Ergebnisse (18.-20.06.2004)
Bulgarien-Dänemark 0:2
Italien-Schweden 1:1
Lettland-Deutschland 0:0
Niederlande-Tschechien 2:3
Russland-Griechenland 2:1
Spanien-Portugal 0:1


Liebe Tippgemeinschaft,

na, alle Wochenendeinkäufe rechtzeitig erledigt? Ansonsten entging Euch das schnellste grobe Foul dieser EM. Gravesen trat seinem Gegenspieler schon nach 7 Sekunden kräftig in die Knochen und machte klar, dass unsere dänischen Freunde unbedingt ins Viertelfinale wollten, und zwar ohne Kompromisse. Vor allem in der 1. Halbzeit waren die Rotweißen deutlich offensiver und erarbeiteten sich viele Chancen gegen die harmlosen Bulgaren. Die schienen immer noch geschockt vom Horrorergebnis gegen die Schweden, waren nur in den Zweikämpfen aggressiv bis überhart, brachten aber nach vorn nichts zustande. Selbst als sich die Dänen in der zweiten Halbzeit auf das Verwalten des Ergebnisses beschränkten, gab es bei den Bulgaren keinen Aufbäumen gegen die drohende Niederlage, kein Pressing, einfach gar nichts. Langweiliges Ballgeschiebe und einige harte Fouls -  die zweite Halbzeit dieses Spiels muss man nicht gesehen haben. Ab nach Hause, Bulgarien!

Abends wurde es dann mindestens eine Klasse besser und spannender. Trap hatte seiner Truppe ordentlich Dampf gemacht. Auch ohne Frank Totti war diesmal deutlich mehr Bewegung im italienischen Spiel, der Ball wurde schnell nach vorn gebracht und die eigentlich als stabil bekannten schwedischen Gardinen vor Torhüter Isaksson gerieten mächtig unter Druck. Erst kurz vor der Pause aber fand Cassano nach verpatzter Abseitsfalle ein Loch und konnte einnetzen. Die Führung der Spagettis war verdient, denn trotz diverser schwedischer Konter waren die Azzuri deutlich gefährlicher als die Trekronor. Kampfgeist und Körpereinsatz stimmten ebenfalls und Trap muss eigentlich zur Pause recht zufrieden gewesen sein. Nach der Halbzeit geschah dann Ungewöhnliches und wir, die wir vor dem Bildschirm dabei waren, sollten uns diesen Abend gut merken, denn er war eine Lehrstunde für alle Taktikgläubigen und Defensivfanatiker. Das schwedische Trainerduo wechselte gegen alle Regeln und mit bewusst vollem Risiko gegen eine bekannt konterstarke italienische Mannschaft einen Stürmer nach dem anderen ein. Die standen sich aber nicht gegenseitig auf den Füßen (wie einem das sog. Fußballlehrbuch für solche Maßnahmen weismachen will), sondern erzeugten soviel Druck auf das italienische Abwehrbollwerk, dass der Ausgleich schließlich zwangsläufig fallen musste. Die Schweden vertrauten nicht auf einen gnädigen Fußballgott, der ihnen bitte den Ausgleich schenken möge. Nein, der Ausgleich wurde gegen eine  -  weiss Gott  -  starke italienische Mannschaft erzwungen. Um so schöner, dass dies auch noch mit einem Zaubertor des Hackenkünstlers Ibrahimsson gelang. Dabei kommt bei mir gewiss keine Schadenfreude auf. Nach vielen Jahren wirklich destruktiven italienischen Fußballs, den ich an dieser Stelle bis 1998 stets verdammt habe, kam dort die taktische Umstellung auf ein zwar defensiv betontes System, das aber im Mittelfeld und Angriff technisch hochklassigen Fußball bot, und dem ich in den letzten Jahren wirklich mit Freude zugesehen habe. Genau diesen Fußball boten die Spagettis in der ersten Halbzeit und der objektive Zuschauer hatte seine Freude daran. Aber er musste im zweiten Durchgang den Hut vor dem Mut des schwedischen Trainerduos und dem Kampfgeist der Trokronor ziehen. Chapeau, das war ein Klassespiel mit gerechtem Ausgang! Schade nur, dass Schwafelkönig Kerner wieder zu allem seinen Senf geben musste. Die Krönung war schließlich seine ganz eigene Art der Terminplanung für die Mannschaften der Gruppe C: "Vielleicht ist es ein kleiner Vorteil für Italien, dass seit heute nachmittag die EM für Bulgarien beendet ist". Kerner, Du Schwachkopf, soll das heißen, dass die Bulgaren gegen Italien nicht mehr antreten, weil sie schon in den Urlaub geflogen sind? Wenn ja, dann nehmen sie Dich hoffentlich gleich mit!

