Kanalkommentar vom 02. Juli 2004

Tschechien – Griechenland
Das war es dann wohl endgültig mit der pünktlichen Eröffnung der Olympiade: Momentan hängen Tausende besoffener griechischer Bauarbeiter in den Baugerüsten der Olympiastätten. Die nächste Runde Retsina ist schon geordert. Otto finden sie dort unten nicht nur gut, Otto hat’s tatsächlich möglich gemacht: Das "Wunder von Porto"! Die Spielweise ist für Fußball-Ästheten vielleicht etwas gewöhnungsbedürftig. Wir Deutsche sitzen aber im Glashaus und sollten ganz ruhig sein. Mit einer ähnlichen Taktik sind unsere Kicker bei der letzten WM auch ins Endspiel eingezogen. Die Tschechen werden heute aufwachen, sich verwundert die Augen reiben und fragen: "Was haben wir gestern abend falsch gemacht?" Nicht wirklich viel: Sie haben es lediglich versäumt, den verfluchten "Roteiro" ins Eckige zu befördern. Chancen dazu hatten sie genug. Im Viertelfinale bewunderten wir noch die Effektivität des tschechischen Sturmduos Koller / Baros. Gestern hätten sie noch eine weitere Stunde spielen können und vermutlich weitere Chancen in Serie versiebt. "Was wäre wenn...?" werden sie sich auch fragen. Was wäre, wenn Rosicky nach zehn Minuten nicht so genau an die Latte, sondern zehn Zentimeter tiefer gezielt hätte? Was wäre, wenn sich Nedved nicht schon nach einer halben Stunde selbst verletzt hätte? Was wäre, wenn Koller in der letzten Spielminute seinen hoch gewachsenen gegnerischen Abwehrspieler nicht so alleine im Strafraum gelassen hätte? Für diese Fragen gibt es jetzt keine schlüssigen Antworten mehr. Die Griechen haben eben dieses eine "silberne" Tor fabriziert, die Tschechen keines. So einfach ist Fußball.
Wie haben die Griechen das bloß geschafft? Sie scheinen Meister darin zu sein, das gegnerische Aufbau –und Angriffsspiel gewissermaßen "einzuweben". Nach und nach sitzen die Gegner wie in einem unsichtbaren Spinnennetz und absorbieren auf diese Weise die letzte Kreativität und Kraft. Spinnenmensch Otto wird mit dieser einzigen Taktik natürlich auch in das letzte Gefecht dieser EURO gehen. Wir haben lange nachgedacht, aber es ist uns kein Argument eingefallen, warum Griechenland gegen Portugal Europameister werden sollte:

1. Portugal hat die besseren Fußballer und internationale Stars wie Figo.
2. Portugal hat die bessere Mannschaft.
3. Portugal hat mehr Tore geschossen.
4. Portugal hat 90 % des Publikums hinter sich.
5. Portugal hat einen Tag mehr Pause.
6. Portugal will sich für die Niederlage im Eröffnungsspiel rächen.
7. Die Griechen sehen alle gleich aus und haben Namen, die man sofort wieder vergisst: Dallas, Sarikakis, Pommis Fritis, Perfidis  oder Artritis.
8. Der griechische Torwart sieht aus wie George Clooney, ist aber nur Ersatzmann in seiner Vereinsmannschaft und eher ein Fliegenfänger.
9. Otto ist viel zu alt und hat seine besten Zeiten hinter sich.
10. Die Griechen sind mit dem Finale zufrieden und bereiten sich jetzt schon auf die Helden-Party in Athen vor.
Sind das nicht 10 gute Gründe für einen klaren 3:0-Sieg der Portugiesen? Alle jetzt noch um ihre Punkte zitternden Portugal-Tipper sollten wirklich völlig entspannt sein. Noch nie ist eine Mannschaft mit einer vergleichbaren Spielweise wie die der Griechen Europameister geworden. Es ist schön, dass man Fußballergebnisse doch so klar und logisch vorhersagen kann. Mit diesem eindeutigen Votum freuen wir vom Kanal uns auf ein spannendes Endspiel. Was machen wir aber, wenn es vielleicht doch das "Wunder von Lissabon" gibt? Dann löschen wir einfach diesen Text hier und tanzen nach dem Genuss einer Flasche Ouzu einen gepflegten Sirtaki.

Eusebio!