rappan schwebte über dem Ernst-Happel-Stadion und legte die bleierne Schwere des Schweizer Riegels (nein, keine Schokolade!) über das Spiel der Italiener, die daraufhin in eine Catenaccio-Trance des fußballerischen Minimalismus verfielen. Na ja, wenigstens wurde das im Elfmeterschießen bestraft. Diese italienische Mannschaft ist nicht zur längeren Fußballherrschaft geschaffen, vor allem aus 2 Gründen: Der Weltmeistertitel 2006 wurde noch mit der spielerischen Klasse von Totti und Pirlo gewonnen, aber in 2008 war Pirlo mit der alleinigen Führung des Teams überfordert. Und das System mit nur einem Stürmer war schlussendlich zu leicht zu durchschauen: Luca Toni schien stets gefährlich, aber am Ende ist ein Null-Tore-Stürmer nur selten der Held. Aus und vorbei für den Weltmeister. Es ist nicht schade drum.
Die Spanier waren am Ende glücklicher, aber kaum besser. Gegen die schnellen Russen wird das ein ganz anderes Spiel. Auf jeden Fall zieht eines der beiden jüngsten Teams ins Finale ein. Das ist ganz sicher ein gutes Zeichen.

Nach dem letzten Viertelfinalspiel habe ich eine Zwischenbilanz gezogen. Einzig Carolyn und Kirstin vom Team Schräg-Gegenüber haben alle Halbfinalisten richtig getippt und können jetzt noch 21 Punkte einsacken. Die Spitzengruppe scheint durch die Viertelfinalspiele arg gerupft, aber durch die Vergabe der Zusatzpunkte nach dem Finalspiel kann es noch zu kräftigen Verschiebungen kommen, denn in der Spitze ist es eng wie selten zuvor.

Gruezi und Servus,
Robert



Kevins EM-Tagebuch – Teil 8

Sonntag, 22.06.2008

17:00 Uhr: Kino-Time in Ascona – der Ursch, wie Jogi den Siegenthaler immer nennt, erklärt uns heute die Türken. Die meisten von uns denken dabei spontan an Dönerbuden und Gammelfleisch. Wir erfahren vom schlauen Schweizer, dass die aber durchaus auch Fußball spielen können. Meistens schießen sie ihre Tore in der Nachspielzeit, wenn keiner mehr damit rechnet, am allerwenigsten sie selbst. Die sind so was wie die V2 dieser Europameisterschaft. Der Ursch liebt diese Vergleiche. Wir überlegen gemeinsam, wie man die Nachspielzeit verhindern kann. Ballverstecken oder die Pille auf den Parkplatz schießen geht nicht mehr, seit die UEFA am Spielfeldrand mindestens 200 Stück davon deponiert hat. Toter Mann spielen bringt auch nichts mehr, seit die Krankenzeiten auch für Privatpatienten netto nachgespielt werden. Das gleiche gilt für Einwechslungen, die sich über mehrere Minuten hinziehen. Wir beschließen, das Problem mit deutscher Technik zu lösen und die Leuchttafel mit der Nachspielzeit zu türken (Nomen est Omen). Jogi soll dabei in der Coaching-Zone wieder den Hypernervösen spielen, um den UEFA-Fuzzi abzulenken, Katzenmeier frisiert dann mit flinken Händen schnell mal das Blinkeblinkeschild. Wird schon klappen – Vorsprung durch Technik!
Bloß Schweini macht schwer einen auf Spielverderber. „Das könnt ihr doch den Türken nicht antun!“, heult er unaufgefordert ’rum. Dieser blondierte Vaterlandsverräter hat heute Morgen wieder mit Frau Kanzlerin konferiert. Angie sülzte ihm irgendwas von schwierigen EU-Aufnahmeverhandlungen mit den Türken vor. Jetzt will uns Schweini aus politischen Gründen absichtlich gegen den kranken Mann vom Bosporus verlieren lassen, damit die EU den Aufnahmeantrag ohne Stress mit dem Präsi aus Ankara auf das Jahr 2080 verschieben kann. Hallo – wir sind doch nicht in Palermo! Schweini muss zur Strafe hundertmal den Text der Nationalhymne abschreiben. Das geschieht ihm recht!
Jetzt ist Jogi-Cheffe mit Taktikschulung dran. Lehmann muss spontan gähnen und dreht seinen Ei-Pott fast auf Konzertlautstärke. Unmögliches Verhalten – aber der Fliegenfänger kann sich so was jetzt ja wieder mal leisten, nachdem er gegen Portugal zwischendurch sogar ’nen Ball gehalten hat. Es werden nun verschiedene Zahlenkolonnen an die Flipp-Chart gepinselt: 4-4-2, 4-5-1 oder 4-1-4-1. Poldi fragt, ob die Ziehung diesmal auch mit Spiel 77 ist. Mein Gott, ist der Kerl dämlich! Das sind doch nicht die Lottozahlen, sondern eindeutig die Sicherheitscodes für Jogis Handy. Flick-Flack faselt jetzt was von der von ihm erfolgreich patentierten Doppelsechs gegen die Portus. Ich verstehe nur Bahnhof, oder will unser Möchtegern-Coach, dass wir jetzt tatsächlich die Burger-King-Werbung in realo zur Aufführung bringen sollen? Mich wundert in diesem Irrenhaus allmählich gar nichts mehr. Zum Glück ist die trübe Nachmittags-Veranstaltung schnell vorbei. Es klingelt plötzlich an der Tür und Big-Mama Nöwill bringt das tägliche Fresspaket für Sohnemann und uns. Wirklich Respekt für den Besuch der alten Dame. Die kommt jeden Tag mit dem Drahtesel von ihrer Almhütte mit lecker Kuchen zu uns herunter. Der DFB überlässt diesmal wirklich nichts dem Zufall.

(heimlich abgeschrieben von Bernd)



EM-Kommentar vom 22.06.2008

Drei Viertelfinalspiele haben wir jetzt schon hinter uns, und eins ist klar: Eine der beiden deutschen Mannschaften wird im Finale stehen. Ob es nun die in weißen oder roten Trikots sein wird, sollte egal sein. In beiden Teams sind ungefähr gleich viele Spieler, die in unserem Land geboren wurden. Am Donnerstagabend hatte jeder einen Grund, die Glotze einzuschalten. Wer sich für Fußball interessierte, wollte sehen, wie sich Jogis Jungs gegen die favorisierten Sportugiesen schlagen würden. Der (vermutlich vornehmlich weibliche) Rest wollte diesen knackigen, braungebrannten Kerl im dunkelroten Trikot sehen, der die deutsche Abwehr auf einem Bierdeckel schwindelig spielen würde. Zumindest dieser Teil dürfte enttäuscht worden sein. Arne Friedrich degradierte Ronaldo über weite Strecken zum Ronaldinho, und der ist ja bekanntlich auch nicht mehr der, den wir alle so bewundert haben. Ganz ausschalten konnte er ihn nicht, aber sein Einfluss auf das Spiel wurde ausreichen begrenzt. Gute Leistung von einem eigentlich nur mittelmäßigen Verteidiger eines mittelmäßigen Bundesligavereins... ☺ Das deutsche Team war insgesamt kaum wiederzuerkennen nach den müden und einfallslosen Spielen in der Gruppenphase. Seit wann können die denn schnelle Konter spielen? In dieser Form und vor allem mit dieser Effektivität im Abschluss können die Deutschen jede Mannschaft der Welt schlagen. Nur dumm, dass es im Halbfinale gegen die andere deutsche Mannschaft geht, die gestern so spielte wie das Adler-Team gegen Österreich: Wirklich nicht gut, aber erfolgreich...

Freitag abend glaubte ich mich dann bei einer Leichtathletik-Übertragung. Olympische Spiele sind doch erst im September, oder? Es war jedenfalls wie beim Langstreckenlauf: Zuerst wird rumgetrödelt, selten mal ein Zwischenspurt, ansonsten nix los, aber kurz vor dem Ende wird dann plötzlich Vollgas gegeben. Viele waren sicher schon vor der Glotze eingenickert, aber die beiden Knalleffekte am Ende liessen uns wieder in die Senkrechte schießen. Wer sich (wie ich) schon beim 1:0 der Krokoaten über einen satten Punktgewinn gefreut hatte, wurde vom Schicksal gnadenlos bestraft und biss in die Sessellehne oder den Kronkorken. Der Rest war logisch. Dass nach allen Fußballgesetzen die Türken das Elfmeterschießen gewinnen würden, war jedem Kenner klar. Zumindest da hatte ich dann doch noch einmal Recht. Ein Grund zum Freuen war es nicht, zumindest bezüglich meines Punktestandes...

Nun kommt es also zum innerdeutschen Duell gegen unsere türkischen Landsleute. Sportlich wie emotional wird das ein ganz interessantes Ding. Wenn die Türken gewinnen, dürfte das die größte Party aller Zeiten in Gaarden, Kreuzberg und anderen türkischen Stadtteilen dieser Republik auslösen. Wenn es nicht klappt, geht dort vermutlich die Welt unter. Als offizielle EM-Berichterstatter werden Bernd und ich, verstärkt durch ein Team von bundesweit ausgewählten Experten, am Donnerstag investigativ tätig werden und am Türkei-Stand auf dem Internationalen Markt der Kieler Woche die Stimmungslage erkunden. Ein ausführlicher Bericht folgt.

Gestern abend schlug dann die beste holländische Mannschaft seit 1988 (na ja, o.k., 1998 hatten die auch ein ganz brauchbares Team) die Oranjetruppe mit deren eigenen Mitteln. Hatte ich nicht gleich nach dem ersten Sieg der Tomatenzüchter gewarnt, dass diese am eigenen übersteigerten Selbstbewusstsein scheitern könnten? Jawohl, hatte ich (siehe Kommentar vom 10.06.2008)! Kloppi hatt das „Scheiß-Frühform“ genannt. Und van Basten hat diese Frühform durch die zu lange Pause zwischen zweitem Gruppenspiel kaputt gemacht. Man hatte den Eindruck, die Käseroller waren vollkommen überrascht, dass die Russen ebenfalls Fußball spielen konnten, und gestern sogar besser. Alles war besser: Technik, Taktik, Kondition, Laufbereitschaft, Antizipation. Na gut, die Chancenverwertung der Holländer war besser, aber das war für sie noch ein großes Glück, denn sonst hätten sie 6-8 Tore gefangen. Die ganze Mannschaft war bärenstark und konditionell noch lange nicht am Ende. Sind jetzt die Russen ein neuer EM-Favorit? Kann sein. Aber vor dem Finale stehen noch die Spagettikocher im Weg, die sich stetig gesteigert haben. Oder es sind die Spanier, die sich ggf. durch einen Sieg über Italien auf ihre ebenfalls gute Frühform zurück besinnen können. Das wird heute abend ein interessantes Duell.

Im Tippspiel hat Ralph jetzt souverän die Führung übernommen. 3 Punkte Vorsprung – das hatten wir in diesem Jahr noch nie. Aber auch Ralph ist nicht unfehlbar. Den russischen Sieg haben nur 4 (oder eigentlich 5) TippspielerInnen vorausgeahnt: Michael, Carolyn und Kirstin vom Team Schräg-Gegenüber, Martin F. und Jan Henrik. Hut ab! Unten ist Borko auf den drittletzten Platz vorgestoßen, aber mit dem Perlen-Tipp (Borko, ich gehe davon aus, dass das Dein Zweit-Tipp ist!?) ist er immer noch Favorit auf die Flasche Rotkäppchen.

Gruezi und Servus,
Robert



Kevins EM-Tagebuch – Teil 7

Donnerstag, 19.06.2008

20:30 Uhr: St.-Jacob-Park in Basel. Gleich geht’s los! Wir haben’s uns auf der Bank so richtig gemütlich gemacht. Die Schweizer haben hier endlich mal richtige Ledersessel installiert, nicht diesen üblichen Recaro-Mist für Bandscheibenopfer. Haben einen neuen Stammgast in unserer Public-Viewing-Zone. Heute hat’s verdienter Maßen unseren blinden Spanier getroffen, der darum schon den ganzen Tag den Blues singt. Die anderen Reservistas sind zum Glück bestens drauf. So kann’s heute Abend noch richtig nett werden. Odonkor hat die Spendierhosen an und gibt zum Einstand für alle ’ne Familienpackung Choco Crossies aus – wirklich feiner Zug vom Schwatten. Winnetou Müller-Wohlfahrt neben mir nörgelt irgendwas von wegen gesunder Ernährung oder so. Wir schalten unsere Lauscher auf Komplettdurchzug. Der soll von mir aus zum ARD-Ratgeber Gesundheit oder zur Barmer wechseln. Ich brauche jetzt meine volle Konzentration. Schließlich steht was ganz Großes an: Mein Trikottausch mit Ronaldo!
Einzug der Gladiolen: Keine zwei Meter entfernt spaziert jetzt die berühmte Nummer 7 zusammen mit dem Rest der Portus gemessenen Schrittes an mir vorbei in Richtung Mittellinie. Ich blinzle Mister ManU wissend zu und hebe mein Trikot an, damit er schon mal weiß, was los ist. Der Vollidiot macht aber einen auf arrogant und zeigt mir sogar ’nen Vogel. Das muss sich ein Kevin Kuranyi auch nicht von einem Weltstar-Kollegen bieten lassen. Spontan will ich ihm zum Ausgleich ’ne kleine Beingrätsche verpassen, erwische aber mit elegantem Ausfallschritt nur dieses dicke McDonalds-Kind, das wie Frittenfett an seiner Seite klebt. Das megafiese Gör macht den krassen Abflug und fängt dann supernervig an zu plärren, weil Ronaldo ohne zu gucken einfach weitergeht. Ich erwarte jetzt eigentlich einen schlauen Kommentar von unserem Team-Winnetou zu dicken Kindern. Stattdessen kommt wieder einer dieser überflüssigen UEFA-Fuzzis an, um mich wegen der lustigen Kinderaktion anzupieseln. Ich sehe mich schon in der VIP-Glaskabine oben neben Jogi-Cheffe sitzen und will gerade meinen Turnbeutel packen. Der „Vierte Mann“ lässt aber noch mal Gnade vor Recht ergehen. Bisher hatte ich nur was vom „Dritten Mann“ gehört. Der wartet aber auf uns wohl erst im Endspiel in Wien.

