Der ultimative EM-Test auf der Kieler Woche 2004

(Versuch eines Gedächtnisprotokolls von Bernd Christoph)

Am Donnerstag, den 24. Juni 2004, haben es sich, der guten Tradition folgend, sieben wackere Herren aus dem großen Kreis der EM-Tippgemeinschaft trotz widriger Platzverhältnisse nicht nehmen lassen, den zahlreichen auf dem Internationalen Markt vertretenen Länderständen einen Besuch abzustatten, um die jeweilige EM-Form abzutesten. Folgende EM-Teilnehmer waren nicht mit Länderständen vertreten: Portugal, Griechenland, Russland, Schweiz, Kroatien, Bulgarien, Deutschland und Lettland. Der Test begann für die Fachgruppe "Zivkovic" (bestehend aus Robert Spielhagen, Roland Friedl-Schulz, Jan Scholten, Matthias Schmitt, Stefan Wetzel, Bernd Christoph und als "Special Guest" aus dem Münsterland Lothar Borgmann – Christiane Rietz und Toni Eisenhauer fehlten entschuldigt) wie immer pünktlich um 19:00 Uhr am Irland-Stand und endete gegen 1:17 Uhr in irgendeinem Funktaxi. Es folgt der Versuch eines Gedächtnisprotokolls ohne Anspruch auf Vollständigkeit.


Station 1:  Irland
Wie immer starten wir in Irland, das diesmal aus unbekannten Gründen nicht an der EM teilnehmen durfte. Nach dem zweiten Guinness erscheint mit halbstündiger Verspätung und fadenscheiniger Ausrede ("Hörnbrücke war zugeklappt") auch unser EM-Tipp-Organisator Robert. Nun kann es endlich losgehen! Das schwarze Gesöff mit der hellbraunen Schaumkrone wird jetzt in kleinen 0,3 Liter-Gläsern ausgeschenkt, kostet dafür aber stolze 2,90 Euro. Für sechs dunkle Getraenke der Marken "Guinness" und "Kilkenny" inklusive Pfand müssen 30 Euro berappt werden. Wollen wir Bier trinken oder Brauerei-Aktien kaufen?
Urteil:    Die irischen Fußballer sollen weiter üben, die Bierbrauer über ihre Preise nachdenken.


Station 2:  Kroatien (1)
Unfassbares ist geschehen: Kroatien ist hier nicht mehr mit einem Länder-Stand vertreten! Wir lassen uns unsere "Zivkovic"-Pointe deswegen aber nicht versauen und haben das würzige kroatische Gesöff (von Stefan am Straßenrand in der Nähe von Dubrovnik gekauft) in Originalverpackung ("Product of Croatia" – Etikett kreiert von Roland) gleich selber mitgebracht. Das Zeug ähnelt farbmäßig stark einer Urinprobe. Die Einführungsrunde lässt uns Erschütteln, wärmt aber bei dem miesen Wetter so richtig schön durch.
Urteil:      Ohne Länderstand wird das auch mit den rot-weiß-karierten Kickern vom Balkan nichts.    
    

Station 3:  England
Zwei unserer EM-Tester können es nicht lassen und stählen ihren Gaumen mit einer Portion Fish & Chips. Wir kommen zu dem Ergebnis, dass dieses Gericht für den Original-Bauchansatz von Wayne Rooney verantwortlich sein muss. Es scheint den Probanden aber zu schmecken.
Urteil:      Mindestens Halbfinale (musste später notgedrungen korrigiert werden)


Station 4:  Polen (als Ersatz für Russland)
Wir stimmen demografisch über diesen Ersatzkandidaten ab und probieren "Zywiec"-Bier. Auf dem Glas steht: "Gebraut seit 1856". Damals gehörte Polen nach einer vorangegangenen Zu-Null-Niederlage gegen das Zarenreich noch zu Russland. Wir fühlen uns bestätigt und sagen "Na sdorowje".
Urteil:  Wir freuen uns, dass wir nach dem Polen-Besuch noch im Besitz unserer Geldbörsen sind.


Station 5:  Italien
Wir fragen nach Totti. Die Bedienung ist ahnungslos. Wir haben den Eindruck, dass nicht mal die Küchenmaschinen aus Italien stammen. Die Pizza schmeckt wie draufgespuckt.
Urteil:      Verdientes Ausscheiden – widerlich!


Station 6:  Spanien
Die Chorizos (fettige Würste aus Eselsfleisch und marinierten Maden) sind feuriger als die ganze spanische Mannschaft zusammen. Im Fernsehen läuft statt Fußball irgendein Minderheitenprogramm. Die Spanier haben mit dem Fußball wohl abgeschlossen. Der Rioja-Wein ist durchaus trinkbar.
Urteil:  Dürfen bei der WM 2006 wiederkommen und früh ausscheiden


Station 7:  Estland (als Ersatz für Lettland) (1)
Hier gibt es einen Großbildschirm. Der TV-Empfang ist aber unter aller Kanone. Haben die Baltesen vielleicht die Stromrechnung an die Stadt Kiel nicht bezahlt? Immerhin nehmen wir schemenhaft und untermalt vom reißerischen Kommentar von Johannes Baldrian Kerner den englischen Führungstreffer gegen Portugal zur Kenntnis. Die Getränkeprobe folgt zu einem späteren Zeitpunkt.


