Kanalkommentar vom 23. Juni 2004

Wir konnten gestern unsere TV-Zapping-Methode weiter vervollkommnen: Von sieben Treffern haben wir immerhin sechs live mitbekommen. Leider haben wir heute den letzten Simultan-EM-Fernsehabend. Man könnte sich wirklich dran gewöhnen. Bisher kannten wir das nur von parallel auf zwei Programmen laufenden Spielfilmen. Durch geschicktes umschalten ist man tatsächlich in der Lage, sowohl die beiden Handlungen als auch die spannendsten Szenen einzufangen. Werbepausen überbrückt man am Besten durch kurzes Zuschalten von Sumo-Ringen oder Frauenboxen auf Eurosport. Ab morgen müssen wir leider wieder mono glotzen. Auf der anderen Seite ärgert man sich nur noch über vier statt über acht entgangene Punkte beim Tippspiel.
Die Viertelfinal-EM-Bar ist nun bis auf eine einzige Flasche komplett: In der Getränkegruppe C wie Ciao Italia konnten sich wie erwartet die nordischen Hochprozenter "Abolut Kurant" (schwedischer Wodka mit Johannisbeergeschmack) und "Gammel Dansk" (dänischer Kräutergarten) durchsetzen. Die jeweils zwei Getränke in den Gruppen A wie Alkohol und B wie Besäufnis stehen schon seit vorgestern bzw. gestern verzehrsfertig auf dem EM-Tresen. Offen bleibt in der Trinkerklasse D wie Delirium, ob es für die geneigte Trinkerschaft einen würzigen Genever oder doch nur ein schales deutsches Bier gibt – Auflösung heute Abend!

Italien – Bulgarien
Zu Bulgarien passt eine Fussballweisheit, die vor einiger Zeit unser unser Stürmergott Fredi Bobic von sich gab: "Wenn man dreimal hintereinander verliert, dann hat man dreimal verloren und null Punkte." Stimmt! Die Italiener haben zwar insgesamt fünf Punkte, sind aber ebenfalls ausgeschieden. So ungerecht kann Fußball manchmal sein. Das Ende des Spiels mit den (zunächst) jubelnden italienischen Spielern erinnerte sicher so manchen Schalke-Fan an düstere Minuten der so genannten "Phantom-Meisterschaft", die man seinerzeit leider nur als "Meister der Herzen" beendete. Soll man nun schadenfroh über die Blauen herfallen? Eigentlich können sie einem nur Leid tun. Gegen Schweden waren sie das bessere Team, konnten aber ihre Führung nicht über die Zeit retten. Im letzten Spiel haben sie trotz unglaublicher Schiedsrichterleistungen kämpferisch dagegen gehalten und ständig Druck gemacht. Der Siegtreffer war hoch verdient. Die Bulgaren waren mit der knappen Niederlage noch gut bedient. Wenn unser Team heute mit einer ähnlichen Leistung unglücklich ausscheiden sollte, wäre das aller Ehren wert. Trotzdem zählt nur der Erfolg und Trapattoni wohl seine letzten Tage als Nationaltrainer.

Dänemark – Schweden
Nordische Regenschlacht in Porto! Auch dieses Spiel wird (vor allem den Italienern) lange in Erinnerung bleiben. Es gab zwar nicht das von uns erwartete 7:7, aber mit dem hochklassigen 2:2 eine ergebnismäßige Punktlandung in letzter Minute. Sollte das alles wirklich Schiebung gewesen sein, empfehle ich allen beteiligten dänischen und schwedischen Spieler, ihre Karriere als Schauspieler in Hollywood fortzusetzen. Jetzt spielt Dänemark gegen Tschechien um den Einzug ins Halbfinale. Keine leichte Aufgabe für Nedved & Co., die bei diesem Spiel sicher wieder ihre A-Mannschaft aufs Feld schicken werden. Schweden darf sich mit Deutschland oder Holland auseinandersetzen. 1974 spielten unsere Jungs bei der WM schon mal gegen Schweden. Im strömenden Regen gab es im Düsseldorfer Rheinstadion ein packendes Spiel und eine glanzvolles 4:2 für Deutschland. Damit gelang die Rehabilitation für das vorherige Desaster gegen die Hammerundzirkeltruppe aus der Ostzone. Das ist jetzt fast genau auf den Tag 30 Jahre her und das Düsseldorfer Rheinstadion ist auch nur noch ein Trümmergelände. Warum fällt einem immer nur die Vergangenheit ein, wenn wir an den deutschen Fußball denken? Wir müssen endlich einmal das "Wunder von Bern" und ähnlichen Unsinn aus unseren Köpfen verbannen. Schmeißt endlich die DVDs mit diesem blödsinnigen Film in die Mülltonne! Die Wahrheit liegt auf dem Platz und trägt betongraue Trikots mit einem Adler und drei Sternchen auf der Brust. Hilft uns das weiter? Wir meinen kaum!

Damit wären wir aber schon beim letzten Thema für heute: Wie kann man diese Tschechen knacken? Mindestens sechs neue Kräfte im Team lassen von diesen nicht gerade Sturmwirbel erwarten. Daher verblüfft die angedrohte Taktik von Tante Käthe, mit dem gleichen Defensiv-System wie gegen Holland antreten zu wollen. Vielleicht bleiben ja beide Mannschaften zunächst geschlossen in ihrer eigenen Hälfte. Nach einer Stunde des Abtastens (Wortgefechte, Pöbeleien in Richtung gegnerischer Hälfte) kann man die gegnerische Defensive ja schon einmal mit gefährlichen Torwartabschlägen von Olli Kahn prüfen. Wenn das alles nicht hilft, schicken wir Nowotny und Wörns mit weißer Fahne in die tschechische Hälfte, um die Bedingungen für die Kapitulation auszuhandeln. Für ein paar Luxuslimousinen vom deutschen Hauptsponsor müsste doch mindestens ein geschenkter Elfmeter drin sein…
Wir sehen also – alles ist drin. Wie sagte schon Forrest Gump: Das Leben ist eine Wundertüte!

Eusebio!