21:30 Uhr: Halbzeitpause. Flick-Flack kriegt sich gar nicht mehr ein. Mit ’ner Pausenführung hatte natürlich keine Sau gerechnet. Sicherheitshalber mussten wir gestern Morgen sogar schon unsere Zimmer in Ascona aufräumen. Poldi und Schweini albern wieder mal nur ’rum und ziehen sich gegenseitig an den Ohren – wie haben die das 1:0 überhaupt hingekriegt? Jetzt bin ich am Zuge: Ich muss das irgendwie schon mal mit dem Trikottausch regeln. Den Co brauch’ ich gar nicht erst zu fragen wegen der Einwechslung kurz vor Schluss und so. Der hat mich irgendwie auf dem Kieker, seit ich ihm mal im Trainingslager in Malente ein Pfund Nutella auf seinen Frühstücksstuhl geschmiert habe. Mann, war der damals pissig wegen so’n bisschen Spaß. Ich haue einfach mal den Arne an. Der spielt heute ja direkt gegen die stiläugige Portu-Schwuchtel. Arne sagt mir zu, dass er Ronaldo nach dem Spiel wegen des Trikots mal fragen und mir das kostbare Teil dann übergeben wird. Das klappt also schon mal richtig gut. Eigentlich kann jetzt nichts mehr schief gehen.

22:30 Uhr: Das Spiel liegt in den letzten Zügen. Die Menge im Joggele tobt. Unser Jogi pfeift sich derweil in seinem Schüco-Wintergarten hoch unterm Stadiondach juchhé eine Kippe nach der anderen rein. Doc Winnetou neben mir schüttelt nur noch mit dem Kopf. Wenn der bloß wüsste, dass wir uns jeden Abend auf’m Zimmer in Ascona voll die krassen Wundertüten bauen. „Keine Macht den Drogen“ sagt Theo doch immer. Wenn die Joints fertig sind, darf unser Präsi auch mal pusten. Die Portus lassen es noch mal krachen und schießen kurz vor Schluss das zweite Ehrentor zum 2:3. Ronaldo rennt jetzt aufgeschreckt wie so’n tasmanischer Teufel auf dem Basler Flickenteppich herum. Der späte Aktionismus nützt ihm aber nichts. Schlusspfiff! Die deutschen Tugenden haben sich wieder mal durchgesetzt. Wir sind eben eine echte Turniermannschaft. Fußball ist, wenn 22 Leute gegen den Ball treten und am Ende Deutschland gewinnt. „Un’ heude war auch noch dem Fritze Walde’ sei’ Wedder“, sagte in grauer Vorzeit mal ein früherer Übungsleiter unseres Lieblingsverbands. Der Geist von Spiez weht heute über St. Jacob. Ich werde auf einmal ganz pathetisch. Aber wo hat sich Ronaldo jetzt mit meinem Trikot verkrochen? Ich sehe den Arne mit freiem Oberkörper ohne jegliches Textiloberteil etwas ratlos auf dem Rasen stehen. Der ist ganz kleinlaut und flüstert nur noch: „Du, Kevin, sei mir bitte nicht böse. Der Schweini hat’s mir gerade geklaut.“ Ich glaube, ich lüge! Nur weil der komische gerupfte Bayern-Vogel gerade zum „Man of the Match“ gelost worden ist, braucht der trotzdem keine langen Finger machen. Einfach nur ekelhaft! Ich renne schnurstracks in die Kabine, um die fiese Natter zur Rede zu stellen. Da kommt direkt hinter mir der Bundes-Schäuble mit seinem AOK-Chopper wegen Gratulation oder so reingerollt. Poldi will wieder mal oberwitzig sein und stimmt lautstark an: „Steht auf, wenn ihr Deutsche seid!“ Wir singen alle mit – die Stimmung ist auf dem Höhepunkt. Schäuble findet’s gar nicht witzig und kriegt gleich seinen Osram. Er will jetzt sofort den Theo sprechen und vom DFB wegen Beamtenbeleidigung sofort die Sporthilfe zurück. Die Spielerfrauen können den Elektrofahrer aber schnell beruhigen und drehen mit Herrn Minister draußen noch ’ne flotte Ehrenrunde um den Platz. Schweini ist wie vom Erdboden verschwunden. Wo ist bloß die Sau? Ballack gibt mir ’nen Tipp. „Der ist zum Rapport bei den Schiris, weil der noch unbedingt den Koeman spielen musste. Das war doch der Holländer, der sich mit Rudis Hemd damals in Hamburg den Arsch abgewischt hat.“ Das ist wieder mal typisch Schweini! Ich gehe zur Schiri-Kabine und klopfe höflich an. Drinnen hockt Schweini als heulendes Elend. Die schwedischen Schiris sind gnadenlos und haben ihn mittels Standgericht für zwei Spiele gesperrt. Das wäre noch gar nicht so schlimm. Aber sie haben auch noch mein schönes 7er-Trikot der Portus als Beweisstück konfisziert. Als ich den nassen Ronaldo-Lappen auf dem Boden liegen sehe, wird mir aber ganz anders. Auf dem dunkelroten Edelteil sind eindeutig Schweinis braune Bremsstreifen zu erkennen. Deshalb stinkt das so erbärmlich in der Hütte! Er hat also tatsächlich den Koeman gemacht. Ich bin jetzt nicht mehr sonderlich scharf auf das streng riechende Corpus Delicti. Sollen sie das meinetwegen zur Gerichtsmedizin oder zum BKA schicken. Das war’s dann wohl für heute. Na ja – immerhin noch knapp gewonnen und im Halbfinale. Es hätte wirklich schlimmer kommen können.

(heimlich abgeschrieben von Bernd)



EM 2008 – Zwischenfazit vom Kanal - 19.06.2008

Welche Statistik stimmt denn nun?

Wir hatten euch vor Beginn der EM-Runde einige Optionen an die Hand gegeben, mit deren Hilfe ihr gegebenenfalls eure Tipp-Ergebnisse entscheidend verbessern konntet. Ob ihr diese in gewinnbringende Punktestände ummünzen konntet, ist natürlich eine andere Sache. Der Abschluss der Vorrunde gibt uns die Möglichkeit für ein kleines Zwischenfazit.

 „Eine Weltmeisterschaft ist leichter“ titelte die FAZ am 3. Juni 2008 in ihrem Sportteil. Das mussten bisweilen auch wir EM-Tipper erfahren. Togo, Costa Rica und Saudi-Arabien waren eben diesmal nicht mit dabei (warum eigentlich nur?). Natürlich auch Brasilien und Argentinien nicht (Absage wegen der zeitgleichen WM-Südamerika-Quali – stimmen sich UEFA und FIFA eigentlich nicht ab?) – dennoch: Es gab von Beginn der Vorrunde an kaum eine durchweg leistungsschwache Mannschaft (Griechenland hat sich ja immerhin im letzten Spiel fußballerisch noch aus der Ära der Höhlenmenschen in die Neuzeit begeben), die den Spaßfaktor durch leichte Tipps erhöhen konnten. Die Unterschiede zwischen den Teams sind nicht mehr so gravierend. Kondition und Taktik werden eben auch auf den Malediven unter professionellen Bedingungen trainiert (Ich zahle die 5 € freiwillig!). Den kleinen Unterschied machen dann oftmals die wenigen echten Superstars der internationalen Fußballszene, also die Pirlos, Ronaldos, Sneijders oder Arschawins aus. Die Spielergebnisse werden also tendenziell knapper. Und an einem guten Tag kann die Elfenbeinküste eben durchaus Brasilien schlagen – bei einer EM im Grunde jeder jeden.

Es wird also nicht einfacher für uns als engagierte Tippspielgemeinde. Das kann man gut an den Punkteständen der letzten Tipp-Runden ablesen: Bei der WM 1998 erreichte der Gewinner immerhin noch satte 130 Punkte. 2002 und 2006 reichten den Tippspiel-Siegern gerade noch 97 bzw. 114 Punkte. Bei den EM-Runden 1996, 2000 und 2004 erzielten die Gewinner (bei natürlich weniger Spielen) 50, 63 und 59 Punkte. In diesem Bereich bewegen wir uns in etwa auch bei dieser Tipprunde.

Kommen wir zurück auf die Statistik. Bewertet man die von uns vor der EM präsentierten Prognosemodelle, so ergibt sich folgendes Zwischenergebnis:

1. Der historische Ansatz
Nach dem historischen Erfolgsfaktor als Kriterium gewinnt Deutschland statistisch gesehen jedes vierte EM-Turnier, Frankreich jedes sechste und die anderen bisherigen Titelträger jedes zwölfte. Das spräche dafür, diesmal auf eine Mannschaft als Europameister zu wetten, die bisher erfolglos war. Demnach müssten nun Portugal, Spanien, Kroatien und die Türkei die allergrößten Chancen besitzen, was zu beweisen wäre. Schau’n ’mer mal!

2. Der Ranglisten-Ansatz
Anhand der FIFA-Weltrangliste mit Stand vom Mai 2008 hatten wir folgende  Viertelfinalbegegnungen prognostiziert:
Tschechien – Kroatien
Deutschland – Portugal
Italien – Griechenland
Spanien – Frankreich
Bei 5 von 8 Mannschaften lag die Hitparade immerhin richtig. Holland und die Türkei waren vielleicht etwas stärker als vorher erwartet, Griechenland, Tschechien und Frankreich schnitten gemäß ihrem Ranking deutlich schwächer ab. Ansonsten lag man mit diesem Ansatz bisher gar nicht so völlig daneben. Tippt man damit weiter und ersetzt die ausgeschiedenen drei Mannschaften durch die Türkei, Holland und Russland, so müssten sich im Viertelfinale Deutschland, Kroatien, Holland und Italien durchsetzen. Deutschland würde im Halbfinale die Revanche gegen die Kroaten gelingen und Italien setzt sich im Mittelmeerderby gegen die Spanier durch. Das Endspiel ginge dann wie das Halbfinale bei der WM 2006 aus. Momentan würden Jogis Jünger bei so einem angebotenen Ausgang vermutlich glatt einschlagen. Das sehen die Italiener aber vermutlich genau so. Manchmal ändern sich die Zeiten rasant schnell. Vor der EM sah das noch etwas anders aus. Morgen kann das aber ebenfalls schon überholt sein.

 3. Der fußballerisch-statistische Ansatz
Hier wurden ja Ergebnisse und Ereignisse aus der Fußball-Historie in die Prognosen der einzelnen Partien direkt mit einbezogen. Der Tipp „Deutschland gewinnt immer gegen Polen, wenn es um die Wurst geht“ stellte sich als vollkommen richtig heraus – auch ohne sintflutartigen Regen. Der traf diesmal die Schweizer und Türken. Die Einschätzung „Deutschland verliert nur gegen Kroatien und Österreich, wenn man in Amerika spielt“ war von vorne herein falsch, da Deutschland 1994 im Viertelfinale natürlich Bulgarien und nicht Kroatien unterlag. Letztgenanntes Land gab es damals noch gar nicht. Aber leider dann schon 1998, als man die Deutschen in Frankreich mit 3:0 schlug. Vielleicht hatte dieser kleine Irrtum unsererseits ungeahnt einen gewissen Einfluss auf das schwache Vorrundenspiel unserer Kicker. Wir können also durchaus auch zweimal in wichtigen Spielen gegen Kroatien verlieren – vielleicht sogar dreimal. Die Prognose für das Österreich-Spiel erwies sich dagegen als richtig. Gegen die verlieren wir anscheinend bei einem wichtigen Turnier wirklich nur, wenn das Spiel in einer Stadt namens Cordoba stattfindet. Hoffentlich richtet Spanien niemals ein EM-Turnier aus. Die Qualität der Prognose, dass wir gegen Portugal im Viertelfinale nur verlieren, wenn Erich Ribbeck auf der Bank sitzt, kann noch nicht abschließend beurteilt werden. Vielleicht wurde Sir Erich wieder vom DFB als Teilzeitcoach reaktiviert, um dem grünen Hansi heute Abend am Rasenrand moralisch beizustehen.

4. Der ökonomische Ansatz
Das Prognosemodell der Schweizer Großbank UBS ist genauso untergegangen wie das Team der Eidgenossen gegen die Türken in der Vorrunde.  Die Schweizer sollten danach bis ins Halbfinale kommen und Portugal kläglich in der Vorrunde scheitern. Das stimmte irgendwie dann doch so nicht ganz. Insofern können wir unsere eingangs der EM bereits formulierte Hoffnung nur wiederholen, dass die Finanzmarktprognosen der UBS künftig besser sein mögen als ihre Vorhersagen zur Fußball-EM. Richtig lagen sie nur in der Einschätzung der Leistungsfähigkeit der Österreicher. Dazu brauchte man aber weder eine Bankausbildung noch einen Trainerschein, auch wenn sich Alpendeutschen redlich mühten.

Wir müssen zugeben, dass die vorgestellten Modelle noch gewisse Schwächen offenbaren und den Elchtest bisher nicht wirklich bestanden haben. Ist vielleicht auch besser so. Sonst hätten wir am Ende alle die gleichen Punktstände, würden dann aber natürlich immerhin unseren vollen Spieleinsatz rückerstattet bekommen. Aber es sind ja noch zwei Jahre Zeit bis zur WM-Endrunde in Südafrika oder wo auch immer. Dann wird der Sieger vielleicht schon vorab per Computersimulation ermittelt und wir können uns teure Weltmeisterschaften auf entlegenen Kontinenten mit nervenaufreibenden Tippspielen endgültig sparen. Das wollen wir doch nicht wirklich hoffen, oder?

