Kanalkommentar vom 17. Juni 2004

Am Wochenende ging die erste Phase der EM mit den zwei zeitversetzten Spielen am frühen und späten Abend zu Ende. Damit ist nun auch die Zeit der Ausreden (glühende Hitze auf dem Platz, Ball kam direkt aus der Sonne, knüppelharter Rasen wegen Trockenheit etc.) ein für allemal vorbei. Es gibt auch keine leichten Gegner mehr, die man unterschätzen könnte und die sich mit elf Mann 90 Minuten nur hinten reinstellen. Jetzt gibt es ab dieser späten Gruppenphase bis zum Finale der EM selbst nur noch reine Endspiele. Wie sagte es Kaiser Franz mal so schön treffend: "Ja gut, es gibt nur eine Möglichkeit: Sieg, Unentschieden oder Niederlage." Für uns Fernsehtipper bahnt sich häuslicherseits ebenfalls Entspannung an: Endlich wieder mehr Zeit zum Rasen mähen, Bier kaufen und Sport-Bild lesen!
An der EM-Bar sind die ersten Entscheidungen gefallen, welche 8 Flaschen nach Hause geschickt werden und welche (zunächst noch) auf dem Tresen stehen bleiben dürfen. In der Getränkegruppe A wie Alkohol ist nun alles klar: Ein guter Tropfen Portwein erfreut weiterhin die gastgebenden Trinker. Der schon trinkfertig eisgekühlte Ouzo wurde noch mal kräftig durchgeschüttelt, bleibt aber fester Bestandteil unserer EM-Bar. Rioja und (russischer) Wodka wurden aussortiert und sorgten für den ersten schweren Kater bei den Nutzern. Nach dem zweiten Qualifikationstrinken stehen in Gruppe C "Absolut Wodka" und "Gammel Dansk" in der Trinkergunst noch deutlich vor einem etwas kratzigen Grappa. Ein bulgarisches Gebräu ohne Namen erwies sich bisher als nicht trinkbar. In Gruppe D präsentiert sich auf dem Tresen ganz vorne ein lecker gezapftes Budweiser. Die nächste Runde dieses erfrischenden Gesöffs ist schon bestellt. Ob sich beim Wirkungstrinken deutsches Bier noch mal gegen holländischen Genever durchsetzen kann, muss abgewartet werden.

Bulgarien – Dänemark
Erstmals wurde eine EM-Partie versuchsweise in einem Steinbruch ausgetragen. Nur die beiden Haupttribünen in Braga erinnerten an so etwas wie ein Fußballstadion. Flogen die Bälle übers Tor, mussten die Torhüter stundenlang zwischen den Felsbrocken die Bälle suchen. Das schien die Bulgaren dermaßen zu nerven, dass sie irgendwann das Schießen komplett einstellten. Diese Einladung nahmen die Mannen um Dänen-Rupser Gravesen dankend an. Das 2:0 war zweifellos hoch verdient. Jetzt spielen die Pölser im Gruppenfinale gegen die benachbarten Ikea-Elche.

Italien – Schweden
Ohne Rotzlöffel Totti kamen die Blauen recht gut in Schwung und gingen völlig verdient in Führung, versäumten es aber in der Folge, den Sack zu zu machen. Der schwedische Duselausgleich per Hackentrick versaute so manchem vier schöne Tipperpunkte, war aber nett anzuschauen. Jetzt reicht den beiden Nordstaaten im Gruppenfinale ein (hohes) Unentschieden, um die Spaghettis auszubremsen. Wir freuen uns daher schon jetzt auf ein wundervolles 7:7! Dann hätte Mr. Trap wohl endgültig fertig.

