Prolog vom Kanal zum EM-Tippspiel 2004

Wer holt sich die zehn Kilo?

Nach nationaler Bayernpleite und Werderfeiern ist es wieder so weit: Die internationale Kultserie "Football and the City" geht mit einer völlig neuen Live-Staffel auf Sendung. Gedreht wird im äußersten Südwesten der Vereinigten Staaten von Europa. Die Sendedauer der insgesamt 31 Folgen beträgt mindestens sechsundvierzigeinhalb Stunden. Prickelnde Unterhaltung kann erwartet werden. Dafür sorgen die rund 350, zum Teil recht attraktiven, leider ausschließlich männlichen Darsteller. Internationale Top-Models á la Figo, Zidane, Raúl und Beckham bewerben sich dabei mit ihren Helfershelfern um einen silbernen, mit zwei praktischen Tragegriffen versehenen, metallischen Hohlkörper. Dieses Teil ist zehn Kilo schwer und fünfzig Zentimeter hoch, also etwa einen guten Kopf kleiner als unser früherer Bundestrainer aus Korschenbroich.

Womit wir schon beim Thema wären: Erstmal haben wir in Portugal gar keinen Bundestrainer dabei, sondern nur einen Teamchef, der mit Vornamen Käthe heißt. Falsch, falsch, falsch: Wir haben sogar ganz viele Bundestrainer. Der Hauptbundestrainer ist ein gewisser Skibbe. Der stellt sich immer frisch gefönt der bösen Presse, wenn Käthe mal wieder keinen Bock hat und nach erfolgter fieser Medienkritik schmollt. Ein Nebenbundestrainer namens Rutemöller leitet das Aufwärmtraining und stellt die bunten Hütchen auf dem Rasen auf. Sepp Maier ist Reichstorwarttrainer und hat die Aufgabe, die prügelnden Kollegen Kahn und Lehmann jeden Tag aufs Neue wieder fein säuberlich zu trennen. Selbst der Zeugwart und der Busfahrer haben eine A-Lizenz. Damit ist der DFB-Tross der mit Abstand am besten ausgebildete Leitungsstab von allen Teams der EM 2004!

Gut ausgebildet sind natürlich auch unsere Kicker. Viele haben mittlere Reife oder Abitur, Jens Lehmann studiert sogar BWL an der Uni Münster. Bei Arsenal hat er nur einen Halbtagsjob, um seinen BAFöG-Anspruch nicht zu verlieren. Insofern können wir wirklich stolz auf unsere Jungs sein, dass sie neben der Schule sogar noch die Qualifikation für die EURO geschafft haben. Wir sind tatsächlich wieder mit dabei! Und nur das zählt. Da können Netzer & Delling noch so viel dummnörgeln und Waldemar Hartmann unseretwegen hektoliterweise Weizenbier in seinen feisten Körper zischen.

Andere sind gar nicht mit dabei, zum Beispiel die blöden Ösis oder – nein – Holland hat es diesmal gerade noch mal so eben gegen McBertis Schotten geschafft. Zwei Jahre konnten wir uns über die Flutopfer von übermorgen so richtig lustig machen. Das hat dann aber die UEFA anscheinend so erfreut, dass sie uns bei der vom Philips-Konzern gekauften Auslosung gleich im ersten Spiel diese verdammten Großkäselocher untergejubelt haben. Aber Rudi kann ganz entspannt an die Sache heran gehen. Wir erwarten nicht unbedingt ein 8:0 im Premierenspiel wie 2002 gegen die Saudis, ein vier zu null wäre auch aller Ehren wert (wir haben bewusst nicht den Sieger der Partie genannt). Danach ist gegen Tschechien und Lettland alles möglich: Rosicky und Nedved sind völlig außer Form, Lettland gibt sich mit der EU-Mitgliedschaft und seinem Sieg vor zwei Jahren beim Europäischen Song-Contest zufrieden.