Für die nun anstehende K.o.-Runde wünschen die Kanalarbeiter der gesamten EM-Tippgemeinde viel Glück bzw. einen weise rollenden Würfel.

Ex-und-Hopp Schwiiz und goodbye Vienna!

Bernd Christoph



EM-Kommentar vom 19.06.2008

Die Gruppenphase liegt hinter uns, ab jetzt ist jedes Spiel ein Endspiel! Diesen Satz musste ich aus traditionellen Gründen bringen. Aber falsch ist er nicht, denn womöglich kommt heute schon für die deutsche Mannschaft das End-Spiel. Es sieht nicht gut aus für Jogis Jungs. Frings ist angeknackst und den Ersatz-Wadenbeißer Jones hat Jogi vor der EM in Urlaub geschickt. Poldi ist angeschlagen und Gomez grübelt noch immer über die 5. Minute im Ösispiel. Klose hat seit gefühlten 3 Jahren die Kiste nicht getroffen, und wenn seine Vorlagen mal ankommen, versemmelt sie ein anderer. Das frustriert. Aber wer soll denn nun die Tore schießen? Angies süßer Liebling hat vor 2 Jahren gegen die Sportugiesen gezeigt, wie das geht. Wenn sie ihn denn mal wieder losläßt, könnte er eine Option auf links sein, zumindest wenn Poldi ausfällt.  Hinten rechts müsste eigentlich Lahm gegen Ronaldo spielen, da wäre beidseitig der Respekt groß. Aber der Dampfzwerg ist links wertvoller, weil er bei Vorstößen nach vorn auch mal nach innen ziehen und mal kräftig draufhalten kann. Richtig so. Also muss wohl Friedrich gegen Ronaldo ran. Ob der sich wohl vor einem mittelmäßigen Rechtsverrteidiger eines mittelmäßigen Bundesligisten fürchtet? Eher nicht... Es bleiben viele Fragen offen. Hoffentlich hat Jogi die richtigen Antworten.

Die Frage nach dem letzten Viertelfinalisten haben die Russen gestern eindrucksvoll beantwortet. Das war Tempofußball auf hohem Niveau. Hatte Hiddink sich ein paar Jungs aus dem Oranje-Kader ausgeliehen und in rote Trikots gesteckt? Noch klappte nicht alles perfekt, noch lief manch guter Ansatz ins Leere, aber da wächst in Russland eine europäische Spitzenmannschaft heran, die es dem deutschen Team in der WM-Quali sehr schwer machen wird. Die Schweden sollten sich nicht zu sehr grämen. Den Titelverteidiger geschlagen, gegen Spanien nur knapp verloren, gegen Russland einfach chancenlos – das ist keine tolle Bilanz, aber auch kein Debakel wie es z.B. Frankreich erlebte. Den Russen prophezeie ich hier und heute das WM-Halbfinale in Südafrika, sofern sich die Mannschaft so wie in den letzten 2 Jahren weiterentwickelt.

Ottos Rentnertruppe hat sich schließlich doch noch mit einem Tor und einer anständigen Leistung gegen die spanische B-Elf aus dem Turnier verabschiedet. Georgios Cloonos hatte seinen vermutlich letzten großen Auftritt beim vergeblichen Versuch, den Pfosten umzurennen. Das sollte es für ihn gewesen sein. Wir werden ihn und seine traurigen Augen und Auftritte vermissen. Allerdings weiß man bei Otto nie so genau: Der gräbt ihn in der WM-Quali womöglich wieder aus, falls die hoffentlich nun nachrückenden jungen Leute alle patzen.

Unser Tippspiel hat jetzt wieder einen alleinigen Spitzenreiter. Charisteas’ Kopfballtor gegen Spanien verhalf ihm und 32 anderen, die ebenfalls auf Ösiland als torschlechtestes Team gesetzt hatten, zu 3 Zusatzpunkten. Auch Polen, Muränien, Griechenland und Frankreich brachten nur je einen Ball im gegnerischen Tor unter. Wer auf eines dieser Länder gesetzt hatte, kassierte selbstverständlich ebenfalls 3 Punkte. Jetzt sind noch 40 Punkte zu vergeben, zumindest wenn man bei den noch offenen Zusatzfragen auf die Teams gesetzt hatte, die noch dabei sind. Europameister-Tipps wie „Frankreich“ (Günter, Matthias, Azzedin, Ove, Jörn),   „Griechenland“ (Christian R.), „Tschechien“ (Nicolas) oder „Schweden“ (Gerd P.) sind jetzt schon für den Mülleimer. Gleiches gilt für Tipps auf Frankreich als torbestes Team (Claudia, Tobias, Gerd U.-S., Jörn, Matthias, Dorothea, Christian R., Dirk D.). Thierry Henry schießt Tore jetzt nur noch im Urlaub am Strand. Übrigens werden (wie immer in diesem Tippspiel) für diese Zusatzfrage nur Tore aus regulärer Spielzeit und Verlängerung gewertet.
Die immer noch dichte Spitzengruppe macht es diesmal richtig spannend, denn ein falscher Tipp im Viertelfinale macht einem gleich eines der Halbfinals kaputt. So ist das Leben, so ist das Tippspiel. Die Rote Laterne ist allerdings der „Perle“ kaum noch zu nehmen, sofern sie auch Endrundentipps abgibt. Durch fehlende Endrundentipps kann man sich selbstverständlich die Flasche Rotkäppchensekt nicht ergaunern...

Gruezi und Servus,
Robert



Kevins EM-Tagebuch – Teil 6

Mittwoch, 18.06.2008

8:00 Uhr: Wieder so’n Scheißlärm draußen auf’m Flur! Höre ich da etwa das Klackern von Stollenschuhen auf edlem Holzparkett? Normalerweise hätte ich sofort Poldi und Schweini in Verdacht gehabt. Die sind aber diesmal ausnahmsweise wirklich unschuldig: Poldi liegt mit dicken Wadenwickeln wie ein Invalide aufgebahrt in seinem Zimmer und Schweini ist immer noch völlig high von seinem Besuch auf der Ehrentribüne beim Ösi-Spiel. Seitdem konferiert er stundenlang abwechselnd mit Frau Kanzlerin oder diesem Steinmeier und diskutiert mit denen die politische Weltlage. Dabei weiß der Schrumpfkopf nicht mal, dass der Ballack aus der DDR getürmt ist. Jedenfalls konnten es die beiden diesmal nicht gewesen sein. Ob etwa wieder Nöwill und der Schwatte ihr Polentor von 2006 nachspielen? Hatte denen ja diesmal auch nichts gebracht. Als ich die Tür zum Flur öffne, trifft mich der Schlag: Mit langem Anlauf tobt Metze hechelnd an mir vorbei und setzt zum Flugkopfball an. An der Seite steht Jogi und wirft ihm den Flachball mundgerecht zu. „Cheffe, was’n los – Geheimtraining, oder was?“ frage ich ihn spontan. Jogi legt den Finger auf seine Lippen: „Halt bloß die Klappe, Kevin. Ich hatte heute Nacht so eine Eingebung. Der heilige Xavier stieg zu mir hinab und sagte ’Jogi, auch das nächste Spiel wirst du in Demut auf der Tribüne sitzen müssen. Nutze die Zeit und präpariere deine Jünger gut. Dieser Weg wird kein leichter sein. Aber einer wird aus der Asche auferstehen und dich zum Gipfel in Richtung Zugspitze führen!’ Als ich dann so über die Asche nachdachte, kam mir plötzlich die Erleuchtung: Unser Retter kann nur der Metze sein – dieser Ritter aus Spanien mit der traurigen Gestalt. Der wird uns morgen zum Siege führen. Dafür trainieren wir jetzt, denn ohne Fleisch kein Preisch.“ Mein Gott, wird Jogi dieses personifizierte Sicherheitsrisiko etwa wirklich diesmal im Sturm einsetzen? Ich könnte schon wieder kotzen. Unsere beiden Offensivkarikaturen mit den hängenden Schultern und Köpfen stehen kurz vor dem Abschuss und Cheffe bringt statt mir nur diesen bärtigen Murkskicker aus der Real-Reserve. Ich brauche jetzt schnell mein Nutella-Brot!

11:00 Uhr: Wir stehen auf dem Trainingsplatz. Es pisst Bindfäden. Früher sagte man dazu Fritz-Walter-Wetter. Ob das diesmal wieder ein gutes Omen für uns ist? Schweini hockt auf dem Rasen und telefoniert schon wieder mit der Merkel. Lehmann schreibt zwischendurch in Schönschrift seinen fünfzigsten Zettel brav auf. Wir üben seit einer Stunde Elfmeterschießen. Der Spanier darf als einziger ohne Torwart ran und schiebt die Pille in Serie am Kasten vorbei. Es ist zum Totlachen! Jogi ruft ihm zu: „Super, Mario, dasch war doch schon viel knapper als vorhin! Jetscht lasch aber auch mal den Miro ran.“ Der Pole ist in diesem Moment kaum noch zu sehen. Sein winziger Kopf ist tief zwischen den Schultern vergraben. Das ist echte Körpersprache – die Portus werden tief beeindruckt sein! Ich möchte aber auch mal schießen und frage den Cheffe, an welcher Stelle ich denn im richtigen Erstfall am Donnerstag dran bin. „Gar nicht Kevin – erstens stelle ich dich nicht auf und zweitens wechselt der Hansi dich nicht ein. Außerdem üben wir das Elfmeterschießen gar nicht für das Spiel. Wir Deutsche können das auch ohne Training. Das ist eine reine Incentive-Veranstaltung zur Hebung der Moral in der Truppe.“ Wir gucken uns alle an. Das soll man nun verstehen. Ich frage Metze – der hat immerhin Abitur. Er klärt mich auf. Jogi hat ihm vorhin auf dem Flur gesteckt, dass der heutige Penalty-Gewinner nach dem Donnerstag-Spiel mit Ronaldo das Trikot tauschen darf. Da lasse ich mich nicht lange bitten: Ich renne zum Punkt, reiße dem Frust-Polen die Kirsche aus der Hand und fege das Runde stramm ins Eckige. Danach sehe ich nur noch Lehmanns Zettel als Konfettiregen durch die Luft segeln. Wirklich ganz großes Tennis! Selbst unser Quoten-Ossi Ballack muss mir spontan applaudieren. Wahrscheinlich über 130 KaEmHa – das ist mindestens Weltklasse. Man muss eben manchmal ein Zeichen setzen. Danach überlege ich, wo ich das Trikot zu Hause in meinem Trophäenschrank am besten unterbringe. Vielleicht sortiere ich ein paar Panini-Alben aus. Immerhin bin ich der erste Deutsche, der bei diesem Turnier überhaupt was gewinnen wird. Aber mein Dank gilt natürlich der ganzen Mannschaft, den Trainern mit Ausnahme von Flick, dem Betreuerstab und dem Ärzteteam. Alles wird jetzt gut – Ronaldo kann morgen Abend kommen und sein Trikot ist mein. Ab Freitag gibt’s das Teil für mindestens zwanzig fette Scheine bei Ebay. Was für ein geiles Turnier!

(heimlich abgeschrieben von Bernd)



EM-Kommentar vom 18.06.2008

Der Dienstagabend schaffte Klarheit in Gruppe C: Die Italiener haben sich berappelt und die Holländer sind faire Sportsleute. Zwar schickte van Basten eine echte B-Elf aufs Feld, aber das reichte am Ende dank größerer individueller Klasse zu einem ungefährdeten Sieg der Käseroller. Von den Muränen kam einfach zu wenig nach vorn. Selbst als sie wussten, dass unbedingt ein Sieg zum Erreichen des Viertelfinales notwendig war, konnten sie keinen Druck auf die wahrhaftig nicht sattelfeste Abwehr der Tomatenzüchter ausüben. Denen reichten zwei geniale Momente zum Sieg. Das Tor zum 2:0 durch van Persie war wieder grosse Klasse – keine andere Mannschaft bei dieser EM hat eine solche Auswahl an schnellen und technisch nahezu perfekten Stürmern. Ansonsten war das Spiel aber eher der dünne Huntelaar der Woche. Mittelfeld und Abwehr des zweiten Oranje-Anzugs hätten für den Viertelfinaleinzug vermutlich nicht gereicht. Da sieht man, dass bei unseren Nachbarn die Talente in diesen Mannschaftsteilen auch nicht vom Himmel fallen...

Der große Bildschirm war gestern aber für das Duell der WM-Finalisten reserviert. Man kann hinterher räsonieren, ob das Spiel mit Ribery und Abidal für die Franzosen besser gelaufen wäre. Das bleibt Spekulatius, offenbar haben die Franzosen aber beschlossen, Endspiele (vor allem gegen Italien) immer mit 10 Spielern beenden zu wollen. Isso. Auf jeden Fall waren die Italiener deutlich besser geordnet, der Ball lief flüssiger und die Aktionen in der Spitze waren gefährlicher als in den Spielen zuvor. Hin oder her: Bei dieser EM stellen die Pizzabäcker neben den Dönergrillern die einzige Mannschaft, die sich von Spiel zu Spiel deutlich gesteigert hat, wenn auch von sehr niedrigem Niveau ausgehend. Das Viertelfinale gegen Spanien wird jetzt zur Nagelprobe für Donadonis Truppe: Wenn die Steigerung weitergeht, ist ein Sieg durchaus drin. Anschließend käme dann vermutlich die Revanche gegen die Holländer...