Samstag abend an der Förde. Kieler Woche hin, Deutschland-Lettland her  -  da muss man Prioritäten setzen. Ich setzte mich also auf meinen weich gepolsterten Sessel vor die Glotze, weil mir Freiluft-TV-Übetragungen mit eingebauten kalten Duschen keinen Spaß machen. Zuhause war das Spaßvergnügen aber auch arg begrenzt, obwohl Chipstüte und Weizenbier in Griffweite waren. Mit derartig schwachen Leistungen und einem armseligen taktischen Konzept hat das deutsche Team bei dieser EM zwar (noch) nix verloren, aber auch nichts zu gewinnen. Die Buletten waren ja nun keine Übermannschaft, sondern ein einfach strukturiertes, defensiv eingestelltes Team mit einem schnellen Stürmer. Das haben Skibby und Rudi zwar gewusst, aber dazu ist ihnen nix eingefallen. Nach schwachem Beginn wurde zwar Druck auf die Abwehr der Buletten aufgebaut, aber damit wurden deren zwei Vierer-Reihen nur noch enger zusammengedrückt und die Räume noch enger gemacht, so dass es kein Durchkommen gab. In diesen Pulk wurde dann immer fröhlich aus dem Halbfeld hoch hineingeflankt, so dass der Torwart gemütlich alle Bälle abpflücken konnte. Aufgewacht!!!! Dort steht kein Bierhoff mehr! Warum wurde nach derBalleroberung in der eigenen Hälfte nicht schnell nach vorn gespielt, sondern der Ball erst drei Mal quer hin- und hergeschoben? Warum gab es keine Dribblings in 1:1-Situationen, um damit die Vierer-Reihen aufzureißen? Wo waren die Versuche, bis zur Grundlinie vorzudringen und dann in den Rücken der Abwehr zu flanken? Nichts davon zu sehen, zumindest von den ach so erfahrenen deutschen Nationalspielern. Die zwei Jungspunde Schweinsteiger und Lahm versuchten es wenigstens mal, blieben aber glücklos. Dann noch diese Auswechslungen: Stürmer für Stürmer! Hat denn niemand das Spiel der Schweden am Vorabend gesehen? Warum wird nicht ein Podolski gebracht, der wenigstens mal einen Gegner ausspielen kann? Es war im Grunde ein spielerischer und taktischer Offenbarungseid der Mannschaft und des Trainerstabes. Für den deutschen Fußball und die WM 2006 wäre es vermutlich besser gewesen, wenn die Buletten ihr zwei verdienten Elfmeter auch erhalten hätten. Jetzt versucht man sich noch an Durchhalteparolen von der "Turniermannschaft" und der Hoffnung auf eine tschechische B-Mannschaft im letzten Gruppenspiel. Mit solchen B-Mannschaften haben wir ja gute Erfahrungen gemacht: 0:3 gegen Portugal-B bei der letzten EM.... In Wirklichkeit helfen gegen Tschechien (und im Parallelspiel der Tomatenzüchter gegen die Buletten) nur noch die bekannten deutschen Tugenden: Schwein, Dusel und Glück...