Schöne Nachbarschaftsduelle stehen in jeder der vier Gruppen auf dem Spielplan: Neben Deutschland gegen Holland auch noch Spanien gegen Portugal, Dänemark gegen Schweden und in einer Neuauflage des 100-jährigen Krieges Frankreich gegen England. Von 16 Mannschaften darf die Hälfte nach den Gruppenspielen wieder nach Hause. Ab dann geht es für die restlichen acht Teams im K.O.-Verfahren weiter. Dieser schöne Modus erinnert uns stark an die WM 1970 in Mexiko: Fünfzig Grad Hitze, England gegen Deutschland im Viertelfinale, Rückstand bis kurz vor Schluss, dann Flanke von Grabowski – Uwe Seeler mit dem Hinterkopf zum 2:2, Verlängerung – kurz vor Schluss: dickes Müller netzt waagerecht in der Luft liegend zum 3:2 ein. Das war doch richtig geil damals! Die Gegenwart sieht leider anders aus. Uns wird immer noch ganz schlecht, wenn wir an die jüngste Klatsche gegen Rumänien denken.
Wir wollen aber nicht schon wieder meckern. Deutschland muss einfach mal positiv denken lernen! Vor zwei Jahren hat auch keiner was von uns erwartet und wir haben diese Erwartungen ganz locker erfüllt. Ohne Olli Kahns plötzliche Fangschwäche im Finale wären wir sogar noch vor dem Kindskopf Ronaldo eingekommen und hätten Brasilien schön ihre "Penta" vermasselt. Alles ist möglich und der Ball ist auch im Süden Europas immer noch rund (5 Euro ins Phrasenschwein!).

Was gibt es vor dem ersten Anpfiff sonst noch zu bemerken? Es wird wieder einen hoffnungslosen Kampf gegen unnötige Pfunde geben. Wir meinen damit nicht die lecker Bierchen (die Marke aus der Fernsehwerbung mit Rudi Assauer und dessen Flamme) vor der Glotze, sondern die Mega-Kilos "Duplo" und "Hanuta", die wir schon seit Wochen völlig unkontrolliert in uns reinschaufeln müssen, um auch die letzten deutschen Rumpelfüßler im Sammelalbum zu komplettieren. Dort stehen übrigens Sachen drin, die uns schon immer brennend interessierten. Zum Beispiel, dass Kahn eigentlich ein "lustiger, humorvoller Plauderer" ist. Ob er im Mannschaftshotel Lehmann vor dem Schlafengehen immer seine neuesten Blondinenwitze erzählt? Dann steht noch drin, dass Bobic über 10.000 Musik-CDs besitzt. Der Schwabenjugo ist also sogar zu blöd, sich die letzten Ladenhüter von "Pur" und den "Scorpions" im Internet runter zu laden. Und Miro Klose spielte früher bei der weithin bekannten SG Blaubach-Diedelkopf. Interessant fanden wir auch die Beantwortung der Frage, was bei Punktegleichheit in der Vorrunde passiert: Erst entscheidet der direkte Vergleich, bei unentschieden entscheidet die Tordifferenz, dann die Anzahl der erzielten Tore, dann die Bilanz der EM-Quali-Spiele und dann – whow – die Platzierung in der Fair-Play-Wertung. Also aufgepasst, ihr Nowotnys, Hinkels und Wörnsels: Macht es einfach so wie immer – meterweit weg vom Mann, fein die Kackstelzen eingezogen – denn Fair Play kann für uns entscheidend sein!

Jetzt bleibt uns nur noch eine Frage: Wo ist Zivkovic? Wird er die Kroaten zum Sieg gegen Frankreich und England führen? Wird er seine überzeugenden Leistungen in der laufenden Saison wie bei Stuttgart eindrucksvoll bestätigen? Wird er ins richtige Flugzeug steigen und tatsächlich auch in Portugal ankommen? Diese Fragen werden wir spätestens auf der Kieler Woche klären, wenn wir am Kroatien-Stand auf dem Internationalen Markt wieder nach diesem süffigen, hochprozentigen Getränk fragen, dessen Name uns gerade entfallen ist…

Abschließend wünschen wir allen EM-Tipperinnen und -Tippern ein glückliches Händchen beim Auswürfeln der richtigen Ergebnisse und beim Mitfiebern vor der Glotze superfeuchte Achselhöhlen á la Camacho. In diesem Sinne rufen wir euch ein fröhliches "Eusebio" zu – für die nicht ganz so Sprachbegabten: Das heißt "Prost" auf portugiesisch!

Eure Kanalarbeiter (Bernd Christoph und Stefan Wetzel)