Zur Situation im Tippspiel ein Wort unseres EM-Erfolgstrainers von 1996: „Die Breite an der Spitze ist dichter geworden. Ich glaube, dass der Tabellenerste jederzeit den Spitzenreiter schlagen kann“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Gruezi und Servus,
Robert



EM-Kommentar vom 17.06.2008

Jogi scheint zufrieden, denn das Viertelfinale ist erreicht. Die Frage nach dem Wie stellt sich wohl einigen Leuten gar nicht – oder sie geben es nicht zu. Dabei hatte Jogi doch von seinem Sitzplatz neben der billigen Boris Becker-Kopie den allerbesten Ausblick, und der sollte ihm die Einsicht beschert haben, dass nur sehr wenig besser war als gegen die Krokoaten. O.k., die rechte Seite stand jetzt mit Arne Friedrich recht sicher, und mit Ballacks Freistoß in Überlichtgeschwindigkeit gelang mal wieder in einem wichtigen Spiel ein Tor nach einem Standard. Aber sonst? Gomez hat sich wohl selbst aus dem Team gestolpert, vielleicht bekommt Kevin jetzt seine Chance. Klose gab zu Beginn eine brilliante Vorlage und tauchte dann völlig ab. Was ist bloß los mit ihm? Über die rechte Seite ging nach vorn fast gar nichts. Insgesamt stand die deutsche Mannschaft nach dem Führungstor viel zu tief - das erinnerte schon fast an das Verhalten der Tschechen gegen die Türkei. Zum Glück blieb der Ösi-Sturm völlig harmlos, aber insgeheim malte ich mir immer aus, was wohl bei einem Glückstreffer durch irgendeinen abgefälschen Schuss los gewesen wäre. Dann hätte auf deutscher Seite das große Flattern begonnen. Wie konnten diese ganzen Konterchancen bloß dermaßen leichtfertig vergeben werden? Es war schier unglaublich...

Der nächste Gegner heisst nun Sportugal. Was kann uns da Hoffnung machen? Lehmann hat offenbar seine früher gewohnte Sicherheit zurück gewonnen. Lahm und Podolski machen auf links ordentlich Dampf, das dürfte auch dem Gegner zu denken geben. Aber sonst?  Eigentlich kann Jogi nur eine Parole ausgeben: Das 0:0 über 120 Minuten halten und dann ins Elfmeterschießen gehen. Wer soll uns da schon schlagen?

Das Parallelspiel lief gestern nur auf Eins Festival. Weder über Kabel noch DVBT kann man so was gucken, aber der findige Fussballfan hat sich ja rechtzeitig Zattoo auf den Laptop geladen (http://www.zattoo.com); dort gibt es alles, was die Öffentlich-Rechtlichen in diesem Land zu bieten haben, völlig legal und kostenlos. Gelohnt hat es sich nicht wirklich, deshalb schweifte nur gelegentlich ein Auge auf den Monitor ab. Klasnic schoss ein fein vorbereitetes Tor, die Kroaten kontrollierten das Spiel, und die Polen sind völlig zu Recht ausgeschieden. Old Crinkleskin darf nun noch 2 Jahre mit seinen Jungs weiterüben, vielleicht wird es ja zur WM in Südafrika besser.

Im Tippspiel hat das Spitzenduo vom Samstag seinen Platz zurückerobert, aber das Verfolgerfeld wird immer breiter. Und am Tabellenende durften sich die Kämpfer um die Rote Laterne endlich auch mal wieder über Punkte freuen – Ballack sei Dank!

Morgen und übermorgen bin ich dienstlich in Bremen, es kann daher morgen abend Verzögerungen bei der Aktualisierung der Tabelle geben. Ob es zum Schreiben von Spielberichten reicht, kann ich auch noch nicht sagen.

Gruezi und Servus,
Robert



Kevins EM-Tagebuch – Teil 5

Montag, 16.06.2008

18:00 Uhr: Endspieltag: Jogi-Cheffe gibt uns noch mal letzte Anweisungen fürs Finale. Er spricht von Ordnung, Abstimmung und Leidenschaft. Meint der etwa uns damit? Wir ziehen uns derweil das Beste rein, was Österreich zu bieten hat: ’ne richtig fette Sacher-Torte! Noch schlappe drei Stunden bis zum Spiel. Jogi blinzelt mir zu – das wird heute mein Tag! Das Wunder von Wien kann kommen. Und Cordoba liegt immer noch irgendwo in Spanien. Haben die da eigentlich einen Erstligisten mit Bedarf für ’nen Weltklassestürmer aus Gelsenkichen?

21:20 Uhr: Das Spiel plätschert so vor sich hin. Ich knipse mir die Fingernägel auf optimale Länge. Der tumbe Spanier hat den Ball mal wieder statt ins leere Tor irgendwie ins Nirvana befördert. Wie blind kann ein deutscher Stürmer bittschön sein? Plötzlich Unruhe vor unserer Bank. Ich kann gar nichts mehr sehen. Der UEFA-Spacko mit der kurzen Hose und der peinlich-grünen Adidas-Retro-Jacke turnt mir ständig vor der Nase ’rum. Ich beschwere mich heftig bei Jogi. Schließlich hat der DFB teuer für unsere VIP-Plätze auf Rasenhöhe bezahlt. Jogi geht zu dem Fuzzi hin und sagt in perfektem Englisch: „You fuckin’ ass are disturbing our outlook from the cheap places!“ Hickersberger unterstützt diese sachlich völlig begründete Einlassung und beide Trainer werden daraufhin nach oben in die Kanzler-Loge befördert. Das hatte schon Klasse! Jogi pflanzt sich direkt zu Angela, Theo und Bobele. Hat der das gut – Legenden unter sich! Bloß jetzt sitzt nur noch der komische Flick-Schuster auf unserer Bank ’rum. Auf den kann ich eigentlich gar nicht richtig. Hat der eigentlich schon mal was als Spieler gewonnen? Und vor allem: Hat Jogi diesem Hiwi noch Anweisung geben können, dass ich bald ins Spiel rein soll?

21:30 Uhr: Halbzeitpause: Flick macht eklig einen auf dicken Cheffe und hält Jogi einfach die Kabinentür zu. Schweres Foul! Der flippt fast aus, wird aber von dem bekloppten UEFA-Fuzzi und ein paar Ösi-Stewards in Handschellen abgeführt. Jetzt bin ich unserem Ko-Turner ziemlich ausgeliefert. Entwickelt sich ziemlich Scheiße hier und heute im Happel-Stadion.

22:00 Uhr: Der Ballack trifft endlich mal wieder. Wurde aber auch Zeit. Die Ösis haben zwar allenfalls die Leistungsstärke von Holstein Kiel, aber die waren ja 1912 immerhin mal Deutscher Meister. Bei Schalke ist es zum Glück noch nicht ganz so lange her. Trotzdem beruhigt uns die Führung doch irgendwie. Jetzt werde ich aber langsam unruhig und ich schaue ständig zu Jogi auf die Tribüne. Ich will jetzt bald mal ins Spiel. Flick-Flack hat den stümperhaften Spanier endlich vom Platz genommen aber blöderweise den kaum talentierteren Schwabenpflüger Hitzelhuber gebracht. Jetzt platzt mir bald der Kragen! Als ich wieder Blickkontakt mit Jogi aufnehmen will, traue ich meinen Augen nicht: Ich sehe Schweini oben neben Jogi sitzen, wie er dem Cheffe sein Handy aus der Tasche zieht und ihm die Tastensperre reinhaut. Jogi fummelt von da an nur noch desorientiert an dem Gerät herum, dabei weiß doch jeder, dass der ohne schwäbische Betriebsanleitung völlig hilflos ist. So kann der Jogi den Flick nicht mehr fernmündlich erreichen, um ihm meine Einwechslung durchzugeben. Das werde ich Schweini, der alten Sau, niemals vergessen. Statt meiner wird dann noch das Auslaufmodell Nöwill in die Schlacht um Wien geworfen. Das ist echt die Höchststrafe! Aber Hauptsache Finale gewonnen. Ich warte auf „We are the champions“ und den Konfettiregen. Katzenmeier steckt mir zu, dass das Turnier doch noch weiter geht. Kann ich zwar nicht verstehen, aber da müssen wir wohl durch.

23:00 Uhr: Jogi hat endlich mit Unterstützung des granteligen Stadion-Hausmeisters namens Hans Moser die Kabinentür aufgebrochen. Flick wird verdienter Maßen abserviert und zum stellvertretenden Stollenwart ernannt. Es gibt doch noch Gerechtigkeit, Zucht und Ordnung beim DFB. Ab jetzt beginnt dann meine ganz persönliche Vorbereitung auf das Portugal-Spiel am Donnerstag. Wer ist schon dieser komische Ronaldo? Es kann nur einen Kevin geben!

(heimlich abgeschrieben von Bernd)



EM-Kommentar vom 16.06.2008

Das zweite EM-Wochenende liegt hinter uns. Sind wir jetzt schlauer bezüglich der EM-Favoriten? „Klar!“ werden jetzt die meisten sagen, „die Käsköppe sind Weltsuperklasse, die kann keiner schlagen!“ Wirklich? Ist das so? Ich bin da vorsichtig. Keine Frage: Was wir am Freitag abend gegen den Vizeweltmeister Frankreich gesehen haben, war eine erstklassige Angriffsleistung, das können Brasiliander oder Gauchos auch nicht besser. Der Ball schien mitunter wie eine Flipperkugel über das Feld zu laufen und die Seniorenriege der Frogs guckte nur staunend hinterher. Aber Kloppi hat schon gewarnt: „Scheiss Frühform“ nennt man so etwas. Bei der letzten EM sahen Tschechen und Sportugiesen beide wie die sicheren Europameister aus, weil sie wunderschönen Fußball spielten. Aber am Ende hielt Otto den Pokal hoch. Und was war mit Argentinien nach der Vorrunde bei der WM? Quasi schon Weltmeister – aber im Viertelfinale war Schluss.

Am frühen Abend sahen wir die vergeblichen Versuche der Pizzabäcker, alles zum Guten zu wenden. Viele neue Spieler machten vieles besser als im ersten Spiel, aber zu den erhofften 3 Punkten reichte es gegen immer gefährliche Muränen wieder nicht. Ohne Buffon im Tor wäre im zweiten Spiel schon Endstation für den Weltmeister gewesen, aber dieser Weltklassemann hielt den Elfer von Mutu und sein Team im Turnier. Aber was ist bloss aus diesem Weltmeister geworden!? Schwerste individuelle Fehler in der Abwehr, das Mittelfeld meist viel zu langsam und im Sturm ein Luca Toni, der in der ersten Hälfte einen gefährlichen Kopfball aufs Tor brachte und danach fast nicht mehr gesehen wurde. Die Azzuri sind in dieser Form höchstens europäische Mittelklasse und wenn sie im Endspiel gegen Frankreich nicht kräftig zulegen, ist der Weltmeister raus und Donadoni seinen Job los. Gleiches dürfte seinem bebrillten Zwillingsbruder Domenech blühen, dessen Mannschaft gegen die Holländer zwar gute Gelegenheiten, aber keine echte Chance hatte (alles klar?). Trotzdem wird das ein spannendes Endspiel in Gruppe C. Wenn dabei nicht am Ende die Muränen die lachenden Dritten sind...

Samstag ging es mit der Gruppe D weiter. Wie vorhergesehen war der zweite Auftritt der Chorizo-Brater schon erheblich weniger feurig als der Auftakt gegen die Russen. Aber es reichte trotzdem zum Sieg gegen die Schweden, die allzu sehr von Superstar Ibrahimsson abhängig sind. Beim 2:1 von Villa setzte sich Spritzigkeit gegen Behäbigkeit durch und die Spanier sind eine Runde weiter. Dennoch muss man vor Schweden den Hut ziehen. Trotz nur 9 Millionen Einwohnern und langen Wintern stellt dieses Land stets eine Mannschaft der oberen Mittelklasse in Europa, die auch mit traditionellen Fußballnationen wie Spanien mithalten kann. Da haben andere Länder mehr Einwohner und weniger Erfolg.
Abends waren wir dann gespannt auf Ottos neue Offensivtaktik gegen die Russen. Tatsächlich ging erheblich mehr nach vorn als beim Betonmischer-Wettbewerb am Dienstag. Leider treffen Ottos Stürmer vom Strand nicht das Mittelmeer. Und dann steht noch ein Georgios Cloonos im Tor, der sich irgendwie beim Baseball glaubte: "Huch, wo kommt denn der Ball geflogen?" Seine Teamkameraden schauten betroffen zu und Zyryanov erwies sich als Spielverderber. Das Aus für den Titelverteidiger, aber auch das Aus für Otto? Ich denke: Nein; in der Ottokratie kann nur Otto den Otto entlassen. Oder Beate. Vielleicht sollten wir die mal fragen...

Gestern abend gab es dann ganz grosses Kino. Nein, damit meine ich nicht "S** and the City". Wer diesen Schmonzes dem wahren Leben vorzog, tat eindeutig den Griff ins Klo. Was zählt, ist bekanntlich auf'm Platz, und der wollte gestern gut vorbereitet werden. Wohl dem, der sich rechtzeitig vor den letzten Gruppenspielen einen DVBT-Stick für den Computer besorgt hatte. Mit dem Laptop neben dem Fernseher oder dem Desktop-Rechner ließ sich sogar die Relativitätstheorie aushebeln: Zwei Spiele á 90 Minuten in nur gut eineinhalb Stunden gucken – wer kann das schon, außer uns gewieften Technikfreaks? Wozu haben wir schließlich zwei Augen? Das eine sah fröhlich stürmende Schweizer, die ihrem scheidenden Trainer eine glanzvolle Abschiedsvorstellung bereiteten. Die Sportugiesen wollten dem netten EM-Gastgeber nicht die Party versauen und schickten eine B-Elf aufs Feld, die ein wenig Fußball simulierte, beim nicht gegebenen Elfer nicht zu sehr protestierte, und nach dem Spiel schnell in den Stadionkatakomben verschwand. Die Schweizer feierten ihren auch privat vom Schicksal schwer gebeutelten Trainer. Topp Schwiiz! Das kleine Land und seine Mannschaft haben uns bisher ein schönes Fußballfest bereitet. Ich hätte beiden ein Weiterkommen gegönnt.
Das andere Auge sah aber – Holländer hin, Spanier und Sportugiesen her – das bisher spektakulärste Ereignis dieser Europameisterschaft. Dabei war der Sieg der Türken kein Fußballwunder. Wer wirklich etwas vom Fußball versteht, der weiß, dass Spiele so laufen können, und manchmal sogar müssen. Der Fußballgott hatte gestern beschlossen, dass der unglaubliche Kampfgeist der Türken belohnt werden sollte, und das war gut so. Kleki Petra auf der tschechischen Bank musste ohnmächtig ansehen, wie seinem Team das Spiel aus der Hand glitt, weil die Türken sich in einen Adrenalin-Rausch steigerten, absolut jedem Ball hinterherliefen und absolut jeden Zweikampf unbedingt gewinnen wollten. Der katastrophale Fehler von Cech war dann die weiße Fahne und das 2:3 eine Art selbsterfüllende Prophezeiung der Tschechen, deren Moral längst gebrochen war. Die Türken durften feiern. Wie weit werden sie diesmal kommen? Höchstens bis Wien, da war bisher immer Schluss...

