Kanalkommentar vom 14. Juni 2004
Endlich rollt der Ball! Und was fuer einer – "Roteiro" heißt er (warum
eigentlich nicht Rotinho?). Diese Spielgerät von "adidas" ist in einem
fröhlichen betongrau gehalten und hat ein schwarzes Fadenkreuz, damit
die Spieler es besser treffen können. Das klappte teilweise schon recht
gut, bisweilen waren manche Kicker leider auch weniger erfolgreich.
Am Samstag verfolgten wir in Roberts Klausdorfer EM-Studio die ersten beiden
Spiele. Heftige Regenfälle mit Blitz und Donner hielten uns nicht davon
ab, die Partien zum Teil auf der Terrasse abzuglotzen. In Portugal war man
von "Fritz-Walter-Wetter" weit entfernt. Die Sonne schien perfekt an allen
Spielorten. Dann ging es nach der üblichen Eröffnungsfeier los
...
Portugal – Griechenland
Ottolos Rehagoulos triumphierte über die trauernden Gastgeber. Eine
reife Leistung der Griechen! Merkwürdig saft- und kraftlos wirkten Figo
& Co. War der Erwartungsdruck im eigenen Land zu hoch? So seltsam uninspiriert
sah man die Portugiesen selten. Man fühlte sich an die letzte WM erinnert.
Jetzt helfen nur noch zwei Siege gegen Spanien und Russland. Das wird hart
für die Gastgeber! Wir fragen uns langsam, ob man bei Eröffnungsspielen
künftig nicht besser das Ergebnis auswürfeln sollte; letzte WM
Senegal – jetzt Griechenland!
Spanien – Russland
Ein Spiel ohne große Höhen und Tiefen. Die Spanier waren eben
einen Tick besser und haben gegen bemühte, aber letztendlich doch zahnlose
russische Bären im Endeffekt verdient gewonnen. Glück mit der Einwechslung
muss man haben: Spaniens Valerón stand gerade mal eben 20 Sekunden
auf dem Platz, da klingelte es auch schon im Netzwerk des russischen Torwärters
"Teerzopf".
Schweiz – Kroatien
Not gegen Elend, dazu ein grausig kleinlicher Schiedsrichter aus Portugal,
der nahtlos an die schwachen Leistungen seiner Landsleute im Eröffnungsspiel
anknüpfte. Einzig sehenswert die Surfeinlage über der Grasnabe
von Torwart Jörg Stiel. Das gibt aber leider nur hohe B-Noten. Wir glauben
aber nicht, dass es für die Eidgenossen noch zu einem Tor bei dieser
EM reichen wird.
England – Frankreich
Englands früherer Coach Robby Robson sagte einmal: "Die ersten neunzig
Minuten sind immer die schwersten." Das sollte sich gestern mal wieder als
fataler Irrtum herausstellen. Die Bayern konnten 1999 gegen ManU ein Lied
davon singen. Jetzt stimmen Beck’s & Co. traurig in diese Melodie mit
ein. Drei Minuten vor dem Abpfiff waren die Franzosen klinisch tot: Zidane
gab Verzweiflungsschüsse in Richtung Atlantik ab – Henry flankte auf
die Pressetribüne Und dann das! Fachkundigen Kanalglotzern war es die
ganze Zeit schon ein Rätsel, warum es die Franzmänner immer geradezu
stereotyp mit harmlosen Flanken aus dem Halbfeld in den Strafraum der Engländer
versuchten (Englands kopfballstarke Abwehr wurde dadurch immer sicherer),
anstatt im Spiel 1 gegen 1 Freistöße an der Strafraumgrenze herauszuholen
und auf den besten Freistoßschützen der Welt zu hoffen. Spät
– aber nicht zu spät ergab sich dann doch noch diese eine Chance für
Zidane. Man hätte denken können, dass bei dem Schuss weder eine
Mauer oder ein gegnerischer Torwart existierten. Vielleicht hat dieser Teufelskerl
die Limies einfach nur für einen Moment weggebeamt und wir haben es
alle nicht gesehen. Einfach unglaublich! Noch unglaublicher war, was sich
30 Sekunden später ereignete. Jeder hätte geglaubt, die Franzosen
geben sich mit diesem glücklichen Punkt zufrieden, doch was machen sie
nach dem Mittelanstoß: Druck! Englands Gerard war wohl gedanklich schon
im "After-Game-Pub" und "Strafraumphantom" Henry angelt sich noch den Rückpass.
Das weitere ist bekannt und trägt zur weiteren Legendenbildung eines
immer freundlichen Herrn aus Algerien bei – Chapeau! Jetzt ist in dieser
EM-Gruppe richtig Musik drin: England muss voll auf Sieg spielen und das
Trauma von gestern Abend schnellstens verdrängen. Das sollte gelingen:
Abwehr bis auf die Aussetzer ab Minute Neunzig bärenstark, Mittelfeld
sehr beweglich, vorne ein 18-jähriger Rammbock, der sogar seine eigene
Mutter wegchecken würde. Schweizer und Kroaten müssen sich sehr
warm anziehen. Frankreich muss als EM-Favorit noch eine Schippe drauflegen,
doch mit so einem Duselsieg im Rücken spielt es sich auch viel leichter...
Das war es fürs erste vom Kanal
Eusebio!