Station 8:  Schweden
Kulinarische Highlights: schwedische (?) Hot-Dogs von einem Möbelunternehmen mit vier Buchstaben und Knäckebrot "Ibrahimsson" mit duftenden Heringsteilen.
Urteil:  Gutes Preis-Leistungsverhältnis – verdient im Viertelfinale


Station 9:  Tschechische Republik
Tschechien verwöhnt uns mit Produkten gehobener Braukunst. Als Lothar uns einen Holländer-Witz erzählen will, werden wir von zwei Komikern belästigt. Ein Schwall Bier auf das uns vorgehaltene RTL-Mikrofon vertreibt die beiden Störenfriede. Eigentlich schade um das schöne "Budweiser". Lothar erzählt uns den Witz noch mal. Wir verstehen ihn immer noch nicht, lachen aber trotzdem (so sind die Deutschen eben). Per Handy bringen wir einer wegen Dienstreise nach Frankfurt verhinderten EM-Testerin ein Ständchen: "Ohne Christiane ist hier alles blöd!" nach der bekannten Melodie "Einer geht noch rein" (Mann, sind wir komisch!).
Urteil: Endspielwürdig


Station 10:  Kroatien (2)
Die zweite Runde "Zivkovic" erwärmt uns von neuem.


Station 11:  Holland (1)
Am holländischen Poffertjes-Stand erkennt Matthias die männliche Bedienung vom letzten Jahr wieder. Als wir ihn damals nach dem holländischen Grand-Prix-Lied fragten, sagte der nur: "Diese Scheiße interessiert mich nicht!" Das sagen wir mit Hinweis auf seine Poffertjes nun auch zu ihm. Er erkennt uns auch wieder und freut sich darüber dermaßen, dass er eine Portion seines Fettgebäcks ausgibt. Dieses Zeug erinnert in Aussehen und Konsistenz doch stark an Gummidichtungen aus einem DAF-LKW.
Urteil:  Sympathiepunkte und Halbfinalchancen – wir drücken aber trotzdem den Schweden die Daumen im Viertelfinale gegen die Käseroller.


Station 12:  Dänemark
Auf dem Asmus-Bremer-Platz entdecken wir einen "Carlsberg"-Stand und vor allem eine Großleinwand mit Live-Fußball. Etwa 1.000 weitere Biertester haben sich dort versammelt. Auf einer Bühne versuchen Rockmusiker-Karikaturen in den Spielpausen die Stimmung anzuheizen. Das funktioniert immer dann ganz gut, wenn diese Schwachköpfe endlich ihre Klappe halten und wieder zum Fußballspiel umschalten. Wir kommen gerade noch rechtzeitig, um die weiteren drei Tore und das anschließende Elfmeterdrama mit zu erleben. Als Portugals Fußball-Legende Eusebio in der Pause plötzlich auf dem Rasen erscheint, schwant den England-Tippern nichts Gutes. So kommt es dann auch. Einige beißen nach der Limie-Pleite verzweifelt in ihren "Carlsberg"-Becher, andere haben auf Portugal gesetzt und brüllen lauthals ihre Freude aus dem Schädel heraus. Wir fragen uns, ob Beckham sich von Uli Hoeneß hat zeigen lassen wie man wie damals 1976 Elfmeter in den Nachthimmel donnert. Wann üben die Inselaffen endlich mal Panalties? Mit Rooney wär’ das nicht passiert! Wir trinken weiter dänisches Bier.
Urteil:  Solides Bier- und Fußballhandwerk unserer nördlichen Nachbarn – verdienter Viertelfinaleinzug


Station 13:  Holland (2)
Am holländischen Getränkestand probieren wir Genever "Advocaat". Wir fragen die weibliche Bedienung, ob die rote Farbe von genveränderten Tomaten stammt. Sie kann mit dieser Frage nichts anfangen, schenkt aber immerhin die Gläser randvoll ein. Danke schön!


Station 14:  Kroatien (3)
Wir müssen das klebrige Getränk von eben mit einer weiteren Runde "Zivkovic" neutralisieren. Langsam gewöhnen wir uns an die gelbe Plörre.


Station 15:  Estland (als Ersatz für Lettland) (2)
Süffiges "Saku"-Bier vertreibt den letzten noch vorhandenen Durst. Die Flasche "Zivkovic" wird jetzt komplett gelehrt. Es geht in die Verlängerung!
Urteil:  Estland, Lettland und Lappland können gerne zu nächsten Endrunde wiederkommen – wenn sie denn unsere Jungs auch mal gewinnen lassen.


Station 16:  Finnland
Keine Ahnung, warum wir uns zum Finnland-Stand verirrt haben. Zum Finale des Abends gibt es einen roten Beerenschnaps aus den finnischen Sümpfen. Vielleicht schmeckt der sogar. Unsere Geschmacksnerven streiken. Wir haben wie Tante Käthe nun endgültig fertig.
Urteil:  Finnland kann als Punkte- und Schnapslieferant gerne wiederkommen.


Einen Länderstand haben wir komplett vergessen: Frankreich. Die Noch-Europameister hatten schon um viertel vor Zwölf ihren Weinladen dichtgemacht. Ob das wohl ein gutes Omen für die Froschfresser ist? Wir werden es sehen. Mit einem letzten Gruß in Richtung des heute ausgeschiedenen England-Standes besteigen wir EM-Tester  nsere Fahrräder oder das Taxi. Der neue Tag beginnt.

Es lebe "Zivkovic"!