Apropos "Wien". Gleich geht's ja für die Ösis um alles. Cordoba? Ich kenne kein Cordoba! Und Bernd hat mich heute nachmittag daran erinnert: Den letzten Anschlusstreffer schossen die Österreicher doch 1938. Das ist ziemlich lange her...

Im Tippspiel erlebten viele am gestrigen Abend ihr persönliches Punkte-Cordoba. Die Spitzenreiter vom Wochenende stolperten mit den Tschechen und Klaus Dittmers konnte mit dem perfekten 3:2 Tipp die Führung übernehmen. Unfassbar wie das ganze Spiel! Aber gleich geht es weiter und gewonnen ist noch gar nichts.

Gruezi und Servus,
Robert



Kevins EM-Tagebuch – Teil 4

Donnerstag, 12.06.2008

21:30 Uhr: Was für ein Auftritt von mir in der 80. Minute! Kaum stehe ich geschlagene fünf Minuten einwechselbereit an der Außenlinie, werden die Jungs noch mal so richtig munter. Hatten wahrscheinlich alle die Hosen gestrichen voll, dass Jogi sie vom Platz holt. Der hatte wirklich schon Katzenmeier, Nöwill und das 10-köpfige Zeugwart-Team von der Bank gejagt, um so richtig Platz zu schaffen. Als er dem UEFA-Fuzzi mit der ADAC-Weste, der uns Reservisten immer so blöde die Sicht versaut, seinen Wunschzettel mit den 11 Namen geben wollte, fiel ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass das heute ja gar kein Freundschaftsspiel ist, obwohl wir wirklich so gespielt haben. Nun wurde das leider nichts mit der geplanten Heavy-Rotation. Jetzt musste ich es natürlich wieder mal alleine richten. Aber ich kann gut damit um. Als Poldi mich in voller Größe so stehen sieht, schießt der doch in dem Moment vor Schreck glatt mal wieder ein Picker-Törchen. Jogi sagt dazu „poschitiefer Druck“. Das soll mir mal einer nachmachen: Noch gar nicht auf’m Platz und schon ein zumindest transzendentaler Tor-Assist oder wie man das heutzutage nennt.
Dann durfte ich noch 10 Minuten auf dem Klagenfurter Acker zeigen, dass ich im Prinzip ein echter Weltstar bin. Klar, dass mich die Idioten nicht anspielen wollten, sonst hätte ich sie ja alle in den Schatten gestellt. Hat aber auch ohne Ball jede Menge Spaß gemacht. Der Kovac hat mir ein paar neue schmutzige Witze erzählt. Das haben die Balkanskis wirklich cool drauf. Die kannte ich noch gar nicht. Leider habe ich sie schon wieder vergessen. Das nächste Mal denke ich an Füllfederhalter und Spickzettel – Notebook auf’m Platz ist mir zu sperrig. Kaum hatte ich mich fett abgelacht, war das Spiel – schwupp – auch schon vorbei. Schweini hatte uns kurz zuvor noch mal animiert, die Kroaten mal so richtig nach allen Regeln der Kunst abzuledern. Hatte aber irgendwie keiner Bock drauf. Die meisten von denen haben doch noch echte Kriegserfahrung mit Häuserkampf und so. Ich lass mir doch nicht mein schönes Gesicht wegen so was Sinnlosem zermangeln. Schweini ist dann aber noch solo schwer aktiv geworden. Hat dann auch sofort prima geklappt mit der roten Karte. Das muss man ihm wirklich lassen: Respekt! Alles in allem doch eine recht solide Leistung von uns allen. Erstens kann man nicht immer gewinnen. Zweitens sehen es die anderen nicht gerne, wenn wir immer gewinnen. Drittens muss man sich seine Kräfte richtig einteilen – das Turnier geht noch über viele Wochen. Und viertens liegen uns die Portugiesen ohnehin wesentlich besser als die Türken oder Tschechen. Das hat uns Erich Ribbeck vorhin im Kabinentrakt noch mal im O-Ton bestätigt.


Freitag, 13.06.2008

10:00 Uhr: Mannschaftsbesprechung: Jogi denkt positiv und zählt uns Punkt für Punkt unsere Stärken auf. Leider gucke ich just in dem Moment aus dem Fenster und verpasse so diesen wichtigen Teil. Dann schauen wir uns noch mal unser ganzes Spiel auf der Großbildleinwand in voller Länge an. Poldi bestellt spontan ’ne Runde Popcorn in 10-Kilo-Eimern – echt lecker! Nach ’ner Viertelstunde schlafen die meisten in den fetten Ledersesseln. Sie haben aber auch nichts verpasst. Es steht zum Glück immer noch 0:0. Warum sind diese Kroaten nur solche Spielverderber? Wir sind doch die Favoriten – bei jedem Turnier. Das steht zumindest in dem Hirtenbrief drin, den uns Uwe Seeler vorher immer zusammen mit ein paar Adidas-Socken schickt. Jogi-Cheffe scheint doch wegen gestern etwas angefressen zu sein. Traut man ihm gar nicht zu. Marcell hockt wie ein Häufchen Elend in der ersten Reihe und bekommt einen Weinkrampf. Metze ist gar nicht erst da. Den hat Jogi vorhin gleich zum Frisör geschickt, damit er sich endlich seinen megafiesen Bart abrasiert. Er hasst Bartträger auf der Reservebank. Lehmann schimpft immer noch auf den Ball und Ballack auf Schieds- und Linienrichter. Wahrscheinlich gibt es gegen die Ösis am Montag eine ganz neue Mannschaft. Wir dürfen zumindest unsere Wünsche hierfür schriftlich äußern. Jogi sammelt die Zettel wieder ein und pinnt die neue Aufstellung an die Wand. Im Tor steht Turek. Die Abwehr bilden Beckenbauer, Willi Schulz, Höttges, Breitner und Kohler. Im Mittelfeld spielen Fritz Walter, Overath und Netzer. Vorne stürmen dann Gerd Müller, Völler und Horst Hrubesch. Wir sehen ein, dass uns das aktuell nicht wesentlich weiter hilft. Die Stimmung ist gedrückt. Jogi gibt aber nicht auf und versucht es jetzt mit Statistik: Wir Deutsche haben doch noch nie bei einem wichtigen Turnier gegen Österreich verloren. Wir einigen uns mit klarer Mehrheit darauf, dass 1978 kein wichtiges Turnier war. Dann versucht er es mit Psychologie: Er spricht langsam und gebetsmühlenartig vom nunmehr bevorstehenden Endspiel gegen Österreich. Hab ich da etwa regeltechnisch was verpasst? Wenn wir jetzt im Finale gegen die Walzer-Kicker gewinnen, sind wir dann automatisch Europameister? Vielleicht wird das Turnier danach einfach abgebrochen – fertig – basta finito! Es gibt ja auch den Kurzsatz im Tischtennis oder Sudden Death beim Eishockey. Diese frohe Kunde entzückt mein Fußballer-Herz. Nur noch ein Spiel und es geht endlich wieder nach Hause zu meinem Frisör, meiner Mutter, meinem Berater und den vielen Nutella-Gläsern im Schrank. Jetzt braucht Jogi mich nur noch als ultimative Spitze aufzustellen und die Welt ist fett in Ordnung. Kevin allein im Strafraum – das wäre doch mal was!

(heimlich abgeschrieben von Bernd)


Borkos Einwurf vom 13.06.2008

Hi Präsi Fünfziger,

entscheidend ist auf'm Platz; das unbedingt zutreffende Lied, dass die größten Experten beim Tippen sich konstant durch hauchdünne Knappdanebenfehleinschätzungen hervortun, was selbstverständlich daran liegt, dass die Leistungsfähigkeit der Teams exakt eingeschätzt wurde und nur die Imponderabilien, die unser Sport so mit sich bringt, außer Acht gelassen wurden...
Kurzum, wie war dass noch mit der reziproken Beziehung zwischen der Größe der Knollenfrucht...?
Aber lassen wir das, sonst heißt es am Ende noch, ich sei ein schlechter Verlierer, obschon ich uns doch nur Tatsachen in Erinnerung rufe.
Wie es so ausschaut, muß ich mich wohl für dieses Mal geschlagen geben - anders als auf der Wiese erlebst Du mich hier aber nicht kämpferisch, ich habe die Hoffnung auf Besserung aufgegeben. Allerdings muß man sich in so einer vertrackten Situation neue Ziele setzen: Besser die rote Laterne in Händen halten, als mit leeren dazustehen. Deinen gestrigen Vorschlag aufgreifend, werde ich in die zum nächsten Turnier die Würfel nehmen (vierseitig mit 0) - mein unausweichlicher Triumpf wird dazu geeignet sein, die obigen Thesen eindrucksvoll zu untermauern.

Unsportliche Grüße

vom Laternenhalter (Hört sich das etwa so ähnlich an wie "Armleuchter"?)



EM-Kommentar vom 13.06.2008


Tja, die Bäume wachsen nicht in den Himmel und die Kroaten sind keine Polen. Damit ist zum Spiel am gestrigen frühen Abend fast alles gesagt. Wer geglaubt hatte, man könne die Balkankicker ebenso locker ausspielen wie die uns stets wohlgesonnenen Nachbarn aus dem Osten, der hatte sich nicht richtig informiert. Jugoslawen, Serben, Kroaten – das waren fast immer äußerst unangenehme Gegner, nie leicht auszuspielen, technisch immer richtig gut, dazu taktisch bestens geschult und (wenn es sein musste) mit einer Zweikampfhärte bis knapp unter die Brutalitätsgrenze ausgestattet. Aber letzteres war gestern gar nicht notwendig. Dazu hatten es die Freunde Zivkovics zu leicht. Marcell „Huch, wo ist denn mein Gegenspieler?“ Jansen fehlte links jegliche Orientierung, Clemens Fritz hatte rechts riesige Probleme, der deutsche Sturm war ein laues Lüftchen und der zur unumstrittenen Führungsperönlichkeit hochsterilisierte Ballack fiel nur bei Diskussionen mit dem Schiedsrichter auf. Wo war sein „Ärmel-Hochkrempeln“, wo war ein eches Aufbäumen der deutschen Mannschaft? Nach dem Anschlusstreffer gab es viel Aktionismus und Hektik, aber immer noch erschreckende Probleme bei Ballannahme und Passspiel, vor allem aber keine wirklichen Ideen, wie man die Kroatenabwehr knacken könnte. Jogis Wechseltaktik war da auch keine Hilfe: Odonkor sollte erst auf der rechten Seite Dampf machen, musste schließlich aber sogar Außenverteidiger spielen – nicht gerade seine Stammposition. Was sollte das? Das deutsche Kombinationsspiel mag insgesamt gegen die eher kampf- als spielstarken Polen funktioniert haben – gestern fehlten Präzision und Timing bei fast allen Anspielen in die Spitze. Fast alles ging bei Kroaten besser, fast nichts klappte bei den Deutschen so richtig, außer Poldis Schusstechnik mit dem linken Fuß. Aber das hat bei weitem nicht gereicht. Für Montag muss eine deutliche Steigerung her, sonst ist schon in der Vorrunde Schluss.

Abends übernahm dann das Schicksal die Regie. Was die Österreicher da in Wien fabrizierten, war lachhaft bis Mitleid erregend, aber mehr auch nicht. Wenn man beim Stand von 0:0 drei mal allein auf den gegnerischen Torwart zuläuft und die Pille nicht ins Netz bekommt, dann kassiert man irgendwie zwangsläufig selbst ein Ding, das ist die bekannte Fußballlogik. Abseits hin oder her, beim 0:1 standen acht(!) Österreicher im Strafraum gegen zwei Polen. So ein Tor darf einfach nicht fallen! Danach wieder nur rennende und kämpfende Ösis, aber ihre Zuspiele hatten bestenfalls mittleres Zweitliga-Niveau. Jeden Moment musste man mit dem 2:0 der immer besser werdenden Polen rechnen, die dann den Sieg und ein Entscheidungsspiel gegen die Krokoaten in der Tasche gehabt hätten. Aber der Fußballgott erbarmte sich des EM-Gastgebers und wollt’ des noch a bisserl spannend machen. Den Elfmeter in der 93. Minute verwandelte Vastic traumhaft sicher, die Zuschauer lagen sich in den Armen, Wien tanzte Walzer, Falco sang "Wir sind die Helden von heut'" und der Wiener „Kurier“ wird jetzt die Österreicher zum Fast-Schon-Europameister ausrufen. Friede, Freude, Kaiserschmarrn. Was für a herrliche Seifenoper! I werd’ narrisch!

Ich muss zugeben, dass ich den Ösis zum Schluss nix mehr zugetraut hatte. Also zu Beginn der Nachspielzeit 0:1 in die Excel-Tabelle eingeben, das Makro zur Tabellensortierung gestartet und mit Schrecken festgestellt, dass ich auf Platz 14 abgerutscht war. Oh, Graus! Jan Helmke lag vorn, Frau und Tochter hatten mich locker überholt, ein Debakel drohte. Es war, als hätte Freitag der 13. hatte schon am Vorabend zugeschlagen. Aber dann hatte der Fussballgott ein Einsehen, schenkte den Ösis einen Strafstoß, den wahrlich nicht jeder Schiri pfeift, und ...  - alles wurde wieder gut, nicht nur in Wien. So bleibt Johannes vorn und hat jetzt schon 6 Punkte Vorsprung auf die prämienfreien Plätze. Unten hat Borko offenbar den ernsthaften Plan gefasst, den Kampf um die Rote Laterne mit (seiner?) Perle auszufechten. Ist das ein angemessenes Ziel für Dich, Borko?