Lettland – Deutschland
Wer hätte das gedacht? Unsere Jungs spazieren weiterhin ungeschlagen durch diese EM! Wir sahen alles: Druckvolles Spiel aus dem Mittelfeld, packende Torraumszenen, brillante Kombinationen, Tempo, Rasse, Klasse und jede Menge Tore. Moment mal – ich bin leider in der Zeile verrutscht. Dieser Text sollte weiter unten beim nächsten Spiel stehen. Also noch mal von vorne: Diese Hitze, diese Letten, dieser Schiedsrichter! Die Hitze machte unsere Jungs rammdösig. Wie sollte man da richtig Fußball spielen? Die Letten erwiesen sich zudem als richtige Spielverderber. Wem haben die eigentlich ihren EU-Beitritt zu verdanken – doch wohl den Deutschen, oder? Nur der Schiedsrichter war auf unserer Seite und konnte das Schlimmste verhindern. Das Allerschlimmste verhinderte dann kurz vor Schluss unser Stürmerstar Miro Klose – für die Letten! Dieser Mann gilt als einer der besten Kopfballspieler der Bundesliga. Auch die Verantwortlichen von Werder Bremen müssen das bei seiner Verpflichtung fest geglaubt haben. So blieb es letztendlich beim 0:0. Aber wir kennen das ja: Deutschland tut sich bei großen Turnieren mit den so genannten "Kleinen" immer recht schwer. Wir denken an Marokko, Algerien oder Tunesien. Leider haben wir es uns in den letzten Jahren dann auch noch angewöhnt, gegen die so genannten "Großen" nicht mehr zu gewinnen. Wir müssen also auf Gegner aus dem Niemannsland der FIFA-Rangliste hoffen, die dort Plätze zwischen 20 und 96 belegen. Bei der WM klappte das gegen Saudi-Arabien, Kamerun, Paraguay, die USA und Südkorea schon ganz gut. Nun schauen wir mal, ob wir bei dieser EM noch Mannschaften von diesem Kaliber erwischen. Vielleicht schonen die Tschechen im letzten Gruppenspiel ja ihre Gelbsünder und spielen mit der B-Mannschaft. Dann könnte es doch noch mit dem Viertelfinale klappen und wir fahren tatsächlich noch ohne Holland nach Faro.

Niederlande – Tschechien
Etwas weiter oben fing ich ja schon mit dem Text zu diesem Spiel an. Es gibt Spiele, bei denen schaut man alle drei Minuten auf die Uhr und die Zeit will einfach nicht vergehen und es gibt Spiele wie dieses am letzten Samstagabend. Alle, die sich zeitgleich auf dem Holstenbummel zum Kieler-Woche-Auftakt haben tot trampeln lassen, haben wirklich eines der besten Fußballspiele der EM-Geschichte verpasst. Unglaublich, mit welcher Wucht diese spielstarken Teams aufeinander prallten und alle taktischen Zwänge über Bord warfen. Für dieses Spiel wären wir nachträglich noch bereit gewesen, zusätzliche Fernsehgebühren zu bezahlen. Trotzdem musste es einen Verlierer geben, und das war in diesem Fall Holland (ein Jammer – wirklich sehr schade!). Jetzt wird es für Bondscoach Dick Doornkaat richtig schwer. Warum er einen seiner besten Leute (Jungstar Robben) vom Platz nahm, wird wohl für immer sein Geheimnis bleiben. Jetzt können die Flutopfer in spe nicht mehr aus eigener Kraft das Viertelfinale schaffen. Ob es noch zu einem (finalen?) Sieg gegen Lappland reicht, wird man sehen.

Russland – Griechenland
"Ich liebte ein Mädchen in Griechenland, das die Liebe am schönsten beim Kriechen fand" textete seinerzeit der legendäre Komiker Ingo Insterburg. Wir wissen nicht, ob er dabei schon an Otto "Kukidentopoulos" Rehhagel und seine bessere Hälfte Beate gedacht hat. Seine Spieler nahmen das Lied zunächst wörtlich und begannen mit Krebsfußball gegen die Russen. Erst nach dem 0:2 begaben sie sich in die Horizontale und stemmten sich gegen das drohende EM-Aus. Am Ende sprang eine hoch verdiente Arbeitniederlage und der Einzug ins Viertelfinale heraus. Glückwunsch Otto – mach uns weiter deinen Sirtaki!

Spanien – Portugal
Endspiel um die iberische Meisterschaft 2004: Portugal siegt knapp und springt dem plötzlichen EM-Tod gerade noch mal von der Schippe. Nachdem im Stadion seitens der heimischen Fans schon Totenstille herrschte, nahm Sportsfreund Gomes in der zweiten Halbzeit sein Herz in die Hand und zog einfach mal ab. Spanien hatte danach noch alle Chancen, versagte aber wie schon so oft bei großen Turnieren. Portugals ausländischer Trainer Gene Hackman wird jetzt vielleicht doch noch eingebürgert.

Heute Abend glotzt der Kanal England gegen Kraotien. Wir tippen auf sechs Gelbe und zwei Rote!

Eusebio!