Wie ein richtig tolles Fußballspiel aussehen kann, zeigten uns Holland und Tschechen. Im bisher besten Spiel dieser EM wurde bedingungslos angegriffen. Wer wollte nach 20 Minuten glauben, dass die Tschechen dieses Ding noch drehen könnten? Eine fatale Auswechslung durch den Bondscoach und der unermüdliche Willen der Tschechen bescherten den Oranjes eine unerwartete Niederlage und dem deutschen Team noch die Chance auf das Viertelfinale. Viel muss man sonst zu diesem Spiel nicht mehr sagen, außer: Toll, spannend, hochklassig, eine Werbung für den Fußball!

Gute Werbeeinnahmen wird auch der neue Nationalheld der Griechen in den nächsten Monaten erzielen können. Die Popularität von Otto Rehakles steigt ins Unermessliche, seit seine Blauweißen nun sogar ins Viertelfinale einzogen. Mein Vorschlag für den Einstieg ins Werbe-Business: Ein Werbespot für Haarpflegemittel, gemeinsam mit Costa Cordalis: "Natürlich schönes Haar mit Otto wunderbar!" Der Sieg der Russen wird Ottos Image kaum schaden, polierte aber das Ansehen der russischen Spieler etwas auf, so dass diese jetzt doch nicht nach Chukotka, sondern nur nach Jakutsk verbannt werden.

Der gestrige Abend erforderte besondere logistische Maßnahmen im heimischen Wohnzimmer und im Empfangszentrum des Fernsehzuschauers: Zwei Glotzen wurden nebeneinander aufgestellt und je eine Hirnhälfte zur Beobachtung eingeteilt. Die frühe russische Führung machte das Ibererduell noch spannender als gedacht. Technisch war das Spielchen auf hohem Niveau und mit fortschreitender Spielzeit mussten die Portugiesen gezwungenermaßen immer offensiver werden, was den Spananiern Kontermöglichkeiten gab. Dann fiel das 1:0 und plötzlich drehten sich die Verhältnisse. Spanien attackerte und Portugal konterte. Kurz vor Schluss hätte ein vor dem Tor vorbeistreifender Schuss der Russen fast noch beide Iberer ins Viertelfinale befördert, aber so sah man nach einem rassigen Spiel nur traurige Rotgelbe im Stadion. Das Ergebnis war aber gerecht, denn insgesamt hatten die Portugiesen mehr vom Spiel, waren mehr gelaufen und hatten mehr große Chancen. Was war mit den großen Stars? Figo ist nicht mehr der große Regisseur, der mit langen Pässen das Spiel dirigiert, aber scheint mit seinem hohen kämpferischen Einsatz weiterhin das Herz der Mannschaft zu sein. Trotz nicht zu übersehender Schwächen in 1:1-Situationen bleibt er ein wichtiger Mann. Cristiano Ronaldo ist ein Supertalent mit raffinierten Tricks und verdammt viel Übersicht und dem Blick für die Situation und den besser postierten Nebenmann. Raul war auf spanischer Seite eine Enttäuschung. Er fiel nicht einmal durch besonderen Einsatz auf und hätte auch gern ausgewechselt werden können. Wenn der Kapitän schwächelt, ist die spanische Mannschaft nicht durchsetzungsfähig. Adios Espana! Wir hatten, wie so oft, mehr erwartet und wurden enttäuscht.

In unserem Tippspiel gab es ebenfalls einige lange Nasen. 10 totale Nullnummern zählte ich am Wochende unter 76 TipperInnen. Dagegen konnten sich Carolyn und Jeroen mit 12 Punkten weit nach vorn arbeiten. Alex musste zwischenzeitlich die Spitze mit Christian teilen, konnte dann aber gestern abend noch um 3 Punkte davonziehen. Ganz unten stehen jetzt 2 Erfolgstipper der letzten Weltmeisterschaften: Stefan (Sieger der WM1998) und Jens-Uwe (5. der WM2002). Da haben sich wohl zwei verzockt - genau wie viele andere. Heute abend ist wieder Parallelglotzen angesagt, trotz Kieler Woche. Der traditionelle Kieler-Woche-Rundgang des EM-Expertenteams findet in diesem Jahr am Donnerstag statt, parallel zum ersten Viertelfinale.

Eusebio!
Robert