Gruezi und Servus,
Robert



EM-Kommentar vom 12.06.2008

Gestern wurde mir vom Kollegen Jochen so etwas wie "Altersweisheit" unterstellt, weil ich Freude über den erfolgreichen Offensivfußball bei dieser EM äußerte. Diesen Vorwurf muss ich mit Entschiedenheit zurückweisen! Wenn ich auch in diesem Jahr auf die Italiener als zukünftige Titelträger getippt habe, so entspricht dies nicht unbedingt meinem Wunsch, sondern stellt nur eine realistische Einschätzung der Qualitäten der angetretenen Mannschaften dar. Abgerechnet wird ja erst im Finale. Wie gut die individuellen Fähigkeit bei der genannten Einschätzung jeweils sind, läßt sich ja schwarz auf grün in der Tippspieltabelle ablesen. Von irgendwelchen Leuten aus dem Niemandsland der Tabelle lasse ich mir da doch nichts erzählen! (hö, hö, hö :-). Und sollte ich jemals die Fußballkunst der Azzuris gepriesen haben: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? :-)

Apropos "gestern": Trotz erbitterter Gegenwehr der Tschechen fuhr Sportugal gestern den zweiten Sieg ein. Beide Mannschaften zeigten wiederum schönen Tempofussball und hohen körperlichen Einsatz, aber die Sportugiesen waren in den entscheidenden Situationen eben oft einen Tick schneller. Auch Frauenschwarm Ronaldo kam fußballerisch und optisch besser zur Geltung als noch gegen die Türkei. Der Flachschuss zum 2:1 war eiskalt und knallhart, die Vorbereitung zum 3:1 wohl überlegt und uneigennützig. Die meisten Südländer hätten da wohl selbst abgezogen, um sich hinterher feiern zu lassen, aber Ronaldo sah den besser postierten Mitspieler und legte lieber gut auf. Respekt! Der junge Mann hat frühzeitig die richtige Entscheidung getroffen und ist nach England gegangen. Statt in Spanien oder Italien an technischen Mätzchen zu feilen, ist er auf der Insel zum Mannschaftsspieler gereift. Man kann ihm nur raten, dort zu bleiben. Gene Hackman auf der Trainerbank der Sportugiesen schafft es offenbar, die individuellen Fähigkeiten seiner Einzelspieler bestens in das Gesamtkonzept einzupassen. Der Mann liefert stets gute Arbeit ab, die nun in den nächsten Jahren von Abramowitsch sicher auch fürstlich honoriert wird.

Ab 20:45h wechselte das ZDF die Sportart und zeigte uns Wasserball. Das war ausnahmsweise höchstgradig unterhaltsam, weil der Kampf Mann gegen Mann überwiegend über der Wasseroberfläche stattfand. Es ging hin und her, man schenkte sich nichts, aber trotz der schweizerisch-türkischen Vorgeschichte blieb das Spiel fair. Die Schweizer konnten einem am Ende leid tun, denn sie waren sicher nicht schlechter als die Türken, die nun im Gruppenendspiel gegen Tschechien um den Einzug ins Viertelfinale kämpfen können.

In die Spitzengruppe der Tippspieltabelle konnten Jan Helmke, Michael Rolda und Volker Schwarz einziehen, die gestern im Wasserballspiel jeweils 4 Punkte einheimsten, während gut drei Viertel der Tippgemeinde eine Nullnummer zu beklagen hatte. Dank 2 Punkten aus dem ersten Spiel konnte mein Lieblingsneffe seine Führung verteidigen. Am Tabellenende blieb alles beim Alten. Ich überlege mir, ob ich zur Flasche Rotkäppchensekt nicht noch 2 Würfel verschenken sollte, damit es bei der nächsten WM besser klappt....

Gruezi und Servus,
Robert



Kevins EM-Tagebuch – Teil 3

Dienstag, 10.06.2008

11:00 Uhr: Training in Tenero: Jogi lässt vier gegen drei spielen. Bilde wieder mit Arne, Tim und Marcell als „Nutella-Connection“ das absolute Dream-Team. Es geht gegen unsere drei Polen und wir spielen den EM-Auftakt noch mal nach. Das soll uns mental entlasten hat uns unser Nervencoach Hermann erzählt. Poldi tut sich schwer damit und heult immer noch bei jedem Tor, das er schießt, herum. Der Schrat hat noch gar nicht begriffen, dass er heute mal als richtiger Pole gegen uns spielen darf. Er läuft dafür immer noch in dem stinkenden roten Trikot von Lewandowki rum. Ich glaube, der hat sogar damit geschlafen. Jedenfalls sollen sich die Zimmermädels gestern Nacht geweigert haben, mit ihm noch ’ne zornige Partie Strip-Poker zu spielen. Haben mir jedenfalls Troche und Klose während unseres Kicks verraten. Am Ende verlieren wir unglücklich gegen die Polen, weil Arne nicht aufhören will, sein angeblich so geiles Tor, von dem er immer beim Frühstück schwärmt, zu wiederholen. Dabei gibt es nichts zu wiederholen. Der Ball landet immer wieder nur im eigenen Netz. Jogi-Cheffe guckt schon ganz böse und wird den armen Arne wohl endgültig aus seinem Notizbuch streichen. Mir kommen fast die Tränen! Zum Schluss gibt’s zur Entspannung aber noch mal ’ne geile Hauerei gegen die Polskis. Tim gibt Troche eins in die Klöten, Klose grätscht den Marcell von hinten richtig fies um und ich fetze Poldi seinen roten Wischlappen mit der Nummer 18 vom Pelz. Schluss mit der Polen-Maskerade! Ein bisschen Spaß muss eben sein! Jogi findet das aber gar nicht komisch und will sich nachher eine richtig harte Strafe für uns überlegen. Ob meine Chancen für Kroatien nun wieder sinken?

21:30 Uhr: Jogi hat das Strafmaß verkündet. Es ist viel schlimmer gekommen, als wir alle gedacht haben. Stubenarrest oder gestrichener Nachtisch wären ja noch in Ordnung gewesen. Aber Cheffe ist unerbittlich, obwohl wir alle sieben Mann flehend vor ihm knien. Wir müssen tatsächlich das Spiel Griechenland gegen Schweden bis zum Ende glotzen. Uns dreht sich der Magen um! Jogi legt noch einen drauf: Bei Wiederholungstaten gibt’s noch alle jemals noch folgenden „Waldis EM-Clubs“ und als Höchststrafe auch die beiden letzten Spiele des irgendwie noch amtierenden Europameisters obendrauf. Dass ein Trainer so brutal sein kann! Immerhin sehe ich aber, dass der Schweden-Jugo auch nur mit Wasser kocht. Zwölf Millionen im Jahr soll der Wert sein? Was soll ich mir bei so ’nem Scheißverein wie Inter meinen Charakter versauen? Ich sims noch mal meinen Berater an, ob sich die Jungs von Manchester heute schon gemeldet haben ...


Mittwoch, 11.06.2008

1:00 Uhr: Jetzt reicht’s wirklich! Will gerade ins Bett, ziehe die Bettdecke hoch, lege mich hin und kriege die Krätze. Pieksige Krümel ohne Ende. Als ich meine Schreiattacke kriege, höre ich nebenan Poldi und Schweini wiehern vor Lachen. Diese Asis haben mir wirklich beutelweise zerbröselten Zwieback als Einstreu ins Bett verpasst. Jetzt ist der Bock fett! Ich rufe die Nachtschwester zum Bettenwechsel. Als sie im Zimmer steht, leuchten meine Ohren rot an: Gar nicht schlecht die Tante. Manchmal löst sich doch alles in Wohlgefallen auf. Als ich sie frage, ob sie noch was Wichtiges vorhat, sagt die Ziege aber nur: „Lern erstmal unfallfrei sprechen, du Reverve-Spacko, bevor du große Mädels anbaggerst!“ Immerhin hat sie mir noch das Bett frisch bezogen – besser als gar nichts. Ich wollte mich sowieso voll auf mein großes Spiel am Donnerstag konzentrieren.
 
14:00 Uhr: Wir sind wieder in Klagenfurt gelandet. Das Wetter ist Scheiße, aber das kennen wir schon. Zum Glück habe ich mir ’ne große Dose Dreiwettertaft auf die Tolle gesprüht. Beim Aussteigen aus dem Flieger beschweren sich die Jungs. Lehmann ist wieder am lautesten und tönt, ich rieche wie ’ne brasilianische Schwuchtel. Warum muss der immer so eine miese Laune haben? Das geht so, seit  Wenger ihn in die stille Ecke gestellt hat und er keinen richtigen Ball mehr zu fassen kriegt. Zum Glück ist nach der EM Schluss damit – Kahn haben wir ja auch überstanden. Warum nimmt Jogi nicht mal so ’nen witzigen Keeper mit wie früher Sepp Maier, der im Spiel auf Entenjagd ging oder Kleff, der immer Otto Waalkes mimte? Aber mich fragt ja keiner. Aber egal – morgen wird mein ganz großer Tag – großes Brasilianer-Ehrenwort!

(heimlich abgeschrieben von Bernd)



EM-Kommentar vom 11.06.2008

Die erste Runde ist durch, wir haben alle Mannschaften gesehen. Und es gibt Erfreuliches zu berichten, denn gewonnen hat der Offensivfussball. Portugal, Deutschland, Niederlande und Spanien: Wer wagt, gewinnt! – und das sogar deutlich. Das macht Mut für den weiteren Verlauf des Turniers.

Gestern gab es den üblichen Vorrundenwirbel der Spanier, die bei fast jedem Turnier der letzten 20 Jahre in den ersten Spielen tollen Fußball zeigten (4:0 bei der WM gegen die Ukraine!), aber dann spätestens im Viertelfinale ihr Pulver verschossen hatten. Den jungen Russen zeigten die Chorizos, wo die Wurst gewachsen ist. Großartige Technik, Kurzpassspiel auf engstem Raum und perfektes Timing beim Anspiel auf die durchstartenden Stürmer – das war alles richtig klasse! Beim 3:0 zeigte David Villa, dass er nicht nur ein guter Chancenverwerter ist, sondern auch mal im 1:1 einen Gegner austanzen kann. Stürmer wie Villa und Torres sind Gold wert, vor allem in Spielen mit weniger Möglichkeiten als die Russen heute zuließen. Ein Raúl wird nicht mehr gebraucht, auch wenn er erst 30 Jahre alt ist und mal der vielleicht kompletteste Stürmer der Welt war. Welche Mannschaft kann sich das schon leisten?
Die Russen waren nicht so übel wie das Ergebnis vielleicht andeutet, nur ließen sich die Innenverteidiger von den Spaniern abzocken wie Metzelder in den deutschen Vorbereitungsspielen. Im Mittelfeld und Sturm lief der Ball ganz gefällig, aber zu selten schnell genug, um die Spanier in Gefahr zu bringen. Aber diese russische Mannschaft ist sicher lernfähig und ich traue ihr ein Weiterkommen gegen Schweden und Griechenland durchaus zu.

Wer am späteren Abend irgendeiner angenehmen Beschäftigung nachgehen konnte und nicht wie unsereiner Fußball gucken musste, durfte sich herzlich gratulieren. Noch nach einer Stunde lautete das Fazit: "Danke für gar nichts!". Rehakles' alternde Europameister von 2004 rührten dermaßen harten Stahlbeton an, dass phasenweise das Flattern der Eckfahnen die einzig bemerkenswerte Bewegung auf dem grünen Rasen darstellte. Das erinnerte fatal an Gijon 1982: Die Schweden warteten an der Mittellinie und die griechische Abwehr schob seelenruhig mitten in der eigenen Hälfte den Ball hin und her. Und hin. Und her. Und hin. Und her. Zum Einschlafen! Bei eigenem Ballbesitz waren die Schweden zwar etwas aktiver, aber das Offensivspiel hatten die Nordmänner ja noch nie erfunden – entsprechend behäbig war auch ihr Spielaufbau. Das ganze Spiel hätten wir mit dem Abpfiff aus unserem Gedächtnis streichen können, wenn nicht noch 3 erinnernswerte Dinge passiert wären:
1.    Der über eine Stunde von Kyrgiakos fast zugedeckte Ibrahimsson schoss nach feinem Doppelpass ein wunderschönes Tor. Ein Schuss wie ein Strich, unhaltbar abgezogen mit dem rechten Fuss, obwohl es mit dem linken sogar noch einfacher gewesen wäre. Da konnte man sehen, wieso er bei Inter Mailand jetzt 11 Millionen Euro pro Jahr verdient.
2.    Das 2:0 wurde ins Tor hineingestolpert durch eine Koproduktion von Petter Hansson und einem griechischen Verteidiger, so dass Georgios Cloonos im griechischen Tor am Ende nur noch traurig mit dem Ball in der Hand hinter der Linie saß. Armer Kerl!
3.    Ein Interview mit Ionnis Amanatidis, der sich trotz wirrer Satzkonstruktionen und gestammelter Phrasen fast um Kopf und Kragen redete, weil er Ottos Defensivtaktik kritisieren wollte, sich aber nicht richtig traute.
So gewannen die Schweden schliesslich verdient 3 Punkte und Otto die Erfahrung, dass man bei dieser(!) Europameisterschaft ohne Angriff wohl keine Tore schießen kann. 2004 in Portugal hatte das ja noch geklappt.

Bei unserem Tippspiel hat Julian Witt durch sein Vertrauen in den schwedischen Superstar Ibrahimsson die Führung übernehmen können. Ein breites Verfolgerfeld bleibt ihm aber auf den Fersen. Ganz unten versammelt sich inzwischen ein illustres Grüppchen von Hebbelkickern und Anhang im Kampf um die Rote Laterne. Selbst mit Würfeln hätte jeder Ausserirdische ein besseres Ergebnis hinbekommen. Unglaublich!

Gruezi und Servus,
Robert



EM-Kommentar vom 10.06.2008

Das Eröffnungswochenende der EM hat Spaß gemacht. Vier interessante Spiele, die lange spannend blieben. Wenn es so weiter geht, erleben wir ein Turnier mit wenig Langeweile. O.k., o.k, man darf ja wohl auch in meinem Alter noch Träume haben...
Jetzt steht uns erst einmal eine harte Woche bevor. Das Wochenende gab schon mal einen Vorgeschmack: Jeden Tag mindestens 7 Stunden Fussball, inklusive Vorberichte, Werbefilmchen, Liveübertragung, Interviews, Detaildiskussionen und zum schrecklichen Schluss noch die grässliche Comedyverwurstung in „Nachgetreten“. Von letzterer habe ich bisher jeweils höchsten 10 Minuten ertragen können. Danach fielen mir immer Fernbedienung und Bierglas aus der Hand und die Augenlider runter. Ziemlich lästig, wenn man hinterher alles aufwischen muss...

Das Eröffnungsspiel bescherte uns bereits das berühmte „Bild des Turniers“: Der heulende Schweizer Kapitän Alex Frei humpelt von zwei Sanitätern gestützt vom Feld, fast wie weiland Uwe Seeler nach dem EM-Finale 1966 in Wembley. Ein Bild mit Symbolkraft: Bis zur Erschöpfung gekämpft, alles gegeben, und vom Schiedsrichter um den Lohn gebracht worden. Ja, das ist bitter. Wer wüsste das besser als wir Deutsche? Die Tschechen werden das andersherum sehen: Manchmal reicht eine Torchance, um ein Spiel zu gewinnen. David Jarolim hat wohl im April im Spiel gegen meine Königsblauen gut aufgepasst....

Den Samstagabend versüßten uns dann die Sportugiesen mit technisch anspruchsvollem Offensivfussball gegen bemühte, aber am Ende doch eher hilflose Türken. Das 2:0 war ein wunderschön herausgespieltes und technisch perfekt vorbereitetes Tor und ganz sicher hochverdient. Ronaldo & Co wirkten als echte Spaßbremsen für die türkische Fussball-Euphorie vom Nachmittag. Als ich gegen Mitternacht mit dem Fahrrad durch Gaarden nach Hause fuhr, war dort jedenfalls Tote Hose...

Als Vorspeise zum abendlichen Hauptgang traten am Sonntag bereits um 18:00 Uhr die Teams aus Österreich-Ungarn an. Herr Aufhäuser haute gleich in der 3. Minute so dermaßen dämlich den Olic um, dass den Krokoaten damit das entscheidende Tor quasi auf dem Silbertablett serviert wurde. Danach sahen wir jede Menge Aktionismus der Ösis mit großem Einsatz und viel Gerenne, doch kam dabei bis auf ein paar höchstens mittelmäßige Torschüsse nix heraus. Wenn niemand fähig ist, das letzte Anspiel vor dem gegnerischen Tor auch mal an den eigenen Mann zu bringen, dann kann man so ein Spiel auch nicht gewinnen. Hier haben wir einen echten Favoriten für den "Wenigste Tore"-Tipp gesehen.

Abends schlug Poldi dann die Polski, wie die BLÖD-Zeitung gestern titelte. Die polnischen Schlachtermeister werden sich weiter gedulden müssen. Nach Tannenberg 1410 hat es über 500 Jahre bis 1945 zum nächsten Sieg der Polen über Deutschland gedauert - sie sind also das Warten gewöhnt.

Gestern gab es am frühen Abend dann zum ersten Mal EM-Schmalkost. Den Franzosen fiel kein probates Mittel ein, um den Abwehrriegel der Muränen zu knacken. Diese agierten wiederum insgesamt zu vorsichtig, um selbst zum Erfolg zu kommen. Man darf gespannt sein, ob sich Spagettikauer und Wohnwagenfahrer schlauer anstellen. Diese Muränen sind eine unangenehm zu spielende Mannschaft und womöglich mit ihrer starken Defensive fähig, in der "Todesgruppe" für eine echte Überraschung zu sorgen.

Den ersten Knaller gab es dann gestern am späten Abend. In den Chiantikneipen vom Nordkapp bis Cäzilien gingen die Lampen aus, als der holländische Angriffswirbel die neuformierte Innenverteidigung der Spagettis in Einzelteile zerlegte. Mag sein, dass die Azzuri mit Cannavaro hinten stabiler gewesen wären, aber ohne ihn war die Defensive ein Hühnerhaufen. Ohne Buffon im Tor hätte es durchaus ein halbes Dutzend Gegentore geben können - vor dieser EM eine geradezu wahnwitzige Vorstellung! Nach der gestrigen großartigen Leistung sind die Holländer auf einmal klarer Favorit in dieser Gruppe. Ob ihnen das guttut, wird sich noch zeigen. Oft genug sind sie schließlich am eigenen übersteigerten Selbstbewusstsein gescheitert...


In unserem Tippspiel hat sich naturgemäß noch keine echte Spitzengruppe absetzen können. Nur ein Zehntel aller Tipper hatte den Holländern einen Sieg zugetraut – selbst unser Quotenholländer Jeroen hatte nur ein müdes 1:1 getippt. So konnte mein Lieblingsneffe seine Führung über den Montag retten. Ganz unten in der Tabelle findet sich die katastrophale Bilanz einiger sogenannter "Fußballexperten", die mir sonst immer gern die Welt des runden Leders erklären wollen. Aber auch hier gibt es Hoffnung: Noch 25 Spiele liegen vor uns, noch 115 Punkte gibt es zu gewinnen...

Gruezi und Servus,
Robert



Kevins EM-Tagebuch – Teil 2


Sonntag, 08.06.2008

23:00 Uhr: Mein erster EM-Auftritt. Und was für einer! 2:0 gespielt und alle Zweikämpfe gewonnen. Nun ja – der Jogi hat sich ja ziemlich viel Zeit mit der Einwechslung gelassen. Ich hab’ ihn aber vorher alle zehn Minuten gefragt, ob ich denn nicht bald rein darf. Der Pole und der Spanier vorne haben ja nichts gebacken gekriegt. Beharrlichkeit zahlt sich eben aus. Es passte dann wirklich alles zusammen und ich wurde hinterher von der Sportredaktion der „Klagenfurter Allgemeinen“ zum besten Einwechselspieler der gesamten Nachspielzeit gewählt. Geile Sache – endlich mal Journalisten mit Ahnung. Das ist ein Riesenerfolg für mich und ganz Fußballdeutschland. Ich danke meinem Frisör, meiner Mutter, meinem Berater, Ferrero Deutschland und allen Fans, die an mich geglaubt haben. Ich finde, man muss immer an sich glauben und es zählen nicht nur billig erzielte Tore. Poldi hat hinterher doch gleich wieder einen auf dicken Max gemacht, dabei hat der die zwei Pickerdinger doch vorher am Pokertisch mit seinen eigentlichen Landsleuten ausgekungelt. Für’n paar fette Euros oder ’n Satz Winterreifen vertickern die sogar ihre Großmutter. Poldi und der andere Pole haben doch vorm Spiel aus Versehen sogar die falsche Hymne mitgesungen. Echt peinlich! Fairer Weise muss ich aber zugeben, dass ich unser Deutschland-Lied auch noch ziemlich üben muss. „Deutschland, Deutschland über alles“ geht ja noch. Aber besonders die Stelle mit „Blüh’ im Glanze dieses Glückes“ geht scheiße schwer über meine Zunge. Der Jens muss mir dann immer seinen Spickzettel aus dem Stutzen ziehen, damit ich nicht so krass auffalle. Deshalb ist das gar nicht so schlimm, dass ich immer fein auf der Bank sitze. Da kann ich in Ruhe meine Haare kämmen, ziehe mir geile Hard-Core-Mucke über meine Ohrstöpsel rein und muss nicht am Mittelkreis aus direkter Nähe diese ewigen Blaskapellen oder irgendwelche Jaultussis ertragen.


Montag, 09.06.2008

15:00 Uhr: Bin gerade aufgestanden und fühl mich irgendwie völlig gerädert. Wurde doch etwas später gestern Abend. Haben freien Tag heute – gewissermaßen Sonderurlaub wg. Sieg gestern. Jogi hat es richtig krachen lassen und mit Bierhoff die halbe Nacht Walzer getanzt. Was für ein Paar! Jetzt liegen sie in sauer. Die anderen hängen noch an der Hotelbar ab und singen dem Polen schräge Geburtstagsständchen als Endlosschleife. Katzenmeier klimpert dazu mit seinem Schlafzimmerblick „As time goes by“ auf dem Hotelklavier. Da kann ich gar nicht drauf. Sind doch nicht auf’m Kindergeburtstag hier. Heute bereite ich jedenfalls meinen zweiten starken Einsatz am Donnerstag vor. Fitness ist alles. Aber auch die Physis ist nicht zu unterschätzen. Deshalb spiele ich nachher mit unserem Ami-Drillmaster Mark noch ’ne solide Runde Gummi-Twist. Vielleicht darf ich dann gegen die Kroaten sogar fette fünf Minuten ran. Mühsam nährt sich eben die Beutelratte, wie man bei uns in Panama zu sagen pflegt!


(heimlich abgeschrieben von Bernd)



Kevins EM-Tagebuch – Teil 1


Samstag, 07.06.2008

9:00 Uhr: Habe wieder mal beschissen geschlafen. Poldi und Schweini haben nebenan die ganze Nacht Karten gezockt und mit den blöden Zimmermädchen rumgealbert. Finde ich echt fies von denen. Und dann noch dieses Grottenwetter hier in Opel Ascona. Im Prospekt – da ist vorne noch Vico Torriani drauf – steht, dass hier im Tessin immer fein die Sonne scheint. Pustekuchen! Geht mir ganz schön auf den Sack. Der Nobelschuppen ist ja sonst ganz in Ordnung. Auf Schalke kampieren wir  immer in trüben Landgasthöfen wegen Gelsenkirchener Barock und so. Aber egal – die EM kann heute losgehen. Und das Allerwichtigste: Ich bin dabei und in Super-Toppi-Form – und Jogi weiß das auch!

10:00 Uhr: Beim Frühstück haben sich Poldi und Schweini wieder mal vorgedrängelt. Finde das echt krass mies. Habe das sofort dem Jogi gemeldet. Der hat sich gleich bei mir dafür bedankt. „Dischtschiplin ischt allesch“ sagt der doch immer. Wenn ich dieses verdammte Wort nur richtig aussprechen könnte, ohne dass die anderen so scheiße lachen. Denke aber, dass ich jetzt richtig gute Karten beim Jogi-Cheffe hab. Sitze beim Frühstück mit Arne, Marcell und Tim zusammen wegen Nutella und so. Arne erklärt zum hundertsten Mal, wie er beim Training diesen Ball an die Latte und von da gegen den Pfosten und dann rein gemacht hat. Kann ich wirklich nicht mehr hören. Was hab ich schon alles für Tore gemacht – meistens unglaubliche Weltklassedinger. Aber man muss auch mal die Klappe halten können. Morgen gegen die Polen bin ich auf jeden Fall dabei. Dann werd ich’s allen zeigen. Das werde ich dem Cheffe heute noch mal sagen.

14:00 Uhr: Eben hat uns dieser komische Schweizer mit dem komplizierten Namen die Polen erklärt. Macht er immer so vor den Spielen mit Power-Point und Kino-Atmosphäre wie bei Indiana Jones. Ist nur nicht so spannend. Und dann dieser Scheiß-Akzent! Aber wir sollen ja auch was über das Land unseres nächsten Gegners erfahren. Wie dort die Autos geklaut werden zum Beispiel. Ist wichtig, um deren Mentalität zu verstehen. Werde meine Sachen in jedem Fall aus der Umkleide mit auf den Platz nehmen und dem Cheffe zum Aufpassen geben. Habe deswegen extra meinen großen Turnbeutel mit den Teletubbys vorne drauf von zu Hause mitgenommen. Die Polen können mich mal!

15:00 Uhr: Habe den Jogi-Cheffe gefragt, wer denn nun morgen mit mir zusammen vorne spielt. Er schwankt noch. Wahrscheinlich stellt er entweder den Polen oder den Spanier auf. Ist mir eigentlich auch egal. Am liebsten spiele ich aber mit Hanke zusammen. Der ist so richtig krass blind – dagegen sehe ich immer gut aus. Das tue ich aber sowieso. Scheiße – ich muss unbedingt noch mal meine Haare gelen!

18:00 Uhr: Wir sitzen alle zusammen in der Hotel-Lobby vor der großen Gemeinschaftsglotze. Es stinkt wie die Pest. Poldi hat wieder heimlich Chips gegessen und konnte dann nicht aufs Klo. Widerlich! Die Eröffnungsfeier fand ich ergreifend. Hätte fast geheult. Das wird mein Turnier! Da muss man seine Emotionen im Griff haben. Die Schweizer und Tschechen können eigentlich gar nichts. Was für ein scheiße Eröffnungsspiel. Habe meinen Ei-Pott aufgesetzt und konzentriere mich mit voll krasser Hipp-Hopp-Mucke lieber auf meinen Einsatz morgen.

23:00 Uhr: Hab mich gerade richtig geärgert. Was machen die im Fernsehen einen Wirbel um diesen Zweit-Ronaldo. Schlägt zwei, drei Haken, grinst blöde und lässt sich dann theatralisch fallen. Und der soll „Man of the Match“ gewesen sein. Dass ich nicht lache! Wenn die mich morgen Abend alle erst gesehen haben. Mein Berater hat mir gesagt, dass ManU bei ihm schon angerufen hat. Ronaldo will ja nach Real wegen der neuen Sprache oder so. Dann wäre ja da ein Plätzchen frei für mich. Old Trafford – ich komme! Hoffentlich schlafe ich diese Nacht besser.


Sonntag, 08.06.2008

9:00 Uhr: Ich hätte sie beide umbringen können! Das geht irgendwie gar nicht und das werde ich gleich auch dem Jogi sagen. Um drei bin ich wegen dem scheiße Lärm wieder aufgewacht. Dachte gleich an Poldi und Schweini. Kam aber diesmal vom Flur. Dort spielten die ewigen Reservisten Odonkor und Nöwill zigmal ihr Zufalls-Tor gegen die Polen nach, um fetten Eindruck beim Cheffe zu schinden. Wird ihnen aber nichts nutzen. Haben die neue Flatterpille aber nur im Büffetwagen versenkt. Hat echt krass gescheppert. Hat man denn nie seine Ruhe hier!

10:00 Uhr: Arne fängt wieder mit seinem Tor an. Unerträglich! Ich wechsle den Platz zu Merte und Metze. Dort kein Nutella auf dem Tisch. Man kann nicht alles haben. Metze sagt mir, dass in der Presse überall stehen soll, dass der Pole und der Spanier heute zusammen stürmen sollen. Kann ich mir gar nicht vorstellen. Hätte mir der Jogi doch gesagt. Was geht eigentlich ab hier? Rufe noch mal meinen Berater an. Der soll unbedingt nachher mit Theo sprechen, denn der ist doch immerhin Ober-Chef vom Cheffe. Sind alle voll komisch drauf heute. Poldi und Schweini kommen von hinten angeschlichen und rufen: „Kevin, sag mal ganz laut Weißrussland!“ Alle lachen jetzt voll krass ab. Ich tue einfach so, als hätte ich das gar nicht mitgekriegt und stell meinen Ei-Pott auf volle Dröhnung. Diese Idioten! Hinterher, wenn ich erst „Man of the Match“ geworden bin, werden sie wieder angeschissen kommen, um sich bei mir zu entschuldigen. Ich werde aber gnädig sein. Zum Ausgleich krieg ich dann bestimmt die Armbinde vom Ballack. Nachher gehe ich in jedem Fall zu Jogi und frage noch mal nach wegen heute Abend. Erstmal geht es nach dem Frühstück aber ab zum Frisör. Die Perücke muss schließlich supertoll in Fasson glänzen, wenn mir Milliarden Menschen bei der Arbeit zugucken!

(heimlich abgeschrieben von Bernd)


Kanalkommentar vom 08.06.2008

Kurzer Kommentar zu gestern: Typisches Eröffnungsspiel mit dem falschen Gewinner. Die Schweiz hätte mindestens ein Unentschieden verdient gehabt. Aber das Tore schießen haben sie nicht erfunden. Die Diskussion um den möglichen Elfer vor dem Lattenknaller ist müßig: Elfmeterschießen können die Eidgenossen erst recht nicht! Vor den Tschechen muss man aber sicherlich keine Angst haben.

Zweites Spiel: Für die Türken gilt das gleiche wie für die Schweizer. Nur dass die Portugiesen wirklich hochverdient gewonnen haben. Die Spielweise ist eigentlich gar nicht so spektakulär, so dass man meinen könnte: „Die kochen auch nur mit Wasser.“ Wenn unsere Kicker aber ähnlich gespielt hätten wie gestern Portugal würde heute die BLÖD-Zeitung vom sicheren EM-Sieg titeln. Das war einfach nur gut organisiert und individuell stark. Wenn man noch Steigerungspotenzial annimmt, ist Portugal ein ganz heißer Titelanwärter. Aber Vorsicht – das waren sie schon oft in Vorrunden und dann hat es doch nicht zum ganz großen Erfolg gereicht.

Mal sehen was unsere Edelkicker heute Abend so zeigen können. Wird eine ganz enge Kiste. Gegen Polen wird aber ab 20:45 Uhr zurückgeschossen!

Bernd



EM 2008 - Prolog vom Kanal

Statistik oder am Ende sind wir alle klüger

Wer wird denn jetzt Europameister? Fußballtrainer, Fans, Journalisten und Tippspieler stellen sich alle vier Jahre die gleiche schwierige Frage. Prognosen gibt es viele - das Problem ist nur, dass sich diese dummer Weise auf die Zukunft beziehen. Damit sind alle Aussagen mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Und wer lässt sich schon gerne verunsichern. Wir jedenfalls nicht! Insofern freuen wir uns, dass wir allen EM-Tippern erstmals eine absolut sichere Richtschnur zur Abgabe der richtigen Ergebnisse an die Hand geben können - und das auch noch kostenlos. Na ja - zugegebener Maßen gibt es mehrere Ansätze, um zum gewünschten Ziel zu kommen. Man muss sich nur für den Richtigen entscheiden. Das ist aber immer noch besser, als mehr oder weniger ratlos in den Spielplan hinein zu meditieren oder planlos die möglichen Resultate auszuknobeln. Vor allem kostet es weniger Zeit. Vergesst also alle bis zur EM noch folgenden Vernebelungs-Testspiele oder das Studium von Formkurven oder Ärztebulletins. Nachfolgend präsentieren wir euch die Erfolg versprechenden Konzepte für den besten Tipp-Erfolg.

1. Der historische Ansatz
Bisher wurden zwölf Europameisterschaften ausgespielt. Es begann 1960 mit einem internationalen Freundschaftsturnier von reinen Thekenmannschaften. Kein Wunder, dass da die Russen („Na sdorowje") gewannen. Vier Jahre später wurde das Sauffest wiederholt und es triumphierten diesmal die trinkfesten Spanier („olé"). Unsere Jungs ignorierten diesen alkoholischen Unsinn und stiegen erst 1968 ins Geschehen ein. Das heißt, eigentlich erreichten sie das EM-Jahr gar nicht, sondern scheiterten bereits am 17. Dezember 1967 in Tirana mit einem soliden 0:0 an Albanien. Rudi Völler und Waldi Hartmann waren bei diesem tiefsten Tiefpunkt allerdings noch nicht mit dabei. Italien freute sich dafür umso mehr. 1972 kam Netzer aus der Tiefe des Raumes (damals noch ohne Delling) und legte den Grundstein für seine spätere TV-Karriere. Uli Hoeneß testete 1976 die Weite des Belgrader Nachthimmels und bewies damals schon durchaus eindrucksvoll, dass auch deutsche Kicker manchmal Angst vorm Elfmeter haben können - die Tschechen konnten es jedenfalls besser. 1980 tauchte in Rom ein Kopfballungeheuer aus Essen auf. 1984 und 1988 hatte der Fußballgott ein Einsehen und verteilte seine Titel mal an Teams, die zwar schön spielen konnten, bis dahin aber noch nie was Zählbares gerissen hatten: Frankreich und Holland durften endlich auch mal einen Pokal stemmen. 1992 spielten die Dänen Berti Vogts mit Badelatschen an die Wand. 1996 gewannen wir das letzte Mal ein EM-Spiel - zum Glück im Finale! In 2000 durften die Franzosen noch mal ran und in 2004 mauerten sich Ottos Mannen zum Titel. Waren wir da eigentlich mit dabei?
Soweit im Schnelldurchlauf die bisherige EM-Geschichte. Die zwölf Titel wurden von neun verschiedenen Ländermannschaften gewonnen: Deutschland dreimal, Frankreich zweimal und die restlichen sieben jeweils einmal. Wählt man also den historischen Erfolgsfaktor als Kriterium, dann gewinnt Deutschland statistisch gesehen jedes vierte EM-Turnier, Frankreich jedes sechste und die anderen jedes zwölfte. Wir wären danach also erst in 2012 wieder dran und der Rest durchschnittlich im Jahr 2024 oder so. Das spräche dafür, diesmal auf eine Mannschaft als Europameister zu wetten, die bisher chronisch erfolglos war. Damit steigen die Chancen für die beiden Gastgeber-Teams natürlich rapide an.

2. Der Ranglisten-Ansatz
Wie schön, dass wir die FIFA-Weltrangliste haben! Diese Hitparade aller nationalen Fußballtreter gibt - Blatter sei Dank - einen umfassenden Überblick über die jeweilige Leistungsstärke aller Teams. Damit lässt sich auch ganz einfach der Europameister theoretisch ermitteln. Mit Stand vom Mai 2008 sind dort insgesamt 200 Nationalmannschaften erfasst. Italien führt das Ranking an - auf dem letzten Platz rangieren die wackeren Inselkicker von Montserrat. Unter den Top-10 sind mit Italien, Spanien, Deutschland, Tschechien, Frankreich, Griechenland, Portugal und Holland (exakt in dieser Reihenfolge) immerhin acht EM-Teilnehmer platziert. Es folgen knapp dahinter Rumänien und Kroatien. Schweden, die Türkei, Russland und Polen sind ebenfalls noch im vorderen FIFA-Feld vertreten. Die Schweiz taucht auf Platz 48 auf und wäre somit in Europa auf Rang 28 platziert. Die Österreicher haben wir erst auf der dritten Seite der Liste gefunden - auf Platz 101 direkt vor Tansania und Benin, die aber zugegebener Maßen derzeit bärenstarke Teams haben. Somit wäre Österreich auf Position 43 in Europa. Da fragt man sich sofort: Gibt es überhaupt so viele Länder auf dem alten Kontinent? Hier wäre aber zu berücksichtigen, dass Fußball und Geografie zwei Paar Schuhe sind. Israel (immerhin auf Platz 14 der aktuellen Weltrangliste) zählt fußballerisch zu Europa! Hinzu kommen auch die kaukasischen Länder. Nach diesem Ansatz ist die Vorab-Ermittlung des EM-Siegers ein Kinderspiel. Nachfolgend zum Mitschreiben das nach FIFA-Ranking bereits so gut wie fest stehende Viertelfinale:

Tschechien - Kroatien
Deutschland - Portugal
Italien - Griechenland
Spanien - Frankreich

Der weitere Turnierverlauf ist schnell erzählt: Deutschland und Italien schlagen Tschechien bzw. Spanien im Halbfinale. Italien darf im Endspiel mal wieder Deutschland ins Reich der Tränen stürzen. Also rechtzeitig zum Finale Tempos bereithalten!

3. Der fußballerisch-statistische Ansatz
Hier betrachtet man Ergebnisse und Ereignisse aus der langen Fußball-Historie und bezieht diese in die Prognosen der einzelnen Partien direkt mit ein. Etwa so: Deutschland gewinnt immer gegen Polen, wenn es um die Wurst geht - vor allem wenn es vorher sintflutartig regnet. Also vorher fleißig den Wetterbericht studieren! Deutschland verliert nur gegen Kroatien und Österreich, wenn man in Amerika spielt. Da Letzteres nicht gegeben ist, dürfte einem klaren Vorrundensieg unserer Jungs nichts mehr im Wege stehen. Im Viertelfinale gegen Portugal und im Halbfinale gegen Tschechien sieht es ebenfalls bestens aus: Gegen die verlieren wir nur, wenn Erich Ribbeck oder Rudi Völler auf der Bank sitzen.

4. Der ökonomische Ansatz
Das interessanteste Prognosemodell präsentierte Anfang März (siehe Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 06.03.2008) die Schweizer Großbank UBS. Vermutlich zur Ablenkung von aktuellen Milliardenverlusten versuchen es die Alpen-Banker einmal nicht mit der Vermarktung US-amerikanischer Klitschen sondern mit Fußball. Bereits zur WM 2006 lagen sie erstaunlicher Weise fast goldrichtig damit: Sie sagten mit Italien den richtigen Weltmeister voraus und tippten immerhin sechs von acht Viertelfinalisten zutreffend! Grundlage der Voraussage sind bisherige EM-Ergebnisse und der Marktwert der Spieler. Jetzt wissen wir es: Geld schießt eben doch Tore. Nach dem Schweizer Modell scheitert das Team von Jogi Löw übrigens im Viertelfinale gegen die Schweiz. Da fragen wir uns natürlich, welche traumhaften Ergebnisse die Schweiz bei den letzten zwölf EMs vorzuweisen hat und auf welchen Marktwert ihre Übermannschaft kommt. Wir vermuten, dass die Währungsparität zwischen dem Schweizer Franken und dem Euro hier den Ausschlag gegeben hat. Nein - hier wurde auch der Heimvorteil in die Vorhersagen einbezogen. Dieser spielte zwar bei fast allen EM-Endrunden bisher kaum eine entscheidende Rolle - gönnen wir aber den Schweizern die Hoffnung auf ihre „Nazi". Keine Sorge: Damit ist umgangssprachlich nicht der nördliche Lieblingsnachbar, sondern die eigene Nationalmannschaft gemeint. Im Halbfinale verlieren die Eidgenossen laut UBS-Modell allerdings gegen Tschechien, das seinerseits im Elfmeterschießen gegen Italien final das bessere Ende für sich haben soll. Österreich wird die Vorrunde übrigens nicht überstehen - genauso wenig wie Portugal, das mit Cristiano Ronaldo aber immerhin den Spieler mit dem höchsten Marktwert in den eigenen Reihen hat. Wir hoffen, dass die Finanzmarktprognosen der UBS besser sind, als ihre Vorhersagen zur Fußball-EM heute scheinen.

So - jetzt liegt es an euch, den richtigen Prognose-Ansatz auszuwählen. Wenn ihr euch für keinen entscheiden könnt, dann würfelt einfach. Danach braucht ihr nur noch die einzelnen Spiele durchzutippen - am besten jeweils mit 1:0 oder 2:1, das sind statistisch gesehen die Ergebnisse mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit. Wenn da nur nicht diese verdammten Unentschieden (0:0 oder ein torreiches 1:1) wären. Darauf hat natürlich keines der vorgestellten Modelle eine richtige Antwort. Irgendwie fühlt man sich manchmal doch richtig alleine gelassen. In diesem Sinne wünschen die Kanalarbeiter allen Teilnehmern gute Tipps und natürlich viel Spaß bei der EM - ob nun beim „Papplick Wjuink" oder vor der Glotze zu Hause.

Hopp Schwiiiiz und servus Austria!

Bernd Christoph